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Ärzte Woche

23.08.2023

Ötzis Ahnen kamen aus Nahost

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Das anatolische Erbe ist beim Eismann Ötzi dominant. Der für seine Zeit steinalte Mann war dunkelhäutig und vermutlich kahl. Überraschend sind die neuen genetischen Ergebnisse deshalb, weil ursprünglich eine ganz andere Abstammung vermutet worden war.

Der Genmix heutiger europäischer Menschen ist hauptsächlich aus der Vermischung dreier Ahnengruppen entstanden: Die ursprünglichen Jäger und Sammler Westeuropas gingen nach und nach in den frühen Bauern auf, die vor etwa 8.000 Jahren aus dem Nahen Osten einwanderten, und schätzungsweise beginnend vor etwa 4.900 Jahren kamen dazu noch Steppenhirten aus Osteuropa.

Bei ersten Analysen hatte man in Ötzis Erbgut genetische Spuren dieser Steppenbevölkerung gefunden, die die verfeinerten neuen Ergebnisse nun nicht mehr zeigen: Die damalige Probe war mit moderner DNA kontaminiert. Seit der ersten Studie wurden nicht nur die Technologien zur Sequenzierung enorm weiterentwickelt, man hat auch viele Genome prähistorischer Europäer, häufig aus Skelettfunden, vollständig entschlüsselt. Damit war es möglich, Ötzi mit Zeitgenossen zu vergleichen.

Das Ergebnis: Unter den hunderten frühen europäischen Menschen die zur selben Zeit wie Ötzi lebten und deren Genome zur Verfügung stehen, hat Ötzi die meisten bäuerliche Ahnenanteile.

Das Forschungsteam des Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie und von Eurac Research schließt daraus, dass er aus einer relativ isolierten Bevölkerung mit wenig Kontakt zu anderen europäischen Gruppen stammte. „Wir waren sehr überrascht, im neuen Ötzi-Genom keine Spuren der osteuropäischen Steppenhirten zur finden, auch der Anteil der Jäger und Sammler Gene beim Ötzi ist sehr gering. Genetisch sieht er so aus, als seien seine Vorfahren direkt aus Anatolien gekommen“, erklärt Johannes Krause, Leiter der Abteilung Archäogenetik am MPI in Leipizig.

NeueErgebnisse erbrachtedie Studie auch zu Ötzis Aussehen. Sein Hauttyp, schon in der ersten Genom-Analyse als mediterran-europäisch bestimmt, war noch dunkler als bisher angenommen. „Es ist der dunkelste Hautton, den man in europäischen Funden aus derselben Zeit nachgewiesen hat“, erklärt der Anthropologe und Mitautor der Studie Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung bei Eurac Research in Bozen: „Man dachte bisher, die Haut der Mumie sei während der Lagerung im Eis nachgedunkelt, aber vermutlich ist, was wir jetzt sehen, weitgehend Ötzis originale Hautfarbe. Dies zu wissen, ist wichtig für die Konservierung.“

Unser Bild von Ötzi stimmt auch in Bezug auf die Haare nicht: Als reifer Mann hatte er nicht mehr langes, dichtes Haupthaar, sondern höchstens einen schütteren Kranz. Seine Gene zeigen eine Veranlagung zur Glatzenbildung. „Das ist ein relativ eindeutiges Ergebnis und könnte auch erklären, warum bei der Mumie fast keine Haare gefunden wurden“, sagt Zink. Ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Diabetes Typ 2 lag ebenfalls in Ötzis Erbanlagen, kam dank seines gesunden Lebensstils wohl nicht zum Tragen.

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Metadaten
Titel
Ötzis Ahnen kamen aus Nahost
Publikationsdatum
23.08.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 34/2023

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