Krankheitsbild | Prävalenz (Prozent) |
---|---|
Rheumatoide Arthritis | 11 |
Systemische Sklerose | 47 |
Idiopathische inflammatorische Myopathie | 41 |
Primäres Sjögren-Syndrom | 17 |
Mischkollagenose | 56 |
Systemischer Lupus erythematodes | 6 |
Open Access 28.11.2024 | Originalien
Interstitielle Lungenerkrankung bei systemischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen: Update zu Diagnostik und Monitoring
Erschienen in: Rheuma Plus / Schweiz | Ausgabe 4/2024
Zusammenfassung
Patienten mit systemischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen (SARD) haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD), die häufig prognosebestimmend ist. Richtlinien zu Screening und Monitoring, die aufgrund des hohen Mortalitätsrisikos und der wachsenden medikamentösen Therapieoptionen besonders relevant sind, waren lange nicht verfügbar. Kürzlich wurden amerikanische Leitlinien von Rheumatologen und Pneumologen gemeinsam publiziert. Die europäischen Empfehlungen stehen kurz vor der Veröffentlichung. Zum Screening bei asymptomatischen Hochrisikopatienten oder symptomatischen Patienten wird die Kombination von HRCT und Lungenfunktionstest empfohlen, optional die Sauerstoffmessung vor und nach Belastung. Dasselbe gilt für das Monitoring bei diagnostizierter SARD-ILD, wobei es keine klaren Empfehlungen für eine serielle Bildgebung mittels HRCT gibt. Eine gute Datenlage für die Frequenz von Rescreening und Monitoring fehlt, sodass eine individuelle Abwägung basierend auf Risikofaktoren empfohlen wird. Dieser Artikel ordnet die aktuell verfügbaren Empfehlungen in einen größeren Kontext ein und berücksichtigt dabei auch die neue Datenlage. Das Management dieser Patienten sollte in einem interdisziplinären und interprofessionellen Team erfolgen, um der Komplexität dieser z. T. sehr seltenen Krankheitsbilder Rechnung zu tragen.
Die interstitielle Lungenerkrankung (engl. „interstitial lung disease“, ILD), charakterisiert durch Entzündung und/oder Fibrose des Lungenparenchyms, ist eine häufige und prognosebestimmende Komplikation bei einer Vielzahl systemischer autoimmuner rheumatischer Erkrankungen (SARD). Besonders hoch ist das Risiko für die Entwicklung einer ILD bei der rheumatoiden Arthritis und einigen Kollagenosen (Tab. 1).
Tab. 1
Gepoolte Prävalenz der ILD bei Patienten mit SARD. (Modifiziert nach [1])
Aufgrund des stark erhöhten Mortalitätsrisikos bei symptomatischer Erkrankung und in Anbetracht der wachsenden Zahl wirksamer (meist „off-label“) immunmodulatorischer und antifibrotischer Therapien kommen dem ILD-Screening und -Monitoring eine große Bedeutung zu [2]. Internationale Empfehlungen fehlten lange Zeit. Vor Kurzem wurde die interdisziplinäre „2023 American College of Rheumatology (ACR)/American College of Chest Physicians (CHEST) guideline for the screening and monitoring of interstitial lung disease in people with systemic autoimmune rheumatic diseases“ publiziert [3]. Die europäischen Richtlinien, die „European Respiratory Society (ERS)/European League Against Rheumatism (EULAR) clinical practice guideline on connective tissue diseases with interstitial lung involvement“ stehen ebenfalls kurz vor der Veröffentlichung [4]. Ziele dieser internationalen Richtlinien sind die verbesserte Diagnostik der ILD bei Patienten mit SARD und die Optimierung des gemeinsamen Managements durch Rheumatologen und Pneumologen. Aktuell sind die Daten der europäischen Richtlinie noch unter Embargo, sodass sich dieser Artikel ausschließlich auf die amerikanischen Richtlinien bezieht. Hervorzuheben ist, dass die Evidenz für die Richtlinien basierend auf einer limitierten Datenlage insgesamt relativ tief ist.
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Wie zuvor bereits diskutiert gehen einige SARD mit einem stark erhöhten Risiko für eine ILD einher. Für das Screening müssen – auch unter den Aspekten der Machbarkeit und Finanzierbarkeit – die Prävalenz der Grunderkrankung und der jeweiligen SARD-ILD, aber auch das Risiko für einen schweren bzw. progredienten Verlauf der ILD in die Überlegungen miteinbezogen werden. So sind z. B. die rheumatoide Arthritis (RA) und die Sjögren-Erkrankung (SjD) relativ prävalente rheumatische Erkrankungen, bei denen eine ILD in „nur“ ca. 11–17 % der Fälle auftritt. Die inflammatorische Myopathien (IIM) oder die systemische Sklerose sind sehr seltene Erkrankungen (Prävalenz ca. 1 pro 1 Mio.) mit einem sehr hohen Anteil an Lungenbeteiligung (ca. 50 %; [1]). In den amerikanischen Richtlinien wird daher bei asymptomatischen Patienten mit SARD und erhöhter ILD-Prävalenz empfohlen, ein risikofaktorenbasiertes Screening durchzuführen. Diese krankheitsspezifischen Risikofaktoren variieren je nach Literaturquelle etwas, beinhalten im Wesentlichen aber meist Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer, Positivität für bestimmte Autoantikörper, weitere Serummarker, Nikotinkonsum und/oder die Präsenz extrapulmonaler Krankheitsmanifestationen [3]. Für die rheumatoide Arthritis wurde diesbezüglich sogar ein Screeningalgorithmus publiziert [5]. Neueste Daten aus einer Studie zur SSc zeigen jedoch, dass dieser rein risikofaktorenbasierte Ansatz die Gefahr birgt, dass eine relevante Anzahl von Patienten mit ILD (bei SSc ca. 25 %) verpasst wird [6]. Da sogar eine relativ milde oder erst beginnende ILD mit noch normalen Lungenfunktionsparametern zum Tod durch Infektionen der oberen Atemwege führen kann [7], ist diese Empfehlung kritisch zu betrachten.
Empfohlen wird die Kombination aus Lungenfunktionstest (Spirometrie, Lungenvolumina, DLCO) und „high-resolution“ Computertomographie (HRCT) des Thorax [3]. Anamnese und Auskultation sollten in jedem Fall durchgeführt werden. Sie sind jedoch unzureichend für die Diagnosestellung einer ILD. Das Symptom trockener Husten hat zwar eine Spezifität von 89 %, die Sensitivität beträgt jedoch nur 15 %, was für einen Screeningtest nicht ausreichend ist. Hinzu kommt, dass eine orale oder laryngeale Sicca-Symptomatik, die bei Kollagenosen häufig auftritt, ebenfalls einen trockenen Reizhusten provozieren kann. Das Knisterrasseln als Charakteristikum der ILD bei der Auskultation fehlt bei ca. 30 % der Patienten mit ILD und hat eine Spezifität von nur 66 % [8]. Belastungsdyspnoe oder Abnahme der Leistungsfähigkeit (unter Berücksichtigung möglicher extrapulmonaler Manifestationen) sind weitere Symptome, die erfragt werden sollten, die für sich genommen jedoch nicht sensitiv und spezifisch genug sind. Die alleinige Durchführung eines Lungenfunktionstests bei Erstvorstellung ohne begleitende Bildgebung bringt ein inakzeptables Risiko falsch-negativer Befunde mit sich. Eine FVC < 80 % (Normwert 80–120 %) weist eine Sensitivität von knapp 48 % und eine Spezifität von ca. 79 % auf, die HRCT hingegen von ca. 100 % bzw. 55 % [9]. Hinzu kommt, dass ein Patient vorgängig bereits eine relevante FVC-Abnahme erlebt und dennoch immer noch „normale“ FVC-Werte haben kann. Die HRCT liefert neben der Detektion von Lungenparenchymveränderungen noch weitere Informationen z. B. über die Art des Umbaus („ground glass“, Retikulationen oder Traktionsbronchiektasie etc.) oder den radiologischen Subtyp (z. B. organisierende Pneumonie, „non-specific interstitial pneumonia“, „usual interstitial pneumonia“ etc.; [10]), was für Prognose und Management relevant ist. Husten, Mikrostomie oder Intensivpflichtigkeit können Gründe sein, um exklusiv eine HRCT durchzuführen. Untersuchungen wie z. B. ein konventioneller Röntgenthorax, der 6 min-Gehtest oder die Sauerstoffmessung unter Belastung werden aufgrund fehlender Sensitivität, Beeinflussung durch extrapulmonale Faktoren oder auch fehlende Machbarkeit nicht als primäre Screeningtools empfohlen [3]. Invasive Verfahren, wie z. B. die Lungenspiegelung oder eine Lungenbiopsie, sollten differenzialdiagnostischen Fragestellungen, wie z. B. Lungenblutung, Infektion oder Lungenkarzinom, vorbehalten bleiben [3].
Zur Beantwortung dieser Fragestellung gibt es aktuell (noch) keine gute Datenlage. Die allgemeinen Empfehlungen lauten „jährlich“ bei asymptomatischen Patienten mit SARDS und hoher ILD-Prävalenz, legen aber nahe, die individuelle Patientensituation und die Präsenz ungünstiger Prognosefaktoren bezüglich Progression (z. B. Positivität für MDA 5) zu berücksichtigen und das Screeningverhalten entsprechend anzupassen. Darüber hinaus wird ein Rescreening bei Auftreten von Symptomen empfohlen [3]. Für das Management in der eigenen Praxis ist es wichtig zu berücksichtigen, dass bei den SARD, beispielhaft gezeigt für die SSc, die jährliche Inzidenzrate für ILD über einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren durchschnittlich 3,8 % betrug [11]. Dasselbe gilt beispielsweise auch für die Sjögren-Erkrankung [12].
Nach Diagnosestellung einer ILD kommt dem Monitoring des Krankheitsverlaufs (funktionelle Stabilisierung, Verbesserung, Progression) und diesbezüglich ggf. auch der Evaluation des Therapieansprechens eine zentrale Rolle im Komanagement der Patienten mit SARD-ILD durch Rheumatologie und Pneumologie zu. Etwa 30–40 % der Patienten mit SARD-ILD entwickeln einen progressiv-fibrosierenden Phänotyp [13]. Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, was man als Progression bezeichnet. Die amerikanische Richtlinie gibt dafür keine Definition. Wie man im klinischen Alltag Progression definiert, hat jedoch einen erheblichen Einfluss auf die die Zahl progressiver Patienten, die man detektiert, und damit auch unmittelbar auf das Management [13, 14]. Kürzlich vorgestellte Daten zeigen, dass in den ersten 12 Monaten bei allen Risiko-SARD (rheumatoide Arthritis, Sjögren-Erkrankung, systemische Sklerose, Antisynthetasesyndrom, Mischkollagenose) eine Progression zu beobachten ist. Der Anteil progressiver Patienten variierte jedoch abhängig davon, ob man eine Progression über 12 Monate als FVC-Abnahme ≥ 5 % bzw. ≥ 10 % definiert oder einen Kombinationsscore aus 3 Parametern für die progressive pulmonale Fibrose zugrunde legte. Bei der SSc-ILD resultierten hieraus beispielsweise folgende Zahlen: ca. 30 %, 15 % bzw. 10 % Progression [15].
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In den amerikanischen Richtlinien werden Lungenfunktionstests für alle SARD-ILD-Patienten unter Berücksichtigung der bereits zuvor genannten Limitationen empfohlen, idealerweise in Kombination mit der Messung der Sauerstoffsättigung vor und nach der Belastung [3]. Bei SARD mit hoher Prävalenz einer ILD, wie z. B. SSc oder IIM, wird im ersten Jahr empfohlen, alle 3–6 Monate eine Lungenfunktion durchzuführen, danach, wenn der Patient stabil ist, „weniger häufig“ [3]. Nicht logisch erscheint, warum die MCTD, die eine mit der SSc vergleichbare Prävalenz der ILD (> 50 %) und einen ähnlichen Krankheitsverlauf aufweist [1], in dieselbe Monitoringkategorie wie RA und SjD eingereiht wird, für die ein Lungenfunktionstest alle 3–12 Monate im ersten Jahr empfohlen wird. Nichtpublizierte Daten der Placebogruppen des SENSCIS Trial zu SSc-ILD [16] und des INBUILD Trial, in dem auch Patienten mit RA-ILD untersucht wurden [17], die bei der EULAR-Konferenz vorgestellt wurden (WIN Talk, A. Hoffmann-Vold), zeigen, dass ein jährliches Screening bei diesen beiden Krankheitsgruppen (und damit evtl. auch bei anderen) zu wenig sein könnte. Bei der SSc-ILD trat nach 12 Wochen bei ca. 16 % und nach 24 Wochen bei ca. 25 % der Patienten eine Progression der ILD, definiert als absolute Abnahme der FVC ≥ 5 % oder Tod in 12 Monaten der Beobachtung, auf. Bei der RA waren es zu denselben Zeitpunkten ca. 23 % bzw. 40 %. Die amerikanischen Richtlinien empfehlen die parallele Durchführung einer (strahlendosisreduzierten) HRCT „bei Bedarf“, z. B. dann, wenn ein Patient physisch nicht in der Lage ist, einen Lungenfunktionstest durchzuführen, oder auch dann, wenn respiratorische Symptome bei stabilen Lungenfunktionsparametern vorhanden sind, eine Abnahme der Lungenfunktionsparameter auftritt oder ein Screening für ein Lungenkarzinom (oder auch eine Infektion) für notwendig erachtet wird [3]. Mit dem Verzicht auf serielle CT und einem alleinigen Lungenfunktionstest zum Monitoring läuft man jedoch Gefahr, einen relevanten Anteil von Patienten mit einer progressiven pulmonalen Fibrose zu verpassen (ca. 30 %; „unpublished data“; WIN Talk EULAR 2024, AM Hoffmann-Vold). Da belastbare Daten fehlen, bleibt es aktuell ein Einzelfallentscheid, ob oder wann man eine HRCT zusätzlich zum Lungenfunktionstest durchführt (Abb. 1). Abzuraten ist von einer konventionellen Röntgenuntersuchung des Thorax aufgrund der zu niedrigen Sensitivität [3]. Eine Bronchoskopie ist zum Ausschluss einer Lungenblutung oder einer Infektion indiziert, jedoch nicht zum regulären Monitoring. Der 6-min-Gehtest wird in den amerikanischen Richtlinien nur als mögliche Alternative für Patienten, die den Lungenfunktionstest nicht durchführen können, empfohlen oder zur Abklärung vor Lungentransplantation [3]. Eine erst kürzlich publizierte Studie wies jedoch die Assoziation einer Abnahme der Gehdistanz und einer Ruhe- oder Belastungshypoxämie mit einer progressiven pulmonalen Fibrose nach [18]. Bei Patienten mit SARD muss man allerdings, wie bereits ausgeführt, mögliche extrapulmonale Einflussfaktoren berücksichtigen. Hierzu zählt u. a. auch die Präsenz eines Raynaud-Phänomens, bei dessen Vorhandensein die Sauerstoffsättigung alternativ z. B. am Ohr oder an der Stirn mit speziellen Geräten gemessen werden sollte.
Zusammenfassend bieten die amerikanischen Richtlinien eine Orientierungshilfe für Screening und Monitoring bei SARD-ILD, wobei die Datenlage für die Empfehlungen insgesamt relativ schlecht ist. Der Lungenultraschall, die quantitative HRCT, blutbasierte Biomarker, aber auch AI-Applikationen zur Prädiktion von Krankheitsprogression stellen in der Zukunft potenzielle weitere Tools für Screening oder Monitoring dar. Ein bi- bzw. multidisziplinäres und interprofessionelles Management an einem Expertenzentrum ist in Anbetracht der Seltenheit, Komplexität und hohen Mortalität der SARD-ILD zu empfehlen [19].
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B. Maurer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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