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Ärzte Woche

01.12.2023 | Hygiene- und Umweltmedizin

Wiens Wasser auf dem Prüfstand

verfasst von: Mit Marija Zunabovic-Pichler hat Josef Broukal gesprochen

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Das Wiener Trinkwasser wird ununterbrochen auf seine Qualität und Reinheit überprüft – von den Quellen bis zu den Hausanschlüssen. Zuständig dafür ist in der Zentrale von „Wiener Wasser“ die Lebensmittel- und Biotechnologin Marija Zunabovic-Pichler. Sie erzählt, wie erstaunlich viel dafür getan wird, dass Qualität und Unbedenklichkeit stimmen.

Bei der Entscheidung für die Hochquellenleitungen konnte man sich gar nicht einkriegen vor Freude darüber, dass es sich um reinstes Wasser handeln würde. Heute, 150 Jahre und viele neue Untersuchungsmethoden später – stimmt diese Behauptung immer noch?

MarijaZunabovic-Pichler: Wir messen die Wasserqualität an der österreichischen Trinkwasserverordnung, und ja, auch mit den heutigen Analysemethoden können wir sagen: ‚Wir haben reinstes Quellwasser‘. Und wir prüfen das ständig:

- Die 70 Quellen der beiden Hochquellenleitungen sind sehr unterschiedlich: Es gibt welche, die sehr dynamisch sind – in ihnen kommt der Regen rasch an. Bei ihnen fehlt an der Berg-Oberfläche die reinigende Grasnarbe. Da kann es bei Starkregen Pflanzenmaterial mitreißen oder tierische Exkremente. Das ist für die Wasserqualität nicht optimal. Wir haben aber durch lange Versuchsreihen herausgefunden, wie sich das im Lauf eines Jahres mit der Wassermenge ändert – und erkennen an der Trübung und an Spektralanalysen, ob das Wasser einer Quelle nach Wien fließen darf oder nicht. Wenn nicht, leiten wir es ab.

- Wir überwachen jede einzelne Quelle online durch Sensoren in der Quellstube. Deren Daten werden in die Betriebsleitungen übertragen. Dort wird dann anhand dieser Daten und der lokalen Wetterereignisse entschieden, welche Quellen wir nutzen und welche wir für kurze Zeit ausscheiden müssen.

- Aber wir warten nicht nur darauf, wann in einer Quelle mehr Wasser ankommt. Wir registrieren mit meteorologischen Sensoren und Informationen schon das Ankommen von Regen auf der Oberfläche. Und können so ein paar Stunden im Voraus erkennen, ob eine Quelle große Wassermengen liefern wird.

- Wir sehen aber auch genau, wenn sich der Berg bewegt und unsere Leitungen dadurch undicht werden könnten. Unsere Hydrogeologin prüft dann, ob ein Schaden aufgetreten ist; ob der schadhafte Leitungsteil bis zum nächsten geplanten „Service“ in Betrieb bleiben kann; oder ob sofort repariert werden muss.

Sie brauchen also für diese Beurteilung nicht Wasserproben zu entnehmen und in Ihren Labors in Wien zu untersuchen.

Zunabovic-Pichler: Richtig. Unser Wassermanagement fußt auf ständiger Qualitätskontrolle und auf Forschungen von über zwanzig Jahren Dauer. Von Geohydrologen, Karsthydrologen und Mikrobiologen. Wir wissen, dass mikrobiologische Untersuchungen ein bis zwei Tage dauern, und diese Zeit haben wir nicht.


Quelle X hat ihren physikalischen Schnelltest bestanden. Ihr Wasser fließt nach Wien und kommt an einem der beiden Endpunkte an, den Wasserspeichern Lainz oder Rosenhügel. Was jetzt?

Zunabovic-Pichler: Das Wasser ist so gut wie immer bestes Trinkwasser. Aber zur Sicherheit desinfizieren wir es auf zweierlei Arten, bevor es in die Speicher eintritt: Einmal durch ultraviolettes Licht, und ein zweites Mal durch Beigabe einer sehr geringen Menge an Chlordioxid – die man geschmacklich so gut wie nicht bemerkt. Mit der doppelten Desinfektion haben wir zunächst eine gewisse Redundanz bei Ausfall eines Verfahrens, und zweitens greift jedes der beiden Verfahren nur auf ein gewisses Spektrum an Mikroorganismen zu, das es inaktiviert. Das Chlor wirkt darüber hinaus auch noch in unserem mehr als 3.000 Kilometer langen Rohrnetz desinfizierend.

Wir überprüfen einmal täglich die Wasserqualität vor der Desinfizierung und danach – und zwar von beiden Hochquellenleitungen und in der Leitung vom Wasserwerk Moosbrunn. Da wir auch hier die Ergebnisse schnell brauchen, prüfen wir anhand von aussagekräftigen Parametern und warten nicht auf langwierige Untersuchungen im Labor.


Das ist dann doch ein sehr großer Unterschied gegenüber der Zeit vor 150 Jahren, als man noch nicht wusste, dass es Bakterien gab.

Zunabovic-Pichler: Was man damals beurteilen konnte, war die Trübung des Wassers, wenn man es eine Zeit lang stehen ließ. Und man hat die Wasserqualität danach beurteilt, ob man durch ein Glas Wasser die Zeitung lesen konnte. Heute betreiben wir ein Betriebslabor, in dem mit modernen Methoden gearbeitet wird, um die Prozessqualität zu überwachen. Die akkreditierte Prüfstelle der MA 39 überprüft unabhängig und laufend unsere Wasserproben nach der Trinkwasserverordnung. Ebenso führt diese Stelle regelmäßig nach Inspektionsplan hygienische Inspektionen an den Anlagen durch – von der Quelle bis zum Wasserhahn!

Zusammengefasst: Wir prüfen Wiens Wasser

- bakteriologisch,

- virologisch,

- biologisch-mikroskopisch,

- radiologisch und

- physikalisch-chemisch.

Die Untersuchungsergebnisse werden veröffentlicht unter www.wien.gv.at/wienwasser/qualitaet/. Von dieser Seite aus sind viele Informationen aufrufbar: Die generelle Qualität des Hochquellenwassers und des Wassers aus der Lobau; die Herkunft des Wassers in den einzelnen Wiener Bezirken; und die Telefonnummer des 24-stündigen Bereitschaftsdienstes für außergewöhnliche Vorkommnisse, jederzeit erreichbar unter +43 1 599 59.


Es gibt also doch Fälle, in denen die Qualität erkennbar zu wünschen übrig lässt?

Zunabovic-Pichler: Ja, aber die liegen so gut wie immer in dem Bereich, der nicht mehr von uns verantwortet wird. Die Magistratsabteilung „Wiener Wasser“ ist zuständig bis zum Wasserzähler für die einzelnen Häuser und anderen Objekte. Wassertrübungen treten typischerweise in den Hausleitungen auf – zum Beispiel, wenn eine alte Leitung lange nicht benutzt wurde. Aber wir gehen jeder Meldung nach.

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Metadaten
Titel
Wiens Wasser auf dem Prüfstand
Publikationsdatum
01.12.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 49/2023

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