Unter dem Begriff interdisziplinäre Frühförderung (IFF) werden seit den 1970er-Jahren eine Vielzahl von frühen Interventionen und Hilfen für Familien mit Kindern, die entwicklungsgefährdet oder bereits auffällig oder bereits behindert sind, zusammengefasst.
Die interdisziplinäre Frühförderung und Familienbegleitung
In zunehmendem Maß verstärken sich auf internationalem Niveau die Hinweise, dass professionelle IFF vorwiegend im Zusammenhang mit Familienbegleitung einen wissenschaftlich fundierten Benefit für die Entwicklung von Kindern mit Behinderung und Behinderungsbedrohung ermöglicht [1]. Im Kontext mit internationalen Vorbildern [2‐5] konnten auf der Basis des Sozial-und Heilpädagogischen Förderungsinstituts der Steiermark (SHFI; [6]) mit der Ausarbeitung eines fachspezifischen Curriculums für einen Lehrgang und der Installierung der IFF und Familienbegleitung (IFF-FB) in der Steiermark [7] auch für die europäische Entwicklung der Early Childhood Intervention im Rahmen der Eurlyaid [8] Impulse gesetzt werden. Die wissenschaftlich fundierte, international etablierte und europäisch zertifizierte Grundlage der IFF-FB am SHFI mit eigener Forschungstätigkeit [9‐13] sollte als Qualifikationskriterium für die Erarbeitung der vorliegenden Studie dienen.
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Gründe für die weltweite Einführung
Laien und Fachleute, die privat oder im Beruf zu Kindern mit Behinderungen Bezug hatten, waren stets vom unübersehbaren Leid und von der Hilflosigkeit der betroffenen Kinder und Ihrer Familien zu Hause und in der Öffentlichkeit betroffen, auch wenn Medizin, Therapien, Heimbehandlung und Inklusion in Kindergarten und Schule mehr oder weniger Linderung der Schicksale brachten. Umso freudiger wurden ab den 1990er-Jahren von den USA ausgehende und in vielen Ländern nachfolgende Publikationen aufregender neuer Forschungsergebnisse einer wirksamen Frühintervention begrüßt [4, 5, 14‐16], wonach das kindliche Gehirn in den ersten Lebensjahren eine besondere Plastizität und Transformations- und Kompensationsfähigkeit hat [17, 18], sodass gezielte Informationen und Erlebnisse auch in nicht vorprogrammierten Hirnarealen aufgenommen, gespeichert und in die Netzwerke der Hirnfunktionen eingebettet werden können. Dies hat bei Kindern mit Behinderungen eine besondere Bedeutung, weil die spätere Entwicklung auf einem höheren Niveau erfolgen kann. Die Wirksamkeit hängt von der Qualität der professionellen holistischen Förderprozesse und dem Angebot in einem emotional stimulierenden Milieu ab [1, 15]. Bei fehlendem Angebot dieser Frühförderinterventionen gehen diese Fähigkeiten nach dem Prinzip „use it or loose it“ in den späteren Jahren verloren.
Grundprinzipien der IFF-FB [1, 10, 13]
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Frühzeitigkeit: Die Vorteile der besonderen Plastizität und Transformationsfähigkeit des jungen Gehirns können nur mittels frühzeitiger Diagnose durch den Kinderarzt und der rechtzeitigen Zuweisung zur professionellen IFF-FB genutzt werden.
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Ganzheitlichkeit: Da jede Behinderung im frühen Kindesalter die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit beeinflusst, zielt IFF-FB auf frühzeitige holistische Entwicklungsförderung in somatischer, kognitiver, emotionaler und sozialer Hinsicht.
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Familienorientierung: Einer der wichtigsten Voraussetzungen ist die individuelle Betreuung in Familiennähe, vor allem im emotional sicheren und stimulierenden häuslichen Milieu, wobei die Erziehungsverantwortlichen unter Anleitung der spezifischen geschulten Frühförderer die entscheidende Rolle im Förderprozess als kindgerechte Informations- und Erlebnisspender innehaben.
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Kooperation: Interdisziplinäre Schulung der Frühförderer erhöht den Erwerb von Informationen über und die Kooperation mit verwandten Disziplinen, die Vereinigung unterschiedlicher Ressourcen und die Vernetzung mit maßgeblichen Institutionen.
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Qualifizierte Ausbildung: Eine wirksame Interventionspraxis kann sich nur erhalten und verbessern lassen, wenn die gelehrten und angewandten Interventionsmethoden und -strategien nachweisbar wirksam und international zum Modell werden.
Schwerpunkte der IFF-FB in der Praxis [1, 10‐13]
In Bezug auf das Kind zielt IFF-FB auf die Förderung des Verhaltens, des Denkens und Lernens und auf Hinführung des Kindes zur individuell möglichen Selbstständigkeit und soziale Integration.
Die Arbeit mit der Familie ist auf die Normalisierung des Umgangs mit dem Kind fokussiert, auf den Abbau hinderlicher Reaktionen, wie Scham- und Schuldgefühle, Unsicherheit und inadäquate Erwartungen. Das zentrale Anliegen ist der Respekt vor dem Anderssein und die Annahme des Kindes mit Behinderung als einmalige und liebenswerte Persönlichkeit mit seiner eigenen Würde.
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Unsere Studienfrage lautete, wie effektiv die IFF-FB („early childhood intervention“) bei drohender oder bereits vorhandener Beeinträchtigung eines Kindes nun ist bzw. welche Evidenz wir in der internationalen Literatur finden.
Material und Methoden
Es erfolgte eine Literaturrecherche zum Thema IFF-FB, um einerseits die aktuelle Studienlage zu beleuchten und andererseits erreichte Effekte darzustellen und bezogen auf verschiedene Gruppen von Handicaps zu vergleichen. In Abb. 1 sind die benutzten Termini und deren Kombinationen untereinander dargestellt.
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Die Literatursuche erfolgte unter Verwendung der Datenbanken PubMed, MedLine, Embase und CINAHL, der Suchzeitraum für die verwendete Literatur reichte vom 1. Januar 1990 bis zum 30. April 2019. Berücksichtigt wurde nur Literatur in englischer und deutscher Sprache; und die gefundenen Artikel wurden zusätzlich auf themenrelevante Artikel geprüft (Literaturnachweise und Quellenangaben). Die Abstracts und Kurzzusammenfassungen der Publikationen wurden auf Relevanz und Themenbezug geprüft. Hierdurch wurde die Anzahl der geeigneten Literatur auf knapp 200 Literaturstellen reduziert. Diese Beiträge wurden in ihrer gesamten Länge gelesen und aufgrund der Qualität und Menge der beschriebenen Details und Informationen ergaben sich insgesamt 113 Literaturquellen, die dann zu einem Teil für diese Übersicht verwendet wurden; 50 Beiträge zu den Effekten der IFF (je 10 pro Risikogruppe) wurden näher beschrieben und verglichen. Diese Publikationen wurden ausgewählt, weil sie genaue Informationen über das Studiendesign und -setting aufwiesen, die angewandten Interventionsarten und die Stichproben genau beschrieben waren und diese somit vergleichbar wurden. Risikogruppen waren die Risikopopulationen Frühgeburt, körperliche Behinderung (Zerebralparese), Sprachentwicklungsverzögerung und Autismus-Spektrum-Störung, Verhaltensauffälligkeiten und psychosoziale Risiken.
Ergebnisse
Risikopopulation Frühgeborene
Insgesamt wurden 9 Studien [19‐22, 24‐28] und ein Cochrane-Review mit 25 Studien [23] in diese Analyse inkludiert und zusammenfassend zeigten sich in insgesamt 9 der Publikationen interventionsspezifische positive Effekte auf die kindliche Entwicklung. Eine Studie untersuchte zusätzlich die Effekte auf elterliche Stresssymptome und fand, dass diese durch Frühförderung reduziert werden konnten (Tab. 1).
Studie | Erzielte Effekte |
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McCormick et al. 2006 [19] | Höherer IQ in LBW-Gruppe (2000–2500 g, nicht darunter) bis zum Erwachsenenalter |
Gianni et al. 2006 [20] | Verbesserte Entwicklung mit 36 Monaten |
Orton et al. 2009 [21] | Höherer EQ bei Säuglingen, keine Effekte bei 5‑ bis 12- oder 13- bis 18-Jährigen, keine motorischen Effekte |
Castel et al. 2016 [22] | Weniger Stresssymptome bei den Eltern; erhöhter EQ nach 18 Monaten |
Spittle et al. 2016 ([26], Cochrane-Review) | Kognitive Verbesserungen bis zum 17. Lebensjahr, motorische Effekte nur im Säuglingsalter |
Van Hus et al. 2016 [24] | Signifikante motorische Verbesserung, keine kognitiven Effekte; kognitive und motorische Effekte bei bronchopulmonaler Dysplasie |
Poggioli et al. 2016 [25] | Signifikante Verbesserung in Kognition und Verhalten, positive Effekte für Motorik |
Spittle et al. 2016 [26] | Weniger Mathematikschwäche, weniger Depressions- und Angstsymptome bei den Eltern |
Sgandurra et al. 2017 [27] | Motorische und visuelle Fähigkeiten signifikant verbessert |
Elbasan et al. 2017 [28] | Signifikante Verbesserung der Motorik und Kognition in beiden Gruppen, aber keine interventionsspezifischen Unterschiede |
Risikopopulation Körperliche Behinderung (Zerebralparese)
Für die Risikopopulation Körperliche Behinderung wurden 8 Studien und 2 Reviews (zusammen 47 Studien) analysiert, die Kinder mit Zerebralparese eingeschlossen hatten [29‐38]. In 4 Publikationen wurden Verbesserungen in der Motorik durch die Interventionen festgestellt [29, 31‐33]. Positive Effekte auf die kognitive Entwicklung erreichten 2 Studien; in einer Studie wurden exekutive Funktionen verbessert ([31, 34, 36]; Tab. 2). Morgan et al. [37] kamen zum Schluss, dass qualitativ hochwertige Studien fehlen (nur 10 der 34 Studien waren randomisiert kontrollierte Studien). Moderat effektiv fanden die Autoren aufgabenspezifisches Training und „enrichment“ der Umgebung, des häuslichen Umfelds sowie Elternschulung.
Studie | Erzielte Effekte |
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Thomaidis et al. 2000 [29] | Verbesserte Entwicklung, Effekt hält mindestens 8 Monate |
Mahoney et al. 2001 [30] | Keine Unterschiede durch Interventionen |
Park et al. 2014 [31] | Interventionsunabhängige motorische Verbesserung, bessere Funktionalität durch Intervention |
Cheng et al. 2015 [32] | Positive Effekte auf Muskeltonus, Funktion und Bewegungsfreiheit; kein Effekt auf passive Bewegungsfreiheit |
Zhang et al. 2015 [33] | Signifikante Verbesserung der Motorik und Kognition |
Sørensen et al. 2016 [34] | Väter und Lehrpersonal gaben verringerte Anzahl der Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen an, Mütter nicht |
Stark et al. 2016 [35] | Keine positiven Effekte auf Grobmotorik |
Hadders et al. 2016 [36] (review) | In 2 Studien signifikante Effekte auf Motorik und in einer Studie auf Kognition |
Morgan et al. 2016 [37] (Review) | Moderate Effekte bei insgesamt wenig randomisiert kontrollierten Studien |
Hielkema et al. 2019 [38] | Keine Assoziation zwischen Outcomes und Interventionsart |
Risikopopulation Sprachentwicklungsverzögerung und Autismus-Spektrum-Störung
Für die Risikogruppe der kognitiven Beeinträchtigungen wurden 3 Studien zum Thema Sprachverzögerungen und 4 Studien, ein Review, eine Metaanalyse sowie ein Cochrane-Review (17 Studien mit 919 Kindern) zur Frühförderung von Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung analysiert [39‐48]. Eine signifikante Verbesserung von sprachlichen Fähigkeiten und Kommunikation beschrieben 5 Studien [39‐41, 43, 48], eine Studie fand verbesserte motorische Fertigkeiten und eine weitere stellte schnellere Lerntempos fest [41, 43]; 3 Studien fanden keine Unterschiede zwischen den Gruppen ([39, 44, 46]; Tab. 3).
Studie | Erzielte Effekte |
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Oono et al. 2013 ([39]; Cochrane-Review) | Veränderungen in der Schwere der Symptome und im Sprachverständnis; keine Effekte auf parenteralen Stress, andere Sprachfertigkeiten oder adaptive Fähigkeiten der Kinder |
Nair et al. 2014 [40] | Verbesserter LQ, RLQ und ELQ |
Bremer et al. 2014 [41] | Verbesserte Objektinteraktion und allgemeine motorische Fähigkeiten, keine Unterschiede in adaptivem Verhalten und sozialen Fertigkeiten |
Roberts et al. 2015; [42] | Verbesserte rezeptive Sprachfähigkeit, keine Unterschiede in expressiver Sprachfähigkeit |
Klintwal et al. 2015 [43] | Schnellere IQ-Lerntempos, schnelleres Lerntempo für adaptives Verhalten |
Estes et al. 2015 [44] | Keine Unterschiede durch Interventionen |
Ketcheson et al. 2016 [45] | Verbesserung der motorischen Variablen und des Sozialverhaltens; körperliche Aktivität in beiden Gruppen gesteigert |
Hamptom et al. 2017 [46] | Follow-up-Studie (ein Jahr) von Roberts et al. [42]; keine Unterschiede |
Brignell et al. 2018 ([47], Review) | 2 randomisiert kontrollierte Studien mit 154 Probanden ASS (Autismus-Spektrum-Störung); Studie 1: keine signifikanten Effekte; Studie 2: vermehrte Sprachverwendung, nach 10 Monaten kein Effekt |
Fuller et al. 2019 ([48], Metaanalyse) | 29 Studien (1422 Kinder, Alter bei 3,55 Jahren); verbesserte soziale Kommunikation |
Risikopopulation Verhaltensauffälligkeit
Auch die erzielten Effekte von IFF auf Verhaltensauffälligkeiten wurden in 9 Studien und einem Review mit 50 Studien analysiert [49‐58]. Signifikante Veränderungen des Problemverhaltens erzielten 9 Studien [50‐66] und nur eine Studie stellte für diese Variable keine Effekte fest [49]. Eine Studie untersuchte auch die Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung und auch diese wurde durch die angewandten Interventionen gestärkt [49]. Das Verhalten von Pädagogen gegenüber ihren Schülern wurde in einer Studie verbessert und deren Belastung minimiert [54]; diese Effekte hielten zumindest ein Jahr lang an (Tab. 4).
Studie | Erzielte Effekte |
---|---|
Cheng et al. 2007 [49] | Verbesserte Mutter-Kind-Beziehung, keine Effekte auf Verhaltensauffälligkeiten |
Furlong et al. 2012 [50] | Signifikant vermindertes Problemverhalten, verbesserte elterliche Gesundheit und bessere Erziehung |
Menting et al. 2013 ([51], Review) | Verringertes Problemverhalten |
Reid et al. 2013 [52] | Signifikant verringerte Verhaltensprobleme und verbesserte Psychopathologie; keine Erziehungsunterschiede |
Dishion et al. 2014 [53] | Weniger Problemverhalten |
Maeir et al. 2014 [54] | Signifikante Effekte |
Shuai et al. 2017 [55] | Bessere exekutive Funktionen, signifikant verringerte Symptome und Verhaltensauffälligkeiten |
Plueck et al. 2015 [56] | Verringertes Problemverhalten, verbessertes Pädagogenverhalten und minimierte Belastung; Effekte hielten bis zu einem Jahr |
Feil et al. 2016 [57] | Signifikant höhere soziale Fähigkeiten und weniger Problemverhalten |
Sourander et al. 2016 [58] | Signifikant verbessertes externalisierendes und internalisierendes Verhalten und verringerte Symptome |
Problempopulation Psychosoziales Risiko
Die Effekte von Frühförderung auf Kinder und Familien mit psychosozialen Risiken wurden in 10 Studien analysiert. Insgesamt 8 Studien stellten signifikante Auswirkungen der Interventionen fest [59‐64]; nur 2 Studien wiesen keine signifikanten Effekte nach ([67, 68]; Tab. 5).
Studie | Erzielte Effekte |
---|---|
Reynolds et al. 2001 [59] | Höhere Rate an Bildungsabschlüssen und College-Einschreibungen sowie mehr Bildungsjahre durch Intervention; zusätzlich eine höhere Rate an Sozialversicherungen und eine geringere Rate an Festnahmen und Verurteilungen |
Palfrey et al. 2005 [60] | Besseres Einkommen, höhere Anzahl an Krankenversicherung, bessere psychische Gesundheit, mehr Kompetenzgefühl, weniger Depressionen und besseres Gesundheitsverhalten durch die Intervention |
Reynolds et al. 2007 [61] | Höhere Rate an Schulabschlüssen, geringere Rate an Gewalttaten und Festnahmen durch Intervention |
Walker et al. 2011 [62] | Durch psychosoziale Intervention weniger gewalttätig, höherer IQ, höherer Bildungsgrad, mehr Allgemeinwissen, weniger Depressionssymptome, weniger Kontakthemmung und soziale Isolation |
McGilloway et al. 2012 [63] | Signifikante Effekte auf kindliches Verhalten; soziale Kompetenz und parentales Wohlbefinden |
Zwönitzer et al. 2016 [64] | Keine Effekte auf die kindliche Entwicklung; Feinfühligkeit der Mütter stieg an |
Brönig et al. 2017 [65] | Effekte auf psychische Gesundheit und Lebensqualität am größten in der Hochrisikogruppe |
Hutchings et al. 2017 [66] | Signifikant verbesserte psychische Gesundheit und Eltern-Kind-Interaktion nach 6 Monaten; nach 12 Monaten signifikante Effekte auf kindliche Entwicklung, häusliche Umgebung und parentale Depression |
Lees et al. 2019 [67] | Keine signifikanten Unterschiede direkt nach Intervention; nach 6 und 12 Monaten signifikante Effekte im kindlichen Verhalten |
Gladstone et al. 2019 [68] | Keine signifikanten Effekte |
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Diskussion
In allen 10 Studien [19‐28] zum Thema Frühgeborene und Frühförderung wurden positive Effekte auf die kindliche Entwicklung nachgewiesen. Unter anderem wurde berichtet, dass die allgemeine Entwicklung, aber auch gezielt Motorik und Kognition verbessert wurden. Auch hinsichtlich psychischer Gesundheit wurden durch die Fördermaßnahmen positive Beeinflussungen beobachtet [19‐28]; 3 dieser Studien wiesen eine Stichprobengröße von unter 100 Probanden auf und schränkten somit die Repräsentierbarkeit ein [20, 23, 27]. Jedoch sind positive Effekte auch in Studien mit viel größerer Probandenanzahl repliziert worden und somit mit großer Wahrscheinlichkeit interventionsbedingt [19, 21, 24‐26, 28].
Interdisziplinäre Frühförderung für Kinder mit körperlicher Behinderung wurde großteils an Probanden mit einer Zerebralparese untersucht. In 4 der analysierten Studien wurden positive Effekte auf die motorische Entwicklung nachgewiesen [29, 31‐33]; eine Studie berichtete zwar eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, diese sogenannten Verbesserungen waren jedoch interventionsunabhängig und auf das normale Wachstum der Kinder zurückzuführen [31]. Eine Verbesserung der Kognition [33, 38] und der exekutiven Funktionen wurde in 2 weiteren Studien festgestellt [34]. Thomaidis et al. [29] führten zusätzlich Untersuchungen zur Langzeiteffektivität der IFF durch und wiesen eine Persistenz der Verbesserungen für mindestens 8 Monate nach. Auch hier lagen die Stichprobengrößen deutlich unter 100 Teilnehmern [19‐37]. Zwei systematische Übersichtsarbeiten mit insgesamt 47 Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Morgan et al. [38] konnten aufgrund der differenten und divergierenden Interventionsarten und Intensitäten keine Empfehlungen für die Art und Intensität der Frühförderung aussprechen und stellten auch keine allgemeinen Effekte fest. Demgegenüber steht eine Publikation von Hadders et al. [37], die sehr wohl signifikante Effekte auf die Motorik und die Kognition feststellte.
In der Risikogruppe der Sprachentwicklungsverzögerungen, Autismus-Spektrum-Störung und Verhaltensauffälligkeiten wurden durchwegs Erfolge berichtet. Ono et al. publizierten [39] einen Cochrane-Review zur Effektivität von elternvermittelter Frühförderung für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Die untersuchten Effekte waren dabei die Veränderungen der kindlichen Symptomatik und Entwicklung und die elterlichen Stresslevel. Insgesamt wurden 17 Studien aus 6 verschiedenen Ländern mit einer Stichprobengröße von 919 Kindern in die Metaanalyse inkludiert. Davon wurden jedoch nur 10 Studien analysiert, weil sie sich ähnlich genug waren, um miteinander verglichen zu werden. In den Studien gab es große Unterschiede bezüglich der Lerninhalte und Anweisungen für die Eltern, der Interventionsdauer und der Intensität. Als Interventionsergebnisse fanden sich eine Veränderung der Schwere der Autismuscharakteristika und ein verbessertes Sprachverständnis der Kinder. Zusätzlich wurden auch positive Effekte auf die Eltern-Kind-Interaktion beobachtet. Elterliche Stresslevel, andere Sprachfertigkeiten der Kinder und adaptive Fähigkeiten zeigten jedoch keine Veränderungen durch die jeweiligen Interventionen [39].
Die Publikationen zum Thema Verhaltensauffälligkeiten erreichten fast in allen Studien positive Veränderungen des Problemverhaltens [50‐58]. Die einzige Studie, die keine verhaltensspezifischen Effekte feststellte, zeigte jedoch einen positiven Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung [49]. Anzumerken ist in dieser Gruppe, dass meist größere Stichproben untersucht wurden und die Ergebnisse somit deutlich valider sind als Ergebnisse mit geringer Probandenanzahl.
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Auch bei den Kindern mit psychosozialen Risikofaktoren wiesen die Studien großteils sehr große Stichproben auf, da meist gesamte Regionen untersucht wurden [59‐68]. In insgesamt 8 Studien wurden positive Effekte auf die kindliche Entwicklung und das spätere Leben festgestellt [59‐64, 66‐68].
Zusammenfassend wiesen 39 der 50 analysierten Studien (78 %) positive Effekte der IFF nach. Problematisch bei diesem Ergebnis sind die Heterogenität der Interventionsarten und die unterschiedlichen Intensitäten, sodass es schwierig ist, konkrete Empfehlungen zu geben. Aber gerade diese unterschiedlichen Interventionen und ihre divergierenden Intensitäten zeigen, mit wie viel Fingerspitzengefühl ein Frühförderer im häuslichen Umfeld bei unterschiedlich beeinträchtigten oder gefährdeten Kindern agieren muss; und mit wie viel Wissen ausgestattet er in intensiver Zusammenarbeit mit verschiedenen Berufsgruppen seine Fördermaßnahmen einzusetzen vermag. Somit wird Frühförderung für jedes Kind individuell geplant und durchgeführt und ist zu einem Großteil der Fälle erfolgreich für Kinder und deren Eltern.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
B. Resch, V. Hasenbacher und R. Kurz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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