01.12.2016 | DFP-Fortbildung
Diabetes und Schwangerschaft
verfasst von:
Dr. Jürgen Harreiter, Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer
Erschienen in:
Wiener klinische Wochenschrift Education
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Ausgabe 1-4/2016
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Auszug
Ein Blick auf die Zahl der Geburten zeigt seit Jahren eine Verschiebung der Schwangerschaft in ein höheres Alter bei Frauen von durchschnittlich 24,3 Jahren beim ersten Kind in den 1980er-Jahren auf durchschnittlich 29,0 Jahre im Jahr 2014. Gleichzeitig sinkt aber auch die Geburtenzahl von etwa 90.000 Lebendgeburten in den 1980er und 90er-Jahren auf unter 80.000 heute, wobei im Jahr 2014 erstmals wieder über 81.722 Kinder geboren wurden (alle Zahlen von Statistik Austria). Dies bedeutet ein höheres Risikoprofil der Schwangeren aufgrund des höheren Alters, gleichzeitig aber auch vermehrt Komplikationen in der Schwangerschaft. Auch Übergewicht und Adipositas haben in den letzten Dekaden stark zugenommen und können ebenfalls in der Schwangerschaft Probleme bereiten. Beide genannten Faktoren sind Risikofaktoren für Gestationsdiabetes (GDM) und in weiterer Folge Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM), der jedoch schon immer häufiger bereits bei jungen Erwachsenen und Jugendlichen auftritt. Eine optimale Versorgung während der Schwangerschaft in Bezug auf metabolische Faktoren und Erkrankungen ist von hohem Stellenwert, um eine gesunde Entwicklung des Föten, Kindes und schließlich auch Jugendlichen zu gewährleisten und wurde schon 1989 in der St. Vincent Deklaration gefordert. Diese sieht die Erreichung von Schwangerschaftsverläufen bei Diabetikerinnen ähnlich denen von gesunden Schwangeren vor. Neben den genannten Diabetesformen tritt weiters bei ca. 1 % aller Schwangeren ein Typ 1 Diabetes (T1DM) auf. Immerhin sind dies gut 800 Schwangere, die einer intensiven interdisziplinären Betreuung bedürfen; ebenso wie Typ 2 Diabetikerinnen benötigen sie eine intensive präkonzeptionelle Beratung und optimale metabolische Einstellung, um eine risikofreie Konzeption und Schwangerschaft planen zu können. Schließlich endet der mütterliche Diabetes in der Schwangerschaft nicht mit der Geburt, sondern die Mutter muß darüber hinaus weiter behandelt werden bzw. einer regelmäßigen Nachsorge zugeführt werden, und andererseits das Kind in Hinblick auf mögliche, unmittelbare schädliche Auswirkungen, aber auch auf eventuelle Langzeitfolgen, untersucht werden. Am häufigsten tritt in der Schwangerschaft, mit großer Schätzbandbreite von 10–25 % aller Schwangeren, GDM auf, der wenn unentdeckt und unbehandelt zu schwerwiegenden Geburtskomplikationen führen kann. Additiv kommen dann noch T1DM und T2DM hinzu. Oft werden diese beiden Diabetesformen auch erst während der Schwangerschaft diagnostiziert. Aufgrund des zunehmenden Alters und des zunehmenden Übergewichtes in der westlichen Population kann mit einer Steigerung des Diabetesvorkommens in der Schwangerschaft gerechnet werden, somit auch mit einer Steigerung der Schwangerschaftskomplikationen und Langzeitkomplikationen für Mutter und Kind. Schließlich auch eine enorme Belastung, die auf unser Gesundheitssystem zukommen wird, aber bei rechtzeitiger und erfolgreicher Intervention auch eine Chance darstellt, nachhaltig über mehrere Generationen präventiv wirksam zu werden. Zusammengefaßt handelt es sich bei Diabetes in der Schwangerschaft um ein sehr komplexes Thema mit weitreichenden gesundheitlichen Folgen für Mutter und Kind und über kurz oder lang auch für die Gesellschaft in gesundheitspolitischem Kontext.
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