Gesundheitsminister Johannes Rauch nimmt die Ärztekammer aufs Korn. Nachdem er sich am Vetorecht gegen Primärversorgungszentren gestoßen hatte, attestierte er der Kammer, über zu viel Macht zu verfügen.
Kritik kam zuletzt auch von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Deren Arbeitnehmer-Obmann Andreas Huss wartete mit einer ganzen Liste an Verhinderungsbeispielen durch die Ärztekammer auf. Diese wies die Kritik zurück. „Die Ärztekammer ist ein im wahrsten Sinne des Wortes gewichtiger Vertreter der Interessen, nämlich der Interessen der Ärzteschaft“, sagte Minister Rauch: „Da geht es sehr viel um bewahren und nicht so sehr um eine zukunftsfähige Gestaltung.“ Angesprochen auf den Vorstoß des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil (SPÖ), der die Kompetenz der Kammer für den ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst infrage gestellt hatte, hoffte der Minister zwar auf Reformbereitschaft. „Wenn es dann nicht funktioniert und keinerlei Bereitschaft besteht, zu Reformen zu kommen, dann wird man sich überlegen müssen, wie bringt man einzelne Vertragspartner dazu, diesen Dinge auch nachzukommen.“ Generell gehe es ihm darum, Sozialversicherung, Bundesländer, Bund, Finanzministerium, Ärztekammer und auch andere Interessenvertretungen gemeinsam dazu zu bekommen, die Situation von Patientinnen und Patienten zu verbessern, so Rauch: „In meinen Augen muss einfach langfristig sichergestellt sein, dass es für alle Menschen in Österreich einen gleichberechtigten, guten Zugang zum Gesundheitssystem gibt.“ Er appellierte dafür, die Zeit der für heuer anberaumten Finanzausgleichsverhandlungen zu nutzen, um notwendige Reformen gemeinsam zustande zu bringen. „Die Ärztekammer nutzt ihre Vetorechte, um eine Angebots- und Nachfrage-Schieflage zu erzeugen und diese zu ihrem Vorteil zu nutzen“, sagte Huss. „Hohe Nachfrage und niedriges Angebot führt zu höheren Honoraren, so die Strategie.“
Bashing gegen Berufsgruppen ist unnötig
( Mit Stefan Kastner hat Markus Stegmayr gesprochen .) Die Ärztekammer als „Reform-Bremser“, so drückt es Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil aus. Was entgegnen Sie? „Man muss hier zwei Sachen ganz klar trennen. Das sind zum ersten die Interessen der Gesundheitspolitik und die Interessen der Ärzteschaft. Aus Sicht der Ärzteschaft kann ich sagen, dass die Reformen in Kassenbereichen mühsam sind. Es bräuchte etwa einen gemeinsamen Leistungskatalog für alle Bundesländer. Vor zwei Jahren haben wir gemeinsam mit der ÖGK versucht zu definieren, welche Leistungen Kassenleistungen sind und welche privat getragen werden müssen. Wir sind jedenfalls definitiv nicht die wahren Bremser. Wir haben konstruktive Vorschläge, die wiederum von anderer Seite eingebremst werden. Früher war es so: Wir haben mit der ÖGK, damals noch TGKK, Tiroler Gebietskrankenkasse, verhandelt – und es hat funktioniert!“ Aber wie steht es denn nun wirklich mit dem Verhältnis von Politik und Ärztekammer? „Ich orte da, geographisch unterschieden, ein ganz unterschiedliches Hick-Hack. Klar ist: Bashing gegen bestimmte Berufsgruppen in der Ärzteschaft sollte es hier wie dort nicht geben. Ich kann als Ärztekammerpräsident von Tirol eigentlich nur für Tirol sprechen: Wir bemühen uns um ein konstruktives Gesprächsklima mit der Politik. Im Osten scheint das Klima etwas verschärft und rauer zu sein. Was sicher nicht nur an der Kammer liegt. Auch der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle findet übrigens, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Er hat in Interviews angemerkt, dass diese überaus konstruktiv sei. Die Gesprächsbasis ist insgesamt gut: Mit Mattle und der Tiroler Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele arbeiten wir zielorientiert zusammen.“ Gibt es nicht auch Reibungspunkte? „Ja, natürlich. Ein Punkt, bei dem wir derzeit ein wenig kämpfen, ist das neue Gehaltsschema bei den Krankenhäusern. Es kann aus meiner und unserer Sicht einfach nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen jetzt weniger verdienen. Gut möglich, dass uns der Wechsel der Landesregierung vor rund 100 Tagen in dieser Diskussion ein wenig zurückgeworfen hat. Aber wir sind dennoch auf einem guten Weg.“ Man zieht also, mehr oder weniger, am gleichen Strang. „Im Endeffekt wollen Politik, Ärztekammer und Ärzteschaft das Gleiche: Land, Kammer und ÖGK definieren, in welchen Bereichen wir einen Ärztemangel haben. Alle drei Seiten wollen die Versorgung sicherstellen.“
Dr. Stefan Kastner, Präsident der Ärztekammer für Tirol
Kammer legt ihr Veto auch bei bestehendem Bedarf ein
„Die Ärztekammer nutzt ihre Vetorechte, um eine Angebots- und Nachfrage-Schieflage zu erzeugen und diese zu ihrem Vorteil zu nutzen. Hohe Nachfrage und niedriges Angebot führt zu höheren Honoraren, so die Strategie. Das erschwert es uns, die gute Versorgung für alle aufrecht zu erhalten. Auf österreichischer Ebene wird der Ausbau der Primärversorgungseinheiten verzögert, sodass es in manchen Bundesländern wie Tirol und Vorarlberg noch immer keine einzige gibt. Die Möglichkeit der Impfung in Apotheken wird von der Ärztekammer bekämpft. Die notwendige Arbeitsverteilung auf andere hochqualifizierte Gesundheitsberufe wird mit Berufung auf den Ärztevorbehalt verhindert. Die Länderärztekammern beharren auf den regionalen Gesamtverträgen inklusive regionaler Honorarordnungen, obwohl es einen gesetzlichen Auftrag für einen österreichweiten Vertrag gibt. Für die Versicherten und auch für die Vertragsärzte – Stichwort gleiche Tarife für gleiche Leistungen – wäre das aber extrem wichtig.
Bei den regionalen Honorarverhandlungen scheitern Versorgungsverbesserungen wie Ausweitung der Öffnungszeiten, Sicherstellung von ärztlichen Anwesenheiten in Urlaubszeiten und an Zwickeltagen, telefonische Erreichbarkeit, Terminvergabesysteme in Ordinationen usw. am Widerstand der Ärztekammern. Die gemeinsamen Vereinbarungen zu Arbeitsbedingungen und Honorierung werden wider besseren Wissens als unflexibel, unzureichend und unattraktiv dargestellt. Die Ärzteeinkommen liegen jedoch laut IHS und RH im Spitzenfeld aller akademischen Berufe, und der Vertrag bietet jede flexible Möglichkeit einer Kassentätigkeit von Anstellung bis Jobsharing.
Die ÖGK kann keine Kassen-Planstelle ohne Zustimmung der Ärztekammer ausschreiben. Auch bei den Primärversorgungszentren kann ohne Einwilligung der ÄK nicht ausgeschrieben werden. Dieses Vetorecht wird regelmäßig genutzt. Die Wiener ÄK bekämpft die Gründung von selbstständigen Ambulatorien auch bei Bedarf. Beispiel: Die ÄK moniert, dass erhöhter Bedarf in der Pathologie besteht. Wir haben ein Vertragsansuchen eines pathologischen Instituts am Tisch. Die Kammer lehnt die Umsetzung ab. Trotz vieler offener Kassenstellen in der Wiener Kinderheilkunde wehrt sich die Ärztekammer gegen den Betrieb weiterer kindermedizinischer Ambulatorien, obwohl Errichtungsbewilligungen vorliegen.“
Andreas Huss, Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK)
Lasst die Ärzteschaft in Ruhe ihre Arbeit machen!
„Die Bereitschaftsdienste am Wochenende und an Feiertagen werden seit 2019 als Folge einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes freiwillig von der Ärzteschaft geleistet. Selbstverständlich wissen wir, dass es Regionen mit durchgehender Versorgung und andere mit größeren Lücken in der Besetzung gibt. Allerdings arbeiten wir laufend mit den zuständigen Stellen an Lösungen, um der Bevölkerung die bestmögliche allgemeinmedizinische Versorgung auch am Wochenende und an Feiertagen zu bieten. Wenn man die Ärzteschaft jedoch als unmotiviert oder sogar faul darstellt, um möglicherweise höhere Leserquoten zu erreichen, wird man damit das Gegenteil von dem erreichen, was man vermutlich bezwecken will.
Wichtiger wäre es vielmehr, die Ärzteschaft in Ruhe arbeiten zu lassen und ihre ärztlichen Leistungen, nämlich kranke Menschen mit der bestmöglichen Medizin zu behandeln, von Zeit zu Zeit hervorzuheben, statt über die Medien Hohn und Neid zu verbreiten.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass einige allgemeinmedizinische Kassenstellen lediglich deshalb nachbesetzt werden konnten, weil der Wochenend- und Feiertagsdienst seit 2019 freiwillig ist. Nur durch die fehlende Verpflichtung fühlen sich einige Ärztinnen und Ärzte nämlich bereit für die hohe Arbeitsbelastung in der Ordination unter der Woche.
Besonders in den Wintermonaten ist die Belastung deutlich erhöht. Die weiterhin hohe Zahl an Menschen mit grippalen Infekten und Grippe, aber auch erkrankte Kolleginnen und Kollegen in der Umgebung, deren Patientinnen und Patienten mitversorgt werden müssen, führen dazu, dass Ärztinnen und Ärzten am Limit sind. Wenn einzelne Dienste am Sonntag nicht besetzt werden können, ist dies ein deutliches Zeichen des großen Arbeitsaufkommens, das von der Ärzteschaft wie erwartet geleistet wird. Ich warne vor dem Irrglauben, jemanden mit Zwang zu etwas verpflichten zu können. Gerade jene Kolleginnen und Kollegen, die Kassenverträge abgeschlossen haben und die öffentliche Gesundheitsversorgung damit sicherstellen, sollten nicht dazu getrieben werden, Verträge zu kündigen. Der Weg in ein benachbartes Bundesland oder ins Ausland ist für viele attraktiv und darf nicht mit unbedachten Äußerungen beflügelt werden.“
Dr. Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für NÖ