Dr. Tekal
Privat
Kommt nun eine serologische Zwei-Klassen- Gesellschaft auf uns zu?
Es kann sein, dass uns der Weg aus der geeinten Pandemie in eine ungeeinte Gesellschaft führt. Zumindest wird das angesichts der mangelnden Gleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften befürchtet. Dabei begleitet uns die soziale Schieflage in der Krise wie die Kilos auf den Corona-Waagen. Die einen mussten mäßig bezahlt an der Front arbeiten, die anderen hingegen unbezahlt „the fuck at home stayen“, Skipisten durften aufsperren, Fußballfelder nicht, manche bekamen den begehrten Pfizer-Impfstoff, andere das verschriene Astra-Jaukerl und Risikogruppen sahen sich erstmals in der Verlegenheit, von anderen beneidet zu werden: Da könne ja jeder mit einer Autoimmunerkrankung daherkommen.
Nun geht es in die nächste Runde, denn sind mal alle geimpft, die das auch wünschen (die Musterschüler), blieben all jene auf der Strecke, die sich weigern (die Ausgemusterten). Allen, so wird betont, stünden dennoch die gleichen Rechte zu, wenngleich deren Erlangung mit etwas mehr Aufwand und wunden Nasenlöchern verbunden ist. Es ist wie mit einem Auto ohne Vignette, mit dem man zwar genauso ans Ziel kommt, aber nur auf der Bundesstraße fahren darf. Hier führt der Weg zum Wirt über die Teststraße. Doch wird es noch weitreichendere Nachteile geben? Bankkredite, die nur mehr den Geimpften gewährt werden oder ein Heiratsmarkt, bei dem man ohne Impfnachweis chancenlos ist? Was nützt ein Traumkörper ohne Antikörper?
Politisch möchte man sich hier nicht die Finger verbrennen. Für Fernreisen gelten jedoch andere Regeln, da die Fluggesellschaften meist nicht demokratisch gewählt werden. So wird man vermutlich keine Rücksicht auf den individuellen Freiheitsdrang nehmen und den Impfpass als genauso selbstverständlich erachten, wie das Verbot, ein Sturmgewehr oder eine 4-Liter-NachfüllflascheHaarshampoo mitzuführen.
Um ein Land zu regieren braucht man jedoch etwas mehr Fingerspitzengefühl als jenes bei der Leibesvisitation am Flughafen. Manchmal auch gefälligere Formulierungen, wenn man davon spricht, dass es für Geimpfte natürlich keine Privilegien gebe, sondern nur die Rücknahme von Einschränkungen. Das erinnert ein wenig an die Flüchtlingskrise, wo man in Österreich selbstverständlich keinen Zaun, sondern eine „Tür mit Seitenteilen“ errichten ließ. Die Hoffnung der Entscheidungsträger beruht darauf, dass nur wenige Menschen wirklich bereit sind, für ihre Überzeugung auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Vor kurzem noch haben sich zahlreiche Personen von der elektronischen Gesundheitsakte ELGA abgemeldet, da man sensible Daten nicht leichtfertig über andere Kanäle als Facebook und Instagram weitergeben darf. Doch als man dadurch vermeintlich um die Gratis-Antigen-Tests umzufallen drohte, traten viele wieder ein. Der Schnäppchentrieb ist dann doch größer als der Freiheitsdrang. Und das ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.