Eine fundierte Re-Gnose der Corona-Krisa.
Ich beneide Menschen wie den, in Österreich weltbekannten, Zukunftsforscher Mathias Horx, der getrost und frei von der Leber weg Dinge behaupten kann, die in der Zukunft passieren. Auch ich mache das allwöchentlich in dieser Kolumne, werde, aus einem mir unerfindlichen Grund, jedoch nicht ganz so ernst genommen wie er. Dabei sind meine Prognosen um keinen Deut unwahrscheinlicher als seine. So hat er 2010 behauptet, dass der Hype um Social-Media-Plattformen wie Facebook und Co. bereits vorbei sei. Tja, liebe Wahrsager, das Archiv ist eben nicht nur die Rache der Journalisten an den Politikern, sondern auch an den Zukunftsforschern.
In Krisenzeiten wird die Glaskugel gerne wieder aus dem Fundus geholt und man erhofft sich, Gewissheit über die Zukunft zu erlangen, konkrete Aussagen darüber, wie die Welt danach aussehen wird und wann man endlich wieder zum Preisschnapsen ins Wirtshaus darf. Um im Futur exakt (Futur II) zu sprechen: Wie wird uns Corona in einem halben Jahr in Erinnerung geblieben sein? Oder, um im Futur unexakt (Heidi Klum I) zu sprechen: Wie wird uns Corona in Erinnerung geblieben sein hatte?
Hier muss ich Herrn Horx loben, denn so eine Re-Gnose kann, aus psychohygienischer Sicht, sehr erfrischend sein. So werden wir uns an eine Zeit zurückerinnern, die uns ein wenig unreal, einem Traum gleich, vorkommt. Wie die 1970er-Jahre mit ihren psychodelischen Farben, LSD und den Schlaghosen unverkennbar sind, werden das pickelig-ruckelnde Skype-Bild, Antidepressiva und die Mundschutzmasken als Look der 2020er in Erinnerung bleiben. Menschen werden ihre Scheu vor Videokonferenzen abgelegt und erkannt haben, dass Smartphones auch eine versteckte Funktion haben: Telefonieren. Vor allem wird man sehen, dass man von der Wirtschaft eine Auszeit nehmen kann, ohne dass wir alle auf der Stelle tot umfallen, die Gesellschaft resilienter ist als wir gedacht hätten und tatsächlich in Notzeiten, zumindest für eine kurze Zeit, solidarisch sein kann. Und das ist der wohl schönste Erkenntnisgewinn aus dieser Zeit.
Man wird auch kritisieren, dass all die Maßnahmen rückblickend überhaupt nicht nötig gewesen wären, wird merken, dass weder Klimawandel noch Flüchtlingskrise oder chronische Rückenschmerzen während der Corona-Krise pausiert haben, sondern einfach zu unbedeutend für die Berichterstattung waren. Und dass es in Österreich etwas Mächtigeres geben kann als Seilbahnbetreiber.
Da der Mensch gleichsam ein vernunftbegabtes wie auch vergessliches Wesen ist, wird sich die Welt nach einer Zeit aber wohl genau dort weiterdrehen, wo sie vor der Krise scheinbar damit aufgehört hat. Bis jemand in der U-Bahn hustet und es zum kollektiven Flash-Back kommt. Und man wird erkannt haben, dass Virologen und Statistiker mitunter auch Glaskugeln zurate ziehen. Übrigens: Fliegende Autos wird es in einem Jahr nicht geben. Facebook allerdings schon. Und das nächste Mal fragt bitte mich!