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Ärzte Woche

26.03.2018 | Tekal

Medizinische Häuslbauer

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Die Neuerrichtung eines Krankenhauses ist immer mit ein paar Schwierigkeiten verbunden.

Wenn die öffentliche Hand ein neues Spital in die Landschaft rammt, wird dabei eine Menge Staub aufgewirbelt. Mit der Verlässlichkeit einer Sollbruchstelle am Smartphone begleiten Skandale die Bautätigkeit an Krankenhäusern seit es Krankenhäuser gibt. Und manchmal findet sich darüber hinaus die eine oder andere private Hand, die auch ein wenig zulangt. Läuft die Anstalt nach der Fertigstellung annähernd reibungslos, geraten die Skandale mit der Zeit in Vergessenheit. So ist auch das heute als Spitzenklinik angesehene Allgemeine Krankenhaus in Wien Endprodukt veritabler Skandale. Die Schmiergeld- und Bestechungsaffären in den 1970er-Jahren, die lange Errichtungszeit – vom Beschluss 1957 bis zur Eröffnung 1994 – oder die Kosten, die sich von den angedachten 600 Millionen Schilling etwas wegbewegt haben – auf 42 Milliarden. 

Doch man kennt das als privater Häuslbauer: Hier ein etwas teurerer Bodenbelag, dort eine kostspieligere Verglasung. Da kann das Budget bald einmal das 70-fache der mit der Bank vereinbarten Kosten ausmachen. Zurzeit ist das ebenfalls in Wien entstehende Krankenhaus Nord mit seinen 780 Betten als Dauerbaustelle in den Schlagzeilen. Nachvollziehbar für jeden, der schon einmal versucht hat, ein Einfamilienhaus mit 5 Betten zu errichten. Denn extrapoliert man die kleinen Schwierigkeiten mit Handwerkern („das wird teuer“), kleinen Installateurbetrieben („ich hab‘ das Rohr nicht angesägt!“), oder Baufirmen („wir beginnen verlässlich nächsten Montag“) auf die Größe eines Spitalsprojektes, so lassen sich die großen Probleme erahnen. 

Das „Nord“, wie es liebevoll verächtlich von den Wienern genannt wird, ist seit dem ersten Spatenstich ein finanzieller und terminplanerischer Zankapfel. Vor allem ein „energetischer Schutzring“, der für 95.000 Euro in Auftrag gegeben wurde und das Spital vor Unbill schützen soll, stößt als Posten vielen sauer auf und kostet wohl so manchen Posten im Planungsbüro. Wer für seine Kabinettwohnung einmal eine Feng-Shui-Beratung in Anspruch genommen hat, findet das Angebot für ein ganzes Spital jedoch durchaus preiswert. Da dieses Krankenhaus jedoch nicht im fernen Osten, sondern im nahen Norden errichtet wird, hat man für solch Firlefanz wie das Chi nur wenig Verständnis. Hoffentlich kommen die Orthopäden bei der Errichtung einer Hüfte nicht auch auf blöde Gedanken: Wenn zwischen OP-Planung und Hautschnitt vier Jahrzehnte vergehen und die Hüfte daher bereits beim Einbau veraltet ist, der Preis für die Prothese im Zuge des Eingriffes explodiert, da niemand zuvor mit unerwarteten Blutgefäßen rechnen konnte oder der Auftrag für die Narkose unter der Hand an den bestbietenden Anästhesisten vergeben wird, dann sind die Bau-Skandale endlich auch in der Medizin angekommen. Daher wird eine unabhängige Kommission, künftig erst bei korrektem Sitz der Prothese dem Zunähen zustimmen. Die Kommission tritt übrigens einmal im Quartal zusammen.

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Metadaten
Titel
Medizinische Häuslbauer
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
26.03.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 13/2018

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