Skip to main content
Ärzte Woche

26.05.2020 | Tekal

Masken-Rebellen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Das Vermummungs-Gebot und der Look der 2020er-Jahre.

Nach der Krise geht es wieder gewohnt weiter, wenngleich die Allgegenwart der Masken noch gewöhnungsbedürftig ist. Die Wirte raunzen, der Tourismus beklagt sich und auf Freischaffende wird vergessen, es ist also wie zuvor. Die Maske dürfte sich dabei aber bereits jetzt den ersten Platz als „Ding des Jahres“ gesichert haben. Es gehört in jedem ordentlichen Haushalt und hat im Auto mittlerweile sogar den beliebten Wunderbaum als Zierde am Rückspiegel verdrängt.

Es ist das Symbol freiwillig verordneten Gehorsams, um seine Mitmenschen vor virologischem Unbill zu schützen. Nach einem etwas holprigen Start mit einer Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Mund-Nasen-Schutzes und der Aussage von Experten, da könne man sich ja gleich einen Fetzen vor das Gesicht halten, gilt selbst der Fetzen vorm Gesicht als behördlich genehmigte ausreichende Bekleidung in der Öffentlichkeit. Ja, man kommt sich direkt nackt vor, wenn man zügig in ein Lokal schreitet und in der Mitte des Raums die Blöße im eigenen Gesicht bemerkt. Weltoffene Menschen, die asiatische Touristen mit Masken einst als hysterische Nerds diffamierten, lassen nun keine einzige Person aus dem Großraum „China und das Zeug rundherum“ ohne zertifizierte FFP-3-Maske ins Land.

Die Maske ist medial Thema Nummer Eins, weil sie einfach jeden beschäftigt, so wie Essen, Sex und Blähungen. So titelten die österreichischen Tageszeitungen: „10 Monate Haft für Steirer, weil er sich weigerte, Maske aufzusetzen.“ Drakonische Maßnahmen für ein kleines Vergehen. Dass der Mann volltrunken randalierte, mit zwei Messern bewaffnet war und dabei dummerweise einen Polizisten getreten hatte, erfährt man erst beim näheren Studium des Textes. Denn die Maske ist nun mal das Interessanteste daran. Und es erregt den Volkszorn, dass man, so man aus bloßem Versehen die Maske erst nach Übertreten der Schwelle in den Supermarkt anlegt, mit schwerem Kerker und Verbannung in eine Corona-Hochburg bestraft wird.

Wäre Felix Baumgartner dieses Jahr von der Stratosphäre auf die Erde gesprungen, so wären die Schlagzeilen vermutlich anders lautend: „Österreicher traut sich was: Ohne Maske aus dem Weltall“ Oder: „Strache hält auf Ibiza den Mindestabstand zu Oligarchen-Nichte nicht ein – die Staatsanwaltschaft ermittelt“ Höchst übertrieben, wie ich finde. Waren Anarchisten einst dafür bekannt, sich verbotenerweise dem Vermummungsverbot zu widersetzen, so sind sie heute daran erkennbar, aus Protest keinen Gesichtsschutz zu tragen. Bankräuber werden sich wohl beim Betreten der Filiale, bevor sie das obligatorische „Überfall“ rufen, ihre Maske vom Gesicht reißen.

Ob sich der schicke Chirurgen-Look über die Jahrhunderte ähnlich als historisch zuordenbares Bild einprägt wie die Pestmaske mit dem langen Schnabel, bleibt abzuwarten. Dem Michelangelo von heute wäre es aber zuträglich, seinem David eine marmorne Maske zu verpassen.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Masken-Rebellen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
26.05.2020
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 22/2020

Weitere Artikel der Ausgabe 22/2020