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Ärzte Woche

25.03.2019 | Praxis und Beruf

Arztbewertungsportale

Jameda muss löschen

verfasst von: Rolf Jungbecker

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Eines der größten Ärztebewertungsportale wurde in Deutschland erstmals dazu verpflichtet, die Daten einer Ärztin vollständig zu löschen. Der Urteilsspruch des Bundesgerichtshofs besagt, dass Profile zu kommerziellen Zwecken nicht verwendet werden dürfen und stellte – anders als bisher – das Persönlichkeitsrecht vor die Meinungs- und Medienfreiheit. Die Auswirkungen des Urteilsspruchs könnten auch andere Bewertungsportale im Internet treffen.

Jameda kann ein Segen für die Ärzteschaft sein, aber oft genug auch ein Fluch. Jameda ist wohl das größte Arztsuche- und Arztbewertungsportal in Deutschland. Man kann es so formulieren: Hier kollidieren ganz gegensätzliche Interessen miteinander, und in der Vergangenheit ließ der Schutz selbst von schutzwürdigen Interessen der Ärzte eher zu wünschen übrig. Doch hat der BGH im Februar letzten Jahres eine wesentliche Korrektur zugunsten der betroffenen Ärzte vorgenommen.

Auf dem Jameda-Portal können Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden. Das Portal wird monatlich von mindestens fünf Millionen Internetnutzern besucht. Es stellt von sich aus unentgeltlich die sogenannten „Basisdaten“ eines Arztes zur Verfügung, rein objektive Informationen, nämlich den akademischen Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Zweischneidig wird die Sache dadurch, dass daneben auch Bewertungen erscheinen, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch in Form von Freitextkommentaren abgegeben haben. Dazu muss der bewertende Nutzer lediglich eine E-Mail-Adresse angeben, die bei der Registrierung verifiziert wird, nicht aber seinen Klarnamen.

Hätte es damit sein Bewenden, dann wäre die rechtliche Beurteilung relativ einfach: Im Grundsatz gilt nämlich, dass sich ein Arzt, was seine berufliche Sphäre angeht, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen muss. Schon 2014 hat der BGH die grundsätzliche Zulässigkeit von Bewertungsportalen bejaht, weil die Bewertungsportale einen sinnvollen Beitrag für den Verbraucherschutz durch Information leisten und die Markttransparenz erhöhen können. Die unmittelbaren Vorteile dieser Informationsquelle liegen in ihrer jederzeitigen und weltweiten Abrufbarkeit, ihrer Aktualität und Kostenlosigkeit. Zudem erscheinen Bewertungen anderer Verbraucher, die die Leistungen bereits in Anspruch genommen haben, glaubwürdig.

Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Das ist, sozusagen, der Idealfall. Der BGH sieht aber natürlich, dass es auch Fälle gibt, die eine Beurteilung zugunsten des einzelnen Arztes gebieten, nämlich dann, wenn etwa im Schutze der Anonymität haltlose Kritik geäußert oder gar fingierte Bewertungen abgegeben werden, und überhaupt, wenn die auf dem Portal erscheinenden Informationen sich schwerwiegend auf das Persönlichkeitsrecht des Arztes auswirken, wie etwa bei Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung oder Prangerwirkung. Solche negative Kritik kann für den Arzt erhebliche Auswirkungen von Umsatzeinbußen bis zur Existenzgefährdung haben.

Eine Bewertung kann etwa missbräuchlich sein, wenn sie auf falschen Tatsachengrundlagen beruht. Ein Beispiel hierfür wäre, dass ein Bewerter den bewerteten Arzt nie gesehen hat, sich aber gleichwohl eine „Bewertung“ erlaubt. Auch wenn ein Portalbetreiber, der „Hostprovider“, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf derartige Rechtsverletzungen zu überprüfen, muss er den Sachverhalt selbst ermitteln, sobald er vom betroffenen Arzt auf eine Rechtsverletzung hingewiesen wird. Gegebenenfalls muss der Provider die Bewertung dann löschen.

Man muss sich nun – und das ist für das Verständnis der jetzt ergangenen Entscheidung sehr wichtig – klarmachen, dass diese regelmäßig recht „komfortable“ Position von Jameda immer nur unter Voraussetzung Geltung hat, dass sich Jameda darauf beschränkt, in den jeweiligen Profilen die Basisdaten des einzelnen Arztes zusammen mit von Patienten bzw. anderen Internetnutzern vergebenen Noten oder verfassten Kommentaren zu veröffentlichen. Der Portalbetreiber muss mit anderen Worten sich darauf beschränken, neutraler Informationsmittler zu sein. Nur dann ist dem Arzt, von den besagten Ausnahmen abgesehen, zuzumuten, gegebenenfalls auch mit den mit dem Portaleintrag verbundenen Belastungen zu leben.

Für Ärzte nicht mehr zumutbar

Der jetzige Fall war der klagenden Ärztin, einer niedergelassenen Dermatologin, aber nicht mehr zuzumuten, eben weil Jameda diese Position des neutralen Mittlers verlassen hatte. Jameda bot nämlich – und tut das schon seit Längerem – Ärzten gegen Entgelt an, deren Profil – anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte – mit einem Foto und zusätzlichen Informationen zu versehen. Diese „Serviceleistung“ beinhaltet ferner, dass im Profil anderer, nichtzahlender Ärzte – als „Anzeige“ gekennzeichnet – die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet werden.

Mit diesen konkurrierenden Einblendungen war dann auch die klagende Ärztin konfrontiert, die für sich keine Serviceleistungen gebucht hatte. Bei Ärzten mit Buchung dieser Serviceleistungen blendet Jameda keine Konkurrenten ein. Das hat dann auch den Effekt, dass die individuell ausgestalteten Profile zahlender Kunden deutlich häufiger aufgerufen werden. Der zahlende Kunde erreicht dadurch, dass sein individualisiertes Profil auf den Profilen der Nichtzahler eingeblendet wird, eine zusätzliche Aufmerksamkeit bei den Nutzern.

Diese Informationsmittlung ist nicht mehr neutral, sie hat eigennützige, kommerzielle Züge, und da konnte es nicht mehr überraschen, dass der Bundesgerichtshof hier das Recht der Ärztin, über die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, also mit anderen Worten: ihr Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“, höher bewertet hat als das dem Portalbetreiber zustehende Grundrecht auf Meinungs- und Medienfreiheit. Die Ärztin konnte deshalb von Jameda verlangen, dass ihr Eintrag vollständig gelöscht wird.

Interessant ist die Presseerklärung des Verbands der niedergelassenen Ärzte (Virchow-Bund) vom Februar dieses Jahrs noch vor der Urteilsverkündung. Der Verband rät allen Haus- und Fachärzten zu einem konstruktiven Umgang mit Jameda und dazu, auf berechtigte Negativkritik zu reagieren und sie als Herausforderung verstehen. Hinter vielen Kritikpunkten stecke ein Hinweis auf Verbesserungspotenziale.

Recht auf Löschung wird genutzt

So richtig dieser Hinweis sein mag: Ärzte, die in einer vergleichbaren Situation wie die klagende Ärztin sind, können und werden zu Recht die Löschung ihrer Daten und ihres Profils verlangen. Jameda muss daran interessiert sein, fortan wieder als (bloßer) neutraler Informationsvermittler zu erscheinen. Es ist deshalb kein Zufall, dass Jameda in einer Pressemitteilung nach Verkündung des Urteils erklärt hat, dass es „die Anzeigen auf Arztprofilen, die Grund für das Urteil waren, nach Vorgaben der Bundesrichter mit sofortiger Wirkung entfernt“ habe. Den betroffenen Ärzten wird insoweit ein Gang vor Gericht erspart bleiben.

Druck ist ein wenig aufgehoben

Inwieweit Jameda und andere Portale Struktur und Angebot ihrer Internetseiten ändern werden, bleibt abzuwarten. Es ist zu erwarten, dass Jameda das Geschäftsmodell jedenfalls so abwandelt, dass damit nicht mehr ein solcher Druck auf die Ärzte ausgeübt wird, sich der Gruppe der zahlenden Ärzte anzuschließen. Denkbar wäre, dass Jameda auch weiterhin zahlende Ärzte noch in irgendeiner Weise bevorzugt, und dies dergestalt, dass Jameda nun wieder als neutraler Informationsmittler erscheinen könnte. Es ist indes zu vermuten, dass die Rechtsprechung hier einen etwas strengeren Maßstab zugunsten der betroffenen Ärzte anlegen wird.

Das seit Mai dieses Jahres geltende strengere Datenschutzrecht wird sich dabei wohl nicht zusätzlich zugunsten der Ärzte auswirken. Denn der BGH betont ja gerade das öffentliche Interesse an Informationen über ärztliche Leistungen, und dann ist es nicht der Datenschutz, der dieses öffentliche Interesse legitimieren kann, sondern dies soll durch die Einhaltung des Neutralitätsgebots geschehen sowie dadurch, dass der Betreiber bei Rechtsverletzungen interveniert und diese gegebenenfalls beseitigt.

Erweiterter Rechtsschutz

Das Urteil ist für die Ärzteschaft erfreulich, weil es den Rechtsschutz neben den Fällen unberechtigter Bewertung ganz grundsätzlich erweitert. Die Ärzte werden von einem unzulässigen, stark kommerziell geprägten Druck auf ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht befreit. Es wird in Zukunft in den Bewertungsportalen vermutlich fairer zugehen.

Dr. Rolf Jungbecker ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Dostal&Sozien in Freiburg, Deutschland, tätig.

Der Artikel mit dem Titel „Der Bundesgerichtshof stärkt die Rechte der Ärzte gegen Jameda BGH Urteil vom 20.02.2018 – VI ZR 30/17“ ist erschienen in „Der Pneumologe 1/2019“ © Springer Verlag

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Metadaten
Titel
Arztbewertungsportale
Jameda muss löschen
Publikationsdatum
25.03.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 13/2019

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