Krebsexperten ziehen Bilanz

Dank moderner Diagnostik und zielgerichteten, aber auch immunologisch ansetzenden Therapien können immer mehr Patienten geheilt werden. Die Kehrseite: Es erkranken jedoch auch immer mehr Menschen an Krebs. Am 4. Februar jährt sich der Krebs-Welttag, Anlass um Bilanz zu ziehen. Die Zahl der neu diagnostizierten Krebserkrankungen in Europa ist in den letzten 23 Jahren von 1995 bis 2018 um etwa 50 Prozent von 2,1 Millionen auf 3,1 Millionen gestiegen, zitierte Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Christoph Zielinski, Leiter des Vienna Cancer Centers, aktuelle Daten des Karolinska Institutes in Schweden. Auch die Zahl der Todesfälle aufgrund von Krebs steige weiter, so der Onkologe, allerdings mit einem Anstieg von 20 Prozent deutlich weniger stark als der Anstieg der Neuerkrankungen. Diese Reduktion der Krebssterblichkeit ist Zurückzuführen auf einen Rückgang der Sterblichkeit bei den großen Krebsentitäten, wie Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs. Erheblichen Anteil daran haben moderne diagnostische Möglichkeiten und Therapien. Als Beispiel für den enormen Wissenszuwachs führte Zielinski an, dass seit 2011 97 moderne, zielgerichtete Medikamente allein in der Onkologie zugelassen worden seien. Damit diese Fortschritte auch den Wiener Patienten zugutekommen, wurde das Vienna Cancer Center (www.vienna-cancer-center.at), eine Vernetzung der onkologischen Spitalsabteilungen in Wien gegründet. „Zentrales Ziel dieser Expertenplattform ist es, die wohnortnahe Versorgung der Wiener Krebspatienten auf höchstem medizinischen Niveau sicherzustellen“. Medizinische Fortschritte am Beispiel AML „Bei manchen Leukämieformen haben sich unsere Behandlungsmöglichkeiten um ein Vielfaches verbessert“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Geissler, Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Onkologie, mit Tagesklinik, mit Palliativstation und Ambulanz, Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel. So wurde etwa das Behandlungsspektrum für akute myeloische Leukämie (AML) durch Medikamente erweitert, mit denen pathogenetisch relevante Strukturen von Leukämiezellen zielgerichtet beeinflusst werden können. Ein Beispiel dafür sind AML-Patienten mit einer molekularen Veränderung in einem Protein (FLT3), das für das Zellwachstum verantwortlich ist. Zur Hemmung von FLT3 wurden ein sogenannter Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) entwickelt: Midostaurin. Eine weitere Zielstruktur ist das Enzym Isozitratdehydrogenase, welches für die Inaktivierung wichtiger Gene verantwortlich ist. Die Substanz Ivosidenib hemmt dieses Enzym. Dadurch können Leukämiezellen dazu befähigt werden, wieder auszureifen und ein normales Blutbild zu bilden. Mit Azacitidin und Decitabin stehen Substanzen zur Verfügung, welche die Erkrankung bei all jenen Patienten verlangsamen können, die für keine zielgerichtete Therapie oder intensive Chemotherapie infrage kommt. Diese Medikamente führen nicht zu einer unspezifischen Zerstörung rasch wachsender Zellen, wie das zytostatische Medikamente tun, sondern zu einer Beeinflussung der Schaltstellen des Zellwachstums. … und CLL Bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) wird in nächster Zukunft auf eine intravenöse Chemotherapie vermutlich völlig verzichtet werden können. Maßgeblich für die neuen Therapiemöglichkeiten sind einerseits Substanzen wie Ibrutinib, ein Bruton-Kinase- und damit ein Wachstumssignal-Inhibitor, andererseits Medikamente wie Venetoclax, welche die Leukämiezellen frühzeitig in Apoptose bringen. Ein weiterer großer Vorteil dieser modernen Therapien ist, dass sie vielfach oral verabreicht werden können. Krebstag Wien - mit Ärztefortbildung Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kornek, Präsidentin des Vereins "Leben mit Krebs" und Ärztliche Direktorin des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien – Medizinischer Universitätscampus betonte, wie wichtig es ist, die niedergelassenen Ärzte mit in die Fortschritte einzubeziehen, so dass sie ihre Krebspatienten gut betreuen können. Eine Möglichkeit bieten der Krebstag am 24. Februar im großen Festsaal der Universität Wien. Parallel zu diesem Infotag für Patienten findet auch eine mit DFP-Punkten ausgestattete Ärztefortbildung statt. Link zum Programm hier: https://www.maw.co.at/kongress/dokumente/KREBSTAGAE20_Programm.pdf Anlaufstelle für Patienten: Die Österreichische Krebshilfe Die Österreichische Krebshilfe (www.krebshilfe.net) feiert dieses Jahr ihr 110-jähriges Bestehen. Sie wurde 1910 von den zwei führenden Chirurgen ihrer Zeit gegründet und stand unter dem persönlichen Protektorat des Kaisers, schilderte Prim. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus Wien-Hietzing, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Im Laufe der Jahre hat sie sich zum verlässlichen Partner im Kampf gegen Krebs und für die Verbesserung der Vorsorge entwickelt. Ein besonderes Anliegen ist der Krebshilfe die Erhöhung der HPV-Durchimpfungsraten durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit seitens des Gesundheitsministeriums, die Umsetzung des elektronischen Impfpasses und ein „Opt-out“ (keine generelle Impfpflicht, aber erst nach eingehender Beratung der Eltern können diese gegen die HPV-Impfung widersprechen). Weitere wichtige Anliegen sind der Ausbau palliativer Einrichtungen und Dienstleistungen sowie die Aufnahme der Krebserkrankung als medizinische Indikation für einen Kostenzuschuss von Eizell- /Samenspenden. Quelle: Pressefrühstück „Personalisiert, individuell, zielgerichtet: Maßgeschneiderte Therapiekonzepte für höhere Heilungs- und Überlebenschancen bei Krebs“ am Dienstag, 28. Jänner 2020, AKH Wien.

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