Bei Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis im mittleren Lebensalter könnte es sich um frühe Vorboten einer Demenz im Alter handeln. Hinweise dafür haben Forscher aus Deutschland in einer aktuellen Studie festgemacht.
Bei subjektiv wahrgenommenen Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis im mittleren Lebensalter könnte es sich um frühe Vorboten einer späteren Demenz handeln, meldet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Für ältere Menschen gilt als belegt, dass das subjektiv wahrgenommene Nachlassen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses.
Demenz innerhalb von 17 Jahren
Mithilfe diverser statistischer Verfahren prüften die Wissenschaftler in der Altersgruppe der Über-50-Jährigen den Zusammenhang zwischen SCD und dem Risiko, innerhalb von 17 Jahren eine Demenz zu entwickeln. Für ihre Analysen nutzten sie Daten von insgesamt 6.190 Personen, die zwischen 2000 und 2002 im Alter von 50 bis 75 Jahren (Median: 62 Jahre) in die Kohortenstudie ESTHER* aufgenommen worden waren (siehe Kasten).
Teilnehmer in ESTHER hatten auch auf einem Fragebogen Angaben zu den subjektiv wahrgenommenen Fähigkeiten des Kurz- und des Langzeitgedächtnisses gemacht. Bei Analyse dieser Daten stellte das Team um Brenner fest, dass die Studienteilnehmer, die Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis angaben, im Vergleich zum Rest der Gruppe ein bis zu doppelt so hohes Risiko hatten, später eine Demenz zu entwickeln, wie das DKFZ in seiner Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie zusammenfasst. Am deutlichsten sei der Zusammenhang mit dem Auftreten einer vaskulären Demenz gewesen. Insgesamt 492 Studienteilnehmer waren im Laufe der 17 Jahre an Demenz erkrankt. Bei Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis war das relative Risiko einer Demenz-Diagnose überhaupt und speziell einer vaskulären Demenz um den Faktor 1,55 bzw. 1,78 erhöht. Eine Assoziation zwischen gestörtem Kurzzeitgedächtnis und Alzheimer-Demenz habe es dagegen allenfalls in den ersten sechs Beobachtungsjahren gegeben, berichtet das Team um Brenner. Und für Probleme mit dem Langzeitgedächtnis ließ sich überhaupt keine Assoziation zu späteren Demenz-Erkrankungen erkennen – weder zu vaskulärer Demenz noch zu Morbus Alzheimer.
Plädoyer für vaskuläre Prävention
„Subjektiv wahrgenommene Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis können schon bei Menschen ab einem Alter von 50 Jahren auf ein erhöhtes Risiko einer Demenz hinweisen – und das bereits viele Jahre vor der Diagnosestellung“, wird Brenner in der Mitteilung des DKFZ zitiert. „Unsere Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung frühzeitiger präventiver Maßnahmen zur Vermeidung von Gefäßerkrankungen, die zumindest für einen Teil der Demenzerkrankungen mit verantwortlich sind.“
Bei Probanden, bei denen zusätzlich zu den Kurzzeitgedächtnisstörungen eine Depression aufgetreten war, lag das Risiko einer Demenzdiagnose im höheren Alter noch höher. „Depression und SCD sind unabhängig voneinander mit Demenz assoziiert. Treten beide Faktoren zusammen auf, erhöht sich das Risiko der Betroffenen, später an einer Demenz zu erkranken, noch einmal deutlich“, so Brenner. „Gerade für diese Personen wären deshalb frühzeitige präventive Maßnahmen besonders wichtig.“
*ESTHER ist eine epidemiologische Studie zu Chancen der Prävention, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung. Die Studie wird seit dem Jahr 2000 vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Krebsregister durchgeführt.
Originalpublikation:
Tobias Möllers, et al. Age and Aging 2022, https://doi.org/10.1093/ageing/afac113