Open Access 19.09.2023 | Kinder- und Jugendgynäkologie | Die Mädchensprechstunde
Kontrazeption bei Jugendlichen mit komplexen Krankheitsbildern
Erschienen in: Gynäkologie in der Praxis | Ausgabe 3/2023
Jugendliche mit komplexen Krankheitsbildern planen nicht weniger als ihre gesunden Altersgenossen den ersten Sexualkontakt, auch wenn bei diesen ein hohes gesundheitliches Risiko im Falle einer ungeplanten Schwangerschaft besteht [1, 2]. Generell besteht bei schwangeren Adoleszenten ein erhöhtes Risiko für sowohl psychosoziale als auch gesundheitliche Folgen. Gründe für das erhöhte Risiko liegen in einem häufig inadäquaten Zugang zu Schwangerenversorgung, außerdem besteht eine erhöhte Inzidenz von vorzeitiger Wehentätigkeit, Frühgeburtlichkeit, einem niedrigen Geburtsgewicht oder Präeklampsie [3].
Adoleszenten mit gesundheitlichen Einschränkungen sind genauso häufig sexuell aktiv wie gesunde Jugendliche, teilweise besteht jedoch ein etwas späterer Beginn [4]. Interessant ist eine Studie von 1990, welche zeigte, dass 28 % aller Jugendlichen mit Myelomeningozele sexuell aktiv waren, 43 % der Jugendlichen mit zystischer Fibrose (CF) und 60 % einer Kontrollgruppe ohne gesundheitliche Einschränkungen. Allerdings verhüteten nur 16 % der jugendlichen Frauen mit Myelodysplasie, verglichen mit 67 % der Teenager mit CF und 60 % der gesunden Kontrollgruppe [5]. Außerdem wurde gezeigt, dass weniger als 30 % der jungen Frauen im Alter von 15 bis 25 Jahren, denen teratogene Medikamente verschrieben wurden, eine Verhütungsmethode erhalten haben [6].
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Im folgenden Artikel und in der folgenden Ausgabe werden nun einige dieser komplexen Krankheitsbilder und Überlegungen oder Empfehlungen zu geeigneten Verhütungsmethoden vorgestellt.
Adipöse Frauen haben ein 23-mal höheres Risiko für venös-thrombotische Ereignisse (VTE) als normalgewichtige Frauen, unabhängig von der Verwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva (COC). Trotz allem ist zu beachten, dass VTE bei adipösen Frauen, die COC verwenden, häufiger auftreten als bei adipösen Frauen ohne die Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva [7]. Was die Wirksamkeit von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva oder Gestagenen bei adipösen Jugendlichen anbelangt, gibt es zwar eine Vielzahl von Erklärungen für niedrigere pharmakokinetische Werte, doch deutet die Literatur nicht darauf hin, dass die Hormonkonzentrationen unter den Schwellenwert sinken, der erforderlich ist, um einen Eisprung zu ermöglichen oder eine Schwangerschaft zu verhindern [8]. Es gibt wenig Daten über adipöse Jugendliche oder Erwachsene und die Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva. In einer Studie zeigten Teilnehmerinnen aus den Vereinigten Staaten einen leichten, aber signifikanten Anstieg des Versagens oraler Kontrazeptiva bei Frauen mit einem BMI von über 35 [9]. Die einzigen konsistenten Daten in Bezug auf Adipositas und Wirksamkeit beziehen sich auf die Notfallverhütung, bei der bei adipösen Frauen im Vergleich zu nicht fettleibigen Frauen eine viermal höhere Schwangerschaftsrate mit Levonorgestrel und eine zweifach höhere mit Ulipristalacetat festgestellt wurde.
Erwähnenswert sind auch Verhütungsmethoden mit Depotmedroxyprogesteronacetat (DMPA), „3-Monats-Spritze“. Untersuchungen bei Jugendlichen, die DMPA verwenden, ergaben, dass 21 % der Anwenderinnen eine frühe Gewichtszunahme (>5 % in 6 Monaten) erfuhren und dass sich die Jugendlichen, die zu Beginn ihrer DMPA-Anwendung an Gewicht zunahmen, entgegen der bisherigen Meinung bei keinem demografischen Faktor, einschließlich des Ausgangs-BMI, unterschieden [10]. Aber über die 18 Monate der Studie hatten die frühen Gewichtszunehmerinnen einen signifikant größeren Anstieg des BMI (7,6) im Vergleich zu den nichtfrühen Zunehmerinnen (2,3). Somit relativiert sich die bisherige Annahme, dass bei der Gewichtszunahme unter DMPA der Ausgangs-BMI einen entscheidenden Einfluss hat.
Entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa können bei schweren Erkrankungen oder Dünndarmoperationen zu einer Malabsorption und somit reduzierten Wirksamkeit führen. Zu beachten ist aber auch, dass betroffene Patientinnen aufgrund von Operationen, Ruhigstellung, Kortikosteroideinnahme oder Flüssigkeitsverlust ein erhöhtes VTE-Risiko haben können. Hormonelle Kontrazeptiva erhöhen bei Frauen mit CED jedoch nicht das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs oder eines Rückfalls. Da Frauen mit CED aufgrund von Medikamenten oder Malabsorption ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Osteopenie haben können, muss dieser Aspekt auch bei der Einnahme von DMPA in Betracht gezogen werden [11].
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Diabetes mellitus mit Komplikationen oder von hohem Schweregrad kann mit einem erhöhten Schwangerschaftsrisiko verbunden sein. Eine wirksame Empfängnisverhütung ist auch deshalb so wichtig, weil die Patientinnen bei Planung einer Schwangerschaft ihren Blutzuckerspiegel besser kontrollieren können. Studien haben gezeigt, dass nur 32 % der Teenager und 18 % der jungen Erwachsenen über 19 Jahren mit Typ-1-Diabetes die empfohlene Blutzuckereinstellung erreichen, was deutlich weniger ist als bei Erwachsenen (56 %). Eine schlechte Blutzuckereinstellung ist mit akuten Komplikationen und anhaltenden mikrovaskulären Erkrankungen verbunden. In einer Studie waren sich weniger als 25 % der Jugendlichen mit DM der mütterlichen oder fetalen Risiken einer schlechten Blutzuckerkontrolle in der Schwangerschaft bewusst [12].
Die Verwendung von kombinierten hormonellen Verhütungsmethoden bei Patientinnen mit kompliziertem DM mit Nephropathie, Retinopathie oder Neuropathie ist je nach Schweregrad der Erkrankung (andere vaskuläre Erkrankungen oder eine Krankheitsdauer von mehr als 20 Jahren) aufgrund eines erhöhten Risikos thrombotischer Ereignisse als nicht ratsam einzustufen. DMPA kann außerdem zu einer möglichen erhöhten Insulinresistenz sowie zu einer negativen Auswirkung auf die Knochengesundheit bei Patientinnen mit Typ-1-DM führen.
I. Holzer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von der Autorin keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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