Hintergrund
Die Therapie der systemischen Sklerose stellt aufgrund ihrer recht seltenen Prävalenz, der heterogenen Verläufe und der zunehmend differenzierteren Therapiemöglichkeiten in der Praxis oft eine große Herausforderung für Kliniker dar. Als Ergänzung zu den klassischen medikamentösen Therapien [10] sind in den letzten Jahren vermehrt klinische Studien zur Überprüfung nichtmedikamentöser Therapien durchgeführt worden.
Hinsichtlich der therapeutischen Möglichkeiten haben sich insbesondere die weitere Entwicklung der immunsuppressiven bzw. antifibrotischen Therapien die Behandlungsmöglichkeiten der SSc deutlich verbessert [31]. Abgesehen von der Stammzelltransplantation und wenigen Fällen nach CAR-T-Zell-Therapie, ist die SSc weiterhin eine nicht heilbare, aber dank der Fortschritte der Therapiemöglichkeiten mittlerweile gut behandelbare Erkrankung [4]. Ziel ist hierbei, durch eine optimale Kombination von medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien, die wesentlichen Pathomechanismen zu adressieren: Durchblutung fördern, Inflammation kontrollieren und Fibrosierung aufhalten [7]. Zu den erweiterten Therapiezielen gehören die Steigerung der Kraft, Ausdauer und Belastbarkeit, die Verbesserung der Atmung und Gewebeoxygenierung, die Umstellung auf eine antiinflammatorische Diät und die Reduktion von Schmerzen sowie der psychischen Belastung.
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Medikamentöse Therapien
Medikamentöse Therapien haben drei pathophysiologische Angriffspunkte: die Inflammation, die Fibrose und die Vaskulopathie [7, 31, 37]. Neben den etablierten immunsuppressiven Therapien mittels Methotrexat oder Cyclophosphamid, zeigen insbesondere Mycophenolat mofetil, Rituximab und Tocilizumab gute Ergebnisse im Hinblick auf die Hautfibrose und die pulmonale Beteiligung [31, 37]. In Kombination mit dem antifibrotischen Therapeutikum Nintedanib stellt dies eine gute Option bei Lungenfibrose dar [7]. Neben der Behandlung der Vaskulopathie kommen in Abhängigkeit vom Schweregrad (Raynaud-Phänomen bis hin zu digitalen Ulzera) Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin), PDE-5-Inhibitoren (z. B. Sildenafil, Tadalafil), Ilomedin-Infusionen oder Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Bosentan) zum Einsatz [7, 31, 37].
Aufgrund der Vielzahl der weiteren medikamentösen Therapiemöglichkeiten sei an dieser Stelle auf eine Zusammenfassung der 2016 publizierten EULAR-Leitlinie verwiesen [13]. Tab. 1 fasst die leitliniengerechte Behandlung der SSc in Abhängigkeit von der Organmanifestation zusammen.
Tab. 1
Leitliniengerechte Behandlung der systemischen Sklerose nach Organmanifestation. (In Anlehnung an [10])
Raynaud-Syndrom | Digitalulzera | Pulmonale Hypertonie | Hautfibrose | ILD | Muskuloskelettal | Magen-Darm-Trakt | Renale Krise | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
A | PDE-5-Hemmer, Iloprost CCB | PDE-5-Hemmer, Bosentan Iloprost | PDE-5-Hemmer, ERA, Prostanoide | HSCT, Rituximab, MTX | HSCT, Rituximab, MMF, CYC, Nintedanib | – | – | – |
B | – | – | Riociguat, Iloprost | MMF | TCZ | – | PPI | Keine ACE-Hemmer zur Prävention |
C | – | – | Kein Warfarin | TCZ | – | – | Prokinetika | ACE-Hemmer |
D | – | – | – | – | – | MTX | Prokinetika | – |
Nichtmedikamentöse Therapieformen
Nichtmedikamentöse Therapieformen sind bislang noch nicht in die EULAR-Empfehlungen aufgenommen worden. In der kürzlich publizierten französischen Behandlungsempfehlung der SSc wird die Rehabilitation zum Funktionserhalt zwar als möglichst frühe Therapie empfohlen, die einzelnen Therapiemodalitäten werden jedoch ebenfalls nicht differenziert aufgeführt [11]. Aufgrund der großen Heterogenität der Erkrankung sowie der Vielfalt an nichtmedikamentösen Therapien sollen im Folgenden die verschiedenen Verfahren im Hinblick auf klinische Aspekte und Evidenz betrachtet werden. Hinsichtlich weitergehender Informationen sei an dieser Stelle auf kürzlich publizierte Übersichtsarbeiten verwiesen [12, 19, 22, 34].
Physikalische Therapien
Die physikalischen Therapieformen nutzen die Eigenschaften von Licht, Kälte, Wärme und elektrischen Reizen, um Hautverhärtungen sowie Durchblutungsstörungen zu vermindern und Schmerzen zu lindern. Für die Behandlung von systemischer Sklerose wird vor allem die wassergefilterte Infrarot-A-Bestrahlung angewendet (Abb. 1). Es konnte gezeigt werden, dass diese Therapieform bereits nach fünffacher Anwendung eine subjektive Verbesserung des RP-Schweregrades, eine schnellere Wiederaufwärmung der Finger nach Kälteexposition und eine Reduktion der Hautverdickung (mRSS) und Gelenksymptomatik (DAS28) zur Folge hat [8].
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Zudem wurde bis sechs Wochen nach Behandlung mit Bestrahlung die Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies durch neutrophile Granulozyten reduziert [9]. Üblicherweise wird eine Behandlungsserie von 15–20 Bestrahlungen jährlich, schwerpunktmäßig während der strahlungsärmeren Jahreszeit durchgeführt, die jeweils etwa 30 min zuzüglich Vor- und Nachbereitung in Anspruch nehmen.
Lymphdrainage und Bindegewebsmassage
Die durch die Sklerodermie bedingte Inflammation führt zu einer Schwellung der Kutis und zur Kompression von Lymphgefäßen, vor allem im Bereich der Extremitäten und im Gesicht. Manuelle Lymphdrainagen wirken rein symptomatisch entstauend und hyperämisierend. S. Maddali-Bongi et al. haben in einer randomisierten placebokontrollierten Studie gezeigt, dass mit einer wöchentlichen, einstündigen manuellen Lymphdrainage das Handvolumen abnimmt (volumetrischer Test), eine Verbesserung der Handfunktion und der Lebensqualität erreicht wird und die Beeinträchtigung der Hand als geringer eingeschätzt wird [15]. In einer Studie über einen Zeitraum von 9 Wochen, bei der neben einer Bindegewebsmassage zwei Mal wöchentlich Gelenkmobilisationsübungen durchgeführt wurden, konnten am Ende des Zeitraums signifikante Verbesserungen in der Handfunktion und der Lebensqualität beobachtet werden, was bis etwa neun Wochen nach Beendigung anhielt [17]. Beispielhaft kann hier die Verbesserung der Handbeweglichkeit vor und nach der Therapie beim Patienten mit systemischer Sklerose genannt werden (Abb. 2).
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Am gesamten Körper sowie im Gesichtsbereich unterstützt die Bindegewebsmassage die Verbesserung der Durchblutung und Hautelastizität (Abb. 3). Eine neunwöchige Behandlungsserie mit Bindegewebsmassage im Gesicht und Kinesiotherapie zwei Mal wöchentlich resultierte in einer verbesserten Mundöffnung („mouth opening in systemic sclerosis“, MHISS) und Hautdicke (mRSS) (S. Maddali-Bongi et al. 2011).
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Für die Bindegewebsmassage und die Lymphdrainage hat sich je nach Symptomlast in der Praxis eine Therapiefrequenz von initial 1–2 ×/Woche bewährt (je 30 min empfohlen).
Physiotherapie inklusive reflektorischer Atemtherapie und medizinischer Trainingstherapie
Die Physiotherapie hat einen großen Stellenwert in der Behandlung der SSc. Dazu gehören auch die Atemtherapie, ein regelmäßiges Krafttraining sowie aerobes Training. Die Durchführung eines Kraft- und Ausdauertrainings 3 × pro Woche konnte die Muskelausdauer und die aerobe Kapazität von Sklerodermiepatienten signifikant steigern [1]. Aber auch spezifische Atemübungen („diaphragmic breathing und controlled coughing exercises“) hatten einen positiven Effekt auf die Betroffenen, wobei eine Verbesserung der Herzrate, Dyspnoe und Lungenfunktion beobachtet werden konnte [2]. Als hinreichend wissenschaftlich belegt kann aktuell die durch Physiotherapie erzielte, signifikante Verbesserung der funktionellen Beeinträchtigung, der allgemeinen Lebensqualität und der Gehfähigkeit im 6‑Minuten-Gehtest angesehen werden [25, 35].
Ergotherapie
Maßnahmen der Ergotherapie beinhalten neben intensiver manueller Mobilisation, Triggerpunktbehandlung und funktionellen Übungen zur Gelenkmobilisation auch umfassende Wärmebadbehandlungen mit Paraffin, Kies, Raps und Erbsen- oder Sesamöl (Abb. 4). Durch die Wärmeapplikationen vor oder nach den funktionellen Übungen wird die Durchblutung und der Stoffwechsel der Haut angeregt. Sandqvist et al. konnten zeigen, dass nach einer wöchentlichen, einmonatigen Paraffinbadbehandlung der Hände Verbesserungen im Extensionsumfang, der Hautelastizität und der wahrgenommenen Steifigkeit erreicht werden [26].
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Ziel der Wärmetherapie ist auch, dass diese in Abhängigkeit von der Symptomlast regelmäßig in Eigenregie durchgeführt werden kann. Üblicherweise werden in der Ergotherapie auch Beuge- und Streckbewegungen der Finger- und Handgelenke durchgeführt, die signifikante Verbesserungen des passiven Bewegungsumgangs, der Handfunktion sowie der Kraft bewirken [20, 28]. Sollte sich mit einzelnen Übungssequenzen die Beweglichkeit bei starkem Funktionsverlust und fortgeschrittener Sklerodaktylie mit Beugekontrakturen nicht verbessern, so können individuell angefertigte Hand- und Armschienen zum Einsatz kommen (Abb. 5).
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Logopädie
Ein häufiges und für Betroffene sehr belastendes Problem ist die orale Sicca-Symptomatik, einhergehend mit einer Mikrostomie. Hierbei kommt es häufig zu Heiserkeit und Schluckproblemen, aber auch zu einer eingeschränkten oralen Hygiene. Gezielte logopädische Übungen können helfen, die Mundöffnung bei Mikrostomie zu verbessern [6, 32]. Dadurch verbessern sich auch Schluckbeschwerden, Stimmbildung, Sprache und Zahnhygiene [24].
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Psychologie
In der Praxis wird bei Patienten mit SSc häufig eine sekundäre Fibromyalgie bzw. Fatigue-Symptomatik beobachtet [3, 21, 27]. Beides verursacht nicht nur einen hohen Leidensdruck, sondern eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und der Selbstständigkeit im täglichen Leben. Da bislang nur unzureichend medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten für eine effektive Therapie existieren, ist im Rahmen der interdisziplinären Behandlung eine psychologische Mitbetreuung je nach Symptomlast empfehlenswert.
Ernährungstherapie
Für entzündlich-rheumatische Erkrankung ist bekannt, dass sich durch modifizierte Ernährung die Aktivität der Erkrankung positiv beeinflussen lässt. So reduziert z. B. eine ballaststoffreiche Diät die Zonulin-Produktion und damit die Inflammation [30], β‑Carotin wirkt protektiv über eine Inhibierung des Inflammasoms über Interleukin-1β und Kurkuma in ausreichender Dosierung reduziert Schmerzen und Gelenkergüsse [33]. Als gesichert mit positivem Effekt kann ebenfalls eine mediterrane Diät im Zusammenhang mit Antioxidanzien und Probiotika angesehen werden [23]. In einer randomisierten placebokontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Probiotika die gastrointestinale Reflux-Symptomatik verbessern kann, der Effekt allerdings erst nach 120 Tagen spürbar auftritt [14]. Eine Verbesserung der gastrointestinalen Symptome durch Probiotika konnte nicht nachgewiesen werden [18].
Weitere Therapieformen
Neben den klassischen Therapieansätzen gibt es diverse alternative Therapieformen, die teilweise Einzug in die Wissenschaft gefunden haben und in einzelnen Studien auf ihre Evidenz geprüft wurden. Positive Effekte der traditionellen chinesischen Medizin zeigten sich bei einer 6‑monatigen Behandlung mit Akupunktur und Moxibustion, die zu einer signifikanten Verbesserung des Haut-Scores und einer Reduzierung der Gelenkschmerzen führten [36]. Ebenfalls als wissenschaftlich belegt gilt der positive Effekt der Biofeedback-Therapie. In Kombination mit einer Tiefenoszillation wurde in einer klinischen Studie nachgewiesen, dass die Behandlung eine Verbesserung des Raynaud-Phänomens bewirken kann (VAS) [29]. Zusätzlich stellt bei Schmerzen und Calcinosis cutis die extrakorporale Stoßwellentherapie eine gute Ergänzung dar [5].
Fazit für die Praxis
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Die Systemische Sklerose (SSc) ist eine seltene Erkrankung mit heterogenen Verläufen, was die Behandlung zur Herausforderung macht.
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In den letzten Jahren wurden basierend auf einem besseren Verständnis des Pathomechanismus verschiedene medikamentöse und auch nichtmedikamentöse Therapien weiterentwickelt. Eine Aktualisierung der europäischen Leitlinie ist in Vorbereitung.
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Medikamentöse Therapien adressieren insbesondere Fibrose, Entzündung und Vaskulopathie.
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Nichtmedikamentöse Therapien bewirken eine deutliche Funktionsverbesserung, Schmerzreduktion und gesteigerte Lebensqualität.
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Die Kombination von medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren ermöglicht eine individualisierte Therapie in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Wunderlin, S. Napp, D. Siegwart, E.-Y. Gerber, L. Bonati, F. Behrendt, M. Buslau, C. Schuster-Amft und H.U. Gerth geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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