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23.10.2017 | Infektiologie | Redaktionstipp | Online-Artikel

"Gefährlichkeit der Infektionskrankheiten werden gnadenlos unterschätzt"

Apothekerkammerchef Kobinger warnt vor Impfkritikern

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Trotz der unbestreibaren Sicherheit von Impfungen gebe es immer mehr Menschen, die genau das bezweifeln. Das sagt Dr. Rudolf Schmitzberger, Sprecher des Referates für Impfangelegenheiten der Ärztekammer. Selten stecke radikale Ablehnung dahinter. Vielmehr gerieten Eltern oft in regelrechte Gewissenskonflikte. Ursache seien vor allem im Internet kursierende Falschinformationen.

Warum aber ist die Impfskepsis so groß bzw. die Impfdisziplin so gering.  Die Gefährlichkeit der Infektionskrankheiten werde "gnadenlos unterschätzt", sagt Dr. Gerhard Kobinger von der Apothekerkammer. Grund dafür: "Man sieht sie heute so selten." Wobei: "Die Nutzen-Risiko-Abwägung spricht eindeutig für die Impfung, egal für welche."

Schmitzberger meint: "Impfaufklärung spielt eine wichtige Rolle in unserem Praxisalltag. Das Impfgespräch sollte eine Kosten-Nutzen-Analyse vermitteln, eine Risikoabwägung. Was ist das geringe Risiko einer Impung. Und was für ein Schaden tritt ein, wenn die Erkrankung, die ich eigentlich durch die Impfung verhindern könnte zum Durchbruch kommt."

Aber reicht das? Sieht man nicht dieser Tage wieder - am Beispiel des aufgehobenen Rauchverbots -, dass  Fakten und Analysen nicht ausreichen, um sich  mit seiner Position durchzusetzen. Wie also beantworte ich impfkritische Fragen richtig? Emotional, nüchtern?

Schmitzberger: "Ich appelliere an die Vernunft, nicht an die Angst." Bedeutet konkret? "Ich biete einfache Informationen an. Und ich bringe das Argument, dass wenn sich die Großen impfen lassen, sie damit auch die Kleinen schützen."

Ein Spezialproblem ist das Gesundheitspersonal. "19 Prozent der Masernerkrankungen vergangenes Jahr entfielen auf Angehörige des Gesundheitspersonals (Spitäler etc.). Das sind erschütternde Prozentzahlen", sagt Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien.

"Ich bin nicht für eine generelle Impfpflicht, aber für eine Impfpflicht beim Gesundheitspersonal", sagt Schmitzberger.

Fazit sei, sagt Kobinger, dass es in Österreich jährlich nur noch eine Influenza-Durchimpfungsrate von sechs Prozent gebe. "Dabei ist das eine Erkrankung, die jedes Jahr Tausende Todesopfer fordert." Es seien jährlich zwischen rund 1.500 und 5.000 Sterbefälle, die auf die Influenza zurückzuführen seien. "Impfen ist die kostengünstigste und effizienteste Präventionsmaßnahme."

Freilich, auch bei den Vakzinen selbst muss es Weiterentwicklungen geben, um den Schutz zu verbessern. "Bei der Pertussis-Impfung sehen wir deutliche Limitierungen durch die relativ kurze Wirkdauer der Toxoid-Vakzine. Neue Lebendvakzine zur intranasalen Anwendung soll nicht nur die Keuchhustenerkrankung verhindern, sondern auch die Infektion und die Besiedelung der Schleimhäute mit den Pertussis-Erregern - somit auch die Übertragung", sagt Wiedermann-Schmidt.

In Entwicklung befinde sich aber auch eine Alzheimer-Vakzine, welche eine Immunantwort gegen das TAU-Protein im Gehirn hervorrufen soll, das sich bei der Demenzerkrankung vermehrt ablagert. Eine Kandidat-Vakzine eines Biotech-Unternehmens in Bratislava (AXON Neuroscience SE) wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschafter der MedUni Graz und der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien in einer Placebo-kontrollierten Studie der Phase I (Sicherheit und Immunogenität) an 30 Probanden (sechs davon in der Placebo-Gruppe) erprobt. In der dazu in "Lancet Neurology" im vergangenen Dezember erschienenen Studie hieß es in der Zusammenfassung: "AADvac1 hatte ein gutes Sicherheitsprofil und eine exzellente Immunogenität." Bis zur Anwendung müssen aber noch mehrere und viel größere Studien zur Wirksamkeit laufen.

Auch an neuen Influenza-Vakzinen mit breiterem Schutz gegen möglichst viele Virusvarianten werde gearbeitet, sagt Wiedermann-Schmidt. Auch gegen das Dengue-Virus und gegen das Zika-Virus sind Impfstoffe in Entwicklung. Und schließlich arbeitet der Wiener Pathophysiologe Rudolf Valenta an einer Vakzine gegen Rhinoviren, die auch gegen Allergien schützen soll.

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