Hochdosiertes Impf-Potenzial

Ältere Menschen ab 60 Jahren haben aufgrund der Immunseneszenz ein erhöhtes Risiko für einen gefährlichen Verlauf der Influenza-Infektion. Für sie steht ein Hochdosis-Impfstoff zur Verfügung. Neben den medizinischen sind auch die ökonomischen Konsequenzen dieser Präventionsmaßnahme zu beachten: Eine breite(re) Durchimpfung der notorisch impfmuffelnden österreichischen Bevölkerung könnte über fünf Jahre Einsparungen in Milliardenhöhe erlauben. Auch eine Frage der Kosten: Bei Durchimpfungsraten um 50 Prozent würden die Einsparungen durch verhinderte Krankenstände, verursacht durch Influenza, im Milliardenbereich liegen. Andrii Shyp / Getty Images / iStock × Grundsätzlich ist die Wirksamkeit der Influenza-Impfung auf drei Faktoren zurückzuführen: erstens, wie gut das Virus im Impfstoff mit den tatsächlich zirkulierenden Viren übereinstimmt, zweitens, welches Virus dominant ist: „In Saisonen mit einer H1N1-Epidemie liegt eine sehr gute Schutzwirkung von bis zu 80 Prozent vor“, erläutert Priv. Doz. Ing. Dr. Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Bei Influenza-B-Viren ist eine Schutzwirkung von rund 50 bis 60 Prozent zu beobachten, bei H3-Viren-Dominanz kann die Schutzwirkung auch auf 30 Prozent absinken. Der dritte Spieler ist der menschliche Faktor: Das Alter sowie gewisse Grunderkrankungen haben einen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Influenza- Impfung, diese Personen gelten ebenfalls als Risikogruppe für einen schlechteren Verlauf (siehe auch Kasten „Influenza und kardiovaskuläre Erkrankungen“). Angepasste Impfung Insbesondere ältere Personen sprechen aufgrund der Immunseneszenz schlechter auf die Impfung an, zudem „haben ältere Menschen ein erhöhtes Risiko, aufgrund einer Komplikation im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Die meisten Todesfälle durch Influenza betreffen diese Altersgruppe“, berichtet Priv. Doz Dr. Ole Wichmann, Leiter des Fachgebiets Impfprävention am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Für Ältere (und andere Risikogruppen) wurde die Influenza-Impfung daher angepasst: Der Hochdosis- Impfstoff Efluelda® enthält die vierfach erhöhte Impfstoffmenge und zeigte im Vergleich zur Standarddosierung eine überlegene Schutzwirkung2. In Österreich ist in der Saison 2023/24 laut Gesundheitsministerium für Personen ab 60 Jahren der Hochdosis-Impfstoff Efluelda® verfügbar, für Personen ab 65 Jahren der adjuvantierte, inaktivierte, tetravalente Impfstoff Fluad® Tetra. Übrigens können in Deutschland gesetzlich Krankenversicherte ab dem Alter von 60 Jahren nur noch mit einem Hochdosis-Influenzaimpfstoff geimpft werden; nur wenn dieser nicht verfügbar ist, darf auch der herkömmliche inaktivierte, quadrivalente Influenzaimpfstoff zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verabreicht werden3. Impfreaktion: kein Grund zur Sorge Der Hochdosis-Impfstoff hat laut Wichmann zwar im Vergleich zu herkömmlichen Influenza-Impfstoffen eine höhere Reaktogenität, vor allem lokale Nebenwirkungen an der Injektionsstelle (Schmerz, Rötung, Schwellung) können in erhöhtem Maße auftreten. Dies hat möglicherweise Folgen: Laut deutscher Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) melden Arztpraxen aufgrund der Angst vor stärkeren Nebenwirkungen eine niedrigere Akzeptanz von Hochdosis-Impfstoffen bei Versicherten 4. Jedoch sollten „die Nebenwirkungen meiner Meinung nach kein großes Problem darstellen“, kommentiert Redlberger-Fritz: „Das Immunsystem dieser Personen ist grundsätzlich schwächer, man kann also davon ausgehen, dass letztlich eine geringere Akutreaktion stattfinden wird – wobei die Reaktion an der Einstichstelle – als ‚Impfarm‘ gut bekannt – natürlich bei jeder Impfung auftreten kann.“ Symptome nach der Impfung wie Fieber oder Unwohlsein „weisen auf ein gutes Ansprechen hin“ und können mit Aspirin oder Paracetamol selbst behandelt werden. Ähnlich die Antwort von Wichmann: „Impfreaktionen sind kein Grund zur Beunruhigung und klingen in der Regel nach wenigen Tagen wieder ab.“ Der Experte verweist zudem darauf, dass die Sicherheit von Influenza-Hochdosis- Impfstoffen – genau wie für jeden anderen empfohlenen Impfstoff – in klinischen Studien intensiv geprüft wurde: „Weder für den Influenza- Hochdosis-Impfstoff noch für die konventionellen Influenza-Impfstoffe liegen Sicherheitsbedenken vor.“ Und: Es ist unbedenklich, den „Hochdosis-Impfstoff zeitgleich mit anderen in der Altersgruppe indizierten Impfungen zu geben“, sagt Wichmann (z. B. Impfung gegen COVID-19, Herpes Zoster oder ggf. Pneumokokken). Wirksamkeit ist unbestritten Der medizinische Nutzen der Influenza- Impfung steht jedenfalls außer Frage: Laut RKI lag in europäischen und US-amerikanischen Studien die Wirksamkeit der Influenza-Impfung in Bezug auf die Verhinderung laborbestätigter, Influenza-bedingter Arztkonsultationen in den Saisonen 2010/11 bis 2019/20 bei jeweils zwischen 20 und 60 Prozent5. Bei einer mittleren Wirksamkeit von 41 Prozent bei älteren Erwachsenen bedeutet dies, dass von 100 ungeimpften älteren Erwachsenen zehn an Grippe erkranken, versus sechs von 100 geimpften älteren Erwachsenen. In Deutschland werden die verhinderten Fälle auf rund 400.000 Influenza-Erkrankungen pro Jahr bei Personen über 60 Jahren geschätzt; zudem wurde in zahlreichen Studien gezeigt, dass eine Influenza-Erkrankung bei geimpften Personen mit weniger Komplikationen verläuft als bei Ungeimpften, so das RKI. Ökonomische Sicht Laut einer aktuellen österreichischen Impact-Analyse ist auch das Einsparungspotenzial enorm: Demnach werden durch die jährliche Influenza-Impfung Tausende Erkrankungsfälle wie Bronchitis, Lungenentzündung oder Mittelohrentzündung verhindert bzw. dreistellige Millionenbeträge aufgrund nicht entstandener Krankenstände eingespart6. Für einen Zeitraum von 2023 bis 2027 wurde eine Einsparung von 535 Millionen Euro allein an direkten Kosten berechnet; bei Durchimpfungsraten um 50 Prozent würden die Einsparungen sogar im Milliardenbereich liegen. In Österreich liegt die Influenza- Durchimpfungsrate allerdings derzeit bei mageren 13,62 Prozent der Bevölkerung, bei gefährdeten Risikogruppen mit rund 20 Prozent zwar etwas höher – aber immer noch weit entfernt von der laut WHO und EU bei Risikogruppen empfohlenen Durchimpfungsrate von 75 Prozent 7,8. Bedeutet im Fazit: Ein deutlich breiter angelegtes Impfprogramm inklusive Hochdosis-Impfungen der Risikogruppen wäre sowohl aus medizinischer als auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Influenza und kardiovaskuläre Erkrankungen Als „dangerous liaisons“ bezeichnet eine aktuelle Studie im „European Heart Journal“ den Zusammenhang zwischen Influenza-Saison und Anstieg kardiovaskulärer Ereignisse9. Zu den möglichen pathophysiologischen Ursachen zählen das Auslösen akuter kardiovaskulärer Ereignisse durch die Aktivierung von Entzündungsprozessen, die an der Destabilisierung von atherosklerotischen Plaques beteiligt sind, der erhöhte metabolische Bedarf und die gesteigerte Sympathikus-Aktivierung bei Influenza-Erkrankung bzw. der unzureichende koronare Blutfluss bei Fieber und Tachykardie sowie die Tatsache, dass eine Influenza- Erkrankung zu opportunistischen Infektionen prädisponiert, die wiederum die Sauerstoffversorgung des Myokards reduzieren können. Die Influenza-Impfung gilt daher als wichtige Präventionsmaßnahme für die kardiovaskuläre Gesundheit, vor allem hinsichtlich des akuten Koronarsyndroms, Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz, Myopathien und Arrhythmien, so die Autoren. Zu den weiteren Grunderkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe einer Influenza- Infektion verbunden sind, zählen respiratorische Erkrankungen, Leber- oder Nierenkrankheiten und Diabetes mellitus. Referenzen (letzter Zugriff Juli 2023): 1. www.aekwien.at/documents/ 263869/411179/220609_Empfehlung_ Influenza_Impfung_Grippeimpfung_ Saison22-23_1.0.pdf/fcfb8dfc-533f-08ad- 18f5-447c957daccc (kurz: qrco.de/be8r5Z) 2. Eflueda Fachinformation 2021 3. www.aerzteblatt.de/nachrichten/ 142317/Ab-60-Jahren-nur-noch- Hochdosisinfluenzaimpfstoff-im- Leistungskatalog (kurz: qrco.de/be8r7h) 4. www.kbv.de/html/1150_62792. php#:~:text=Der%20Hochdosis%2D Impfstoff%20hat%20laut,Schwellung)%20 in%20erh% C3%B6htem%20Ma%C3%9Fe%20 auftreten (kurz: qrco.de/be8r9G) 5. www.rki.de/SharedDocs/FAQ/ Impfen/Influenza/faq_ges.html (kurz: qrco.de/be8rB6) 6. www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20230627_OTS01118/grosseseinsparungspotenzial- durch-influenzaimpfung (kurz: qrco.de/be8rCB) 7. https://web.oevih.at/wp-content/ uploads/2019/05/impfverhalten_influenza_ in_oesterreich_status_2019.pdf (kurz: qrco.de/be8rDO) 8. Heilberufe 2021; 73:29-30 9. Volpe M et al., Eur Heart J Suppl 2023;14:25(Suppl A):A1-A4

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