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19.10.2023 | Hämatologische Neoplasien

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CAR-T’s und bispezifischen AK

verfasst von: Mag. Alice Kment im Gespräch mit Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Maria Krauth

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Bispezifische Antikörper als Monotherapie und rezent auch  als Kombinationsregime erzielen immer bessere Ansprechraten, die – insbesondere als Kombitherapie – an die Ergebnisse von CAR-T-Zellprodukten nahezu heranreichen. Auch zu Hochrisikopatient:innen gab es interessante Daten am EHA-Meeting.

Onko News: Was gab es am diesjährigen EHA-Meeting Neues zum Einsatz bispezifischer Antikörper in der Therapie von Patient:innen mit multiplen Myelomen?

Maria Krauth: Wir kennen ja bereits mehrere bispezifische Antikörper, die erfolgreich in der Therapie des multiplen Myeloms eingesetzt werden. Diesmal gab es am EHA-Kongress mehrere Präsentationen von Studien mit längerer Follow-up-Dauer und auch verschiedene Subgruppenanalysen, die von klinischer Relevanz sind. Beginnen wir mit dem kürzlich zugelassenen bispezifischen Antikörper Talquetamab, der nicht gegen BCMA, sondern gegen ein anderes Epitop, nämlich GPRC5D, gerichtet ist. Hierzu sahen wir nun die finalen Ergebnisse der Phase-II-Studie MonumenTAL-1.1
In dieser Studie hatten die Patient:innen mit RRMM, die großteils triple-class-refractory waren und im Median fünf vorangegangene Therapielinien hatten, zwei verschiedene Dosierungen von Talquetamab bekommen (entweder einmal oder alle zwei Wochen).
Wir sehen als wichtigstes Ergebnis auch über einen längeren Zeitraum sehr gute Ansprechraten mit einer ORR von über rund 74% bei der wöchentlichen Gabe und rund 72% bei der Verabreichung alle zwei Wochen. An diesem Ergebnis wird ersichtlich, dass man den Antikörper idealerweise nur alle zwei Wochen zu verabreichen hat und dadurch der Outcome nicht negativ beeinflusst wird.

Onko News: Inwieweit ist diese Studie in Hinblick auf die Frage erhellend, ob man Patient:innen, die bereits eine vorangegangene anti-BCMA-gerichtete Therapie bekommen hatten, nochmals exponieren kann?

Krauth: Ja, wir sehen in der finalen Analyse der MonumenTAL-1-Studie auch in einer solchen Kohorte sehr gute Ansprechraten von über 60% bei Patient:innen, die reexponiert wurden.
Generell ist zu dieser Studie zu bemerken, dass die Responseraten sehr tief und anhaltend waren. Diejenigen Patienten, die eine anhaltende, tiefe Remission erreicht hatten, hatten auch den besten klinische Outcome in Bezug auf PFS und OS.
Das Nebenwirkungsprofil war gut managebar, hauptsächlich zeigten sich Haut-, Nagelveränderungen und Geschmacksstörungen, allerdings meist nur Grad 1 und 2. Unter Therapie mit Talquetamab gab es zwar eine gewisse Infektionsneigung, aber deutlich weniger, insbesondere auch weniger schwere Infektionen (Grad 3/4) als in Studien mit anti-BCMA-gerichteten bispezifischen Antikörpern.
Diese finale Auswertung zeigt somit weiterhin das ermutigende Potenzial von Talquetamab für stark vorbehandelte MM-Patient:innen, einschließlich solcher, die bereits zuvor eine anti-BCMA-gerichtete Therapie erhalten haben.

Onko News: Ein anderer bispezifischer Antikörper ist Elranatamab. Hierzu gab es ein Update der MAGNETISMM-3-Studie.2 Was ist daran bemerkenswert?

Krauth: In die MAGNETISMM-3-Studie2 wurden ebenfalls Patient:innen mit einem multiplen Myelom eingeschlossen, die mehrfach therapierefraktär und stark vorbehandelt waren. Es gab nun ein Update mit einem Follow-up von mehr als einem Jahr für die Kohorte A – das sind Patient:innen, die naiv auf anti-BCMA-gerichtete Therapien waren.2
Es zeigten sich sehr gute Ansprechraten von bis zu 70% und mehr. Patient:innen mit einer besonders tiefen Remission und keiner vorangegangenen anti-BCMA-gerichteten Therapie haben die besten Ergebnisse erzielt in Bezug auf Remissionsdauer, progressionsfreies und Gesamtüberleben.
Nebenwirkungen waren vorwiegend Infektionen, die bei zwei Drittel der Patient:innen in der Studie auftraten, bei ca. 40% waren es schwerwiegende Infektionen Grad 3 und 4. Des Weiteren sah man sehr häufig eine ausgeprägte Hypogammaglobulinämie. Insgesamt decken sich diese Ergebnisse mit dem Nebenwirkungsprofil, das man auch von Teclistamab kennt.

Onko News: Eine Subgruppenanalyse der MAGNESTMM-3-Studie umfasst diejenigen Patient:innen, die bereits zuvor eine anti-BCMA-gerichtete Therapie erhalten hatte.3 Wie ist der Outcome für dieses Patient:innen gut zu beurteilen?

Krauth: Für diese Subgruppe war die interessante Ausgangssituation, dass dasselbe Target nochmals gechallenged wurde, also geprüft wurde, ob eine nochmalige anti-BCMA-gerichtete Therapie mit einem bispezifischen Antikörper einen Benefit bzw. ein neuerliches Ansprechen bringt. Auch hier lautet die Antwort: Ja, ein Rechallenge ist möglich, aber mit einem schlechteren Ansprechen auf die neuerliche anti-BCMA-gerichtete Antikörpertherapie verbunden (ORR von 45,3%).3 Das ist allerdings immer noch viel, wenn man bedenkt, dass im refraktären Setting die Ansprechraten mit konventionellen Therapien bisher nur um die 30% lagen.

Onko News: Es gab aus dieser Studie auch eine Subgruppenanalyse zu elderly, „frail“ patients.4 Welche Aussagen lassen sich zu dieser Gruppe treffen?

Krauth: Das ist eine wichtige Subgruppe, zumal die Patient:innen mit ihrer Erkrankung immer länger leben, immer mehr Therapielinien durchlaufen und daher im Laufe der Therapie immer älter und fragiler werden. Hier gab es nun eine Auswertung mit Patient:innen unter und über 65 Jahre bzw. frail und not frail. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit in diesen Gruppen vergleichbar war. D.h., auch ältere Patient:innen profitieren ganz klar von dieser Therapie mit Elranatamab.

Onko News: Mittlerweile sind die einzelnen bispezifischen Antikörper umfassend untersucht und man geht nun zunehmend zu Kombinationen über. Hierzu wurden Daten aus der RedirecTT-1-Studie5 mit Teclistamab + Talquetamab präsentiert. Wie war diese Studie aufgebaut und wie bewährt sich diese Kombination?

Krauth: Diese Studie weist ein ganz neues Konzept auf, indem sie mit Teclistamab + Talquetamab zwei verschiedene Antikörperkonstrukte miteinander kombiniert und somit zwei verschiedene Targets – BCMA und GPRC5D adressiert. Beide Substanzen wurden subkutan verabreicht mit den in den Zulassungsstudien evaluierten Dosierungen. Wir wissen bereits aus den Studien mit den Einzelsubstanzen, dass beide bispezifischen Antikörper in der Monotherapie eine sehr gute Wirksamkeit aufweisen. Die spannende Frage war nun, ob man durch die Kombination die Wirksamkeit noch weiter verbessern kann bei einem tolerablen Nebenwirkungsprofil.
Als Ergebnis sahen wir, dass die Nebenwirkungen der Kombinationstherapie dasselbe Spektrum wie bei Monotherapie mit dem jeweiligen Antikörper zeigten, es kam zu keiner Potenzierung der Nebenwirkungen wie zum Beispiel Cytokin-Release-Syndrome (CRS), aber die Wirksamkeit nahm bei der Kombinationstherapie deutlich zu.
Wir sahen in der RedirecTT-1-Studie eine Ansprechrate von rund 96% – ein nie da gewesenes Ergebnis, das schon sehr nahe an die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen heranreicht. Wenn sich diese Resultate über einen längeren Beobachtungszeitraum bestätigen, ist eine solche Kombinationstherapie ein potenzieller Competitor bzw. Challenger für CAR-T-Zelltherapien.

Onko News: Was sagt die RedirecTT-1-Studie über Patient:innen aus, die eine extramedulläre Manifestation ihrer Erkrankung aufweisen?

Krauth: Bisher haben wir keine optimale Therapie für diese Patient:innengruppe, auch mit CAR-T-Zelltherapie sind diese Patient:innen nicht optimal versorgt. Wir sehen hier erstmals durch die kombinierte Gabe zweier bispezifischer Antikörper, dass eine Ansprechrate von beinahe 90% erreicht werden konnte. Das ist extrem gut und vielversprechend.

Onko News: Weitere Kombinationsregime, z.B. ein bispezifischer Antikörper mit einem CD38-Antikörper – Talquetamab mit Daratumumab – wurden ebenfalls getestet in der TRIMM-2-Studie.6 Wie schneidet diese Kombinationstherapie ab?

Krauth: Man hat einen synergistischen Effekt zwischen diesen beiden Antikörpern erwartet und sah eine ORR von 84% – ein ausgezeichnetes Ergebnis in einem derartigen Setting. Ein Trend für ein verlängertes PFS ist absehbar, es ist allerdings noch zu früh für konkrete Angaben hierzu. Erstaunlicherweise waren Infektionen in dieser Studie seltener und auch weniger schwerwiegend. Bei rund einem Drittel der Patient:innen trat eine Hypogammaglobulinämie auf, und diese Patient:innen haben auch Immunglobuline bekommen.

Onko News: Was schlussfolgern Sie nun aus all diesen am EHA gezeigten Daten zu bispezifischen Antikörpern. Was wird sich in der klinischen Routine durchsetzen? Was ist practice changing? Und können Sie sich vorstellen, dass diese Therapieregime alsbald in frühere Therapielinien vorrücken?

Krauth: Aufgrund der ausgezeichneten Wirksamkeitsdaten werden die bispezifischen Antikörper in näherer Zukunft immer häufiger zum Einsatz kommen. Teclistamab und seit Kurzem auch Talquetamab sind schon zugelassen zur Therapie des relapsierten/refraktären Myeloms. Es laufen bereits einige Studien mit diesen bispezifischen Antikörpern in frühen Therapielinien, zum Beispiel im ersten Relaps oder auch schon in der Erstlinie oder nach Stammzelltransplantation.
Hier werden wir auf den kommenden Kongressen sicher erste Ergebnisse präsentiert bekommen. Trotz aller guten Resultate muss man aber doch noch längere Follow-up-Daten abwarten, um fundiertere Aussagen treffen zu können und abschätzen zu können, ob der gezeigte Benefit auch längerfristig für alle Patient:innen gleichermaßen gilt oder ob es spezifische Subgruppen geben wird, die eher profitieren als andere.

Onko News: Lenalidomid ist Bestandteil der meisten empfohlenen Primärtherapien beim multiplen Myelom. Wenn Patient:innen Lenalidomid-refraktär werden, gibt es verschiedene andere Therapieoptionen. Die Phase-III-Studie CARTITUDE-47 prüfte, ob Ciltacabtagen autoleucel (Cilta-Cel) effektiver ist als solche Standardtherapien. Mit welchem Ergebnis?

Krauth: In CARTITUDE-47 wurde die Anti-BCMA-gerichtete CAR-T-Zelltherapie mit Cilta-Cel bei Patient:innen mit multiplem Myelom nach bereits 1–3 vorangegangenen Therapielinien gegen die Standardtherapie, eine Kombination aus Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason (PVd) oder Daratumumab, Pomalidomid und Dexamethason (DPd), getestet. Interessant am Design dieser Studie war, dass im CAR-T-Zell-Arm ein Bridging mit PVd oder DPd für ≥1 Zyklus gestattet war (nach Leukapherese und noch vor lymphodepletierender Chemotherapie). Somit wurde exakt dieselbe Therapie wie im SOC-Arm als Bridging-Regime eingesetzt.
Trotz des sehr guten Kontollarms hat Cilta-cel ausgezeichnete Ergebnisse hinsichtlich des PFS gezeigt, welches signifikant verlängert war (PFS HR: 0,26; p<0,0001). Der PFS-Benefit zeigte sich über alle Subgruppen hinweg, sogar in der Gruppe mit Hochrisikozytogenetik, extramedullärer Manifestation und bei Patient:innen, die zuvor eine anti-CD38-gerichtete Antikörpertherapie und einen Proteasominhibitor erhalten hatten. Weitere Endpunkte waren die Komplettremissionen und die MRD-Negativität – auch hier war Cilta-cel signifikant der Standardtherapie überlegen. Am allerbesten schnitten diejenigen Patienten ab, die nur eine Vortherapie erhalten hatten. Das Gesamtansprechen war ebenfalls sehr hoch mit einer ORR von 99%. 86% der Patient:innen wiesen eine CR auf. Es traten gegenüber den Zulassungsstudien keine neuen Sicherheitssignale auf, die wesentlichsten Nebenwirkungen waren CRS, ICANS und MNT. Diese Daten sprechen eindeutig dafür, Cilta-cel schon sehr früh im Therapiealgorithmus einzusetzen, um den bestmöglichen klinischen Outcome zu erhalten.

Onko News: Konnten die positiven Ergebnisse der CAR-T-Zelltherapie mit Cilta-cel aus dieser Studie im Folgenden auch über einen längeren Follow-up-Zeitraum bestätigt werden?

Krauth: Ja, das hat die CARTITUDE-1-Studie gezeigt. Wir sahen hier am EHA Follow-up-Daten der CAR-T-Zelltherapie über drei Jahre.8 Als wichtigstes Ergebnis zeigte sich eine Responserate von 98% nach drei Jahren – ein Ergebnis, das bislang von keiner anderen Therapie erreicht wird. Auch die Rate an Komplettremissionen und MRD-Negativität war ausgesprochen hoch, knapp 80% konnten diese über zumindest 12 Monate halten.

Onko News: Mit der KARMMA-3-Studienauswertung hinsichtlich der Subgruppe der Hochrisikopatient:innen wurde eine schwierig zu behandelnde Patient:innengruppe in den Blickpunkt gerückt.9 Was kam dabei heraus?

Krauth: In der KARMMA-3-Studie wurde die Wirksamkeit von Idecabtagen-Vicleucel, (Ide-cel) bei triple-class-refraktären rrMM-Patient:innen nach zwei bis vier vorhergehenden Therapielinien evaluiert. Ide-cel hatte das PFS signifikant verbessert (13,3 versus 4,4 Monate; p<0,0001). In der aktuellen Subgruppenanalyse9 wurde untersucht, inwieweit auch Betroffene mit ausgeprägten Hochrisiko-Charakteristika (del[17p], t[4;14] t[14;16]), R-ISS-Stadium III, hoher Tumorlast [≥50% CD138-positive Plasmazellen im Knochenmark], extramedullärer Erkrankung [EMP], TCR) innerhalb dieser Studie von Ide-cel profitieren.
Es zeigte sich, dass nach einem medianen Follow-up von 18,6 Monaten das PFS in der Ide-cel-Gruppe signifikant verbessert war als unter Standardtherapien (zytogenetische Anomalien: 11,9 vs. 4,2 Monate; R-ISS Stadium III: 5,2 vs. 3,0 Monate; hohe Tumorlast: 11,0 vs. 4,9 Monate; EMP: 7,2 vs. 2,0 Monate; TCR 11,2 vs. 3,5 Monate). Ebenso waren die ORR und die CR-Rate unter Ide-cel verbessert.
Diese Daten unterstützt also den Einsatz von Ide-cel bei stark vorbehandelten Hochrisikopatienten.

Onko News: Wie sah es an diesem EHA-Meeting mit Daten zu neuen CAR-T-Zellkonstrukten aus? Wohin geht der Trend?

Krauth: In einer weiteren Oral Presentation am EHA-Meeting wurde das erste CAR-T-Zellprodukt, das gegen GPRC5D gerichtet ist, und in einer Phase-I-Studie evaluiert wird, präsentiert.10 Es wurden unterschiedliche Dosierungen verwendet, in der höchsten Dosierung zeigten sich Ansprechraten von 100% (allerdings bei sehr kleinen Fallzahlen).
Insgesamt handelt es sich um eine zwar sehr frühe, aber überaus interessante Studie, die in Phase-II- und -III-Studien weiter evaluiert werden sollte.

Referenzen:
1.) Touzeau C et al., EHA 2023, Abstr. #S191
2.) Mohty M et al., EHA 2023, Abstr. #S196
3.) Manier S et al., EHA 2023, Abstr. #P870
4.)Leleu X et al., EHA 2023, Abstr. #P880
5.)Mateos MV et al., EHA 2023, Abstr. #S190
6.) Bahlis NJ et al., EHA 2023, Abstr. #S192
7.) Einsele H et al., EHA 2023, Abstr. #S100
8.) Munshi N et al., EHA 2023, Abstr. #S202
9.) Patel K et al., EHA 2023, Abstr. #S195
10.) Bal S et al., EHA 2023, Abstr. #S193

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Metadaten
Titel
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CAR-T’s und bispezifischen AK
Publikationsdatum
19.10.2023

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