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Ärzte Woche

21.06.2021 | Gesundheitspolitik

Post-Lockdown: Der Suppe fehlt das Salz

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Gut, die harte Lockdown-Zeit hat uns unsere Grenzen aufgezeigt. Aber es war nicht alles schlecht. Das zurückliegende Seuchenjahr hat den Wert von sozialem Zusammenhalt demonstriert. Was banal klingt, ist leider nicht selbstverständlich. Corona hat aber auch eine andere Pandemie befeuert.

Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein darf sich glücklich schätzen. 100 Prozent Zustimmung erhielt er von der bekannt kritischen Grünen Basis auf dem Bundeskongress seiner Partei. So gestärkt lässt es sich auch leichter Optimismus versprühen, was angesichts der grassierenden Pandemiemüdigkeit auch nötig ist. In seiner Grußadresse an die Teilnehmer der 23. Gesundheitsförderungskonferenz sagt er: „Wir haben in den vergangenen Monaten erlebt, dass gesund zu sein und gesund zu bleiben nicht selbstverständlich ist. Die Pandemie hat uns die Grenzen der persönlichen und gesellschaftlichen Belastbarkeit bewusst gemacht.“ Dr. Klaus Ropin, Leiter Fonds Gesundes Österreich: „Das tägliche Leben ist noch immer eine große Herausforderung für viele von uns. Wir haben erlebt, dass wir sehr flexibel sein können, dass wir anpassungsfähig sind, rasch Neues aufgreifen und umsetzen können.“

Hoher BMI und Infektionsrisiko


Was nehmen wir also aus der Pandemiezeit an Erkenntnissen mit? Prof. DDDr. Clemens Sedmak, Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung an der Universität Salzburg, meint: Vor allem habe die Bedeutung der Gesundheitsförderung zugenommen, „dies auch deshalb, weil das Risiko für Infektionen für gesündere Menschen geringer ist“.

Man kann nur hoffen, dass der Experte recht behält. Denn Corona befeuert eine zweite Pandemie, die Adipositas. Das sagt Prof. Dr. Hans Hauner, Ernährungsmediziner und Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin. Im Durchschnitt liegt die Gewichtszunahme bei 5,6 Kilo, bei Menschen mit einem BMI von über 30 ergibt sich sogar eine Gewichtszunahme von durchschnittlich 7,2 Kilogramm.

Diese Werte beruhen auf einer Online-Befragung von 1.001 Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren im April 2021 im Rahmen eines systematischen Zufallsverfahrens. Dass sie seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen haben, geben überdurchschnittlich häufig die 30- bis 44-Jährigen (48 Prozent) sowie die Befragten an, die bereits zuvor ein Gewichtsproblem hatten (53 Prozent). Je höher der Body-Mass-Index (BMI) der Befragten, desto häufiger geben sie an, dass sie seit Beginn der Pandemie zugenommen haben.

Im Gegenzug gilt Adipositas als Treiber der Covid-19-Pandemie, „denn mit dem BMI steigt auch das Risiko, schwer an Corona zu erkranken. So entsteht ein Teufelskreis aus dem Zusammenspiel von Corona und Adipositas“, erklärt Hauner. Unabhängig von COVID-19 kostet zu hohes Gewicht in Deutschland jährlich etwa 80.000 bis 100.000 Menschenleben. „Der Kollateralschaden durch die Fokussierung auf Corona ist daher im Bereich der vielen lebensstilbedingten Krankheiten enorm“, meint Hans Hauner. 52 Prozent der Befragten bewegen sich seit Beginn der Corona-Krise weniger als vorher. Je höher der BMI, desto häufiger (60 Prozent) geben die Befragten an, dass sie sich jetzt weniger bewegen. Als Gründe für den Bewegungsrückgang nennen die Befragten, dass sie weniger Bewegung im Alltag haben (54 Prozent), aber auch, dass die Räumlichkeiten für Einzel- oder Gruppensport – etwa Turnhallen oder Fitnessstudios – geschlossen sind (53 Prozent).

„Aktivität und Bewegung sind wichtig, um unsere Gesundheit und auch unser Wohlbefinden zu stärken“, sagt Renate Oberhoffer-Fritz, Professorin für Präventive Pädiatrie und Dekanin der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TUM. „Erwachsene sollten mindestens 150 Minuten pro Woche mit moderater bis hoher Intensität aktiv sein.“

Isolation und Monotonie


Studenten, die sich vor eineinhalb Jahren an einer Universität eingeschrieben haben, kennen ihre Hochschule nur von Fotos und ihre Kollegen lediglich aus Videoseminaren. Sie leiden psychisch unter der Situation. Solche Bilder und Momentaufnahmen werden immer wieder verbreitet. Doch treffen sie auf die Mehrheit zu? Das wollten die Universität Trier und das Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) gemeinsam herausfinden.

„Die Ergebnisse zeigen, was die lange Geduldsprobe bewirkt hat. Die Bibliothek ist als wichtiger Ort zwar seit einiger Zeit wieder geöffnet. Aber das genügt nicht, um das allgemeine Befinden zu verbessern. Das Salz in der Suppe ist die Abwechslung. Die Monotonie der Situation zerrt an den Nerven. Das ist allenthalben spürbar“, beschreibt Prof. Dr. Michael Jäckel die Erkenntnisse aus der Studie.

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Metadaten
Titel
Post-Lockdown: Der Suppe fehlt das Salz
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
21.06.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 25/2021

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