Ich muss meine Angst mit aller Härte bekämpfen! Nein, muss ich nicht.
Zu den berühmtesten Buchpassagen zählt Peter Høegs Behauptung in Fräulein Smillas Gespür für Schnee, die Inuit hätten unzählige Wörter für Eis. So eine Behauptung bleibt haften, selbst wenn sie falsch ist. Analog dazu hätte man das vorliegende Buch mit dem Statement beginnen können, dass Kinder 30 Begriffe für Angst kennen. Zumindest wird jungen Menschen nachgesagt, sie würden sich ununterbrochen fürchten. Das ist unrichtig, denn die Angst vor dem Dunklen ist profan im Vergleich zu den Ängsten, die sich im Leben sonst noch einstellen. Man fürchtet sich vor Krankheit, man zittert um seine Lieben oder vor dem Verlust seines Jobs. Manchmal treten Ängste auf, die sich nicht einmal begründen lassen, etwa die Agoraphobie (die Angst vor dem Aufenthalt auf weiten Plätzen).
Über welche Angst man auch spricht, sie wird stets als etwas Belastendes gesehen, als etwas, was man dringend loswerden sollte. Doch zeigt dieses Buch einen erfrischenden anderen Ansatz, der sich an einem arabischen Sprichwort orientiert: Die Feindeshand, die man nicht abhacken kann, muss man eben schütteln.
Diese Idee gefällt, schließlich kann Angst ein motivierender Faktor im Leben sein, sofern man sie zügeln kann. Sie darf nur eines nicht: zur lebensbestimmenden Phobie werden. Constanze Dennig ist Psychiaterin und kennt Techniken, die das bewerkstelligen können. Was aber in diesem Fall wichtiger ist: Sie kann ihre Tipps in Wörter hüllen, die ihre Leserschaft erreichen und motivieren, ihre Ängste in einem neuen Licht zu sehen und anders damit umzugehen.
Constanze Dennig: Willkommen Angst. Vom Nutzen der Furcht. Carl Ueberreuter Verlag 2023, 160 Seiten, Hardcover 25,00 Euro, ISBN 978-3-8000-7829-5.