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Ärzte Woche

22.06.2023 | Sexualmedizin

„Sextoys können das Körperbewusstsein fördern“

verfasst von: Sonja Streit

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Was bereits vor Jahrtausenden aus Stein oder Holz zur Lustbefriedigung hergestellt wurde, ist heutzutage innovativer und moderner denn je: Sexspielzeug. Eine Produktdesignerin und eine Marketing-Expertin erklären, wie Toys stets aufs Neue Begierden wecken.

Ärzte Woche: Wie gestaltet sich die Entwicklung eines Sextoys von der Idee bis zur Marktreife?

Simone Kalz: Der gesamte Entwicklungsprozess dauert – je nach Toy – etwa ein bis zwei Jahre. Dabei ist der Zeitraum von der initialen Idee bis zum ersten Prototyp vergleichsweise kurz, im Schnitt etwa acht Wochen. Vom ersten Prototyp bis zur Serienfertigung eines Produktes vergeht dann deutlich mehr Zeit, währenddessen unsere Entwickler, Designer, Experten und Tester in einem engen Austausch stehen. Wir machen viele intensive Testläufe, denn nur so werden wir unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht und stellen sicher, dass unsere Kunden lange Spaß mit ihrem Toy haben werden. Gerade langfristige Lebensdauer-Checks kann man nicht in ein paar Wochen durchführen. Das braucht seine Zeit. Uns ist es sehr wichtig, diese Zeit einzuplanen, denn nur durch diese intensive Teamarbeit können wir Produkte kreieren, die auch wirklich ihren Zweck erfüllen, die langlebig sind und so einen echten Mehrwert bieten.

Ärzte Woche: Wie testen Sie diese und wann bzw. warum verwerfen Sie Ideen wieder?

Simone Kalz: Im ersten Schritt geht es darum zu überlegen, was wir erreichen möchten. Sich die Frage zu stellen, um welche Art der Befriedigung es bei diesem Produkt gehen soll. Und dann orientiert sich alles an dem genialen Leitsatz „Form Follows Function“. Grundsätzlich kann man jede Stelle des menschlichen Körpers stimulieren. Die Kunst liegt darin, die Ergonomie in den Fokus zu rücken und daraus ein Design zu entwickeln, das die größtmögliche Befriedigung ermöglicht und gleichzeitig auch ästhetisch aussieht. Als Sextoy-Desigerin lasse ich mich also von Menschen und ihrer Lust inspirieren. Es ist immens wichtig, im gesamten Prozess immer wieder zu diesen beiden Punkten zurückzukehren. Wie lässt sich ein bestimmter Hotspot stimulieren? Wie wird ein Toy bedient, gegriffen? Wie werden Knöpfe gedrückt? Nur wenn ich diese essenziellen Fragen berücksichtige, wenn ich mich intensiv damit auseinandersetze, kann ein wirklich funktionales Produkt dabei herauskommen, das die Lust der Kundinnen und Kunden beflügelt.

Neue Produkte lassen wir von einer Gruppe von Menschen aus unserem Testerinnen-Pool auf Herz und Nieren prüfen. Mithilfe des Feedbacks aus dieser Gruppe wird das Toy optimiert. Manchmal auch in mehreren Durchläufen. Erst wenn wir sicher sind, dass ein Toy zu einhundert Prozent unseren Erwartungen, den hohen Qualitätsstandards und vor allem den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden gerecht wird, bringen wir es auf den Markt. Mehr als jedes andere Produkt auf dem Markt müssen Sextoys Begehrlichkeiten, Begierde wecken. Uns geht es nicht einfach darum, die bestmögliche Replikation eines Phallus zu entwickeln, sondern die Funktion eines Toys in den Mittelpunkt zu rücken und darauf basierend ein einzigartiges, ansprechendes Design zu entwickeln.

Ärzte Woche: Sextoys für Männer fokussieren häufig die Prostatastimulation – eine Vorliebe, die nicht jeder Mann teilt. Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht, auch andere männliche Vorlieben zu berücksichtigen, wie das zum Beispiel beim Manta der Fall ist?

Jordis Meise: Bei unseren Toys geht es darum, einen zusätzlichen Mehrwert, eine Inspiration für das eigene Sexleben zu generieren, nicht einen Ersatz dafür zu schaffen. Selbstbefriedigung ist für Menschen mit Penis klassischerweise „Hoch-runter-hoch“, zusätzlich dazu kann man mit dem MANTA das Frenulum entdecken, die sensibelste Stelle des Penis. Man kann auch mit einem Produkt wie DUKE oder klassischen Plugs seine Prostata stimulieren, muss man aber nicht. Das sind dann schon drei unterschiedliche Arten, sich zu befriedigen, und damit auch drei unterschiedliche Sensationen. Es ist für uns schon wichtig, verschiedenste Vorlieben zu berücksichtigen, denn unsere Mission ist es, die Neugierde unserer Kunden zu wecken, ihre Sexualität frei auszuleben und mit unseren „Zusätzen“ Neues zu entdecken.

Ärzte Woche: Sie bieten mit MEA nun einen Druckwellenvibrator für Frauen an. Sind in Zukunft weitere Produkte mit dieser Technik geplant oder sind solche Produkte erfahrungsgemäß weniger gefragt?

Jordis Meise: Laut unserem B2B Netzwerk nimmt die Nachfrage nach Druckwellenvibratoren aktuell ab, der Markt ist mehr als gesättigt. Wir stellen Produkte nur her, wenn sie den Markt erweitern oder eine neue Benchmark setzen – was bei MEA der Fall ist. Man könnte jetzt auch noch eine abgespeckte Variante herausbringen, das machen ja viele Hersteller so, aber: Günstig produzierte Druckwellenvibratoren gibt es genug, wir wollen nicht den dreihundertsten in unserem Portfolio haben. Was für uns gerade viel interessanter ist, sind richtig gute Toys für Menschen mit Penis.

Wie wichtig sind Sextoys Ihrer Meinung nach für die sexuelle Gesundheit, sowohl für Paare, als auch für Singles und inwieweit möchten Sie Ihr Portfolio stetig weiterentwickeln?

Jordis Meise: Sextoys helfen Menschen, die noch nie einen Orgasmus hatten, das mal zu erleben. Sie helfen Menschen, die Erektionsprobleme haben, trotzdem Orgasmen zu bekommen und auch mit Partner weiterhin ein erfülltes Liebesleben zu haben. Sie ermöglichen es Menschen, Dinge mal für sich auszuprobieren, bevor man den Schritt geht, jemand Zweites zu involvieren – das kann zum Beispiel das Selbstbewusstsein stärken und das eigene Körperbewusstsein fördern. Sie helfen Menschen, ihre eigenen Hotspots kennenzulernen und diese so auch besser dem Gegenüber kommunizieren zu können. Sie helfen Paaren, gemeinsam kommen zu können, auch wenn eine/r der beiden bei „gewöhnlichem“ Sex nicht zum Orgasmus kommt. Das verbindet auf einer tiefen Ebene und erhöht in der Regel den Spaß für beide.

Mein Fazit: Sextoys sollen in erster Linie Spaß machen, können sich aber auch vorteilhaft auf die Psyche auswirken! Daher denke ich, dass sie durchaus auch eine Rolle für die sexuelle Gesundheit spielen. Unser Portfolio entwickeln wir unter der Prämisse weiter, dass wir Neuprodukte nur launchen, wenn wir eine der folgenden Fragen eindeutig mit „ja“ beantworten können: Ist es eine absolute Neuheit? Setzt es eine neue Benchmark? Verbessert es ein bestehendes Produkt aus dem Sortiment relevant bzw. beseitigt es Kundenprobleme?

Bei unserem neuesten Produkt handelt es sich um einen sogenannten „vibrierenden Zauberstab“, oder auch „Vibrating Wand“ genannt. VIM ist das stärkste und intensivste Toy, das wir je entwickelt haben – und genau das wünscht sich die Zielgruppe dieser Produktkategorie. Es eröffnet neue Spielarten, zum Beispiel kann es durch Kleidung hindurch Orgasmen herzaubern oder wird gerne auch für Dominanz-Spiele genutzt.

Ärzte Woche: Sie haben außerdem kürzlich ein Produkt für Mütter gelauncht. Was hat es damit auf sich?

Jordis Meise: Unsere Mama Box, die kürzlich erschienen ist, bildet einen Kontrast: Sie soll jungen Mamas den Weg zurück in eine – neue – Sexualität nach einer Geburt erleichtern. Laut einer Gynäkologin, mit der ich zu dem Thema gesprochen habe, ist Sex nach einer Geburt für die allermeisten Frauen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden und fühlt sich einfach komplett anders an. Aber anders kann auch schön sein, und dafür soll die Mama Box stehen. Unser Portfolio ist und bleibt also vielfältig – eben genauso wie Sexualität.

Simone Kalz ist als Produktdesignerin beim deutschen Unternehmen Fun Factory tätig, Jordis Meise ist Head of Marketing. Die Firma mit Sitz in Bremen fertigt seit über 25 Jahren Premium Sextoys in Deutschland.

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Metadaten
Titel
„Sextoys können das Körperbewusstsein fördern“
Schlagwort
Sexualmedizin
Publikationsdatum
22.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2023