Einleitung und Epidemiologie
Pathogenese
Erkrankung | |
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Darm/Leber | M. Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, Leberzirrhose |
Infektionen | HBV, HCV, HIV, Tuberkulose, Staphylokokken (IgA-dominante infekt-assoziierte IgAN) |
Autoimmun | Ankylosierende Spondylitis, rheumatoide Arthritis, Sjögren Syndrom, IgA Vaskulitis (Pupura Schönlein-Henoch) |
Malignome | Bronchuskarzinom, Nierenzellkarzinom, Lymphom, IgA Myelom |
Lunge | Sarkoidose, Bronchiolitis obliterans, zystische Fibrose |
Haut | Dermatitis herpetiformis, Psoriasis |
Diagnostik und Pathologie
MEST‑C score | |
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Mesangiale Hyperzellularität (M) | |
≤ 50 % der Glomerula | M0 |
> 50 % der Glomerula | M1 |
Endokapilläre Hyperzellularität (E) | |
Nicht vorhanden | E0 |
Vorhanden | E1 |
Segmentale Sklerose (S) | |
Nicht vorhanden | S0 |
Vorhanden | S1 |
Tubuläre Atrophie/interstitielle Fibrose (T) | |
< 25 % | T0 |
26–50 % | T1 |
> 50 % | T2 |
Halbmonde (crescents, C) | |
Keine | C0 |
≤ 25 % der Glomerula | C1 |
> 25 % der Glomerula | C2 |
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Im Harnsediment finden sich dysmorphe Erythrozyten und häufig Erythrozytenzylinder.
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Negative „Autoimmun-Serologie“ (ANA, PR3-/ MPO-AK, ggf. anti-GBM-AK, PLA2R-AK), kein Komplementverbrauch, Hepatitis B und C negativ (wenn einer dieser Parameter positiv ist, so ist eine andere Glomerulonephritis zu suszipieren!).
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Rolle von Serum IgA in der Diagnosestellung bzw. Monitoring ist unspezifisch. Die Bestimmung hat keine prognostische/diagnostische Relevanz (in 50 % der Fälle Serum IgA in der Norm).
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Noch unklare diagnostische Nützlichkeit und mangelnde Verfügbarkeit: Messung von Gd-IgA1 bzw. von Serumspiegeln von Anti-Gd-IgA1 IgG Antikörpern.
Klinik
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eine Mikrohämaturie
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eine Proteinurie
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Rezidivierende Phasen einer selbstlimitierenden schmerzlosen Makrohämaturie, oft während oder kurz nach einem respiratorischen („synpharyngitisch“) oder gastrointestinalen Infekt.
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eingeschränkte Nierenfunktion (eGFR)
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arterielle Hypertonie
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Nephrotisches Syndrom (Proteinurie > 3,5 g/Tag): Diese zeigt im histologischen Bild einen zusätzlichen Podozytenschaden wie bei einer Minimal Change Nephropathie [16].
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Rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN): Die RPGN beinhaltet einen glomerulären Filtrationsverlust von ≥ 50 % innerhalb von drei Monaten und hat eine schlechte Prognose. Histopathologisch findet sich häufig eine Halbmondbildung in > 50 % der Glomeruli. Sie kann sowohl zum Diagnosezeitpunkt aber auch jederzeit im Laufe der Erkrankung auftreten.
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Akute Nierenschädigung durch Tubulusobstruktion und -toxizität kann im Rahmen von Makrohämaturie-Episoden auftreten, bessert sich zumeist binnen weniger Wochen.
Prognose
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Nierenfunktion (eGFR) zum Zeitpunkt der Diagnose
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Proteinurie
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Arterielle Hypertonie
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Isolierte Hämaturie und keine Proteinurie: niedriges Risiko für Progression
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Signifikante persistierende Proteinurie > 1 g/24 h: 25–30 % dieser Patienten sind dialysepflichtig innerhalb von 20–25 Jahren
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Spontane Remission möglich bei isolierter Hämaturie (ohne signifikante Proteinurie und mit normaler Nierenfunktion, v. a. bei Kindern (5–30 %))
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Reduktion der Progressionsrate durch Erreichen einer kompletten (Proteinurie < 0,3 g/d) oder partiellen Remission (Proteinurie < 1 g/d)
Therapie
ACE-Hemmer oder Sartan in maximal verträglicher Dosis |
Blutdrucksenkung: systolischer Zielblutdruck < 130 mm Hg bzw. < 120 mm Hg wenn tolerierbar |
SGLT2-Hemmer |
Kochsalzeinschränkung auf < 5 g/d (Natrium < 2 g/d) |
Statintherapie bei Alter > 50 Jahre oder Cholesterin > 200 g/dl |
Optimierung des Glukose-Metabolismus |
Übergewicht reduzieren (Ziel BMI ≤ 25 kg/m2) |
Nikotinkarenz |
Nephrotoxische Substanzen (z. B. NSAR) vermeiden |
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Sehr niedriges Risiko der Progression: PatientInnen mit isolierter Hämaturie, ohne Hypertonie und normaler eGFR benötigen für gewöhnlich keine spezifische Therapie, jedoch zumindest jährliches Monitoring der Proteinurie, der eGFR und des Blutdrucks.
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Niedriges Risiko der Progression: Bei einer Proteinurie < 0,5 g/Tag sollte die Entscheidung für eine RAS- bzw. eine SGLT2-Blockade individuell getroffen werden (je nach Blutdruck und Komorbiditäten).
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Intermediäres Risiko der Progression: Bei PatientInnen mit persistierender Proteinurie von über 0,5 g/Tag sollte eine Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan begonnen werden mit dem Ziel die Proteinurie < 0,5 g/Tag zu reduzieren und den Blutdruck auf zumindest < 120 mm Hg systolisch zu senken. Die Dosis der RAS-Blockade sollte bis zur maximal tolerierbaren bzw. zugelassenen Dosierung titriert werden. In der STOP-IgAN Studie konnte durch supportive Therapie der jährliche eGFR Verlust von −5 bis −6 ml/min/1,73 m2 pro Jahr auf −1,6 ml/min/1,73 m2 pro Jahr reduziert werden [8]. In einer Subanalyse der IgAN Patient:innen in der DAPA-CKD Studie konnte gezeigt werden, dass durch den SGLT2-Hemmer Dapagliflozin 10 mg täglich das Risiko für rasche Progression, Dialysepflichtigkeit oder Tod innerhalb von 2 Jahren um 70 % reduziert wird [6]. Der nephroprotektive Effekt von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit und ohne Diabetes konnte in der EMPA-KIDNEY Kohorte (ca. 25 % Patient:innen mit glomerulären Erkrankungen) bestätigt werden [20]. Daher scheint die zusätzliche Gabe eines SGLT2-Hemmers für viele IgAN Patient:innen bis zu einer eGFR von 20 ml/min/1,73 m2 sinnvoll. Eine Reevaluation von Nierenfunktion und Proteinurie sollte nach 3–6 Monaten erfolgen. Nur im Fall einer eGFR > 30 ml/min/1,73 m2 und einer Proteinurie > 1 bis 1,5 g/Tag sollten weitere therapeutische Optionen mit dem Patienten individuell diskutiert werden (siehe Absatz Immunsuppression).
Immunsuppression
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eGFR < 30 ml/min pro 1,73 m2
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Diabetes
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Adipositas (BMI > 30 kg/m2)
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Latente Infektionen (Hepatitis B und C, Tuberkulose)
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Sekundäre Erkrankungen (z. B. Leberzirrhose)
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Peptische Ulzera
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Unkontrollierte psychiatrische Erkrankung
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Schwere Osteoporose
Mögliche zukünftige Therapieansätze
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Bei eGFR > 30 ml/min, Proteinurie > 750 mg/die
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Dosierung 100–400 mg/Tag je nach eGFR über mind. 6 Monate
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Beachtung der Kontraindikationen und notwendigen Kontrollen (Auge, Leber)
Transplantation
Schwangerschaft
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Optimale Blutdruckkontrolle unter Verwendung der in der Schwangerschaft etablierten Medikamente
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Regelmäßige (alle 6 Wochen) Bestimmung von Nierenfunktion (eGFR), Harnbefund inkl. Sediment sowie Bestimmung der Proteinurie
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Engmaschige gynäkologische Kontrollen
Verlaufskontrollen
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Alle Patienten mit IgAN bedürfen einer nephrologischen Verlaufskontrolle (siehe Abb. 1).
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Patienten mit Proteinurie < 1 g/24 h, normaler eGFR ± Mikro/Makrohämaturie: alle 6 Monate (eGFR, Harnsediment, Protein/Kreatinin-Ratio, Blutdruck).
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Bei Einleitung einer supportiven Therapie zumindest Kontrollen in zweimonatigen Abständen bis zum Erreichen des Therapiezieles.
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Bei relevanter Änderung der Protein/Kreatinin Ratio, Proteinurie im 24-Stunden Harn bestimmen lassen.
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Evaluierung Nierenbiopsie bzw. Re-Biopsie bei nicht durch alternative Ursachen erklärbarer Verschlechterung der eGFR in Kombination mit nephritischem Sediment.
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Verlaufskontrollen bei Patienten, die unter systemischer Glukokortikoidtherapie stehen, zumindest alle 4 bis 6 Wochen (Infekt-Screening, metabolische Nebenwirkungen).