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Ärzte Woche

28.08.2023

Das Knarren der Sakije - die Nilhochwässer im Alten Ägypten

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Einzigartige Papyri aus der griechisch-römischen Zeit dokumentieren eine staatlich gelenkte Wasserwirtschaft, die jedes Detail, vom Mietkamel bis zum Schaufelrad, zu regeln versuchte.

Wie oft haben Sie heute die Klospülung betätigt oder den Wasserhahn aufgedreht? Niemand hat darüber Aufzeichnungen. In trockenen Ländern allerdings, deren Überleben von der Verfügbarkeit der richtigen Menge Wasser zur richtigen Zeit des Jahres abhängt, wird hingegen über Wasser akribisch Buch geführt. Es darf spekuliert werden, ob die Bedeutung des Wassers die frühen Hochkulturen überhaupt erst zur Entwicklung der Schrift angeregt hat. Ganz sicher hat es die Bürokratie beflügelt.

Zu protokollieren gab es im Alten Ägypten jede Menge. Davon künden die auf Papyrus geschriebenen Verwaltungsakte, Quittungen, Rechnungen und Verträge, die in den Glasvitrinen des Papyrusmuseums in Wien zu sehen sind.

Ägypten ist ein „Geschenk des Nils“ ( dem Herodot zugeschrieben, Anm. ). Das Fayum, der Fruchtgürtel entlang des Nils und das Nildelta sind die bewohnbaren Nutzflächen Ägyptens, was kaum der halben Ausdehnung Österreichs entspricht. Dennoch wurde Ägypten zur Kornkammer Roms. Allein das Gerücht einer verspäteten oder ausgefallenen Gertreidelieferung führte dort zu Tumulten. Basis dafür: „Die jährliche Nilflut, die weite Teile des Ackerlandes unter Wasser setzte und bei ihrem Rückgang fruchtbaren Schlamm zurückließ, prägte das antike und mittelalterliche Ägypten und sicherte dem Land reiche Ernten und damit auch Wohlstand.“ Das sagt ÖNB-Direktorin Johanna Rachinger.

Um diesen zu gewährleisten, musste das Gemeinwesen mustergültig organisiert sein. Die Bauern mussten Lage und Umfang ihrer bebauten Felder kennen und schützen. Das jährliche Hochwasser verwischte Jahr für Jahr die Grenzen und stellte die Landvermesser Jahr für Jahr vor neue Herausforderungen. Durch Kanäle und Dämme wurde sichergestellt, dass höhere Lagen auch vom Nilwasser profitierten, und Schleusen regulierten die Wassermengen. Diese Tätigkeiten mussten organisiert, Arbeitskräfte eingeteilt werden. Da das Land ohne Wasserräder und Schöpfwerke und die zugehörigen Nutztiere nichts wert war, rückten die Schöpfanlagen ins Zentrum vieler Pachtverträge.

So steht in einem Vertrag, der mit 5. August 574 n. Chr. datiert ist: „Ich nehme es freiwillig auf mich, zu pachten ... das dir gehörende ganze Wasserschöpfwerk mit Namen Akeeis, gelegen im Norden dieses Dorfes, ausgestattet mit der gesamten hölzernen Ausstattung und den Eisenteilen einschließlich des dazugehörigen Wasserreservoirs sowie aller Pflanzen und jedes anderen daran bestehenden Rechts ... zur Aussaat mit Saatgut nach meiner Entscheidung.“

Als die britische Schriftstellerin Amelia Edwards 1873 eine Reise den Nil aufwärts unternahm, kam sie nicht umhin, die ägyptischen Wasserschöpfwerke zu bemerken. Sie notierte: „Die Sakijen ( Anm.: von Zugtieren angetriebene Schöpfwerke ) quietschen grässlich und ihr Quietschen erstreckt sich über eine unbegrenzte Skala von Tönen. Vom Morgen bis zum taufeuchten Abend, vom taufeuchten Abend bis zum Morgen quietschen, kreischen, mahlen, knarren und krächzen sie. ... Die Nacht durchzuschlafen ist unmöglich.“ Ob Edwards und ihre Zeitgenossen, die das Knarren der aneinanderreibenden hölzernen Zahnräder beschrieben, ahnten, dass sie Zeugen einer jahrtausendealten Schöpftechnik wurden?

Kapitalverbrechen Wasserdiebstahl

Wasser war nicht nur für die Landwirtschaft bedeutsam, sondern auch für den Personen- und Warentransport ( die schnellste Fortbewegung war auf der Wasserstraße möglich, Anm .), für die Hygiene und Badekultur und für die Fischerei auf dem Nil. Bei den erhaltenen Schriften handelt es sich nicht nur um Geschäftspost, es sind auch höflich formulierte Papyrusbriefe unter ihnen. Wie jener Brief aus dem 2. oder 3. Jahrhundert. Der Absender bestätigt darin, eine Sendung Lebensmittel erhalten zu haben: „Alexandros grüßt seinen sehr geliebten Chairemon! Ich habe durch deinen Diener sechs Nilfische und zwanzig Brote empfangen. Ich habe dir ein paar Sandalen und neue Körbe geschickt ...“ Wasser war so wichtig, dass unbefugtes Abzweigen von Nilwasser drakonisch bestraft wurde. Eine kaiserliche Anordnung vom 22. November 409 n. Chr. bestimmte, dass Wasserdiebe als lebendige Fackeln verbrannt werden.

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Metadaten
Titel
Das Knarren der Sakije - die Nilhochwässer im Alten Ägypten
Publikationsdatum
28.08.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 35/2023

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