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Ärzte Woche

30.08.2023 | Tekal

Über Lehrer, Belehrer und Belehrte

verfasst von: Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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 Es gibt Berufsgruppen, wo es zur Jobdescription gehört, Menschen zu belehren. Deshalb heißt es auch „Lehrer“ und nicht etwa „Bespaßer“, „Animateur“ oder „Dompteur“.


Die Lernenden lauschen, meist nicht freiwillig, dafür mit umso größerem Desinteresse, den Ausführungen der Fachkraft. Das, was von den aufgeschnappten Wortfetzen zwischen WhatsApp-Chat und Sekundenschlaf hängen bleibt, nennt man Bildung. Und wer wissen will, wie gut es darum bestellt ist, muss nach Pisa fahren.

Daneben gibt es auch andere Professionen, die Menschen belehren müssen. Polizisten etwa, die didaktisch mit rhetorischen Fragen („Sie wissen, warum wir Sie aufgehalten haben?“) die Kenntnis um die Straßenverkehrsordnung auffrischen. Auch auf die Gegenfrage „weil Ihnen fad ist, Sie Kasperl …?“ bekommt man die Belehrung „Sie haben das Recht zu schweigen …“ – ein gratis Crashkurs in Juristerei, als Service für den mündigen Bürger.

Aber auch die Autofahrer selbst belehren gerne. Laut ÖAMTC ärgern sich vier von zehn Fahrern täglich „sehr über die anderen“. Daher ist es die staatsbürgerliche Pflicht, diese anderen auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zu Italien oder Frankreich, wo die Hupe als Blinker und der gezeigte Vogel als Bremse fungiert, haben die Österreichischen Lenker auch einen pädagogischen Anspruch: So kann ein unachtsames Fahrmanöver, das zu einer gefährlichen Situation führen könnte, durch das bewusste Herbeiführen einer wirklich gefährlichen Situation, zu einem gelungenen Lehrstück werden.

Belehrt wird auch medial. Selten liest man hierzulande, dass der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un ein neues Nagelstudio eröffnet hat, ohne die Zusätze „Diktator“, „Marschflugkörper“ oder „nur weil der Kim eine Rakete zündet, musst du es ihm nicht nachmachen“. Dabei fällt gerne das Wort Gesinnungsjournalismus, wenn das Geschriebene nicht mehr als objektiv, sondern als parteiisch und belehrend empfunden wird. Und obwohl vermeintlich Welten zwischen alternativen Fakten und gepachteten Wahrheiten liegen, sind sie einander doch sehr nah. Das darf ich in dieser Kolumne auch schreiben, denn hier drinnen bin ich ausschließlich der Wahrheit, meinem reinen Gewissen und dem freien Willen meines Chefredakteurs verpflichtet. Insofern soll dieses Kästchen als gedruckte Kanzel verstanden werden, von der ich wöchentlich predigen und die Einfältigen über die richtige Art zu leben belehren darf.

Eine solche moralische Herzensbildung wird auch in der Medizin vermittelt. Vor allem bei Themen wie Rauchen, Alkohol oder Impfungen kann die ärztliche Standpauke sehr lehrreich sein. Dass dabei Beratung mit Belehrung verwechselt wird, stößt den Patienten mitunter sauer auf. Belehrungen haben ein hohes allergenes Potenzial. Bereits geringe Dosen können zu einer massiven Abwehrreaktion führen. „So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt“ ist ein bekanntes Zitat von mir, das auch gerne von Goethe verwendet wird. In diesem Sinne; Reißt euch am Riemen, liebe Kollegen. Ende der Belehrung.

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Metadaten
Titel
Über Lehrer, Belehrer und Belehrte
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
30.08.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 35/2023

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