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Erschienen in: ProCare 5/2023

01.06.2023 | PFLEGE & WISSENSCHAFT Zur Zeit gratis

Cochrane Pflege Forum

Auswirkungen aktiver Isolation auf Personen mit Infektionskrankheiten

verfasst von: Mag. Ana Toromanova, Christina Holmüller

Erschienen in: ProCare | Ausgabe 5/2023

Einleitung

Die räumliche Isolierung von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus ist eine Präventionsmaßnahme, die einerseits Menschen mit geschwächtem Immunsystem vor infektiösen Mikroorganismen schützen (passive Isolation) und anderseits die Verbreitung infektiöser Erreger auf andere Personen verhindern soll (aktive Isolation). Im Rahmen der aktiven Isolation wird die betroffene Person entweder allein oder gemeinsam mit anderen Menschen mit derselben Infektion untergebracht. In Krankenhäusern, die häufig Patientinnen und Patienten mit ansteckenden Erkrankungen stationär behandeln, werden oft Isolierstationen eingerichtet. Eine aktuelle Evidenzsynthese — erstellt vom Evidenzbasierten Informationszentrum für Pflegende und finanziell unterstützt vom NÖGUS — untersuchte, ob die Absonderung der Betroffenen unerwünschte Ereignisse, wie beispielsweise Sturz, Delir oder Angst, begünstigt.

Fragestellung & Methode

Gibt es Evidenz dafür, dass die Isolation von Personen mit infektiösen Erregern das Auftreten von krankenhausassoziierten Komplikationen (unerwünschten Ereignissen) sowie Depression und Angst begünstigt. Um diese Fragestellung zu beantworten, wurde ein Rapid Review erstellt (Toromanova, 2022).

Auswahl der Studien

Die systematische Literaturrecherche wurde am 13. Juni 2022 in den Datenbanken CINAHL EBSCO, JBI EBP Database, Ovid MEDLINE® und Cochrane Library durchgeführt. Der Rapid Review schloss systematische Übersichtsarbeiten und quantitative Studien ein, die erwachsene Personen untersuchten, die aufgrund einer Infektionserkrankung abgesondert waren, und mit nicht-isolierten Erwachsenen ohne Infektion verglichen. Prävalenzstudien und Fallserien sowie Publikationen, die nicht in Englisch oder Deutsch veröffentlicht wurden, wurden nicht berücksichtigt.

Überblick über die Studien

Sieben Beobachtungstudien konnten für die Beantwortung der Fragestellung herangezogen werden. Sie schlossen 144 bis 45.266 Personen ein, das Durchschnittsalter lag zwischen 50 und 70 Jahren. Die Absonderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgte in den meisten Studien aufgrund einer Infektion oder einer Besiedelung mit multiresistenten Keimen. Die Länge der Isolation wurde in nur einer Studie berichtet und lag bei 4,5 Wochen. In den Studien fehlten auch Informationen zu wichtigen Personencharakteristika (z. B. Immobilität, Inkontinenz oder Medikamente) und Angaben darüber, wie lange die Patientinnen und Patienten in den beiden Gruppen beobachtet wurden. Die Untersuchungen fanden in Australien, Kanada, Spanien und den USA statt.

Ergebnisse

Sturz: Drei Studien mit 4.918 Personen berichteten Daten zum Endpunkt Sturz. Die zusammengefassten Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen und Patienten, die isoliert worden waren, häufiger stürzten als Nichtisolierte. Bei 13,3 Prozent der isolierten Personen kam es während des Krankenhausaufenthaltes zu einem Sturz, in der Kontrollgruppe waren es 11,9 Prozent.
Dekubitus: Drei Studien, die insgesamt 932 Patientinnen und Patienten eingeschlossen hatten, lieferten Daten zum Endpunkt Dekubitus. Die Analyse der Studienergebnisse zeigte, dass isolierte Patientinnen und Patienten häufiger einen Dekubitus entwickelten als Personen, die nicht isoliert waren. Die Dekubitus-Häufigkeit in der Isolationsgruppe lag bei 4,7 Prozent, in der Kontrollgruppe bei 2,2 Prozent.
Delir: Zwei Studien mit 296 bzw. 45.266 Personen untersuchten die Häufigkeit von Delir. Die größere wies darauf hin, dass isolierte Patientinnen und Patienten ein höheres Risiko für Delir hatten als Nichtisolierte. Ein Delir wurde bei 16,1 Prozent der Krankenhausaufenthalte mit Isolationsmaßnahmen und bei 7,5 Prozent der Krankenhausaufenthalte ohne Isolation diagnostiziert.
Angst, Depression und medikamentenassoziierte unerwünschte Ereignisse: Eine Studie lieferte Daten zum Schwergrad der Angstzustände und Depressionen von isolierten und nichtisolierten Personen, drei weitere zu medikamentenassoziierten unerwünschten Ereignissen. Sie schlossen 296 bzw. 5.716 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein und zeigten keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.

Fazit

Die eingeschlossenen Studien lieferten Hinweise darauf, dass die Absonderung von Personen mit Infektionskrankheiten das Risiko für Stürze, Dekubitus und Delir erhöht. Medikamentenassoziierte unerwünschte Ereignisse scheinen bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Isolation ähnlich häufig zu sein. Über den Einfluss der Isolation auf Angstzustände und Depression ist derzeit keine zuverlässige Aussage möglich. Das Vertrauen in das Ergebnis ist unzureichend bis niedrig, weshalb davon auszugehen ist, dass neue Studien die vorliegende Einschätzung beeinflussen werden.

COCHRANE PFLEGE FORUM: WISSEN WAS WIRKT

Das „Cochrane Pflege Forum“ ist eine Serie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Cochrane Zentrum und dem Cochrane Zentrum Österreich. Es zeigt in regelmäßigen Abständen den aktuellen Stand der Forschung in Form von Zusammenfassungen von Cochrane Reviews auf. Dabei werden unterschiedliche pflegerische Themen aufgegriffen. Ziel der Serie ist es, den Pflegekräften Forschungsergebnisse schneller und direkter zur Verfügung zu stellen.

EXPERTINNENKOMMENTAR

ANNA KAROLINE HÖLLMÜLLER, BSC, DGKP (INTENSIVPFLEGE) IN DER KLINIK FLORIDSDORF WIEN; MASTERSTUDENTIN ADVANCED NURSING PRACTICE, IMC FACHHOCHSCHULE KREMS
Nach wie vor werden Patientinnen und Patienten aufgrund von infektiösen Keimen oder COVID-19 isoliert. Täglich hat das diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonal mit unerwünschten Ereignissen wie Dekubitus, Delir, Intertrigo, Sturz und Angst zu tun. Besonders herausfordernd waren diese Vorkommnisse retrospektiv betrachtet im Zuge der COVID-19 Isolationen. Es ließ sich beobachten, dass deutlich mehr Patientinnen und Patienten ein Delir entwickelten oder von Angstzuständen betroffen waren. Ebenso war das Risiko für die Entstehung von Dekubitus aufgrund behandlungsbedingter Maßnahmen deutlich erhöht. Potenzielle Gründe für das vermehrte Auftreten unerwünschter Ereignisse könnten die Schutzausrüstung, welche das Pflegepersonal vor maximale körperliche Herausforderungen stellte, sowie der überdurchschnittlich längere Aufenthalt der Betroffenen in einemZimmer sein. Aufgrund des erhöhten Aufwandes beim Einschleusen, versucht das Personal, nur dann in ein Isolationszimmer zu gehen, wenn es absolut notwendig oder dringlich ist. Darüber hinaus bekommen die Patientinnen und Patienten weniger Besuch, sind somit von der Außenwelt abgeschottet und verlieren das Gefühl für Raum und Zeit. Soziale Interaktion findet ausschließlich mit dem Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzten und anderen therapeutischen Berufsgruppen statt, die aber aufgrund ihres Eigenschutzes Schutzausrüstung tragen müssen, was die Kommunikation zusätzlich erschwert. Beruhend auf meinen Erfahrungen kann gesagt werden, dass Isolationsmaßnahmen zur Entstehung unerwünschter Ereignisse beitragen können.

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Literatur
Zurück zum Zitat Toromanova A., Fangmeyer M., Klerings I., Auswirkungen einer Isolierung bei Infektionskrankheiten auf die betroffene Person: Rapid Review. Evidenzbasiertes Informationszentrum für Pflegende; Dezember 2022. DOI: https://doi.org/10.48341/rapr-0563 Toromanova A., Fangmeyer M., Klerings I., Auswirkungen einer Isolierung bei Infektionskrankheiten auf die betroffene Person: Rapid Review. Evidenzbasiertes Informationszentrum für Pflegende; Dezember 2022. DOI: https://​doi.​org/​10.​48341/​rapr-0563
Metadaten
Titel
Cochrane Pflege Forum
Auswirkungen aktiver Isolation auf Personen mit Infektionskrankheiten
verfasst von
Mag. Ana Toromanova
Christina Holmüller
Publikationsdatum
01.06.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
ProCare / Ausgabe 5/2023
Print ISSN: 0949-7323
Elektronische ISSN: 1613-7574
DOI
https://doi.org/10.1007/s00735-023-1711-3

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