Skip to main content
Ärzte Woche

02.06.2023 | Prävention und Screening in der Hausarztpraxis

Generation Z, traut euch

verfasst von: Caterina Schilirò

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

430.000 Menschen kontaktiert die Österreichische Gesundheitskasse im Frühjahr 2023. Sie will damit an den kostenlosen Gesundheits-Check erinnern. Auffallend selten ist dieser unter jungen Menschen ein Thema. Haben sie Angst, sich aufs Krankwerden vorzubereiten? Was passiert, wenn sich ein junger Mensch zur Vorsorgeuntersuchung traut? Ein Erfahrungsbericht.

Man liest selten von kostenlosen Leistungen, die nicht genutzt werden. Wenn es um den Gesundheitscheck der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) geht, ist das anscheinend der Fall. Ich wundere mich sehr und frage mich, wieso man diese Leistung nicht einfach in Anspruch nimmt. Ich lese noch einmal. Einmal jährlich, ab 18 Jahren, kostenlos. Mir wird klar, dass ein Blick in den Spiegel notwendig wird. Ich bin 20 Jahre alt, Kundin der ÖGK und war noch nie bei einer Vorsorgeuntersuchung. Ich bin eine von 430.000.

Einen Blick ins persönliche Umfeld

Ich stelle fest, dass ich selbst noch nie von diesem Angebot gehört habe und versuche mich zu erinnern, wann ich zuletzt von Vorsorgeuntersuchungen gehört habe. Niemand in meinem Umfeld redet darüber. In meinem Freundeskreis fällt das Wort „Gesundheits-Check“ nie und das, obwohl ein kostenloser Service unter Studenten selten unausgesprochen bleibt. Sollte Gesundheitsvorsorge nicht vor allem unter jungen Leuten ein Thema sein? „Natürlich“ antworte ich mir selbst und beschließe, meinem eigenen Rat zu folgen.

Von der Website der ÖGK weiß ich, dass die meisten Hausärzte den Gesundheits-Check anbieten. Zu meinem Erstaunen finde ich auf der Homepage meines Hausarztes einen designierten Ordner zum Thema. Als Mitglied der Generation Z versuche ich, mich über das Onlineformular für einen Termin anzumelden. Das will aber leider nicht funktionieren. Schließlich greife ich zum Hörer und rufe in der Praxis an. Man erklärt mir, dass ein Termin nicht notwendig sei und ich lediglich morgens, nüchtern zur Blutabnahme vorbeischauen solle. Erst für den zweiten Termin – die Besprechung der Werte – werde ein Termin vergeben.

Die Untersuchung

An einem passenden Tag verlasse ich also frühstückslos meine Wohnung und bahne mir meinen Weg zur Vorsorgeuntersuchung. In der Arztpraxis werde ich von einer Dame sehr freundlich aufgenommen. Ich verkünde – mit meiner E-Card bewaffnet – wofür ich gekommen bin. Wider Erwarten ist man über mein Alter nicht erstaunt. Mir werden sofort mehrere Anweisungen gegeben. Manche Informationen überfordern mich. Auf die Frage, welche Blutwerte mich speziell interessieren, zucke ich unwillkürlich mit den Schultern und antworte absichtslos den einzigen Wert, der mir einfällt: Eisen. Ich bin auf mehrfaches Nachfragen angewiesen. Dazu überwinde ich mich auch, um Missverständnisse oder Peinlichkeiten bei der Abgabe der Harn- und Stuhlprobe zu vermeiden. Erstere wird mir – mit Verweis auf die Patiententoilette – gleich zu Beginn in Auftrag gestellt. Ein wenig Unbehagen muss ich mir eingestehen.

Während der fünf Minuten, die ich im Wartezimmer verbringe, fällt der Satz „Ich bin für die Vorsorgeuntersuchung da“ erstaunlich häufig. Jedoch ausschließlich von älteren Menschen ausgesprochen. Dann geht alles sehr schnell. Innerhalb von zehn Minuten habe ich an einem Arm eine Nadel für die Blutabnahme und am anderen die Lasche zum Blutdruck messen. An meinem Brustkorb hängen zahlreiche Sensoren des EKG, das sich mit meinem Herz beschäftigt. All das wird von zwei Herren erledigt. Von einem der beiden erfahre ich – auf Nachfrage –, dass selten jemand unter 30 Jahren zur Vorsorgeuntersuchung vorbeikommt.

Nach Ende der Untersuchung vereinbare ich einen Termin zur Besprechung der Befunde. Außerdem wird mir ein kleines Kuvert überreicht mit der Anweisung, beim Folgetermin hiermit meine Stuhlprobe abzugeben. Der sterile Briefumschlag lässt mich meine Vorurteile überdenken und das Test-Kit über den medizinischen Fortschritt staunen.

Nach knappen 20 Minuten stehe ich wieder auf der Straße. Die Uni beginnt erst später und lässt mir Zeit, das unterlassene Frühstück nachzuholen. Das wohlige Gefühl, sich um die eigene Gesundheit gekümmert zu haben, kann ich beim Anblick des Praxisnamens an der Tür nicht leugnen.

Die Zeit dazwischen

Einen Tag später erhalte ich einen Anruf. Meine ausgewertete Blutprobe liegt vor. Bei drei Werten seien Mängel erkennbar, zwei davon sehr deutlich. Den darauffolgenden Fachjargon und die Namen der zu kaufenden Medikamente kann ich nicht vollständig identifizieren. Die Dame fragt mich, ob ich öfters müde sei. Ich bejahe. Man erkundigt sich, ob ich mich vegetarisch ernähre. Ich bejahe. Dann frage ich nach, ob es üblich ist, telefonisch kontaktiert zu werden. Je nachdem, wie viel Zeit übrig bleibe und je nach Dringlichkeit würden Patienten benachrichtigt, antwortet mir die Stimme. Sie versichert mir, dass ich keine Angst haben müsse. Infusionen, Spritzen und Tropfen würden mir helfen. Ich müsse die auf die E-Card gebuchten Arzneimittel besorgen und mitbringen. Ein Telefonat, das mich ein wenig ratlos hinterlässt. Ratlos, aber nicht verzweifelt.

In den vergangenen Monaten habe ich oft mit Müdigkeit zu kämpfen. Ich vermute, den Grund dafür gefunden, ohne ihn gesucht zu haben. Es ist nicht Angst oder Besorgtheit, die ich verspüre. Ich bin überrascht und verwirrt, weil ich weder den Anruf noch die Mängel erwartet habe. An meiner Ernährung, die ich für ausgewogen hielt, zweifle ich nun. Bevor ich zur Apotheke gehe, suche ich Rat bei einem Profi: Mama.

Ich frage mich, ob man sich aus diesem Grund scheut, zum Arzt, zur Vorsorge zu gehen. Aus Angst, überfordert mit dem Resultat zu sein. Vielleicht will man sich als junger Mensch nicht mit dem Krankwerden auseinandersetzen, um dann – im schlimmsten Fall – mit einer schicksalsbesiegelnden Diagnose nach Hause zu kommen. Vor allem nach der Hochphase der Pandemie spüre ich deutlich, dass man nicht mehr über diese Themen diskutieren will. Es ist schade, dass man selten von Erfahrungen mit Vorsorgeuntersuchungen hört und ich selbst nur durch Zufall auf dieses Angebot gestoßen bin.

Besprechung der Befunde

14 Tage später befinde ich mich erneut in der Praxis. Ich sehe viele junge Menschen in Dienstkleidung. Heute dauert alles etwas länger. Nach ungefähr einer Viertelstunde holt mich eine Dame ab, die sich später als Medizinstudentin herausstellt. Sie bringt mich in einen sehr kleinen Untersuchungsraum und bespricht die Befunde mit mir. Nach weiteren 20 Minuten ruft mich der Arzt in sein Zimmer. Hier erfahre ich wenig Neues. Mir wird eine Spritze verabreicht, deren Wirkstoff ich mitgebracht habe. Diese muss ich in bestimmten Abständen auffrischen und die Blutwerte in zwölf Wochen kontrollieren. Auf meinen Wunsch erhalte ich eine Überweisung zur Ernährungsberatung und einen – kostenpflichtigen – Unverträglichkeitstest.

Das Gespräch ist eher kalt. Ich fühle mich als Patientin X behandelt. Zum ersten Mal während der gesamten Vorsorgeuntersuchung fühle ich mich nicht in der Lage, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Plötzlich stehen mir mein Alter und meine Unerfahrenheit im Weg. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, rutsche auf meinem Stuhl hin und her und muss viele Fragen achselzuckend beantworten.

Nach zehn Minuten lande ich wieder im Warteraum. Die Medizinstudentin von vorhin holt mich für eine Infusion ab. Gemeinsam mit zwei anderen Frauen sitze ich etwas über eine halbe Stunde in einem kleinen, grell beleuchteten Raum. Ich merke, dass mich die Prozedur erschöpft. Nachdem die Flüssigkeit durchgelaufen ist, verbringe ich weitere 30 Minuten – Vorsichtsmaßnahme – im Warteraum. Anschließend versuche ich, offene Fragen zu klären, und verlasse dann – nach fast drei Stunden – das Gebäude.

Unterm Strich

Ich schätze, das beste Ergebnis einer Vorsorgeuntersuchung ist kein Ergebnis. Festzustellen, dass man in näherer Zukunft das Glück haben wird, sich als gesund bezeichnen zu dürfen. In meinem Fall kann ich meine Lebensqualität durch einfache medizinische Maßnahmen verbessern. Meinen niedrigen Eisenspeicher kann ich durch eine Infusion auffüllen. Dem signifikanten Vitamin-B12-Mangel wird mit regelmäßigen Spritzen entgegengewirkt und mit täglich zehn Tropfen Vitamin-D-Supplementierung gehört auch dieser Defizitwert bald der Vergangenheit an. Für mich steht fest: Die investierte Zeit für meine Gesundheit zahlt sich jedenfalls aus und fördert mein Selbstbewusstsein.

Quellen: gesundheitskasse.at (24. April 2023). ÖGK lädt wieder zum Gesundheits-Check ein.

Metadaten
Titel
Generation Z, traut euch
Publikationsdatum
02.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 24/2023

Weitere Artikel der Ausgabe 24/2023