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Erschienen in: Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel 3/2023

Open Access 01.10.2023 | Mitteilungen der APED

PCO-Syndrom in der Adoleszenz – neue Therapiemöglichkeiten

verfasst von: PD Dr. H. Jasser-Nitsche, E. E. Fröhlich-Reiterer, B. Obermayer-Pietsch

Erschienen in: Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel | Ausgabe 3/2023

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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung

Die Diagnosestellung eines polyzystischen Ovar-Syndroms (PCOS) basiert auf endokrin-metabolischen Veränderungen bei jungen Mädchen und Frauen. Frühere Bezeichnungen wie das „Stein-Leventhal-Syndrom“ werden nicht mehr verwendet [1]. Je nach Definition [2] und je nach Population [3] wird die Prävalenz weltweit mit 5–26 % angegeben. Die Kriterien für die Definition eines PCOS wurde in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet und ergänzt, am bekanntesten sind die „Rotterdam-Kriterien“ [1, 2]. Da es sich um sehr heterogene Hormonveränderungen handelt, wurden folgende drei Diagnosekriterien bestimmt, von denen mindestens zwei für die Diagnose eines PCOS erfüllt sein müssen: (I) Oligo‑/Amenorrhö bzw. Zyklustempoanomalien mit Zyklusabständen über 35 Tage; (II) klinisch Hirsutismus und/oder Hyperandrogenämie; (III) sonographisch bestätigte polyzystische Ovarien (typisches „perlschnurartiges“ Bild) und/oder erhöhtes ovarielles Volumen [1]. Das PCOS-typische Bild im Ultraschall wird als „polycystic ovary morphology“ (PCOM) bezeichnet [4]. Aufgrund der Symptombreite können die Angaben zur Prävalenz und Inzidenz des PCOS stark variieren [1, 2]. Die hormonellen Veränderungen bei PCOS führen sowohl zu vermehrter viszeraler Fettablagerung als auch zu einer verminderten Aktivität des braunen Fettgewebes. Hier versucht man mit neuen Therapien anzusetzen, um die zentralen Fettablagerungen zu reduzieren und die Aktivität der Adipozyten anzuregen [5].

PCOS bei Mädchen und jungen Frauen

Das PCOS nimmt tendenziell an Häufigkeit zu und ist dennoch gerade in der Adoleszenz und bei jungen Frauen unterdiagnostiziert, weil Zyklusunregelmäßigkeiten in den ersten Jahren nach der Menarche häufig auftreten [4].
Die Diagnosestellung in der Adoleszenz stellt daher eine Herausforderung dar, da Kriterien wie unregelmäßiger Menstruationszyklus, Akne und PCOM beim Ultraschall während der Pubertät physiologisch sein können [4].
Der Menstruationszyklus wird meist erst 3–5 Jahre nach der Menarche regelmäßig und erreicht höhere Ovulationsraten, was durch die Reifung der hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Achse bedingt ist. Da Zyklusunregelmäßigkeiten im Jahr nach der Menarche sehr häufig sind, müssen die Länge des Menstruationszyklus und die seit der Menarche vergangene Zeit berücksichtigt werden. Jeder Zyklus > 90 Tage 1 Jahr nach der Menarche, Zyklen < 21 Tage oder > 45 Tage 1–3 Jahre nach der Menarche und Zyklen < 21 Tage bzw. > 35 Tage bei > 3 Jahren nach der Menarche sind als unregelmäßig zu werten. Außerdem kann eine primäre Amenorrhö, die mit einer Hyperandrogenämie assoziiert ist, als Symptom eines PCOS interpretiert werden, wenn im Alter von 15 Jahren oder 3 Jahre nach Thelarche noch keine Menarche eingetreten ist [4].
Die Hyperandrogenämie stellt ein weiteres Diagnosekriterium des PCOS dar und kann sich klinisch in Form von Akne und/oder Hirsutismus manifestieren. Während milde Akne in der Adoleszenz auch bei gesunden Mädchen sehr häufig vorkommt, sind schwere Akneformen häufiger mit PCOS assoziiert [4].
Hirsutismus ist durch vermehrte Behaarung in androgen-sensitiven Arealen definiert. Der am meisten verwendete Score zur Beurteilung des Hirsutismus ist der Ferriman-Gallwey(mFG)-Score, der die Körperbehaarung an neun Körperteilen evaluiert (Abb. 1). Der Score rangiert von 0 (keine Behaarung sichtbar) bis 4 (einer männlichen Behaarung entsprechend). Im Labor kann der Hirsutismus durch erhöhte Werte von freiem Testosteron, Androstendion und Dehydroepiandrosteron (DHEAS) nachgewiesen werden [4].
Im Gegensatz zur PCOS-Diagnostik bei erwachsenen Frauen, bei denen PCOM im Ultraschall eines der drei Diagnosekriterien darstellt, wird bei Mädchen und jungen Frauen, deren Menarche weniger als acht Jahre zurückliegt, kein Ultraschall der Ovarien empfohlen [6, 7]. Das ist auf die Häufigkeit der PCOM bei gesunden Mädchen in der Pubertät zurückzuführen. Außerdem kann der vaginale Ultraschall bei jungen Mädchen nur limitiert angewendet werden.
Aufgrund der vielen Überlappungen zwischen physiologischem Pubertätsablauf und PCOS kann bei jungen Mädchen nur das erhöhte Risiko für ein PCOS („increased risk of PCOS“) festgestellt werde, insbesondere, wenn nur ein Symptom des PCOS vorliegt. Laufende Evaluierungen und Abwarten der physiologischen Reifung der hypothalamisch-hypophysär-ovariellen Achse werden in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen, bevor eine endgültige Diagnosestellung erfolgen kann [6, 7].

Therapie

Bisherige Therapieoptionen umfassen (I) Lebensstilmaßnahmen wie Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung. (II) Hormonelle Therapeutika wie orale Kontrazeptiva sind First-Line-Therapie bei Hyperandrogenämie, Akne und Zyklusstörungen. Bei Hirsutismus wird eine Kombination mit Antiandrogen oder Spironolacton empfohlen. (III) Metformin stellt die empfohlene Therapie bei Insulinresistenz oder Diabetes mellitus Typ 2 dar [1]. (IV) Weitere Therapien sollten mögliche Begleiterkrankungen des PCOS wie Hyperlipidämien, Depressionen oder Schlafapnoe behandeln [8]. Allerdings gibt es derzeit weder eine von der EMA (European Medicines Agency) noch von der FDA (US Food and Drug Administration) zugelassene Therapie speziell für adoleszente Mädchen und junge Frauen mit PCOS [9]. Orale Kontrazeptiva werden „off-label“ bis zu 98 % der jungen Mädchen mit PCOS verschrieben, auch wenn für diese kein Schwangerschaftsrisiko besteht. Orale Kontrazeptiva lindern die Hauptsymptome bei PCOS, wie etwa Akne und Menstruationsstörungen, beeinflussen jedoch nicht die zugrunde liegende Pathologie und können das Risiko einer Insulinresistenz sogar verstärken [9].

EU-Projekt „SPIOMET“

„SPIOMETH4HEALTH“ ist ein 17 Partnerinstitutionen umfassendes EU-Projekt, in dessen Rahmen eine multizentrische, doppelt verblindete, randomisierte, kontrollierte klinische Phase-II-Studie durchgeführt werden soll, die eine neue nichthormonelle Behandlung für das PCOS prüft. Diese beruht auf einer Kombination aus drei niedrig dosierten Medikamenten (Spironolacton (SPI), Pioglitazon (PIO) und Metformin (MET)) in einer einzelnen Tablette (SPIOMET) [7]. Bei SPIOMET4HEALTH erhalten die Probandinnen in vier randomisierten Armen entweder eine Tablette mit einem, zwei oder drei Wirkstoffen bzw. ein Placebo. Die Kombination aller drei Wirkstoffe in nur einer einzigen Tablette erlaubt ein doppelt verblindetes Design, bei dem weder die Patientin noch die sie behandelnden Ärzt*Innen wissen, welches Medikament verabreicht wird. Außerdem wird die Einnahme erleichtert und die Therapieadhärenz verbessert [9].

Einschlusskriterien

Patientinnen mit PCOS im Alter zwischen 12 und 24 Jahren können an der SPIOMETH4HEALTH-Studie teilnehmen. Zu den Einschlusskriterien zählen ein BMI zwischen 18,5–und 35 kg/m2, Hirsutismus und/oder erhöhter Androgenindex sowie eine Oligomenorrhö mit einem Zyklus > 45 Tage (Tab. 1).
Tab. 1
Einschlusskriterien für SPIOMETH4HEALTH
1
Alter > 12,0 und ≤ 23,9 Jahre
2
Gynäkologisches Alter mind. 2 Jahre
3
Ferriman-Gallwey-Score ≥ 4 und/oder Akne und/oder Gesamttestosteron ≥ 45 ng/dl und/oder FAI höher als 3,5 in der Follikelphase Tag 3–7 oder nach zwei Monaten Amenorrhö
4
Zyklusunregelmäßigkeiten ≤ 8 Menstruationen pro Jahr oder Zyklusdauer ≥ 45 Tage
5
Unterschriebene Einverständniserklärung

Ausschlusskriterien

Kontraindikationen sind bereits bestehende insulinsensitive Therapien wie z. B. Metformin, hormonelle Verhütung, kortisonhaltige Präparate oder Statine (müssen drei Monate vor Einschluss in die Studie abgesetzt werden). Außerdem stellen Grunderkrankungen wie u. a. Diabetes mellitus, Morbus Addison, Morbus Cushing, Hyperprolaktinämie, unbehandelte Leber‑, Nieren- und Schilddrüsenerkrankungen sowie akute Niereninsuffizienz Ausschlusskriterien dar.

Studienziele

Primäres Studienziel ist die Prüfung der Wirksamkeit von SPIOMET auf die Normalisierung der Ovulationsraten bei Mädchen und jungen Frauen mit PCOS durch Vergleich der Ovulationsraten vor und nach Therapie.
Sekundäres Studienziel ist die Prüfung der Wirksamkeit von SPIOMET bei der Normalisierung der endokrin-metabolischen Veränderungen: u. a. des Hormonstatus, der Fettverteilung, des Hirsutismus (Ferrimen-Gallwey-Score), oder der Akne (Leeds Acne Grading Scale).

Konklusion

Zusammenfassend bietet SPIOMET die Möglichkeit einer neuen, nichthormonellen Therapie bei PCOS bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Sicherheit der einzelnen Wirkstoffe wurde schon jahrelang in anderen Indikationen erprobt. Das bisher eingeschränkte Angebot an Therapieoptionen (Antikonzeptiva, Metformin) kann um eine neue Therapie erweitert werden, die nicht nur die Symptome behandelt, sondern in die Pathophysiologie des PCOS eingreift.
Die Medizinische Universität Graz ist Partner bei diesem EU-Projekt (unter der Leitung von Prof. Obermayer-Pietsch und PD Fröhlich-Reiterer). Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Prof. Obermayer-Pietsch, PD Fröhlich-Reiterer, PD Jasser-Nitsche oder unsere Study Nurse DGKP Roswitha Gumpold per Telefon (0316-385-12034 oder 0650-5526441) oder per Mail (roswitha.gumpold@medunigraz.at).

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

H. Jasser-Nitsche, E.E. Fröhlich-Reiterer und B. Obermayer-Pietsch geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Obermayer-Pietsch B, Lerchbaum E (2019) Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS). J Klin Endokrinol Stoffw 12:170–173CrossRef Obermayer-Pietsch B, Lerchbaum E (2019) Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS). J Klin Endokrinol Stoffw 12:170–173CrossRef
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Metadaten
Titel
PCO-Syndrom in der Adoleszenz – neue Therapiemöglichkeiten
verfasst von
PD Dr. H. Jasser-Nitsche
E. E. Fröhlich-Reiterer
B. Obermayer-Pietsch
Publikationsdatum
01.10.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 3004-8915
Elektronische ISSN: 3004-8923
DOI
https://doi.org/10.1007/s41969-023-00211-5

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