Wie alt sind Sie eigentlich, Frau Doktor?

In einem Leserbrief in der Zeitschrift Journal of the American Academy of Dermatology wird die Frage gestellt, wie am besten mit Grenzüberschreitungen von Patientinnen und Patienten umgegangen werden soll, etwa wenn sie die Ärztin bzw. den Arzt nach ihrem Alter fragen. Alexander Raths / stock.adobe.com × In der Leseranfrage einer anonymen Dermatologin bzw. eines anonymen Dermatologen heißt es: „Vor Kurzem war eine Patientin in meiner Sprechstunde, die sich für eine Therapie mit Botulinumtoxin zur Behandlung ihrer Falten interessierte. Während des Beratungsgesprächs fragte sie mich nach meinem Alter und ob ich jemals Botulinum injiziert oder ähnliche Verfahren durchgeführt hätte. Obwohl diese Fragen wahrscheinlich dem Wunsch entsprangen, die möglichen Ergebnisse des Verfahrens einzuschätzen, bestand ein unausweichlicher Druck meinerseits, private Informationen preiszugeben zu müssen – sowohl um die Patientin ausreichend zu informieren, um ihre Entscheidung zu erleichtern, als auch die therapeutische Beziehung aufrechtzuerhalten. Wie kann ich in Situationen, in denen eine Patientin bzw. ein Patient aufdringliche Fragen stellt, die Autonomie des Patienten mit meinen eigenen persönlichen Grenzen und meiner Privatsphäre in Einklang bringen?“ Michelle K. Y. Chen und Deshan Sebaratnam von der University of New South Wales in Sydney antworten auf die Frage folgendermaßen:1 „Zwar besteht ein inhärentes Machtgefälle zugunsten der Ärztin bzw. des Arztes, doch ist der Patient in einer Arzt-Patienten-Beziehung nicht machtlos. Indem Patientinnen und Patienten aufdringliche Fragen stellen – Fragen, die persönlich sind und nichts mit der medizinischen Versorgung zu tun haben – verletzen sie das Recht des Arztes auf Privatsphäre, die eine Grenze zwischen Arzt und Patient darstellt. Dies kann den Arzt auch dazu verleiten, private Informationen preiszugeben, und zwar auf Kosten seines Wohlbefindens und seiner moralischen Verpflichtung, den Grundsatz der Aufrichtigkeit zu wahren. Der Arzt kann auch befürchten, die therapeutische Beziehung zu gefährden, indem er das Vertrauen des Patienten verliert, was sich negativ auf die Therapietreue, die Behandlungsergebnisse und die Patientenzufriedenheit auswirken kann. Entscheiden sich Ärzte für eine Offenlegung, können sie außerdem die Erwartungen des Patienten über Gebühr beeinflussen, indem sie ein idealisiertes (oder ungünstiges) klinisches Ergebnis darbieten, was die ethische Frage aufwirft, ob die Autonomie des Patienten untergraben wurde. Das Szenario trat zwar im Kontext der ästhetischen Dermatologie auf, jedoch sind aufdringliche Fragen von Patientinnen und Patienten ein allgegenwärtiges Problem, das sich auch auf andere dermatologische Teilgebiete und andere Fachgebiete erstreckt. Letztlich haben Ärztinnen und Ärzte das Recht zu entscheiden, wann sie Informationen weitergeben möchten – wobei jede Weitergabe oder Ablehnung taktvoll erfolgen muss, um die Beziehung zu den Patientinnen und Patienten zu erhalten. Dazu kann gehören, professionell zu bleiben, wenn es darum geht, Grenzen zu ziehen oder das Gespräch umzulenken, aber auch Einfühlungsvermögen für die Sorgen der Patienten zu zeigen und Ressourcen anzubieten, über die die Patienten weitere Informationen erhalten können. Beim Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung, das heutzutage praktiziert werden sollte, sollten autonome Patientinnen und Patienten als Individuen betrachtet werden, die in der Lage sind, die Konsequenzen von Entscheidungen zu akzeptieren, an denen sie mitgewirkt haben – auch wenn sie persönliche Fragen stellen, die das Bündnis zwischen Arzt und Patient gefährden könnten.“ Referenz: 1Chen MKY, Sebaratnam D. Ironing out the wrinkles: Navigating intrusive patient enquiries. J Am Acad Dermatol 2023; S0190-9622(23)02592-6; https://doi.org/10.1016/j.jaad.2023.08.041 Quelle: springermedizin.de

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