Differenzialdiagnosen beachten

Unter Immuntherapie (IT) ist jederzeit mit vielfältigen Problemen zu rechnen. Besonders häufig sind endokrine Nebenwirkungen, Pneumonitis, Colitis und Hepatitis. Oft gilt es, schnell zu handeln. (Symbolbild mit Fotomodell) Chutipon / Stock.adobe.com × Um Nebenwirkungen bei Immuntherapie (IT) rasch einzuordnen und Betroffene angemessen zu behandeln, sind vorab unter anderem Ausgangswerte von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) und Serum-Natrium zu bestimmen. Wichtig ist, interdisziplinär zu denken und zu handeln. „Man muss nicht nur Pneumologe sein, um typische Nebenwirkungen einer Immuntherapie zu managen, sondern auch Gastroenterologe, Endokrinologe, Kardiologe , Rheumatologe, Dermatologe...“, sagte PD Dr. med. Florian Fuchs, Pneumologie, Universitätsklinikum Erlangen. „Eine typische Nebenwirkung gibt es nicht“, betonte der Pneumologe, „die Immuntherapie kann wirklich alles machen.“ Und das jederzeit unter Therapie, zum Teil noch Jahre danach. Neben Hauterscheinungen besonders häufig sind Störungen von Schilddrüse, Nebenniere oder Hypophyse. Die typischen Leitsymptome – Fatigue respektive Hyponatriämie – können auch auf Tumorprogress, Vorerkrankungen oder andere Medikamente zurückzuführen sein. „Wir können auch mit Kontrastmittel eine Hyperthyreose auslösen“, erinnerte Fuchs. „Steroide retten die Schilddrüse nicht“ Daher ist vor Therapiebeginn und bei Verdacht auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung TSH zu bestimmen, bei Abweichungen auch fT3, fT4 und Autoantikörper. „Eine thyreostatische Therapie bei Hyperthyreose sollten Sie nur dann durchführen, wenn Sie eine TSH-Rezeptor-Antikörper-Positivität haben“, sagte Fuchs. Bei destruktiver Autoimmunthyreoiditis genügt eine symptomatische Therapie – auch um weitere Nebenwirkungen durch nicht-indizierte Medikamente zu vermeiden. Das gilt auch für Glukokortikoide (GC). „Geben Sie dem Patienten bitte keine Steroide“, betonte der Pneumologe. „Steroide retten die Schilddrüse nicht.“ Sofern GC nicht dazu dienten, eine belastende Halsschwellung zu lindern, riet er, die Entzündung „ausbrennen“ zu lassen, bei passagerer Überfunktion gegebenenfalls Betablocker zu verabreichen und bei Hypothyreose Hormone zu substituieren. Um Hypophysen-Nebennieren-Funktionsstörungen zu erkennen, sollten vor jeder Gabe eines Checkpoint-Inhibitors (CPi) die Elektrolyte und zumindest initial einmal der Cortisolspiegel gemessen werden. „Erfahrungsgemäß ist das Natrium Gold wert“, so Fuchs – sowohl als Hinweis auf ein wiederkehrendes, häufig mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen assoziiertes SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) als auch auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz durch Hypophysitis oder Adrenalitis. Wegen der hohen Sterblichkeit brauchen Patienten rasch eine Hydrocortison-Substitution und bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz zusätzlich Fludrocortison, später auch eine Schulung und einen Notfallausweis. Cave Hormonmangel durch Metastasen Da auch Metastasen solche Ausfälle verursachen können, macht eine Bildgebung von Hypophyse oder Nebennieren Sinn. Quintessenz bei endokrinen Nebenwirkungen ist, die IT unbedingt fortzusetzen. Fuchs: „Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun.“ Bei einer Colitis ist das ab vier Durchfällen pro Tag anders. Da wird der CPi pausiert, ab Schweregrad 4 ganz beendet. Zu erwägen sei allenfalls, nur das typischerweise verantwortliche Ipilimumab zu beenden und nurmehr einen PD-1-Inhibitor zu geben. Nach Endoskopie und Ausschluss einer infektiösen Ursache brauchen die Patienten schnell GC. Wird es nicht binnen weniger Tage besser, ist die Therapie zu eskalieren, bevorzugt auf Vedolizumab. Ähnlich schnell, und ebenfalls nach Infektausschluss – „eine bronchoalveoläre Lavage sollte irgendwie machbar sein“ – sind bei Pneumonitis GC indiziert. „Wenn das funktioniert, funktioniert es schnell.“ Tut es das nicht, kommen etwa Infliximab oder intravenöse Immunglobuline infrage. Bei Hepatitis ist differenzialdiagnostisch auch an Medikamententoxizitäten zu denken. „Bitte, bevor Sie leichtfertig die Immuntherapie anschuldigen, immer die Differenzialdiagnostik durchdenken!“ Eine Hepatitisserologie vorab gehört immer dazu, akut gegebenenfalls eine Leberbiopsie. Die Therapie der immunvermittelten Hepatitis erfolgt GC-sparend mit Mycophenolatmofetil oder Tacrolimus. Quelle: 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP), 20.-23. März 2024, Mannheim, "Typische Nebenwirkungen und deren Management / Session: Immuntherapie in der Thoraxonkologie – was muss die Pneumologin/der Pneumologe wissen?" – 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP). springermedizin.de

Springer Medizin Österreich

Differenzialdiagnosen beachten

Weiterführende Themen

Springer Medizin Österreich

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen