Skip to main content
Ärzte Woche

10.06.2023 | MedUni Wien

Kranstadt am Alsergrund

verfasst von: Martin Krenek-Burger

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Das größte Spital des Landes erkennt man schon von Weitem an den Baukränen. Hier entsteht etwas Großes. In drei Jahren sollen einige neue Institute fertig sein, eines trägt einen großen Namen: das Eric Kandel Institut für Präzisionsmedizin.

Eric Kandel kam, lächelte und sang. Viel mehr brauchte der 1929 in Wien geborene Medizin-Nobelpreisträger nicht tun, um die Ehrengäste bei der Eröffnung des Zentrums für Präzisionsmedizin, das Kandels Namen trägt, zu rühren. Sein Auftritt blieb hängen wie der Atem vor den Gesichtern der anwesenden Rektoren, Minister und Präsidenten. Es war kalt, das Ehepaar Kandel saß auf einer roten Couch, durch eine gestreifte Decke vor dem Schneetreiben geschützt.

Lange hielt es den Mittneunziger nicht auf seinem Platz. Schon strebte der Ehrengast zum Rednerpult: „Für mich ist es wunderbar. Deutsch ist meine Muttersprache, aber ich habe sie 40 Jahre lang nicht gesprochen. Und jetzt komm ich zurück, es ist nicht perfekt, viele Fehler, aber ich hab es ganz gern, Deutsch zu sprechen. Wien, Wien, nur du allein sollst mir die Stadt meiner Träume sein.“

Am MedUni Campus AKH werden auf mehr als 6000 m² moderne Rahmenbedingungen für die personalisierte und digitale Medizin geschaffen. Rund 200 Forscher und Forscherinnen, darunter Ärzte, Biologen und Bioinformatiker zum Analysieren der nötigen Datenmengen, sollen bis Ende 2026 am Eric Kandel Institut, dem Zentrum für Präzisionsmedizin, die optimale Infrastruktur vorfinden, um auf einzelne Patienten und Patientinnen zugeschnittene Präventions-, Diagnose- und Therapiemethoden zu entwickeln.

Wissenschaftsminister Martin Polaschek unterstrich Kandels Bedeutung für die Wiener Medizin. „Er hat herausragende wissenschaftliche Leistungen erbracht und trotz der Vertreibung durch die Nationalsozialisten die Verbundenheit zu seiner Heimat Österreich nie verloren.“

Penninger macht's persönlich

Einer, der Kandel an Prominenz kaum nachsteht, ist der Genetiker Josef Penninger. Er übernimmt per 1. Juli eine Professur für personalisierte Medizin, wie die MedUni Wien mitteilte. Es ist Penningers zweite Rückkehr. Schon 2002 übernahm er, aus Kanada kommend, das 2003 gegründete Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien, das unter seiner Führung zum international angesehenen Forschungsinstitut wurde. Dem Vernehmen nach soll sich der Genetiker auch am Aufbau des Zentrums für Präzisionsmedizin am Campus der Meduni Wien beteiligen. Zuletzt bemühte sich Penninger mit Kollegen und der Wiener Biotechnologiefirma Apeiron, rekombinant hergestelltes ACE 2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Medikament gegen COVID-19-Erkrankungen einzusetzen. Er begann an dem Rezeptor bereits Anfang der 2000er-Jahre intensiv zu forschen. Eine Zulassung des Wirkstoffes „APN01“ steht aber noch aus. Zu den herausragendsten wissenschaftlichen Leistungen Penningers zählt die Entschlüsselung der entscheidenden Rolle des körpereigenen Proteins RANKL bei vielen Körperfunktionen bzw. Krankheiten wie Osteoporose oder Brustkrebs.


Effizienter behandeln

Die Grundlagen der Präzisionsmedizin erarbeiten, die molekularen Mechanismen entdecken, neue Therapien entwickeln – das sind, groß gesagt, die Ziele der Menschen, die in diesem Gebäude arbeiten werden. „Das Haus steht allen Disziplinen offen, wir wollen ein Kristallisationspunkt sein“, sagt der Atheroskleroseforscher Prof. Dr. Christoph Binder im Gespräch mit Josef Broukal für den Podcast Hörgang MedUni Wien .

Warum sich der ehemalige TV-Anchorman für die Revolution in der Medizin interessiert, erläutert er im Podcast. „Ich hatte vor zwölf Jahren einen Schlaganfall. Damals wurden mir jene vier Medikamente verschrieben, die jeder bekommt.“ Binder dazu: „Wenn wir die molekularen Mechanismen der Krankheit besser verstehen und diese in Untergruppen aufdröseln können, dann haben wir die Möglichkeit, zielgerichtet zu behandeln, weil wir – nach großen Studien – sagen können, dass in ihrem speziellen Fall diese Medikamentenkombination noch effizienter ist oder bei einer anderen Untergruppe vielleicht ein Medikament ganz weggelassen werden kann.“

Brückenschlag zur Forschung

Das Bauprogramm der MedUni ist umfangreich. Auf dem Krankenhausareal in Wien-Alsergrund wird bis 2026 auch noch das Center for Translational Medicine samt neuem Gebäude errichtet. Das Konzept folgt dem Grundsatz „Vom Labor zum Krankenbett und zurück ins Labor.“ Neben neuen Laborflächen wird es Einrichtungen für Zelltherapie und Radiopharmazie sowie ein Zentrum für Phase-I- und -II-Studien geben.

Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sollen in Zukunft möglichst rasch in der Diagnose und Therapie von Erkrankungen eingesetzt werden. Andererseits berücksichtigen die Forschenden die Erfahrungen und das Wissen aus der Patientenversorgung im AKH, hieß es. Damit diese Verknüpfung unter optimalen Voraussetzungen gelingen könne, ist das Gebäude als ein „Ort des Austauschs“ konzipiert.

„Das AKH steht jetzt hier seit 1993 und seit 1993 gab es keine relevanten Baufortschritte“, sagt Rektor Markus Müller. Es sei „kein Geheimnis, dass ein Teil der Infrastruktur hier nicht mehr ‚up to date‘ war“. Eine Universität ohne Kräne habe keine Dynamik. Nun sei die MedUni sogar eine „six crane university“. Neben dem Center for Translational Medicine werden derzeit nämlich auch der MedUni Campus Mariannengasse und eben das Eric Kandel Institut errichtet.

Kandels Lächeln, es war echt.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Kranstadt am Alsergrund
Schlagwort
MedUni Wien
Publikationsdatum
10.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 24/2023

Weitere Artikel der Ausgabe 24/2023