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20.05.2021 | Lipidstoffwechselstörungen | Online-Artikel

Runter mit dem LDL!

Statine und ihre Probleme im Alltag

verfasst von: Dr. Miriam Sonnet

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Eine der effektivsten Maßnahmen, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken, ist die Verringerung des LDL-Cholesterins. Statine sind hier wirksam – allerdings hapert es in der Praxis unter anderem an Adhärenz und einer geeigneten Dosierung.

Entsprechend den Daten großer genetischer, experimenteller und klinischer Studien ist LDL-Cholesterin kausal an der Entstehung der Atherosklerose beteiligt. Hinsichtlich der Senkung des Lipids geben die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie auch für Diabetes-Patienten klare Empfehlungen: So soll z.B. bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und sehr hohem Risiko eine LDL-C-Senkung um ≥ 50 % vom Ausgangswert und ein LDL-C-Zielwert von < 1,4 mmol/l (< 55 mg/dl) angestrebt werden. Die Leitlinien empfehlen Statine für Personen mit Typ-1-Diabetes und hohem oder sehr hohem Risiko – der Typ-2-Diabetes sei hier aber nicht zu finden, bemängelte Professor Dr. Dietmar Trenk vom Universitäts- Herzzentrum Freiburg/Bad Krozingen. Strittig sei u.a. auch die Empfehlung, dass vor der Aufnahme einer Kombinationstherapie erwogen werden sollte, die Statintherapie zu intensivieren. Eine Steigerung der Statindosis habe aber nur moderate Effekte hinsichtlich der Senkung des LDL-Cholesterins, mahnte der Experte.

Nocebo-Effekt eine große Hürde

Es gäbe nun zwar diese stringenten Kriterien – diese würden aber in der Praxis nur schlecht umgesetzt. Zum Beispiel nimmt die Adhärenz an Hochdosis-Statine nach einem Myokardinfarkt innerhalb von 24 Monaten kontinuierlich ab [1]. Die Ursachen sind vielfältig: Unter anderem tragen negative Berichte in Laienmedien dazu bei, dass Patienten die Medikamente absetzen.

„Ein großes Problem sind sicher auch die vermeintlichen Statin-assoziierten Muskelsymptome – ob real oder möglicherweise ein Nocebo-Effekt“, so der Referent. In einer Beobachtungsstudie klagten bis zu 18% der Patienten über solche muskulären Beschwerden – in klinischen Studien sind die Häufigkeiten deutlich geringer. Verschiedene Daten deuten darauf hin, dass ein erheblicher Teil durch einen Nocebo-Effekt bedingt ist. In einer Studie konnten bis zu 90% der Symptome unter Statinen auch durch ein Placebo ausgelöst werden [2]. Entwickeln Menschen muskuläre Beschwerden unter Statinen sei es für Mediziner besonders wichtig, sich für ihre Patienten Zeit zu nehmen. Ist die Kreatinkinase tatsächlich erhöht (d.h. viermal der obere Normbereich), sollte eine Statinpause für zwei bis vier Wochen eingelegt und anschließend durch Auftitration die höchstmögliche Dosis ermittelt werden. Eine Frage, die häufig in der Praxis auftaucht, sei die nach Coenzym Q10 bei durch Statine bedingten Muskelbeschwerden. Es gäbe Evidenz aus einer Metaanalyse, dass dies etwas nützen könnte, sagte Prof. Trenk, allerdings war die eingeschlossene Patientenzahl mit 575 gering und die Dosis mit 100 bis 600 mg in den zwölf untersuchten Studien sehr unterschiedlich.

Mangelhafte Umsetzung in der Praxis

Neben diesen Problemen gäbe es ein weiteres, so der Experte: Die LDL-C-Zielwerte werden laut einer Beobachtungsstudie in der Praxis nur selten erreicht. Darin eingeschlossen waren 2625 Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko. 47% hatten eine dokumentierte koronare Herzkrankheit, 25,1% litten unter einem Typ-2-Diabetes und 27,9% unter beidem. Ein LDL-C-Wert unter 70 mg/dl wurde nur von 10,5% der Studienteilnehmer erreicht. Dabei schätzen zwei von drei behandelnden Hausärzten die Lipidsenkung als gut ein – ein laut dem Experten erschreckendes Ergebnis. Ebenfalls alarmierend sei, dass die Dosierung des Statins scheinbar völlig unabhängig vom LDL-Ausgangswert erfolgte. So erhielten z.B. ähnlich viele Patienten mit einem LDL-C < 70 mg/dl ein sehr hoch dosiertes Statin wie Teilnehmer, die einen Wert von mehr als 160 mg/dl aufwiesen.

Zum Schluss präsentierte der Referent eine neue Substanz zur Senkung des LDL-Cholesterins: Bempedoinsäure. In einer Studie senkte die Monotherapie das LDL-Cholesterin bei Patienten mit Hypercholesterinämie um 17,2%. In Kombination mit Ezetimib wurde der Wert sogar um 36,2% verringert [4]. Die Substanz wird aufgrund der erst kürzlich erfolgten Zulassung in den Leitlinien aber noch nicht abgebildet, so Prof. Trenk.

Quelle: Diabetes Kongress 2021 (virtuell), 12. – 15. Mai 2021; Session: Fettstoffwechselstörungen bei Diabetes

Literatur

1. Colantonio LD et al. JAMA Cardiol. 2017;2(8): 890-895

2. Wood FA et al. N Engl. J Med 2020; 383:2182-2184

3. Laufs U et al. Clin Res Cardiol. 2016 Sep;105(9):783-90.

4. Ballantyne CM et al. Eur J Prev Cardiol. 2020 Apr;27(6):593-603.

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