Schon vor COVID-19 gab es ein Virus, vor dem die Welt zitterte: stand als Synonym für einen Erreger, der den Tod verbreitet.
Folgen Sie mir! Die strenge Zugangskontrolle haben wir erfolgreich hinter uns gebracht, denn Sie gehören zu einem ausgewählten, besonders qualifizierten Mitarbeiterkreis. Nun betreten Sie die äußere Schleusenkammer, wo Sie die Straßenkleidung durch eine Unterkleidung ersetzen. Diese streifen Sie wenig später in der zweiten Kammer wieder ab, nehmen eine Dusche und ziehen die Betriebsunterkleidung wieder an. In der dritten Kammer schlüpfen Sie in einen Vollschutzanzug aus reißfestem, luftundurchlässigen Material mit angeschweißten Stiefeln und eigenständiger Atemluftzuleitung. Sie ziehen zwei Paar Handschuhe übereinander, das äußere mit einem Klemmbügel dicht schließend an den Ärmelstulpen des Schutzanzuges, und gönnen sich in der inneren Schleusenkammer eine wohlige Chemikaliendusche.
Ihre Arbeitsstätte ist räumlich und organisatorisch von anderen Gebäuden abgetrennt, hinsichtlich Stromversorgung und Lüftungsanlagen unabhängig und gegen technische Ausfälle gesichert. Es wird ein definierter Unterdruck aufrechterhalten. Alle verwendeten Materialien, Abwässer und Laborabfälle werden inaktiviert, Zu- und Abluft werden über ein mehrstufiges Filtersystem keimfrei gemacht. Von Laboren dieser Art, die zur Sicherheitsstufe 4 zählen, gibt es nicht allzu viele auf der Welt. In Österreich befindet sich nur eines, in China gibt es zwei, in Deutschland immerhin vier. Dies ist einer der Gründe, warum die Erforschung jener Viren, die in der Hitparade der gefährlichsten Erreger ganz vorne liegen, wenig fortgeschritten ist. Das Marburg-Virus gehört zu diesem erlauchten Kreis ebenso wie sein direkter Verwandter: Ebola.
Nicht die Verbreitung macht das 1976 identifizierte Virus so gefährlich. Es ist seine Letalität. 1976 erkrankten bei einem Ausbruch am namensgebenden Fluss Ebola (im damaligen Zaire) innerhalb weniger Wochen 318 Menschen. 280 von ihnen starben. Das entspricht einer Sterblichkeit von 88 Prozent, die jede Corona-Mutante vor Neid erblassen lässt. In den folgenden 10 Jahren verzeichnete man weitere 35 Ausbrüche. 1989 kam es zu einer Art Globalisierung des „afrikanischen“ Virus. Von 100 Affen, für Labortests von den Philippinen in die USA transportiert, verstarben innerhalb eines Monats 14. Diese Ebola-Virusvariante erwies sich zwar als nicht gefährlich für Menschen, dem Thriller The Hot Zone verhalf sie dennoch zum Bestseller. Andere Varianten eignen sich ebenso für Katastrophen-Stories. 1995 starben in einer kleinen Stadt in Zaire 250 der 315 Infizierten (Letalität 79 Prozent). Die bislang größte Ebola-Epidemie trug sich in den Jahren 2014 bis 2016 in Westafrika zu: 28.602 Erkrankte, 11.301 Todesfälle plus erhebliche Dunkelziffer. Und 2018 bis 2020 wurden in der Demokratischen Republik Kongo bei 3.481 Erkrankten 2.299 Todesfälle gezählt.
Vermutlich dringt das fadenförmige Ebola in Makrophagen und dendritische Zellen, dann auch in Fibroblasten und Endothelzellen ein. Innerhalb weniger Tage findet eine Virusvermehrung um das Tausendfache mit Zellzerstörung statt, wobei das Endothel von Blutgefäßen seine Dichtigkeit verliert. Auf Symptomebene klingt das zunächst unspezifisch, fast schon langweilig: grippeähnliche Beschwerden, Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen. Die weitere mögliche Beschwerdekaskade: Schmerzen im Oberbauch, Erbrechen und Durchfall, Kopf- und Brustschmerzen, Schluckbeschwerden, innere und äußere Blutungen, Delirium, Atemnot ...
Wie so oft trifft es die Ärmsten am schlimmsten. Mit ausreichenden Mitteln, funktionierender Gesundheitsversorgung, Wissen und Hygiene ließen sich Ausbreitung und Sterblichkeit des Ebola-Virus deutlich reduzieren. Die Übertragung erfolgt durch direkten körperlichen Kontakt über Körperflüssigkeiten; eine Übertragung über infizierte Gegenstände, Tiere oder Tierprodukte ist möglich. Nach heutigem Wissensstand findet aber keine Aerosolübertragung über die Luft statt. Inzwischen gibt es für die Zaire-Ebola-Virusvariante effektive Impfungen und wirksame Medikamente. Vielleicht noch ein Virus mit dem Potenzial, seinen Schrecken zu verlieren.