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Ärzte Woche

19.10.2023

Lernen Sie Baden bei Wien kennen, wo k.u.k. Prunk und Düsternis Seite an Seite tanzten

verfasst von: Raoul Mazhar

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Die Dualität der Stadt Badens wird in zwei Büchern beleuchtet. Sie spannen den Bogen vom K. u. k. Glanz zur dunklen NS-Zeit.

Wie eng Paradies und Hölle zusammenliegen und wie rasant sich das eine ins andere verwandeln kann, zeigt die Auswahl der beiden Bücher für diese Rubrik. Wer heutzutage durch das idyllische Baden bei Wien schlendert, nimmt vor allem die malerische Biedermeierarchitektur der ehemaligen Kaiserstadt wahr.

Hier spiegelt sich – wie eigentlich in den großen Städten Wien, Budapest und Prag – der Glanz der einstigen Habsburgermonarchie. Baden war (wenige Monate vor dem Ende des Ersten Weltkriegs) in der Tat kurzzeitig k.u.k. Residenzstadt. Menschen haben diese Gegend seit der Steinzeit besiedelt; jüngste archäologische Funde belegen die Existenz römischer Ruinen im Kurpark, keine 200 Meter vom prunkvollen Casino entfernt. Das Buch Die Villen von Baden vermittelt unterhaltsam die Geschichten über schmucke Villen und deren Bewohnern, die den Höhlen rund um den Kurpark schon seit Jahrtausenden entstiegen sind um der Umgebung ihren Stempel aufdrücken.

Wenige Jahre sind erst vergangen, als die Stadt vom Zentrum einer Großmacht zur Provinzstadt degradiert wurde, und sich eine moralische Verkommenheit zeigt, die es in dieser Form nicht mal in der Steinzeit gab. Es ist bemerkenswert, wie tiefgründig die düsteren Kapitel der Stadt im Buch Baden bei Wien unter dem Hakenkreuz beleuchtet werden. In einer Phase, in der die Stadt den Ehrgeiz entwickelte, das größte Schwefelbad des Dritten Reichs zu werden (ein Unterfangen, das kläglich scheiterte). Besonders tragisch ist dies, da die Stadt die drittgrößte jüdische Gemeinde beherbergte. Leider wird der Umfang des Buches mit seinen 984 Seiten viele Leserinnen und Leser abschrecken, dabei gibt es viel zu erzählen. Die Schrecken der NS-Zeit, die sich in Berlin und Wien abspielten, waren in Baden nicht weniger grausam, jedoch überschaubarer, was sie für die Leserschaft greifbarer macht. Dominik Zgierski, Historiker und Mitarbeiter des Badener Rollettmuseums, erzählt die Geschichten sowohl der Täter als auch der Opfer.

Marie-Theres Anborn
Die Villen von Baden. Wenn Häuser Geschichten erzählen
Amalthea Verlag 2022216 Seiten, Hardcover 27,00 EuroISBN
978-3-99050-225-9

Dominik Zgierski
Baden bei Wien unter dem Hakenkreuz
Böhlau Verlag 2023 984 Seiten, Hardcover 62,00 Euro ISBN 978-3-205-21785-5

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Metadaten
Titel
Lernen Sie Baden bei Wien kennen, wo k.u.k. Prunk und Düsternis Seite an Seite tanzten
Publikationsdatum
19.10.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 44/2023

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