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Erschienen in:

01.02.2024 | PFLEGEMANAGEMENT Zur Zeit gratis

Konflikte sind heilbar

Mediation ist keine Therapie, aber sie hilft

verfasst von: Alexandra Neuhofer

Erschienen in: PRO CARE | Ausgabe 1-2/2024

Konflikte schlagen sich auf den Magen, gehen uns auf die Nerven oder gar an die Nieren. Denn ungelöste Streitsituationen verursachen Stress und belasten unsere Gesundheit, körperlich wie auch seelisch. Wenn wir schon gesundheitliche Einschränkungen verspüren und selbst nicht mehr zu einer Lösung des Konflikts kommen, ist es hilfreich, Mediation in Anspruch zu nehmen.
Wunderfrage1 Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und Ihr Konflikt ist gelöst. Woran würden Sie das merken? Dass Sie gut geschlafen haben, unbeschwerter aus dem Bett kommen, den Tag motiviert und gut gelaunt beginnen und sich auf das freuen, was kommt?

Mediation als Konfliktlösung

Mediation ist eine Konfliktlösungsmethode, die gesetzlich geregelt ist (Zivilrechtsmediationsgesetz). Sie basiert auf Freiwilligkeit und ist ein Prozess, in dem eine qualifizierte und (vom Bundesministerium für Justiz) anerkannte Person überparteilich die Konfliktparteien so in ihrer Kommunikation unterstützt, dass diese zuallererst einen respektvollen Umgang miteinander finden, sich gegenseitig zuhören und ausreden lassen und dann bei der Lösungsfindung strukturiert begleitet. Das alles unter dem Schutzmantel der Verschwiegenheit des Mediators bzw der Mediatorin. Diese friedliche Form der Streitbeilegung ist in allen Bereichen der Gesellschaft, also dort, wo sich Menschen begegnen, möglich: In der Arbeit, der Familie, in der Wirtschaft, Nachbarschaft, Politik, Umwelt und Kultur.

Stress und Konflikt — eine ungesunde Kombination

Jeder Konflikt löst Stress (engl. „to stress“ = belasten, beanspruchen) aus, die Intensität und die Auswirkungen richten sich danach, wie gut unsere Widerstandsfähigkeit ist. Reicht unsere Fähigkeit, mit Stress umzugehen, nicht aus, haben wir mit gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.
Der Begriff Konflikt kommt aus dem Lateinischen (confligere, „zusammentreffen, kämpfen“), denn es prallen unterschiedliche Einstellungen, Erwartungen, Interessen, Meinungen, Wertvorstellungen oder Ziele von Organisationen, Personen, gesellschaftlichen Gruppen oder Staaten aufeinander. Je nachdem, wie sich ein Konflikt äußert, unterscheiden wir zwischen heißen und kalten Konflikten. Im heißen Konflikt werden alle Emotionen mit vollem Einsatz nach außen getragen und auch gelebt, in der Kommunikation selbst und manchmal auch mit Taten, es ist also eine offensichtliche Auseinandersetzung.
Ganz anders beim kalten Konflikt: Dieser erfolgt hintenherum, leise, kühl, gemein, ohne Gefühle zu zeigen. Der direkte Kontakt wird gemieden, „lassen Sie uns sachlich bleiben“ hört man dann häufig, obwohl es längst an der Zeit wäre, Klarheit zu schaffen. Mobbing zum Beispiel ist eine Art des kalten Konflikts, alles still und heimlich, dafür sehr effektiv und enorm stressig. Die kalten Konflikte sind vor allem im Bereich der Arbeit immer häufiger zu bemerken und es sind auch jene Spannungen, die am meisten auf die Psyche gehen, weil sie schleichend kommen und man oft unbemerkt schon am besten Weg ins Burnout ist.

Wie der Konflikt entsteht und wächst

Die pränatale Phase ist geprägt von einem ständigen Wachstum und einer Erwartungshaltung, die eng mit der Beziehung zur Mutter verbunden ist. Konflikte zwischen Bindung und Wachstum können das Gehirn beeinflussen, ähnlich wie das Fehlen von Zugehörigkeit oder das Verweigern von Nähe und Beziehung. Der ungestillte Drang nach Zugehörigkeit kann zu anhaltendem Stress führen und im Erwachsenenalter zu Ersatzbefriedigungen, die gerne im Übermaß ausarten (Workoholic, Alkohol, Essverhalten, ...) führen.
Das Gehirn reagiert auf psychische Überlastungen, indem es ähnliche Bereiche aktiviert wie bei physischem Schmerz. Befinden wir uns am Anfang eines Konflikts, empfinden wir diese Situation zwar als unangenehm, trotzdem halten wir uns noch in einer Art Sicherheitszone auf: Wir können nach wie vor ganz gut mit uns und unserem Umfeld umgehen, well noch ein gewisser innerer Halt vorhanden ist.
Steigt der Stresspegel, sind wir gereizt und ständig in Alarmbereitschaft, wir haben die Herausforderungszone erreicht, die ziemlich anstrengend aber gerade noch zu bewältigen ist.
In der Überforderungszone sind wir nicht mehr in der Lage, mit der Situation konstruktiv umzugehen. Wir verlieren die Selbstkontrolle, deshalb bleibt unser Handeln dann häufig nur noch bei situativen Entlastungs- und Bewältigungsversuchen (Copingreaktionen).
Jetzt eskaliert der Konflikt, denn all diese Reaktionen sind nicht hilfreich für eine Lösungsfindung, weil sie keinen Dialog mehr mit der Gegenseite möglich machen. Spätestens hier kommt die Mediation zum Einsatz. Menschen, die sich dieser Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht bewusst sind, nehmen an dieser Stelle unter Umständen die Hilfe der Gerichte in Anspruch.

Gesundheitliche Folgen

Wiederholte und langanhaltende Konflikte wirken sich besonders heftig auf die Psyche und in weiterer Folge auch auf den Körper aus. Deshalb sollte man schon bei einem aufkeimenden, krankheitsfördernden Konflikt ähnlich vorgehen wie bei einer sich anbahnenden Grippe, nämlich sofort Maßnahmen ergreifen, um einen heftigen Verlauf und mögliche unnötige Folgen zu verhindern.

Psychische Auswirkungen

Eine weit verbreitete Auswirkung durch Beziehungsverlust zu sich selbst und den Menschen, die einem wichtig sind, ist die Depression. Weitere gesundheitliche Folgeerscheinung von Konflikten sind Ängste, Ablehnung unerklärliche Ekelgefühle, Selbstschädigung (Anorexie, Ritzen, Sucht, ...), um sich zumindest für einen ganz kurzen Moment das Gefühl zu verschaffen, dazuzugehören bzw. konfliktfrei zu sein und alles nicht so schlimm ist. Ein selbstgemachter Realitätsverlust und Panikattacken sind ein Zeichen dafür, dass über Geist und Körper keine Gewalt mehr herrscht, sondern die Angst.
Der Begriff Burnout wurde aus dem Englischen übernommen von „to burn out“ (deutsch: ausbrennen) und beschreibt ein Ausgebranntsein, einhergehend oft mit Sinnverlust aufgrund von Ergebnislosigkeit. Das Phasenmodell nach Freudenberger/North zeigt die zwölf Stufen des Burnouts auf. Schon in der vierten Phase wird der Konflikt verdrängt (Abb. 1).
„Dass psychische Belastungen häufig zu körperlichen Beschwerden führen, beobachten wir Allgemeinmediziner in der täglichen Praxis.“ Dr. Artur Wechselberger, ehemaliger Präsident der Österreichischen Ärztekammer

PRAXISFALL AUS EINER ORDINATION FÜR ALLGEMEINMEDIZIN:

„Sandra K. ist verzweifelt, denn seit zwei Monaten verspürt sie ein „Kribbeln“ in den Beinen, das immer stärker und stärker wird. Seit einer Woche fehlt ihr auch das Gefühl in ihrer rechten Hand und sie schwankt beim Gehen so sehr, dass die Leute auf der Straße sie entsetzt ansehen. Zu Beginn nimmt Sandra K. das „Unwohlsein“ hin und wartet auf Besserung. Nach einer Woche konsultiert sie schließlich ihren Hausarzt. Dieser kennt ihre Krankengeschichte und ihr soziales Umfeld durch regelmäßige Besuche bereits seit einigen Jahren, wodurch ein großes Vertrauensverhältnis besteht. Da Sensibilitätsstörungen ganz unterschiedliche Ursachen haben können, befragt der Hausarzt Sandra K. im Rahmen der Anamnese umfassend. Durch behutsame, aber gezielte Fragen erfährt er auch eine neue Komponente des persönlichen Umfelds seiner Patientin: Sandra K. hat Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Ohne den Grund dafür zu kennen, darf sie plötzlich Aufgaben nicht mehr übernehmen, die sie seit Jahren immer zur Zufriedenheit aller erledigt hat — so zumindest aus ihrer Sicht.
Sandra K. kann sich nicht erklären, wieso ihre Chefin diese von ihr so wahrgenommenen Einschnitte in ihren Verantwortungsbereich vornimmt. Die dauernden Spannungen im Büro wirken sich so weit auf die private Beziehung zu ihrem Lebensgefährten aus, dass es in der gemeinsamen Wohnung zu einer heftigen Auseinandersetzung kommt. An jenem Tag beginnt schlussendlich das Kribbeln in den Beinen. Der Hausarzt veranlasst umfangreiche medizinische Untersuchungen wie etwa die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sowie eine MRT. Physische Ursachen für die Beschwerden können nicht gefunden werden. Allerdings verdeutlicht der Arzt seiner Patientin auch den Zusammenhang mit ihrer sonstigen Situation und macht sie auf „Behandlungsmöglichkeiten“ der sozialen Gesundheit durch Mediation aufmerksam. Sandra K. berücksichtigt diesen Hinweis.
Im Rahmen einer Mediation gelingt es ihr, die sehr belastenden Konflikte erfolgreich zu bearbeiten. Seither lässt auch das „Kribbeln“ in den Beinen langsam nach. Auch im Fall von Sandra K. gaben die körperlichen Beschwerden Anlass für den Besuch bei einem Arzt für Allgemeinmedizin. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch auch langjährige soziale Beziehungen „erkrankt“ und drohten zu zerbrechen. Es gibt viele Theorien, ob in diesem Zusammenhang ebenso körperliche Reaktionen ausgelöst werden können.“

Körperliche Auswirkungen

Streit ist Stress-Faktor Nummer eins für Bluthochdruck und einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Weitere Auswirkungen sind Krankheiten resultierend aus Schlafmangel bzw -störungen, Magengeschwür, Veränderungen im Immunsystem, Erschöpfungszustände, Herzkrankheiten, Erkrankungen des Kreislaufsystems, Darmkrankheiten, Überlastung des Organismus und Schilddrüsenfunktionsstörungen.
In einer Studie von 2006 erhielten 1.502 Probanden (alle über 50 Jahre alt) einen ausführlichen Fragebogen zu Konflikten und Ärger im eigenen Umfeld. Ergänzend wurde der Blutdruck gemessen. Eine Folgeerhebung vier Jahre später ergab, dass das Bluthochdruck-Risiko um 38 Prozent gestiegen war. Das galt allerdings nur für Frauen.

Darum sind Frauen stärker betroffen

Schon frühere Ergebnisse zeigten, dass Frauen sensibler auf den Verlust oder negative Beziehungen reagierten. Konflikte innerhalb des Familienverbandes galten von jeher in der Gesellschaft als verpönt. Die Aufgabe der Frau war, zu Hause zu bleiben, die Familie zusammenzuhalten und Streit und Sorgen innerhalb der Familie möglichst vom Ehegatten fernzuhalten, denn sein Part war vornehmlich zuerst das Jagen und Erlegen von Beute und dann der Erhalt der Familie durch den Verdienst aus seiner Arbeit. Gab es also Spannungen, hat die Ehegattin im besten Fall für Lösungen gesorgt oder den Streit verschwiegen und hinuntergeschluckt.

Auswirkungen von Konflikten in der Arbeit

Krankschreibungen für „durch Arbeitsbedingungen ausgelöste Störungen von Gesundheit und Befindlichkeit“ werden klassisch mit Depression, Virusinfekt oder Wirbelsäulenbeschwerden begründet, denn für „soziale Störung“ gibt es keine offizielle Diagnose im Sozialgesetz.
Neben den körperlichen Risikofaktoren konnten die Befragten in der Mikrozensus- Arbeitskräfteerhebung „Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme“ der Statistik Austria im Ad-hoc-Modul 2020 auch angeben, ob sie am Arbeitsplatz Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, welche dem psychischen Wohlbefinden schaden können. Rund 2,5 Mio. (59,2 %) erwerbstätige Personen waren zum Befragungszeitpunkt an ihrem Arbeitsplatz zumindest einem psychischen Gesundheitsrisiko ausgesetzt.
Insgesamt kommt man, wenn die Stressfaktoren der unzureichenden Kommunikation, Beziehung, Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwirklichung zusammengerechnet werden — Umgang mit schwierigen Kunden, Patienten, Schülern usw. (34,4 %), schlechte Kommunikation oder Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens (12,6 %), fehlende Entscheidungsfreiheit, kein Einfluss auf Arbeitstempo oder Arbeitsprozess (8,2 %), Gewalt oder Androhung von Gewalt (4,1 %), Belästigung durch Mobbing (3,2 %) — auf über 60 Prozent in diesem hier konkretisierten Gesundheitsrisiko „Konflikt“ aus dem groben Bereich “psychisches Gesundheitsrisiko“.

Positive Auswirkungen der Konfliktlösung durch Mediation

Die Beziehung zu den ehemaligen Konfliktparteien und zu sich selbst sowie das Bild nach außen und die eigene Identität erfahren eine positive Wendung, weil die gestörte Kommunikation in der Mediation in konstruktive Bahnen gelenkt wird. Das Verständnis für den anderen wird wieder geweckt, damit bauen sich Stress und Misstrauen ab, negative Beziehungen heilen und positive Emotionen haben wieder Platz und Sinn.

Phasen der Mediation und deren heilsame Auswirkungen

1.
Mandat (Auftrag an den Mediator/die Mediatorin)
 
2.
Zieldefinition
 
3.
Themenliste
 
4.
Interessen
 
5.
Bedürfnisse
 
6.
Lösungsansätze
 
7.
Lösungsfindung/Vereinbarung
 

Mandat

Alle Beteiligten sind damit einverstanden, sich prozessbegleitend Hilfe zur Lösung des Konflikts von Außen zu holen und willigen gleichgestellt in die Auftragsmodalitäten der Mediation ein. Zum ersten Mal ziehen die Klienten gemeinsam an einem Strang, und alle müssen sich an dieselben Regeln halten, wie z. B keine rechtlichen Schritte gegeneinander vorzunehmen und einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen.
Die Überparteilichkeit des Mediators/der Mediatorin, wonach dieser/diese alle Beteiligten zu gleichen Maßen unterstützt, nimmt schon den Druck der Wertung heraus, weil sie für Gleichstellung und Gleichberechtigung der Streitteile sorgt und eine Benachteiligung aus welchem Grund auch immer ausschließt.

Zieldefinition

Die zweite Phase dient der Definition des Ziels. Spätestens hier realisieren die Klienten, worum es wirklich geht und bekommen auch zum ersten Mal mit, worauf die „Gegenseite“ hinaus will.
Diese eindeutige Festlegung des beabsichtigten Sinns und Zwecks der Konfliktlösung wird häufig auch auf einem Flipchart verschriftlicht und, damit dieses nicht aus den Augen gerät, gerne für alle gut sichtbar während der gesamten Dauer der Mediation aufgestellt.
Der Austausch zwischen den Beteiligten beginnt und damit auch der Dialog, der bisher vermieden wurde. Ein gemeinsam erarbeitetes Ziel samt den Themen, die auf den Nägeln brennen, schafft ein erstes zartes Band der Verbindung zwischen den Streitteilen, und die größte Last, nämlich die Angst, in dieser belasteten und unlösbaren Situation allein zu sein, ist gebannt.

Themenliste

Im dritten Teil der Mediation werden die Themenfelder aufgelistet, die für die Zielerreichung wichtig sind. Informationen von Außen werden eingeholt, wie z. B rechtliche Auskünfte, die für die Konfliktlösung relevant sind. Hier werden Ängste und die bezughabenden Themen ausgesprochen und auf einem Flipchart visualisiert. Auch das fördert das Realisieren der eigentlichen Auslöser und Gründe des Streits. Hier kommt es zum ersten Verstehen und damit häufig zum Erkennen von Missverständnissen und Gemeinsamkeiten.
Dieses Gehört- und Gesehen-Werden ist besonders wichtig für den Selbstwert, gerade bei kalten Konflikten, die ja hinter dem Rücken ausgetragen werden, ist hier oft der Knackpunkt, dass die vorher unlösbar erscheinende Situation in eine lösbare gewandelt wird, und das bringt Erleichterung.

Interessen

Sind alle Themen am Tisch, folgen die Interessen aller Parteien, die hinter diesen Themen stehen. Das ist meist die kürzeste Phase, weil durch die Sicherheit, die der Mediationsprozess gibt, schon ein Ausdrücken des Gewollten (Sachebene) leichter fällt, da zum ersten Mal zugehört wird, und — das ist ein besonderer Vorteil — man auch einen Übersetzer an der Hand hat, nämlich den Mediator bzw die Mediatorin.
In dieser Phase beginnen die meisten Sätze, die das Gewollte ausdrücken, mit „mir steht zu“, „ich will aber“, „mein Anwalt sagt“. Hauptaufgabe des Mediators/der Mediatorin ist hier zu übersetzen, das bedeutet für die Klienten, dass sie alles sagen dürfen, was sie belastet, und wenn sie sich in der Wortwahl vergreifen, haben sie jemanden an der Seite, der diese Formulierung sinngemäß aber entschärft für die Gegenseite formuliert, er baut quasi eine Brücke zwischen den Parteien.
Das ist der Zeitpunkt, an dem die Klienten die Sinnhaftigkeit des Konflikts und in weiterer Folge der Mediation zur Lösungsfindung erkennen. Sie merken, dass sie mit Unterstützung den Konflikt lösen könnten. Die Beziehung zu sich selbst verbessert sich merklich, denn die Klienten fühlen sich nicht mehr ohnmächtig sondern schon innerhalb des Prozesses freier, gewinnen an Motivation und sehen wieder Zukunftsperspektiven.
„Krankheiten hat man nicht für sich allein, immer haben auch andere etwas damit zu tun!“ Dr. Detmar Jobst, Uni Bonn
„Bei richtiger Einschätzung des aktuellen Eskalationsgrads jedoch können den Parteien wirksame Interventionen zur Konfliktbearbeitung und Stärkung ihrer Selbstheilungskräfte geboten werden.“ Friedrich Glasl, Ökonom und Konfliktforscher, Wien, Salzburg

Bedürfnisse

Nachdem alle Interessen transparent aufgegliedert sind, kommt der für viele Menschen herausfordernste Teil der Mediation: Gemeinsam werden die Bedürfnisse erarbeitet, die hinter den Interessen stehen. Interessen basieren auf dem Wollen, also auf der Denkebene, Bedürfnisse sind nur auf der Gefühlsebene zu finden. Auf diesem Weg begleitet der Mediator/die Mediatorin alle Beteiligten behutsam, denn hier brechen Emotionen gerne durch, und das ist auch gut so. Um diese in einem respektvollen und wertschätzenden Rahmen zu halten, wird das Ausgesprochene so verbalisiert, dass es die andere Seite auch versteht.
An dieser Stelle werden verhärtete Beziehungen entlastet und erneuert, es besteht die Möglichkeit des tiefen Verständnisses für die andere(n) Konfliktpartei( en) und man nimmt sich gegenseitig wieder wahr. Viele Missverständisse und verschobene Wahrnehmungen kommen endlich zu Tage, die so viel unfruchtbaren Spielraum für Interpretationen gelassen haben.

Lösungsansätze

Wenn die Menschen in der Mediation merken, dass sie hier ihre eigenen Bedürfnisse aussprechen dürfen, noch dazu bei Bedarf mit Übersetzung für die Gegenseite, werden sie sicherer im Denken und Handeln. Beim Finden der Lösungsansätze sind die Klienten in ihrer Selbstwirksamkeit gefordert, nicht nur mit all ihren Erfahrungen, sondern vor allem auch mit Kreativität. Das alles befriedigt die Bedürfnisse der Selbstverantwortlichkeit:
  • _ Selbst einen sinnvollen Beitrag zur Lösung zu leisten
  • _ sein Eigenes einzubringen
  • _ der Zugehörigkeit, denn man arbeitet in einer Gruppe, um das selbstdefinierte Ziel zu erreichen und letztendlich
  • _ der Beziehung, nämlich Nähe und Werte zu spüren und zu leben.
Der Tunnelblick mit dem einzigen Fokus auf das Problem wandelt sich in Zuversicht und Neugier. Immer mit dem meist unbewussten Hintergrund, dass der eigene Beitrag die Beziehungen und Zugehörigkeiten stärkt. So hat niemand das Gefühl, dass er nicht beachtet oder sogar übergangen wird. Spätestens hier wird es auch den Menschen wieder möglich, sich abzugrenzen, nicht alles höchstpersönlich und mit nach Hause zu nehmen.

Lösungsfindung

Die Lösungsfindung ist manchmal ein äußerst kreativer Prozess, weil keine Einschränkungen durch Geheimnisse, Schamgefühl oder Ängste mehr vorhanden sind. Nachdem alle Optionen und Lösungsmöglichkeiten durchgedacht sind und auf Realisierbarkeit von allen Beteiligten geprüft wurden (häufig werden auch hier noch rechtliche Begutachtungen eingeholt), wird die von allen Konfliktparteien für die sinnvollste und damit wertvollste Lösung in dieser Situation vereinbart, und das meist schriftlich. Diese Vereinbarung kann auch von dem eingetragenen Mediator/der eingetragenen Mediatorin mitunterschrieben und bestätigt werden.
Der Konflikt ist gelöst, es gibt eine Vereinbarung, die für alle Beteiligten gut lebbar ist und Zukunftsperspektiven ermöglicht, die vor der Streitbeilegung kaum mehr denkbar waren. Die Klienten sind erleichtert und oft auch mit Recht stolz auf sich selbst, weil nicht Fremde über das Schicksal des Streits gestritten und entschieden haben sondern selbst ein persönlicher und großer Beitrag zur Streitbeilegung geleistet wurde — und der Konflikt ist geheilt.

Zusammenfassung

Heftige oder lang andauernde Konflikte wirken sich nicht nur auf unsere seelische sondern auch auf unsere körperliche Gesundheit aus. Mit professioneller Unterstützung von Mediatorinnen und Mediatoren werden Menschen durch den Konfliktlösungsprozess begleitet. Mit Unterstützung werden konstruktive und zufriedenstellende Lösungen für alle Beteiligten erarbeitet, denn Konflikte sind ganzheitlich heilbar.

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Fußnoten
1
*Bei der Wunderfrage wird mit einer besonderen Fragetechnik eine höhere Macht, ein Wunder, eingeführt. Sie soll Menschen, die im Problemerleben gefangen sind, dabei helfen, aus eigener Kraft Lösungsvisionen zu erkennen und damit in der Lage zu sein, positive Ziele und Veränderungen zuzulassen.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Dr. Mathias Schuster. Dr. Elvira Hauska, Rolle der Ärzte als Erstansprechperson bei Konflikten Dr. Mathias Schuster. Dr. Elvira Hauska, Rolle der Ärzte als Erstansprechperson bei Konflikten
Zurück zum Zitat STRESSREAKTIONEN und Auswirkungen in Konflikten STRESSREAKTIONEN und Auswirkungen in Konflikten
Zurück zum Zitat Gerald Hüther: Biologie der Angst ISBN: 978-3-525-01439-4 Gerald Hüther: Biologie der Angst ISBN: 978-3-525-01439-4
Zurück zum Zitat Vandenhoeck & Ruprecht DVD Hüther, Gerald, Ballreich, Rudi: Du gehst mir auf die Nerven! ASIN: 3940112259 Vandenhoeck & Ruprecht DVD Hüther, Gerald, Ballreich, Rudi: Du gehst mir auf die Nerven! ASIN: 3940112259
Zurück zum Zitat Zeitschrift EXISTENZANALYSE 1/2013; 31 ff, Rainer Kinast, Alexander Milz Zeitschrift EXISTENZANALYSE 1/2013; 31 ff, Rainer Kinast, Alexander Milz
Zurück zum Zitat Studie von Rodlescia Sneed und Sheldon Cohen von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania nutzten Daten der „Health and Retirement“ (deutsch: Gesundheit und Pensionierung), die in den USA jährlich durchgeführt wird; aus Department of Psychology, Carnegie Mellon University, 5000 Forbes Avenue, Pittsburgh, PA 15213 aus: Die WELT Gesundheit, 02.06.2014 Von Sophia Weimer Studie von Rodlescia Sneed und Sheldon Cohen von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania nutzten Daten der „Health and Retirement“ (deutsch: Gesundheit und Pensionierung), die in den USA jährlich durchgeführt wird; aus Department of Psychology, Carnegie Mellon University, 5000 Forbes Avenue, Pittsburgh, PA 15213 aus: Die WELT Gesundheit, 02.06.2014 Von Sophia Weimer
Zurück zum Zitat Interview mit Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Glasl, geführt von Dr. Eva-Maria Kampel 27. und 28. Juni 2022 in Seekirchen am Wallersee, ca. 354 Min. auf 2 DVDs Interview mit Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Glasl, geführt von Dr. Eva-Maria Kampel 27. und 28. Juni 2022 in Seekirchen am Wallersee, ca. 354 Min. auf 2 DVDs
Zurück zum Zitat STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus- Arbeitskräfteerhebung Ad-hoc-Modul 2007,2013 und 2020: ‚Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme‘. STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus- Arbeitskräfteerhebung Ad-hoc-Modul 2007,2013 und 2020: ‚Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme‘.
Metadaten
Titel
Konflikte sind heilbar
Mediation ist keine Therapie, aber sie hilft
verfasst von
Alexandra Neuhofer
Publikationsdatum
01.02.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
PRO CARE / Ausgabe 1-2/2024
Print ISSN: 0949-7323
Elektronische ISSN: 1613-7574
DOI
https://doi.org/10.1007/s00735-024-1796-3

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EditorialNotes

inhalt

FREIZEIT & LEBEN

Wege über das Wasser