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Ärzte Woche

15.11.2021 | Impfungen

Misslungenes Impf-Marketing

verfasst von: Mit Bernhard Schwarz hat Martin Krenek-Burger gesprochen

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Die niedrige Impfquote ist kein Naturgesetz, meint der Chef der Karl Landsteiner Gesellschaft, Bernhard Schwarz. Selbst jetzt ließen sich Menschen zum Impfen bewegen.

60 Institute aus der medizinischen Forschung umfasst die Karl Landsteiner Gesellschaft. Ihr Präsident ist seit 2010 Prof. Dr. Bernhard Schwarz vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Am Vorabend des Lockdowns für Ungeimpfte gab der Sozialmediziner dem Springer-Podcast Hörgang ein langes Interview über Impfskepsis und Gesundheitsmarketing (nutzen Sie den QR-Code auf dieser Seite). Hier ist ein Auszug.

Sie kennen den Spruch „In jeder Krise steckt eine Chance“. Die Entwicklung der Corona-Impfstoffe war so eine Chance, die genutzt wurde. Angenommen wurden die Impfungen bisher nur teilweise. Erwarten Sie noch einen Schub?

Schwarz: Wir würden wirklich einen Schub brauchen, wir sind in Österreich, was die Impfquote angeht, im internationalen Vergleich nicht sehr gut unterwegs. Ob es durch die Totimpfstoffe gelingt, das Ruder herumzureißen, wage ich zu bezweifeln. Ich habe selbst immer wieder mit Impfgegnern zu tun, die zum Teil abstruse Argumente vorbringen. Man muss transparent machen, was Qualitätsjournalismus von sozialen Netzwerken unterscheidet.

Die Vorbildwirkung ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. All jene gesellschaftlichen Kräfte, die in unterschiedlichen Zielgruppen Vorbildfunktion haben, müssen klar machen, dass man zwar Verständnis hat, wenn die Leute ein bisschen vorsichtig sind, aber man sollte ihnen die Ängste nehmen. Dafür gibt es mittlerweile gute Argumente, denn die diversen Impfstoffe werden in unglaublich großer Zahl angewendet. Sie haben sich im Großen und Ganzen als sicher und wirksam erwiesen.

Der Wissenschaft und der Politik wird nicht mehr in jenem Ausmaß geglaubt, wie es für eine erfolgreiche Impfkampagne nötig wäre. Woran liegt das?

Schwarz: Es gibt eine starke emotionale Komponente, reine Fachargumente ziehen nicht. Es geht darum, emotionale Hürden zu überwinden. Es gibt einzelne Impfkampagnen, die in Österreich äußerst erfolgreich laufen, wenn ich an die FSME-Impfung denke. Für mich ist das ein Zeichen, dass Gesundheitsbotschaften überzeugend rübergebracht werden müssen.

Es ist zu analysieren, was die Menschen davon abhält, sich impfen zu lassen, um dann zielgruppengenau Marketing für die Impfung zu betreiben. Das würde uns weiterhelfen.

Wie beurteilen Sie die bisherige Leistung der Regierung?

Schwarz: Ich sehe es differenziert. Man muss jedem zugestehen, dass er anfangs überfordert war. Als sich das Bild gelichtet hat, ist die Bedeutung des Gesundheitsmarketing aber klar hervorgetreten. Die politisch Agierenden reagieren normalerweise sensibel auf Umfragen und betreiben professionelles Marketing – wie auch immer man dazu steht. Ich hatte mir erhofft, dass man das Corona-Marketing so professionell betreibt wie vor Wahlen, dass Meinungen und Trends in verschiedenen Bevölkerungsgruppen erfasst, Impfskepsis und Gesundheitsverhalten untersucht werden. Dass das nicht passiert ist, ist für mich die größte Enttäuschung, weil es absolut nicht nachvollziehbar ist.

Veranstaltungshinweis . Die COVID-19-Pandemie als Treiber der medizinischen Forschung, Karl Landsteiner Tag, 16. November 2021, Billrothhaus, Wien, karl-landsteiner.at

Weitere Informationen:

karl-landsteiner.at

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Metadaten
Titel
Misslungenes Impf-Marketing
Schlagwort
Impfungen
Publikationsdatum
15.11.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 46/2021

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