Der „Retter der Kinder“ war auch nur ein Mensch: Emil von Behring war Medizinpionier, Firmengründer und Nobelpreisträger, und er war ein geschickter Netzwerker. Eine neue Biografie befreit den Jahrhundertforscher von den Fehldeutungen der Naziideologie, die ihn früh für sich vereinnahmte.
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Der Immunologe Emil von Behring (1854-1917) lehrte von 1895 bis zu seinem Tod das Fach Hygiene, und zwar an der Universität Marburg. In Robert Kochs Institut für Infektionskrankheiten in Berlin hatte er zuvor die körpereigene Immunabwehr entdeckt und die Grundlagen für die Serumtherapie von Diphtherie und Tetanus gelegt. Im Jahr 1901 erhielt Behring den ersten Nobelpreis für Medizin oder Physiologie. In Marburg gründete der Wissenschaftler wenig später sein Unternehmen für die Produktion von Impfstoffen, die Behringwerke, die in veränderter Gestalt die Stadt bis heute prägen.
„Behring war nicht der Einzelkämpfer, als der er meist dargestellt wurde“, erklärt seine Biografin Ulrike Enke. In ihrem materialreichen Werk zeigt die promovierte Literaturwissenschaftlerin die Netzwerke auf, die Behring knüpfte. „Ich habe einen Gegenentwurf zur ersten Behring-Biografie aus dem Jahr 1941 geschrieben, deren Hauptautor bekennender Nationalsozialist war“, erläutert Enke. So sei Behrings Familie in dem Buch so gut wie nicht vorgekommen – denn Behrings Ehefrau Else, eine geborene Spinola, hatte jüdische Vorfahren.
Behring-Archiv Marburg, EvB /L 1/15
Neu zugängliche Familienbriefe lassen Behring in einem anderen Licht erscheinen. „Wir lernen einen herzlichen Familienmenschen und fürsorglichen Vater kennen“, sagt Enke. Die Briefe ermöglichen Einblicke in den Alltag einer Professorenfamilie, bei der Wissenschaft und Privatleben enge verwoben waren. „Behring war ein sozialer Aufsteiger, dem es als Dorfschullehrerkind gelang, dank hoher Intelligenz und Durchsetzungsvermögens bis in die höchsten Kreise Europas aufzusteigen.“
Buchtipp. Enke, Ulrike, Emil von Behring 1854 bis 1917. 597 S., Wallstein 2023, Hardcover 35,00 Euro, ISBN 978-3-8353-5501-9