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19.12.2023 | Genitalverletzungen | Redaktionstipp | Online-Artikel

Opfer alter Bräuche - Weibliche Genitalverstümmelung

verfasst von: Philip Klepeisz

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Weltweit sind derzeit 200 Millionen Frauen und Mädchen von schmerzhaften Genitalverstümmelungspraktiken betroffen. Die physischen und psychischen Folgen für die Überlebenden sind immens. Diese Menschenrechtsverletzung wird von Mitgliedern der eigenen Gesellschaft durchgeführt. Die Organisation Aktion Regen setzt sich dafür ein, diese Situation zu ändern.

Genitalverstümmelungen von Frauen haben extreme Schmerzen, Blutungen, Schockzustände, Infektionen verursacht und können sogar zum Tod geführt haben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in vier Typen oder Grade ein, je nach Brauch oder Ritual. Der erste Typ beinhaltet das Abschneiden der Klitorisvorhaut. Bei schwereren Formen werden weitere Teile der Vulva entfernt. Bei der Infibulation wird der Genitalbereich nach der Prozedur vernäht, sodass nur noch ein kleines Loch bleibt. Das Kauterisieren des Genitalbereichs gehört zu den schwersten Formen - FGM wird aus menschenrechtlicher Sicht als Folter betrachtet. Diese Handlungen verursachen bei den betroffenen Mädchen und Frauen schwere körperliche und psychische Schäden, die ein Leben lang anhalten. Sie werden aufgrund gesellschaftlichen Drucks und traditioneller Bräuche durchgeführt.

FGM findet weltweit statt. Laut Dr. Ines Kohl, Geschäftsführerin der NGO Aktion Regen, wird FGM am häufigsten in afrikanischen Ländern praktiziert. Der Schwerpunkt liegt in einem Streifen südlich der Sahara, der sich von Guinea und Mali bis in den Osten erstreckt. Die Länder, in denen FGM am häufigsten vorkommt, sind Somalia, Sudan und Tansania. Obwohl FGM in einigen dieser Länder seit mehr als zehn oder 15 Jahren verboten ist, wird es immer noch von bestimmten Gruppen praktiziert. Religion spielt dabei keine Rolle. Sowohl christliche als auch muslimische Gesellschaften praktizieren FGM, wobei Religion oft als Rechtfertigung dient, jedoch nichts damit zu tun hat. FGM ist eine misogyne oder patriarchale Tradition, die seit mehr als 2.000 Jahren besteht und deren Ursprung nicht genau bekannt ist. Traditionen werden oft mit dem Gedanken verknüpft, dass das, was unsere Vorfahren getan haben, gut ist und beibehalten werden muss. Doch gerade junge Menschen möchten sich davon lösen. Viele sind in den sozialen Medien aktiv und rebellieren über Twitter und andere Kanäle für mehr Unterstützung durch die Regierungen, weil sie von FGM betroffen sind.

Ein Beispiel aus Kenia zeigt, dass in der Hauptferienzeit, von Mitte Dezember bis Mitte März, bei der Ethnie der Kuria im Südwesten die meisten Beschneidungen bei Schülerinnen stattfinden. Aktion Regen hat in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort Schutzlager eingerichtet, in denen Mädchen Zuflucht suchen können. Diese Lager werden Girl Empowerment Camps genannt, da der Schutz eine Rolle spielt, aber auch die Stärkung der Mädchen, damit sie ihre Rechte kennen lernen, sich mit Gesundheitsfragen auseinandersetzen und über ihre Zukunft nachdenken können, abseits traditioneller Rollenbilder, bei denen sie früh verheiratet und Mütter werden, die Schulbildung abbrechen und keine beruflichen Perspektiven haben. Mag. Nina Gruy-Jany von Aktion Regen erklärt: "Unser Anti-FGM-Programm wird teilweise von einer Stiftung finanziert, aber das reicht bei Weitem nicht aus. Wir benötigen dringend weitere Unterstützung, wie die meisten NGOs, die staatliches Versagen ausgleichen müssen. Das geschieht durch Mitarbeit, private Spenden und Firmenkooperationen - es ist ein solidarischer Akt." Die Begleitung eines Mädchens an Schulen und in der Gemeinschaft sowie die Bereitstellung eines Platzes in einem Girl Empowerment Camp kostet etwa 300 Euro pro Jahr. Darin enthalten sind auch die Betreuung der Familie vor und nach der Beschneidung sowie die Aufklärung der Gemeinschaft.

Damit die Mädchen in die Camps kommen können, leisten Rain Worker an den Schulen bereits viel Vorarbeit. Dort werden wichtige Themen wie Gesundheit und FGM sowohl mit Mädchen als auch mit Jungen besprochen. Margaret Weithera-Bachlechner, eine Trainerin bei Aktion Regen, erklärt: "Die Herausforderung sind die Mädchen selbst, denn sie glauben, dass sie beschnitten werden müssen, um eine Frau zu werden. Hier setzen die Rain Worker an und sensibilisieren die Mädchen, erklären ihnen, wie sie von dieser Vorstellung loskommen können, mit der sie aufgewachsen sind und an die sie glauben."

Unwissenheit ist ein großes Problem. Selbst Erwachsene wissen oft wenig über FGM. Daher gehen die Rain Worker in die Dörfer und beziehen die Eltern und die Gemeinschaft in ihre Aufklärungsarbeit ein. "Die Aktivitäten von Aktion Regen sind nachhaltig, da Wissen und Kompetenz vermittelt werden, damit die Menschen eigenverantwortlich handeln können. Sie sollen informierte Entscheidungen in Bezug auf Verhütung, sexuelle Rechte, Gesundheit und FGM treffen können und entsprechend handeln. Dabei halten wir uns jedoch heraus", sagt Kohl. 

Spendenkonto Aktion Regen:

ERSTE BANK

IBAN: AT30 2011 1000 0372 5200

BIC: GIBAATWW

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