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14.03.2022 | Online-Artikel

Eosinophiles solide und zystisches Nierenzellkarzinom (ESC-NZK)

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Die Kategorie unklassifizierter eosinophiler Nierenzelltumoren/Karzinome blieb bislang ein Sammeltopf für diverse seltene, uncharakterisierte epitheliale Nierentumoren, welche eine eosinophilzellige/onkozytoide Zellmorphologie, eine blande Erscheinung und einen insgesamt eher niedrigen Kerngrad gemeinsam haben und ansonsten in keine sonstige spezifische Kategorie der Nierenzellkarzinome eingeordnet werden können.

Obwohl es aufgrund der generell indolenten Biologie keinen Klassifikationsdruck bei diesen Tumoren gab, hat sich die Klassifikation dieser Tumoren in den letzten 10 Jahren ständig weiterentwickelt. Dies ist insbesondere dem zunehmenden Einsatz molekularer Untersuchungsmethoden zu verdanken, die spezifische molekulare Veränderungen identifiziert haben [ 1]. Im Folgenden werden die klinisch-pathologischen und molekularen Aspekte eines dieser Tumoren, des eosinophilen, soliden und zystischen Nierenzellkarzinoms (als ESC-NZK abgekürzt), beleuchtet.

Klinik und Epidemiologie

Das ESC-NZK tritt in 2 klinischen Konstellationen auf: sporadisch bedingt durch somatische TSC-Mutationen und bei Patienten mit einer tuberösen Sklerose und TSC-Keimbahnmutationen [ 2‐ 4]. Die exakte Inzidenz von ESC-NZK und deren Frequenz unter den anderen Nierentumoren ist noch unklar, da die meisten Tumoren bislang wahrscheinlich in die Kategorie unklassifizierter NZK (NOS) oder sonstige Kategorien eingeordnet wurden [ 5]. In den Nieren von Kindern mit manifester tuberöser Sklerose und TSC1/2-Keimbahnmutationen wurden neben Angiomyolipomen/PECOMen Nierenzysten beschrieben, die durch hypertrophe Tubulusepithelien mit prominentem eosinophilem Zytoplasma ausgekleidet sind und an Zellen des ESC-NZK erinnern [ 6].

Die meisten ESC-NZK präsentieren sich als solitäre, relative kleine (niedriges T‑Stadium) Tumoren [ 2, 3]. Gelegentlich werden auch multifokale oder bilaterale Tumoren beobachtet [ 2, 3, 7]. Frauen sind signifikant bevorzugt betroffen mit einer breiten Altersspanne, wobei sich die meisten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr präsentieren. Pädiatrische Fälle wurden seltener beschrieben [ 8].

Makropathologie

Das ESC-NZK ist makroskopisch scharf begrenzt ohne Kapselbildung mit einer beschriebenen Größe von < 1 bis 13 cm [ 2, 3]. Es ist durch eine variabel solide und makrozystisch erscheinende Schnittfläche charakterisiert. Allerdings können dominant solide (mit nur histologisch nachweisbaren Mikrozysten) oder extensiv zystische Varianten vorkommen und dadurch die Diagnose erschweren [ 1‐ 3].

Histomorphologie

Die solide Komponente zeigt eine diffuse, kompakte, azinär/tubuläre, manchmal auch papilläre oder nestartige Anordnung der Tumorzellen ([ 2, 3]; Abb.  1). Die Tumorepithelien zeigen ein stark eosinophiles, voluminöses Zytoplasma mit variabel ausgeprägten, häufig radiär angeordneten grobgranulären basophilen Inklusionen („stippling“), welche gelegentlich an Leishmanien erinnern ([ 2, 3]; Abb.  2). Ultrastrukturell handelt es sich dabei um Aggregate des rauen endoplasmatischen Retikulums. Die Zellkerne sind meist rund-oval mit variabel erkennbaren gelegentlich prominenten Nukleolen. Zwei- oder mehrkernige Zellen treten häufig auf. Die die Zysten auskleidenden Tumorzellen zeigen oft eine prominente „Hobnail-Erscheinung“ [ 2, 3]. Im spärlichen Hintergrundstroma finden sich häufig kleine Aggregate aus schaumzelligen Makrophagen und Lymphozyten. Seltene Muster schließen fokales papilläres Wachstum, klarzellige Veränderungen, tubulär-insuläres Muster und mehrkernige Tumorriesenzellen ein [ 1‐ 3]. Psammomatöse Mikrokalzifikationen finden sich in variabler Menge in etwa der Hälfte der Tumoren.Abb. 1

Bei schwacher Vergrößerung zeigt das eosinophile solide und zystische Nierenzellkarzinom eine Mischung aus grobzystischen und soliden Anteilen mit scharfer peripherer Begrenzung ( a). Die solide Komponente zeigt eine variable Architektur mit nestartiger, adenoider, tubulusartiger oder gelegentlich papillärer Anordnung der Tumorzellen ( b). Eine starke Vergrößerung der Zysten zeigt typisches hobnail-artiges Epithel ( c). d Starke Vergrößerung der soliden Komponente

Abb. 2

a Eine starke Vergrößerung der Tumorzellen zeigt das eosinophile granuläre Zytoplasma mit in einigen Zellen erkennbaren grobgranulären Binnenstrukturen („stippling“; erinnert an Leishmanien-Körperchen). b Fokale Entzündungsaggregate sind häufig. Gelegentlich beobachtete variante Histologien schließen kleine kompakte Nester wie bei niedriggradigen onkozytischen Tumoren (LOT;  c), seltene Vakuolen (erinnern an eosinophilen vakuolisierten Tumor [EVT;  d]) und follikuläres schilddrüsenähnliches Muster ( e) ein. Die Bilder  c bis  e (aus demselben Tumor) verdeutlichen die histogenetische Verwandtschaft der unterschiedlich benannten TSC/mTOR-assoziierten indolenten eosinophilen Nierentumoren (ESC-NZK, EVT und LOT)

Immunhistochemie

PAX8, Pankeratin und Vimentin sind einheitlich nachweisbar. CK20 wird in 85 % der Fälle variabel (diffus oder fokal) exprimiert; kombiniert mit einem meist komplett negativen CK7 [ 1‐ 3]. Cathepsin K wird häufig exprimiert und Melan A in einem kleinen Teil der Fälle [ 1‐ 3, 9]. Hingegen sind die Färbungen für CD117 und CAIX in der Regel negativ. Damit ergibt sich die klassische diagnostische Immunkonstellation eines CD117−/CK7−/CK20+-Tumors (Abb.  3).Abb. 3

Immunhistochemisch zeigt das eosinophile, solide und zystische Nierenzellkarzinom (ESC-NZK) ein charakteristisches Markerprofil mit Negativität von CD117 ( a Mastzellen unten als interne Positivkontrolle) und CK7 ( b normale Tubuli unten als interne Positivkontrolle) bei variabler insgesamt starker Expression von CK20 ( c,  d)

Molekularpathologie

Biallelische somatische Mutationen in TSC1 und TSC2 wurden einheitlich detektiert [ 3, 8, 10, 11]. Dabei findet man meist pathogene Mutationen auf beiden Allelen und nur selten einen anderen Mechanismus der Veränderungen, wie z. B. Deletionen.

Therapie und Prognose

Die allermeisten Tumoren befolgen einen indolenten oder gutartigen klinischen Verlauf [ 2, 3]. Sehr selten beobachtet man allerdings aggressive Tumoren, weshalb der Terminus „Karzinom“ bevorzugt verwendet bzw. vorgeschlagen wurde [ 8, 9, 12]. Die durch TSC-Mutationen bedingte Aktivierung des mTOR-Signalwegs stellt ein gutes therapeutisches Target seltener aggressiver Tumoren dar mit kasuistisch gut dokumentiertem kompletten Ansprechen auf Everolimus [ 8].

Diagnose und Differenzialdiagnose

Die Diagnose des ESC-NZK basiert auf der Kombination klinischer, pathomorphologischer, immunhistochemischer und molekularer Charakteristika. Die morphologischen Eigenschaften und das charakteristische Immunprofil reichen in der Regel für die Diagnose aus ohne Notwendigkeit einer molekularen Testung. Einzelne Fallberichte von onkozytoiden NZK nach Neuroblastomen stellen vermutlich ESC-NZK dar [ 8].

Einige NZK-Typen können eine solid-zystische Erscheinung aufwiesen, sodass im Falle einer eosinophilzelligen Zytologie das ESC-NZK erwogen werden würde (Tab.  1). Wichtige Differenzialdiagnosen stellen stark zystisch veränderte Succinat-Dehydrogenase(SDH)-defiziente und seltener auch Fumarat-Hydratase(FH)-defiziente NZK dar [ 13, 14]. Die typische Zytologie mit monomorphen kleineren Zellen mit prominenten zytoplasmatischen granulären (vakuolenartigen) Einschlüssen sprechen für eine SDH-Defizienz, die immunhistochemisch bewiesen werden kann. Diese Tumoren treten meistens bei viel jüngeren Patienten auf und sind häufiger multifokal [ 13]. Das low-grade onkozytische FH-defiziente NZK [ 14] ist morphologisch dem SDHB-defizienten Karzinom sehr ähnlich und zeigt ebenfalls zytoplasmatische Vakuolen, monomorphe Zellkerne, ein onkozytäres Zytoplasma und nicht die typischen prominenten eosinophilen Nukleolen. Immunhistochemisch gelingt hier die Diagnose durch Nachweis des Verlustes der FH-Expression und/oder einer zytoplasmatischen Expression von 2SC.Tab. 1

Vergleich klinisch-pathologischer und molekularer Charakteristika neu definierter eosinophiler Nierenzelltumoren

Tumortyp

Medianes Alter/Geschlecht

Architektur

Stroma

Zytologie

Immunprofil

Genetik

Verlauf

ESC-NZK

55 Jahre; w>>m

Solid + zystisch

Zart, schüttere Entzündung

Große Zellen, granuläres Zytoplasma mit „stippling“

CK7−, CD117−, CK20+

TSC1/2-Mutationen

10 % TSC-Syndrom

Indolent mit seltenen aggressiven Fällen

EVT

54 Jahre; w>>>>m

Solid, kleine kompakte Nester

Zart, vaskularisiert

Uniform, onkozytär, G3, Vakuolen

CK7−, CD117+, CD10+, Cathepsin K+

TSC1/2 und m‑TOR Mutationen; selten TSC-Syndrom

Indolent

LOT

66 Jahre; w>>m

Solid, kleine kompakte Nester

Zart, vaskularisiert, zentrale Ödemzone

Uniform, onkozytär (G1−2), zarte perinukleäre Halos, keine Vakuolen

CK7+, CD117−, CK20−

Spärlich, TSC1/2-Mutationen

Indolent

SDH-NZK

43 Jahre; m>w

Solid, kleine kompakte Nester

Spärlich

Uniform mit fluktuierenden granulären Vakuolen

CK7−, CD117−, CK20−, SDHB−

SDH-Mutationen

Indolent a

Eosinophiles FH-NZK

<40 Jahre; m>>>>w

Solid, kleine kompakte Nester

Spärlich

Variabel granulär

CK7+/−, CD117−, CK20−, SDHB+, FH−

FH-Mutationen

Indolent b

ESC-NZK eosinophiles solides zystisches Nierenzellkarzinom, Eosinophiles FH-NZK eosinophiles FH-defizientes Nierenzellkarzinom, EVT eosinophiler vakuolisierter Tumor, FH Fumarat-Hydratase, LOT low-grade onkozytärer Tumor, mTOR „mechanisted target of rapamycin“, SDH-NZK SDH-defizientes Nierenzellkarzinom, SDH Succinat-Dehydrogenase , TSC Tuberöse-Sklerose-Komplex

a Vorausgesetzt, dass keine fokale Dedifferenzierung vorliegt

b Prognose durch das Vorkommen oder Fehlen synchroner aggressiver konventioneller FH-NZK bestimmt

Eine weitere Differenzialdiagnose stellt ein bislang mit diversen Namen bezeichneter eosinophiler Nierentumor dar: der sog. eosinophile vakuolisierte Tumor (EVT); der hochgradige onkozytische Tumor (HOT) und das sporadisches NZK mit eosinophilem und vakuolisiertem Zytoplasma [ 15‐ 17]. Wie das ESC-NZK werden EVT-Tumoren selten bei TSC-Patienten beschrieben und sie kommen bevorzugt bei Frauen in einem vergleichbaren Alter vor, meist als pT1-Tumoren mit indolenter Biologie.

Im Gegensatz zum ESC-NZK fehlen beim EVT die Zysten und das grobgranuläre Zytoplasma bei vorhandenen prominenten zytoplasmatischen Vakuolen und Nukleolen (WHO/ISUP Grad 3). Das Immunprofil beider Entitäten unterscheidet sich hauptsächlich durch ein CD117-/Vimentin+/CK20+-ESC-Profil verglichen mit einem CD117+/Vimentin‑/CK20−-EVT-Profil [ 1]. Molekular zeigen EVT-Tumoren nahezu immer Mutationen in TSC1/2 oder mTOR [ 15‐ 18].

Der sog. low-grade onkozytische Tumor (LOT) bleibt bislang unzureichend charakterisiert. Er unterscheidet sich von den ESC-NZK durch ein prädominant solides und nestartiges Wachstum blander onkozytischer Zellen mit scharf begrenzten ödematösen Stromaveränderungen und einem CK7+/CD117−/CK20−-Profil [ 1]. Obwohl keine ausreichenden Daten vorliegen, sprechen einige Beobachtungen dafür, dass auch LOT z.T. einen mTOR-assoziierten Tumor darstellen [ 1].

Zusammenfassend zeigt das ESC-NZK typische histopathologische, immunhistochemische und molekulare Eigenschaften und sollte als neue Tumorentität diagnostiziert werden. Die in den meisten Fällen indolente Biologie und die häufigen TSC/mTOR-Alterationen in ESC-NZK, EVT und manchen LOT lassen die Frage zu, ob es sich bei diesen Tumoren um eigenständige Entitäten oder möglicherweise um morphologische Varianten im Spektrum der TSC/mTOR-assoziierten Nierentumoren handelt. Eine gerade erschienene keine Fallserie zeigt das synchrone oder metachrone multifokale Vorkommen von Tumoren mit ESC-NZK-, EVT- und LOT-Morphologie bei Patienten ohne klinische Zeichen der tuberösen Sklerose [ 7]. Bei Einzelpatienten in dieser Serie konnten TSC1-Keimbahnmutationen nachgewiesen werden. Diese Studie ist im Einklang mit der Hypothese, dass ESC-NZK, EVT-NZK und LOT möglicherweise morphologische Varianten im Spektrum der TSC/mTOR-assoziierten Nierentumoren darstellen (vereint durch eine sog. TSC/mTOR-ähnliche Morphologie). Bei seltenen aggressiven Verläufen kommt eine Therapie mit mTOR-Inhibitoren infrage, weswegen eine molekulare Abklärung bei einem Verdacht auf ein fortgeschrittenes oder metastasiertes NZK aus dieser Tumorgruppe erfolgen sollte.

Fazit für die Praxis

TSC/mTOR-Alterationen charakterisieren Nierenzelltumoren mit eosinophiler Zellmorphologie und dominantem indolenten klinischen Verlauf.

Diese Tumoren unterscheiden sich lediglich durch eine variable Architektur (solid-zystisch vs. solide), den Kerngrad (G1/2 vs. G3) und das Vorkommen vs. Fehlen zytoplasmatischer Vakuolen.

Im morphologischen Kontext gilt das immunhistochemische Profil als sehr hilfreich: CD117−/CK7−/CK20+ für eosinophile solide zystische Nierenzellkarzinome (ESC-NZK); CD117+/CK7+/CK20− für eosinophile vakuolisierte Tumoren (EVT) und CD117−/CK7+/CK20− für low-grade onkozytäre Tumoren (LOT).

Diese Tumoren könnten möglicherweise morphologische Varianten im Spektrum der TSC/mTOR-assoziierten Nierentumoren und keine eigenständigen Entitäten darstellen.

Die molekulare Charakterisierung ist für die seltenen aggressiven Tumoren von besonderer Bedeutung, da ein dramatisches Ansprechen auf eine mTOR-Inhibition kasuistisch dokumentiert wurde.

Der rein deskriptive Terminus „low-grade eosinophiler Nierentumor, NOS“ soll vermieden werden, da sich dahinter diverse genetisch definierbare Entitäten (einschl. auch seltener Succinat-Dehydrogenase[SDH]-defizienter und auch Fumarat-Hydratase[FH]-defizienter Varianten) verbergen können.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

A. Hartmann und A. Agaimy geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

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