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29.02.2024

Lebzelters Wunderkammer

verfasst von: Katja Uccusic-Indra

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Der international bekannte Grafiker Georg Lebzelter liebt analoge Drucktechniken wie Siebdruck, Lithografie und Radierung. Zurzeit arbeitet er an einer Serie neuer Radierungen, die sich um ein sagenhaftes Pferd drehen.

Das Atelier des Grafikers Georg Lebzelter liegt in einer Seitengasse nahe der Linken Wienzeile in Mariahilf. In einem hellen Raum im Erdgeschoß des Hauses finden die große Druckerpresse, Arbeitstische und Schubladenschränke Platz. Auf einer kleinen Kochplatte macht der Künstler das Wasser für den Blutorangentee für die Autorin heiß, er selbst nimmt Kaffee mit Milch. Der Tee wird in einem Lebzelter-Häferl serviert.

An der Wand am Ende des Raumes tummeln sich seine „Pantoffelheldentierchen“, schwarzweiße Mischwesen, die mal freundlich, mal traurig dreinschauen oder gar keine Köpfe, dafür aber geschiente Beine haben. „Meinen Figuren passiert schon immer wieder etwas Schmerzhaftes wie ein gebrochenes Bein und sie werden auch so zusammengebaut, dass sie nicht funktionsfähig sind“, sagt Lebzelter. Inspiriert sind sie von Schul-Biologiebüchern mit gezeichneten Illustrationen aus den 1950er- und 1960er-Jahren, die von der Tante des Grafikers, einer Biologielehrerin, stammen. Als sie starb, rettete er eine Kiste mit ihren Büchern, die zum Ausgangspunkt für seine Collagen wurden.

Seltsame Objekte fürs Künstlerhaus

„Diese Installation habe ich schon im kunstraumarcade in Mödling und in der Ausstellungsbrücke in St. Pölten gezeigt“, führt der Grafiker aus: „Man kann sie beliebig erweitern, sodass sie einen ganzen Raum füllen.“ Als nächstes werden die „seltsamen Objekte“ im Sommer im Wiener Künstlerhaus bei der Ausstellung „Wunderkammer“ zu sehen sein. Die Pantoffelheldentierchen sind Linolschnitte, die auf Leichtschaumplatten collagiert wurden und mit Klettverschlüssen an die Wand montiert werden können.

Links neben dem Eingang des lang gezogenen Raumes steht die Druckerpresse, das Herzstück der Werkstatt. Während viele Künstler ihre Editionen von Profis drucken lassen, bleiben sie hier in seiner Hand. Ein Glück, wenn man selbst Profi ist wie Lebzelter. Für ihn ist der Druckprozess Teil der Kunst. Er produziert bewusst nur niedrige Auflagen. Häufig sind seine Arbeiten Unikat-Drucke, also Einzelstücke. In Größe 70 × 100 cm kosten diese 1.200 Euro. Kleine Formate sind bereits ab 200 Euro zu haben. Collagen verwendet er oft als Ausgangspunkt für Siebdrucke.

Der junge Georg wusste bereits in der Volksschule, dass er akademischer Maler werden wollte. „Meine Faszination für die Radierung begann im Gymnasium, wo mich der Zeichenlehrer mit einem kleinen Kupferstück ,infiziert‘ hat“, sagt der 1966 in Melk geborene Künstler. Er nahm dann an der Sommerakademie in Geras an einem Radier-Kurs beim renommierten Grafiker Heinrich Heuer teil. „Von ihm habe ich handwerklich, aber auch menschlich viel gelernt.“ Heuer, selbst ein Melcher-Schüler, empfahl ihm, an der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz bei seinem ehemaligen Lehrer, dem legendären Professor Maximilian Melcher, Grafik zu studieren. Dessen Talenteschmiede brachte unter anderem Künstler wie Gunter Damisch, Siegfried Anzinger oder Stefan Weber von „Drahdiwaberl“ hervor.

Für Lebzelter war die Werkstatt der Grafikklasse genau das Richtige. „Man hatte die komplette Freiheit“, erinnert er sich. Melcher hat ihm bei den Radierungen zu Großformaten geraten. Damals gab es die Kupferplatten noch auf Akademie-Kosten. „Morgen früh kommt der Kupfer-Lieferant, da müssen Sie da sein und sich etwas runterschneiden“, ermutigte der Professor seinen Schüler. Nach dem Diplom studierte der Künstler ein Jahr an der Universidad Complutense in Madrid.

Die Liebe zur Radierung ist geblieben. Lebzelter unterrichtet auch an der Wiener Graphischen, wo er den Schülerinnen und Schülern in der Werkstatt analoge Drucktechniken wie Siebdruck, Lithografie und Radierung beibringt. Es freut ihn, dass die jungen Leute sehr daran interessiert sind, einmal ohne Computer kreativ zu sein.

Vergangenen Juni verbrachte Lebzelter ein Sabbatical im schwedischen Örnsköldsvik. „Dort gibt es große Druckwerkstätten mit allen Techniken sowie Handsatzblei- und Holzlettern und entsprechende Druckmaschinen“, erläutert der Künstler und zeigt auf eine Serie mit verschieden großen Buchstaben in harmonischen Gelb- und Rottönen, die dort entstanden sind. „Gebaut sind sie zwar dafür, einen Textsinn zu vermitteln. Ich habe sie als Module für grafische Kompositionen genommen, um Bilder zu bauen. Es handelt sich um Hochdrucke“, sagt Lebzelter. Er schwärmt von der Struktur und Maserung der Holzlettern, die noch aus den 1960er-Jahren stammen – und von der Größe der Werkstätten in Örnsköldsvik: „Ich konnte mich dort richtig austoben. Im Juni ist es dort die ganze Nacht hell und man kann viel arbeiten.“ Seine grün-blauen Bilder sind Assoziationen zur schwedischen Landschaft, die dort aus Wald und Wasser besteht. „Örnsköldsvik liegt relativ hoch im Norden und direkt am Wasser“, erzählt der Grafiker. Am Ende des Aufenthalts präsentierte er die dort entstandenen Werke unter dem Namen „Överlappa“ in der Galleri Lokomotiv.

Zurzeit arbeitet er an einer Serie von Radierungen, deren Ausgangspunkt das Trojanische Pferd ist. „Es wird mit verschiedenen Sachen wie Köpfen, Beinen und Schriftelementen gefüllt, die aber schon herausquellen. Die Griechen bringen also nichts Gutes. Das Pferd hat auch ein bisschen etwas von Pegasus“, erklärt er und zeigt auf dessen Flügel, die wie Ahornsamen aussehen. Für die Arbeiten verwendet der Künstler nur hochwertiges Papier: „Die Radierung, also Tiefdruck, ist sehr anspruchsvoll, was das Papier angeht. Ich habe lange auf Zerkall gedruckt, die Firma ist leider eingegangen, jetzt verwende ich Hahnemühle.“

Auszeichnungen, Auszeichnungen

Lebzelter legt einen alten Band von Don Quijote mit Grafiken von Gustave Doré, den er von seinem Vermieter geschenkt bekommen hat, auf die Presse und gerät ins Schwärmen. Er beschäftigt sich mit literarischen Themen und produziert selbst Bücher. Fasziniert vom rumänisch-deutschen Lyriker Oskar Pastior, der mit Anagrammen und Palindromen Sprachexperimente gemacht hat, entstand das Leporello „Los machen“ gemeinsam mit der Künstlerin Natalia Weiss. „Wir haben uns die Papierstreifen hin- und hergeschickt. Sie hat Radierungen gefertigt, ich Siebdrucke“, erläutert der Grafiker. Das edle Werk mit dem leuchtend violetten Einband wurde auf Büttenpapier gedruckt und hat eine Auflage von 10 plus zwei Stück. Es erhielt die Auszeichnung „Das besondere Objekt“ der Österreichischen Nationalbibliothek. Das Projekt war 2021 ebendort im Prunksaal zu sehen.

Lebzelter erhielt zahlreiche Preise, darunter die Große Ehrenmedaille des Künstlerhauses, den Woyty-Wimmer-Preis und den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich. Seine Werke waren unter anderem auf der Parallel Vienna, in der City Gallery of Fine Arts Plovdiv und in der FAB Gallery, University of Alberta, Kanada, ausgestellt. Er ist Vizepräsident der Vereinigung Künstlerhaus und außerdem als Kurator tätig.

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Metadaten
Titel
Lebzelters Wunderkammer
Publikationsdatum
29.02.2024

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