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Ärzte Woche

24.04.2018 | Tekal

Roboter mit Aussicht auf Fleischbällchen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Maschinen überflügeln die menschlichen Fähigkeiten, etwa beim Zusammenbauen eines Ikea-Stuhls.

Vor mehr als einem dreiviertel Jahrhundert erblickte der erste Computer das Licht der Welt. Das wandschrankgroße Ding konnte sich 64 Zahlen merken, brauchte etwa eine Sekunde für eine Addition und dreimal so lange zum Multiplizieren. Das bekommt auch ein durchschnittlicher Volksschüler halbwegs hin, der allerdings mehr Lebensraum in Anspruch nimmt wie die Maschine.

Dann kamen die Taschenrechner, mit denen man in meiner Schulzeit nicht nur Wurzelziehen und Quadrieren, sondern auch durch Eingabe der Zahlen 7-3-5-3 von oben das Wort E-S-E-L lesen konnte. Auch der Commodore C64 ist als Meilenstein zu sehen, der die Schüler mit Pacman und Donkey Kong vom Rechnen abhielt. Ein perfider Zug der künstlichen Intelligenz im Kampf um die intellektuelle Vorherrschaft, denn bereits in den 1990er-Jahren konnte der Schachcomputer Deep Blue den amtierenden Weltmeister Garri Kasparow schlagen.

Jetzt scheint die letzte Bastion menschlicher Überlegenheit gegenüber Maschinen überwunden. Ein im Fachblatt „Science Robotics“ veröffentlichtes Experiment beweist, dass eine Maschine im Stande ist, einen Ikea-Stuhl zusammenzubauen. Ein Unterfangen, das den meisten Menschen Schwierigkeit bereitet und es zudem neben dem Zusammenbauer zumindest ein weiteres Familienmitglied bedarf, das Inbusschlüssel, Schrauben oder Anleitung reicht und sich dabei beschimpfen lässt.

Die Roboter aus Singapur bauten den Stuhl „Stefan“ (Massivholz, zum Sensationspreis) in knapp neun Minuten zusammen, ohne zu fluchen. Allerdings benötigte er zuvor weitere elf Minuten, um aus dem Haufen von Einzelteilen schlau zu werden. Und ob die Maschine lediglich mit Fleischbällchen aus Schweden läuft, darf ebenso bezweifelt werden. Was der Roboter hingegen nicht muss: Die Teile aus dem Karton auspacken. Er muss sie auch nicht in den vierten Stock einer Altbauwohnung tragen, während das Auto in zweiter Spur geparkt, zeitgleich von einer Straßenbahn beiseitegeschoben wird. Geschweige denn, die Ware im Selbstabholungsregal abholen und davor kilometerlange Gänge mit Lampen, Tischtüchern und Vorhängen überstehen. Eine gerade für männliche Roboter aufreibende Aufgabe.

Was in der Industrie bereits Alltag ist, hält langsam auch Einzug in der Medizin. Operationsroboter helfen mittlerweile bei schwierigen Eingriffen und haben zudem den Vorteil, das Team dabei nicht mit anzüglichen Witzen in Verlegenheit zu bringen. Allerdings kann sich die Maschine nach geglückter OP einfach abschalten und muss weder den Schreibkram erledigen noch den uneinsichtigen Patienten die Medikamente hinterhertragen. Solange also die Roboter nicht im Stande sind, auch die ganzen unliebsamen Nebengeräusche zu übernehmen, sondern sich nur die Rosinen rauspicken, brauchen wir uns vor der Artificial-Konkurrenz nicht zu fürchten.

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Metadaten
Titel
Roboter mit Aussicht auf Fleischbällchen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
24.04.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 17/2018

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