Epidemiologie
Häufige Ursachen einer akuten Pankreatitis (AP) in Industrieländern sind das Gallensteinleiden und Alkoholkonsum, denen zusammen rund 80 % der Pankreatitisepisoden zugeordnet werden können [1].
Die medikamentös induzierte AP stellt mit 0,1–5,3 % aller AP eine seltene, jedoch differenzialdiagnostisch wichtige Entität dar [1‐4]. Zuverlässige Angaben zur Inzidenz sind nicht möglich, da die publizierte Evidenz über medikamentös induzierte Pankreatitiden in erster Linie aus Fallberichten oder Fallserien stammt. Systematisch erhobene Daten sind äußerst spärlich, prospektive Studien über die Häufigkeit in einem unselektierten Kollektiv akuter Pankreatitiden fehlen gänzlich. Eine Ausnahme stellt das Immunsuppressivum Azathioprin dar, bei dem das Auftreten einer akuten Pankreatitis als typische und dosisunabhängige Nebenwirkung in erster Linie bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung prospektiv systematisch studiert wurde [5].
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Diagnostische Herausforderung
Es ist nicht möglich, anhand der klinischen Symptomatik oder der laborchemischen Befundkonstellation eine ätiologische Zuordnung der AP vorzunehmen. Die Identifikation eines kausalen Zusammenhangs zwischen einem Medikament und dem Auftreten einer AP stellt, unter anderem deshalb, häufig eine große diagnostische Herausforderung im klinischen Alltag dar. Die Diagnose der AP und die Einnahme möglicherweise auslösender Medikamente sollten so lange als Koinzidenz gewertet werden, bis häufigere Ursachen systematisch ausgeschlossen wurden. Ein möglicher diagnostischer Ablauf zum Ausschluss häufiger Ursachen der akuten Pankreatitis ist in Tab. 1 zusammengefasst. Insbesondere soll das Augenmerk hier auf die genaue Aufarbeitung häufiger Ursachen, wie der biliären und der alkoholischen Pankreatitis, gelegt werden. Die Computertomographie (CT) ist zur Steindiagnostik mit einer Sensitivität von unter 70 % insuffizient [6]. Auch die Magnetresonanztomographie (mit MRCP) kann kleine Gallensteine nur schlecht erfassen. Die Sonographie ist die sensitivste Standardmethode zur Diagnostik kleiner Konkremente des zentralen Gallengangsystems [7, 8]. Bei negativer Abdomensonographie und typischer klinischer Symptomatik ist die Endosonographie (EUS) eine Methode, mit der in einem hohen Prozentsatz auch sehr kleine Konkremente der Gallenblase nachgewiesen werden können [9, 10].
Tab. 1
Differenzialdiagnostische Abklärung der akuten Pankreatitis
Häufige Ursachen | Diagnostik |
---|---|
Alkoholisch | Anamnese und Labor inklusive Blutbild, Leberenzyme, ETG im Harn und CDT im Serum |
Biliär | Abdomensonographie inklusive Lagerungsmanöver, wenn negativ EUS |
Weitere Abklärung wenn häufige Ursachen negativ | |
Hypertriglyzeridämie | Labor |
Hyperkalzämie (z. B. bei primärer Hyperparathyreoidismus) | Labor |
Anatomische Ursachen und Tumor | MRT Pankreas inklusive MRCP im Intervall 4–6 Wochen nach abgeklungener Pankreatitis |
Hereditäre Pankreatitis | Labor, Mutationsanalyse |
Autoimmunpankreatitis | Labor und Bildgebung |
Virusinfektionen | Anamnese, Labor |
Iatrogene Pankreatitis (z. B. Post-ERCP-Pankreatitis) | Anamnese |
Medikamentös induziert | Anamnese, Plausibilität zeitlicher Zusammenhang, Klassifikationssystem [12] |
Zum Ausschluss einer alkoholischen AP sollte auch bei negativer Anamnese auf indirekte (Labor‑)Zeichen geachtet werden und gegebenenfalls auf sensitive Alkoholmarker (z. B. Ethylglucuronid im Harn zum Nachweis von Alkoholkonsum in den letzten 24–48 h) zurückgegriffen werden. Abhängig von den unterschiedlichen Cut-off-Werten verschiedener Laboreinrichtungen liegt die Spezifität und Sensitivität von ETG im Harn zum Nachweis von Alkoholkonsum in den letzten 24 h zwischen 80–100 % [11].
Besteht nach initialem Ausschluss anderer Ursachen weiterhin der Verdacht einer medikamentös induzierten AP, sollte ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und dem Beginn der Symptomatik nachvollziehbar sein. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Medikament und einer AP spricht die Reproduzierbarkeit der Symptomatik und das Wiederauftreten einer AP nach Reexposition mit dem Medikament (positive Rechallenge).
Die Vielfalt pankreatitisassoziierter Medikamente
In der Literatur reicht die Anzahl der Medikamente unterschiedlicher Substanzen, die mit dem Auftreten einer AP in Zusammenhang gebracht werden, von 120–500 [12, 13]. Ein Klassifikationssystem für Pankreatitis-assoziierte Medikamente wurde erstmals in der Metaanalyse von Mallory und Kern 1980 beschrieben. Die Einteilung möglicher Medikamente erfolgt dabei in 3 Gruppen: gesicherter, wahrscheinlicher oder möglicher Zusammenhang mit dem Auftreten einer AP. Ein gesicherter Zusammenhang (Gruppe 1) ist bei Besserung der Symptomatik nach Absetzen und Reproduzierbarkeit einer AP nach Reexposition mit einem Medikament anzunehmen (positive Rechallenge; [14]). Das initial vorgeschlagene Klassifikationssystem wurde von mehreren Autoren ergänzt und weiterentwickelt.
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In der 2007 publizierten Arbeit von Badalov et al. wird eine erweiterte Klassifikation bestehend aus 4 Klassen vorgeschlagen. Insgesamt werden 120 Medikamente, für die Assoziationen mit AP publiziert sind, in 4 Klassen eingeteilt (Tab. 2). Diese beschreiben in absteigender Reihenfolge die Stärke des anzunehmenden Zusammenhangs zwischen Medikament und medikamentös induzierter AP. Klasse I beinhaltet Medikamente mit den besten Hinweisen für einen kausalen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und der Entwicklung einer AP. Angemerkt muss an dieser Stelle werden, dass die Evidenzlage für medikamentös induzierte Pankreatitiden im Wesentlichen lediglich auf Fallbeschreibungen und Fallserien basiert. Systematische Untersuchungen existieren nur zu einzelnen Substanzen. Für die thiopurinbasierten immunsuppressiven Arzneimittel Azathioprin (AZA) und 6‑Mercaptopurin (MP) liegen neben Fallberichten auch prospektive Studiendaten vor [5, 15]. Es handelt sich in der Klasse I um Substanzen, zu denen es in der Literatur mehrere Fallbeschreibungen gibt, wovon zumindest eine die Reproduzierbarkeit einer AP mit Wiederauftreten nach Reexposition (positive Rechallenge) mit dem Medikament belegt. Die Subklassen Ia und Ib unterscheiden sich in der Qualität der Fallbeschreibungen durch den systematischen Ausschluss anderer Ursache der AP, wobei dies in der Klasse Ia durchgeführt und in der Klasse Ib nicht (vollständig) durchgeführt wurde.
Tab. 2
Klassifikationssystem für die medikamentös induzierte AP [12]
Klasse Ia: |
Zumindest 1 oder mehr Fallberichte mit positiver Reexposition und Ausschluss aller anderen Ursachen (Alkohol, Gallengangserkrankungen, Hypertriglyzeridämie, andere Medikamente etc.) |
Klasse Ib: |
Zumindest 1 oder mehr Fallberichte mit positiver Reexposition ohne Ausschluss aller anderen Ursachen (Alkohol, Gallengangserkrankungen, Hypertriglyzeridämie, andere Medikamente etc.) |
Klasse II: |
Zumindest 4 oder mehr Fallberichte ohne Reexposition konsistente Latenzzeit in ≥75 % der Fälle |
Klasse III: |
Zumindest 2 oder mehr Fallberichte ohne Reexposition keine konsistente Latenzzeit |
Klasse IV: |
Einzelne Fallberichte ohne Reexposition |
Mefenaminsäure als häufig eingesetztes Schmerzmittel konnte beispielsweise bei einer jungen Patientin ohne Komorbiditäten als wahrscheinlichster Auslöser für 2 Episoden einer AP objektiviert werden [16]. Weiters gibt es Fallberichte über verschiedene Statine und die Entwicklung einer AP. Simvastatin und Pravastatin zählen unter den Statinpräparaten zur Klasse Ia der AP-auslösenden Medikamente. Auch hier konnte bei positiver Rechallenge in Fallberichten ein kausaler Zusammenhang als wahrscheinlich eingestuft werden. Obwohl neben Simvastatin und Pravastatin für andere Statinpräparate vereinzelt Fallberichte ohne positive Rechallenge vorliegen, sollte die Annahme eines Klasseneffekts vermieden werden [17‐19].
In Klasse II werden Medikamente zusammengefasst, zu denen zumindest 4 Fallberichte in der Literatur existieren. Zudem ist die Latenzzeit zwischen Medikamenteneinnahme und dem Auftreten einer AP in über 75 % übereinstimmend.
Die Klassen III und IV beinhalten Medikamente mit der schwächsten Assoziation zum Auftreten einer AP. Es existieren einzelne Fallberichte ohne wiederholte Reexposition und folglich ohne Reproduzierbarkeit [12]. In Tab. 3 sind Medikamente der Klassen I und II aufgelistet. Darüber hinaus werden von den Autoren des Klassifikationssystems 3 Kategorien der Latenzzeit zwischen Einnahme eines Medikaments und dem Beginn der medikamentös induzierten AP unterschieden. Die Latenzzeit wird demnach als kurz (<24 h), intermediär (1–30 Tage) oder lang (>30 Tage) eingestuft.
Klasse Ia | Klasse Ib | Klasse II |
---|---|---|
Bezafibrat | Amiodaron | Paracetamol |
Carbimazol | Azathioprin | Chlorothiazid |
Codein | Clomifen | Clozapin |
Cytarabin | Dexamethason | 2′,3′-Dideoxyinosine |
Dapson | Ifosfamid | Erythromycin |
Enalapril | Lamivudin | Östrogene |
Furosemid | Losartan | L‑Asparaginase |
Isoniazid | Lynestrenol/Ethinylestradiol | PEG-Asparaginase |
Mefenaminsäure | 6‑Mercaptopurin | Propofol |
Methyldopa | Meglumin | Tamoxifen |
Mesalamin | Methimazol | |
Metronidazol | Nelfinavir | |
Pentamidin | Norethindron/Mestranol | |
Pravastatin | Omeprazol | |
Procainamid | Premarin | |
Pyritinol | Trimethoprim-Sulfamethazol | |
Sulfamethoxazol | ||
Simvastatin | ||
Sulindac | ||
Tetrazyklin | ||
Valproinsäure |
Bei Verdacht auf medikamentös induzierte AP kann das Klassifikationssystem nach Badalov et al. zur Abschätzung der Plausibilität eines kausalen Zusammenhangs zwischen Medikamenteneinnahme und Entwicklung einer AP herangezogen werden. Die Klassifikation sollte aber keineswegs zu einer übereilten Diagnose ohne Ausschluss anderer Ursachen einer AP führen. Schließlich ist bei der Mehrheit der AP-Episoden eine häufige oder auch seltene (aber im Vergleich zu einer medikamentös induzierten AP immer noch häufigere) Ursache vorliegend und muss detektiert werden. Bei der Fehldiagnose einer medikamentösen AP besteht die Gefahr, eventuell wichtige Behandlungsoptionen für Patientinnen und Patienten einzuschränken und (bei Publikation) das Risiko eines „reporting bias“ im Hinblick auf den zukünftigen Einsatz eines Medikaments. Als Beispiel für einen „reporting bias“ können die Dipeptidylpeptidase(DPP)-4-Inhibitoren genannt werden. Diese finden seit 2006 Anwendung bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und begleitender kardiovaskulärer Erkrankung. Im Jahr 2009 gerieten die DPP-4-Inhibitoren in Verdacht, für ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung für eine AP verantwortlich zu sein, die als potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkung zu einem verminderten Einsatz führte. In darauffolgenden Metaanalysen zeigte sich kein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten einer AP unter DPP-4-Inhibitoren im Vergleich zur Kontrollgruppe. Das Risiko für die Entstehung einer Pankreatitis bei Diabetes mellitus Typ 2, Übergewicht und Insulinresistenz ist, durch epidemiologische Studien bestätigt, bei der untersuchten Patientengruppe bereits ohne zusätzliches Medikament erhöht. Die Therapie mit DPP-4-Inhibitoren bei diesen Patientinnen und Patienten war mit keinem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer AP assoziiert [20‐22]. Sowohl die europäische Arzneimittelagentur (EMA) als auch die U.S. Food and Drug Administration (FDA) konnten aus klinischen Daten und in Tiermodellen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen inkretinbasierten Medikamenten und der Entwicklung einer akuten Pankreatitis feststellen. Die Anwendung von inkretinbasierten Medikamenten wird von beiden Agenturen unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage als sicher eingestuft [23].
Über die Reexposition mit einem Medikament nach einmaligem Auftreten einer potenziell medikamentös induzierten AP muss individuell entschieden werden. Für diese Entscheidung sollten die Evidenzstärke des kausalen Zusammenhangs und die therapeutische Konsequenz bei keiner neuerlichen Reexposition mit einem Medikament maßgebend sein.
Pathophysiologische Mechanismen
Die Pathomechanismen der medikamentös induzierten AP sind weitgehend ungeklärt. Angenommen wird eine idiosynkratische Reaktion auf ein bestimmtes Medikament. Dabei handelt es sich um eine Reaktion, die nicht direkt im Zusammenhang mit der Pharmakodynamik des Medikaments steht. Als Mechanismen sind eine direkte Pankreastoxizität, strukturelle Veränderungen (Störung des Galleflusses, Konstriktion des Pankreasgangs), metabolische Effekte oder Hypersensitivitätsreaktionen in der Diskussion [2]. Bei den postulierten Mechanismen handelt es sich zum Großteil um Hypothesen, lediglich in einigen wenigen Fällen gibt es experimentelle Daten.
Akute Pankreatitis bei Immuntherapeutika
Die thiopurinbasierten Immunsuppressiva AZA und 6‑MP werden auf dem Gebiet der Gastroenterologie und Hepatologie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED; sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa) und bei der Autoimmunhepatitis angewendet. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Vaskulitiden. Dabei werden die Immunsuppressiva zumeist in der Erhaltungstherapie eingesetzt [24, 25]. Thiopurine weisen eine hohe Nebenwirkungsrate (in 10–29 % der Fälle) auf [26]. Es können dosisabhängige Nebenwirkungen (Knochenmarksuppression, Hepatotoxizität) und idiosynkratische, dosisunabhängige Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, AP) unterschieden werden [10, 11]. Das Nebenwirkungsprofil von AZA wurde sowohl in retrospektiven als auch prospektiven Studien am häufigsten bei Patientinnen und Patienten mit CED untersucht. Die Inzidenz der Azathioprin-induzierten AP beträgt rund 7 % bei Patientinnen und Patienten mit CED, wie eine 2016 publizierte deutsche prospektive multizentrische Registerstudie zeigen konnte [5, 27]. 43 % der Patientinnen und Patienten wurden hospitalisiert und die mediane Krankenhausaufenthaltsdauer betrug 5 Tage. Die Verläufe waren mild und es waren keine invasiven Interventionen nötig [5]. Auch in anderen Studien werden zumeist milde Verläufe bei Patientinnen und Patienten mit CED beschrieben, Berichte zu letalen Folgen liegen in dieser Patientengruppe nicht vor [5, 24, 28, 29]. AZA-induzierte akute Pankreatitiden treten in der Regel in den ersten Wochen der Therapie (Median: 22 Tage nach Einleitung) auf [28]. Als Pathomechanismus der AZA-induzierten AP wird eine Hypersensitivitätsreaktion angenommen [5, 24]. In mehreren Studien erscheint das Risiko für die Entwicklung einer AZA-induzierten AP bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu jenen mit Colitis ulcerosa deutlich höher [5, 30]. Die Ursache dafür ist weitgehend ungeklärt, wobei eine gewisse genetische Prädisposition existieren dürfte: In Multizenterstudien konnte gezeigt werden, dass Polymorphismen der HLA-Gene mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer AZA-induzierten AP assoziiert sind. Bei homozygotem Vorliegen der Allelvariante ist das Risiko zur Entwicklung einer AZA-induzierten Pankreatitis mit 17 % deutlich erhöht [28, 31]. Nach Berechnung der Autoren müssten jedoch 76 Patientinnen und Patienten getestet werden, um einen Fall einer AP zu verhindern. Eine routinemäßige Anwendung dieser molekulargenetischen Testung scheint im Hinblick auf die milden Verläufe der AP-Episoden und die Komplexität des Tests nicht zielführend. Darüber hinaus scheint auch die Blutgruppe B mit einem erhöhten Risiko einherzugehen [32]. Risikofaktoren für die Entwicklung einer AP während der Behandlung mit AZA sind neben der Grunderkrankung und der individuellen Genetik der aktive Nikotinabusus und die Therapie mit Glukokortikoiden [5, 32]. Beim Auftreten einer AZA-induzierten AP kann die Umstellung auf eine Therapie mit 6‑MP in Erwägung gezogen werden. In Fallserien bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten wurde die Umstellung gut toleriert und es kam in der Mehrheit der Fälle zu keiner neuerlichen AP [33]. Zudem konnte sowohl in retrospektiven als auch prospektiven Studien gezeigt werden, dass eine Therapieumstellung auf 6‑Thioguanin, nach vorausgegangener AP unter einer AZA- oder 6‑MP-Therapie, zu keiner neuerlichen AP-Symptomatik führt [34, 35].
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Eine weitere Gruppe der Immuntherapeutika sind die Immuncheckpointinhibitoren. Diese werden zunehmend in der hämatoonkologischen Therapie von Kopf-Hals-Tumoren, nichtkleinzelligem Lungenkarzinom, malignem Melanom, Nierenzellkarzinom, hepatozellulärem Karzinom und refraktärem/rezidiviertem Hodgkin-Lymphom eingesetzt [36‐38].
Die Immuncheckpointinhibitoren sind Antikörper, die sich gegen als Immuncheckpoint wirkende Proteine richten. Pembrolizumab und Nivolumab zählen zu den Inhibitoren von „programmed cell death 1“ (PD-1), Atezolizumab gehört zur Gruppe der Inhibitoren von „programmed death-ligand 1“ (PD-L1).
Ein weiterer Vertreter der Immuncheckpointinhibitoren ist der Antikörper gegen „cytotoxic T‑lymphocyte-associated protein 4“ (CTLA-4) Ipilimumab, der das CTLA-Protein 4 hemmt und auf diesem Weg eine vermehrte Proliferation der T‑Zellen bewirkt. Der antitumorale Wirkmechanismus besteht in der Induktion einer T‑Zell-vermittelten Immunantwort gegen Tumorzellen. Weiters gibt es Präparate, die zusätzlich eine tumorspezifische Interaktion mit dem Immunsystem auslösen [39]. Das Nebenwirkungsprofil umfasst ein breites Spektrum an immunologischen Komplikationen in unterschiedlichen Organen [40]. Dabei zählt die medikamentös induzierte Pankreatitis zu den seltenen Nebenwirkungen. In einer retrospektiven Studie mit Patientinnen und Patienten, die eine Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab erhielten, wurde die asymptomatische Lipaseerhöhung der akuten Pankreatitis gegenüber gestellt. Neben der häufigen (~25 % der Patientinnen und Patienten zeigten eine Serumlipase >2-fach des oberen Normwerts) und klinisch asymptomatischen nicht einer akuten Pankreatitis entsprechenden Lipaseerhöhung kam es bei lediglich rund 2 % der untersuchten Patientinnen und Patienten zum Auftreten einer AP [41]. In einer Zusammenfassung von 14 Phase-I- bis Phase-III-Studien betreffend Ipilimumab in der Melanomtherapie kam es bei lediglich <1 % der Patienten zur Entwicklung einer AP [42]. Atezolizumab als weiterer Vertreter der Immuncheckpointinhibitoren weist mit 0,1 % ein noch geringeres Risiko für eine AP auf [43]. In einer 2018 publizierten Metaanalyse von 15 klinischen Studien über Immuncheckpointinhibitoren in der Therapie solider Tumoren konnte ebenso gezeigt werden, dass CTLA-4-Inhibitoren alleine und die Kombination von CTLA-4- und PD-1-Inhibitoren zu einer asymptomatischen Erhöhung der Serumlipase führen können. Demgegenüber war das relative Risiko zum Auftreten einer AP nicht signifikant erhöht bei Subgruppen mit Immuncheckpointinhibitoren verglichen mit den Kontrollgruppen (herkömmliche Chemotherapien; [44]).
Klinisch imponiert die mit Immuncheckpointinhibitoren assoziierte AP akut verlaufend, seronegativ (neg. IgG4, ANA) und mit gutem Ansprechen auf Steroide. Histologisch wurde in einem Fallbericht eine Infiltration durch neutrophile Granulozyten beschrieben. Zusammenfassend erinnern diese klinischen und histologischen Charakteristika an die Autoimmunpankreatitis Typ 2 [45, 46].
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Danksagung
Wir bedanken uns bei PD Dr. Johannes Plank für die kritische Durchsicht des Manuskripts und seine Vorschläge zu dessen Verbesserung.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Wurm und W. Spindelböck geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.