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29.11.2022 | Innere Medizin | Kongressbericht | Online-Artikel

Milieustudien in der Onkologie

verfasst von: Robert Bublak

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Für die immunologischen Prozesse, die das Wachstum und die Ausbreitung von bösartigen Tumoren beeinflussen, spielt das Mikromilieu der Tumoren eine besondere Rolle. Auf der 9. Konferenz zur Immuntherapie von Krebs, ITOC9, war diesem Milieu ein eigenes Symposium gewidmet.

Im Zuge der Fortschritte in der Immuntherapie von Malignomen rückt auch das Tumormikromilieu (TME), also die unmittelbare Umgebung, in der die Tumorzellen wachsen, in den Fokus des onkologischen Interesses. Das TME besteht aus den umgebenden Gefäßen, Fibroblasten, Signalmolekülen, Immunzellen und extrazellulärer Matrix. Es ist dieses Umfeld, in dem es dem Tumor gelingen muss, seinen Wirt gewissermaßen dazu zu überreden, ihn wachsen zu lassen. Denn auch Tumoren benötigen Stroma, das sie nährt, ansonsten würden etwa Karzinome nicht über eine Größe von wenigen Millimetern hinauskommen. Man muss sich dieses TME als einen Ort intensiver Kommunikation zwischen den Immunzellen vorstellen, erklärte Thorsten Mempel, Boston, MA/USA. Er wies darauf hin, dass es sich bei der Abwehr von Krebs für das Immunsystem um eine Herausforderung handelt, mit der es nicht vertraut ist. "Es gibt dafür kein eigenes schlaues Programm", so Mempel. Das Immunsystem muss sich anderer Werkzeuge bedienen, und findet sie in den Mechanismen zur Abwehr von Viren. Diese hängt von zytotoxischen CD8+-T-Zellen ab, die intrazelluläre, von Pathogenen abgeleitete Antigene erkennen können. Dabei werden bei der klonalen Expansion naiver Zellen in lymphoidem Gewebe kurzlebige Effektorzellen (EC) gebildet, die viral infizierte Zellen eliminieren und zur Verstärkung der Antwort Interferon(IFN)-γ und Vorläufer für bestimmte Gedächtniszellen produzieren. Die EC verlieren indes nach und nach ihre Aktivität, was biologisch womöglich insofern sinnvoll ist, als es immunpathologische Schädigungen des Wirts verhindert. Im Zuge der T-Zell-Erschöpfung entsteht ein Gleichgewicht mit immerhin so viel Aktivität, dass die Virusreplikation limitiert wird. Viele dieser Gleichgewichtsmerkmale stellen sich auch ein, wenn das Immunsystem auf Tumoren reagiert - nur dass der hypofunktionale Zustand der Effektorzellen hier zur Toleranz des Tumors führt (hierzu auch [Di Pilato M et al. Cell 2021; 184(17): 451230]).
50 Chemokine und 20 Chemokinrezeptoren wirken laut Mempels Zählung im TME, und ein besonders wichtiger darunter ist der Chemokinrezeptor CXCR6. Seine Expression wird bei der Bildung von EC hochreguliert. EC werden durch CXCR6 in gesonderten perivaskulären Nischen des Tumorstromas positioniert, die dicht von dendritischen Zellen besiedelt sind, die den CXCR6-Liganden CXCL16 tragen. Die dendritischen Zellen exprimieren und trans-präsentieren (in einer Zell-Zell-Interaktion) das Überlebenszytokin Interleukin[IL]-15. CXCR6-Expression und IL-15-Präsentation sind wichtig für das Überleben und die lokale Expansion von EC im TME, um ihre Antitumoraktivität zu maximieren, bevor sie schließlich in einen Zustand irreversibler Dysfunktionalität übergehen.
CXCR6 ist entscheidend für die durch zytotoxische T-Lymphozyten vermittelte Tumorkontrolle. Eine Arbeitsgruppe um Mempel konnte anhand genetischer Daten von Melanompatienten zeigen, dass diejenigen mit der höchsten CXCR6-Expression auch die größten Überlebenschancen hatten. CXCR6 korreliert dabei mit der Expression seines Liganden CXCL16, IL-12B und mit einer Gensignatur natürlicher Killerzellen, stellt aber einen zuverlässigeren Prädiktor mit Blick auf das Überleben dar. In Versuchen ist es gelungen, mit CXCR6-amplifizierten CAR-T-Zellen die lokale Expansion solider Tumoren zu bremsen.
Einen weiteren Ansatz zur Tumorkontrolle, den Mempel ansprach, stellen regulatorische T-Zellen (Treg) dar. Sie dienen der Selbsttoleranz des Immunsystems und unterdrücken in bestimmten Situationen die Immunantwort. Geschieht das im TME, kommt dies dem Tumor zugute. Für die Immunsuppression benötigen Treg das Enzym MALT1. Mit einem Inhibitor von MALT1, MPT-0118, wollen die Forschenden eine Reprogrammierung von Treg erreichen. Ziel ist es, die immunsuppressive Funktion der Zellen zu unterdrücken, sie zur Sekretion von IFN-γ zu veranlassen und refraktäre solide Tumoren einer Therapie mit Immuncheckpointhemmern zugänglich zu machen. Eine entsprechende Phase1/1b-Studie mit MPT-0118 als Monotherapie und in Kombination mit Pembrolizumab läuft bereits [NCT04859777]. Im März 2023 soll die Studie abgeschlossen sein.

Quelle:
9. Immunotherapy of Cancer Conference (ITOC9), 22. September 2022, München

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