Skip to main content
Ärzte Woche

21.02.2023

Die Zeit ist reif für Kiki Kogelnik

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Kiki Kogelnik (1935–1997) war eine der bedeutendsten heimischen Künstlerinnen des vorigen Jahrhunderts. Sie gilt heute als die einzige österreichische Protagonistin der Pop Art, ihre Kunst geht jedoch weit über diese Kategorisierung hinaus.

Kogelniks spielerisches, farbenfrohes und hochpolitisches Werk reicht von Malerei, Zeichnung, Keramik und Installation bis hin zu performativen Praktiken und weist in seinen Themenstellungen eine erstaunliche Aktualität auf. „Kiki Kogelnik: Now Is the Time“ – der Titel bezieht sich auf das gleichnamige Gemälde aus dem Jahr 1972 – ist mit circa 180 Werken die bis dato größte Retrospektive zum Werk von Kogelnik. In sieben thematischen Kapiteln beleuchtet die Ausstellung verschiedene Aspekte ihres künstlerischen Schaffens und will dabei herausstellen, warum dieses heute so relevant erscheint wie nie zuvor.

Nach ihrem Studium an der Akademie für angewandte Kunst und der Akademie der bildenden Künste in den 1950er-Jahren in Wien gehört Kiki Kogelnik zur jungen Gruppe St. Stephan. Extensive Reisen durch Europa und eine Liebesbeziehung mit dem US-amerikanischen Künstler Sam Francis bewegen die Künstlerin 1962 nach New York, die damalige Welthauptstadt der Kunst, zu ziehen, wo sie Bekanntschaft mit der Pop-Art-Szene um Andy Warhol macht und Kontakte und Freundschaften mit Roy Liechtenstein, Claes Oldenburg, Niki de Saint Phalle und Carolee Schneemann pflegt. Fortan lebt und arbeitet Kogelnik auf beiden Seiten des Atlantiks: in New York, Wien und Bleiburg.

Die Ausstellung setzt mit den abstrakten, lebensbejahenden Bildern, die Kogelnik 1961 in ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie St. Stephan präsentiert, ein. „Selten ging es jedenfalls so heiter an den Wänden der Galerie St. Stephan zu,“ heißt es dazu in der Tagezeitung Die Presse im Oktober 1961.

Der Hauptraum widmet sich der Zeit ab 1962, als Kogelnik sich in New York niederlässt und dort unter dem Eindruck einer völlig neuen Formen- und Warenwelt ein malerisches und skulpturales Werk entwickelt, das Ende der 1960er-Jahre in den berühmten „Hangings“ – Körperumrisse aus Vinyl, die sie auf Kleiderhaken hängt – mündet.

Weltraumfahrt, Roboter und die Beziehung Mensch/Maschine sind weitere wichtige Themen dieses Jahrzehnts – die Weltausstellung 1964 in New York stand im Zeichen des aufkeimenden Weltraumzeitalters – und werden in einem eigenen Raum thematisiert: Kogelnik ortet diese Schwingungen und macht sich daran, Vor- wie Nachteile von neuer Technologie und Diagnostik in ihrem Werk zu analysieren. Früh findet sie zu der Erkenntnis, dass die Technik nur einem mündigen Menschen wirklich gute Dienste leistet.

Kämpferische Feministin

In den 1970er-Jahren schlägt Kogelnik in ihren „Frauenbildern“ einen feministisch-kämpferischen Ton an, wenn sie beispielsweise die eindimensionalen Rollen, welche die Gesellschaft „der Frau“ zuweist, zum Thema macht. Ihre eigene Identität als Künstlerin, Mutter und Frau benutzt Kogelnik wie eine Schablone, um allgemeine Aussagen zum Zustand der patriarchalen Gesellschaft zu tätigen.

Ihr neugieriger und experimenteller Umgang mit künstlerischem Material führt sie Mitte der 1970er-Jahre zur Beschäftigung mit Keramik und später dann, in den 1990er-Jahren, mit Glas. „Kunst kommt von künstlich“ konstatiert Kogelnik 1967, dies trifft vor allem auch auf die in den 1980er-Jahren auftretende Tier-Motivik zu. Tiere wie auch menschliche Figuren begreift Kogelnik als „Einwohner einer künstlichen Welt – meiner Welt“, die sie mittels ihrer Kunst erschafft und stets zu erweitern versucht. Das Selbstporträt und die Maske, das komplexe und sich gegenseitig bedingende Verhältnis von Leben und Tod sowie ein Kunstbegriff, der Kunst und Leben verschränkt und Denkanstöße für alle liefert, bleiben durchwegs ein Anliegen und ziehen sich durch Kogelniks Schaffen.

Sie war das „girl of the future“

Die Zeit ist reif für die systematische Betrachtung eines Gesamtwerks, das sich mit den Errungenschaften und Auswüchsen der Konsumgesellschaft, dem Nutzen und den Problemen von technischem Fortschritt, Medizin und Diagnostik sowie, immer und immer wieder, mit dem weiblichen Körper als Untersuchungsgegenstand auseinandersetzt – Jahrzehnte vor den heute omnipräsenten Diskursen zu Geschlechtergerechtigkeit und sexueller Identität, medizinischer Ethik, Produktionsbedingungen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wie ein Seismograf aus der Zukunft misst Kogelnik früh diese Schwingungen und Diskurse und macht sie in ihrer Kunst zum Thema. „... she undoubtedly is the girl of the future“ heißt es 1966 in der Modefachzeitschrift „WWD – Women’s Wear Daily“.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Die Zeit ist reif für Kiki Kogelnik
Publikationsdatum
21.02.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 08/2023

Weitere Artikel der Ausgabe 08/2023