Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine meist die peripheren Gelenke von Händen und Füßen betreffende entzündlich rheumatische Erkrankung, welche unbehandelt oft zu Osteodestruktionen durch Gelenkerosionen und Gelenkfehlstellungen führt [1]. Initial treten in der Regel symmetrische Schwellungen von Gelenken zusammen mit länger anhaltender Morgensteifigkeit auf. Auch in anderen Organen wie der Lunge oder den Blutgefäßen kann es zu Manifestationen der RA kommen.

Die Versorgungsqualität, nicht nur von Patient*innen mit RA, weist trotz Entwicklung und regelmäßiger Aktualisierung evidenzbasierter Leitlinien (LL) durch die Fachgesellschaft DGRh [2, 3] nach wie vor in einigen Bereichen Defizite auf. So fand sich v. a. bei älteren RA-Patient*innen, bei RA-Patient*innen ohne laborchemischen Nachweis von Rheumafaktor sowie bei RA-Patient*innen ohne fachärztliche Betreuung eine Unterversorgung mit DMARDs, insbesondere mit Biologika (bDMARDs) [4,5,6,7]. Zusätzlich konnten eine Unterversorgung in der Verordnung von Physiotherapie [8, 9], eine eher inkonsequent angewendete Treat-to-target-Strategie [5], zu späte oder fehlende Überweisungen von RA-Verdachtsfällen [10] und die nicht seltene Versorgung durch Ärzt*innen ohne internistisch-rheumatologische Facharztkompetenz aufgezeigt werden [4]. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine unzureichende Versorgung von Patient*innen mit Komorbiditäten [11]. Auch zeigen sich eine Unterversorgung der Komorbidität Osteoporose [12] und unzureichende Präventivmaßnahmen, wie z. B. Impfungen [13, 14]. Außerdem werden RA-Patienten*innen, die im Pflegeheim leben, weniger häufig von rheumatologischen Fachärzt*innen betreut und erhalten demnach seltener DMARDs [15].

Dessen ungeachtet sind durchaus auch positive Entwicklungen zu verzeichnen wie etwa die Einführung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV), die Einführung von Früharthritissprechstunden, die Anerkennung der rheumatologischen Fachassistenz (RFA) durch die Bundesärztekammer, das Patientenschulungs- und Informationsprogramm der DGRh [16] und nicht zuletzt das durch den Gemeinsamen Bundesauschuss beschlossene Disease-Management-Programm RA [17].

Das Ziel der Entwicklung von Qualitätsstandards (QS) ist es, bestehende Versorgungslücken zu identifizieren und dann den vorliegenden Problemen entsprechende standardisierte Messparameter für die Verbesserung der Qualität in den betroffenen Versorgungsbereichen vorzuschlagen.

Bislang gibt es zwar internationale QS, auf nationaler Ebene wurden aber bisher noch keine QS für die Versorgung von RA-Patient*innen generiert. International wurden einige z. T. sehr umfangreiche Pakete von Qualitätsstandards und/oder -indikatoren entwickelt. Während sich die adressierten Schlüsselbereiche zur Qualitätsverbesserung bei diesen Vorschlägen häufig ähneln und zum Teil überlappen, ist es im Rahmen der Entwicklung der QS zu sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen gekommen, d. h. eine einheitliche Methodik wurde bislang nicht verwendet. Es gibt mehrere Modelle zur Entwicklung von QS [18]. In England hat sich das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) auf eine Methodik geeinigt [19], auf die auch bereits an anderer Stelle [20] zurückgegriffen wurde. Allen Modellen ist gemeinsam, dass gute Versorgungsqualität auf Grundlage der Arbeiten von Donabedian definiert wird [21]. Dies beinhaltet, dass bei der Beurteilung von Versorgungsqualität neben Struktur- und Prozessqualität auch Ergebnisqualität zu berücksichtigen ist. Während die Strukturqualität v. a. durch das Vorhandensein von definierten Strukturen wie etwa von geeigneten Ambulanzräumen, einem Ultraschallgerät oder der Vorhaltung eines behindertengerechten Praxiszugangs gemessen wird, bedeutet Prozessqualität die Organisation bzw. den Ablauf eines Prozesses, wie z. B. die Terminplanung einer Sprechstunde oder die Verfügbarkeit von geeignetem Praxispersonal. Struktur- und Prozessqualität sind eine wichtige Grundlage für die Ergebnisqualität, die unter anderem den Therapierfolg abbildet, wobei z. B. die Anzahl von Patient*innen, die in einem definierten Zeitraum eine Remission erreichen, gemessen werden könnte [21].

Ein erstes Projekt zur Qualitätssicherung der Versorgung von rheumatischen Erkrankungen gibt es in Deutschland bereits seit geraumer Zeit in Form des OBRA („outcome benchmarking“ in der rheumatologischen Akutversorgung) bzw. KOBRA(kontinuierliches Outcome-Benchmarking in rheumatologischen Akutkliniken)-Projekts, welches seit Jahren in mehreren Kliniken der akutstationären Versorgung durch den Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA) in Kooperation mit dem Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) erfolgreich durchgeführt wird [22, 23].

Hierfür wurden Qualitätsindikatoren definiert, um Versorgungsqualität und Patient*innenzufriedenheit zu messen und um zwischen verschiedenen Kliniken Vergleiche anstellen zu können (Benchmarking) – mit dem Ziel, die Versorgungsqualität zu verbessern. Die Daten werden in den Kliniken erhoben und vom unabhängigen AQUA-Institut analysiert und ausgewertet. Für die Teilnahme am Benchmarkingprozess erhalten die teilnehmenden Kliniken, wenn sie auch sonst die Qualitätsansprüche erfüllen [24], ein Zertifikat und Gütesiegel des VRA. Nachdem zunächst nur Patient*innen mit RA in das Projekt eingeschlossen wurden, wird inzwischen ein deutlich größeres Spektrum entzündlich rheumatischer Erkrankungen erfasst.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hat es sich zur Aufgabe gemacht, nationale QS zu formulieren, um die Versorgungsqualität von RA-Patient*innen in Deutschland messen und verbessern zu können. Dabei sollte der formulierte Qualitätsstandard ein wünschenswertes, jedoch auch realisierbares, Versorgungsziel repräsentieren. Das langfristige Ziel besteht darin, die Qualität in Deutschland durch messbare Qualitätskonstrukte zu dokumentieren und zu verbessern, um in Zukunft ein hohes Maß an Versorgungsqualität von RA-Patient*innen gewährleisten zu können.

Methoden

Die Entwicklung der Qualitätsstandards für RA startete im September 2019 mit der Bildung eine Steuerungsgruppe mit ausgewählten Expert*innen mit Expertise in der Versorgung von Patient*innen mit RA (KA, JB, UK, HS‑K, H‑JL, H‑ML, MR, MS). Die Steuerungsgruppe entschied sich nach eingehender Diskussion, alle in der Behandlung der RA involvierten Interessengruppen (ambulant und stationär tätige Rheumatolog*innen, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Psycholog*innen, Patient*innenvertreter*innen) aktiv in die Entwicklung der QS für RA als Arbeitsgruppe (AG) einzubeziehen. Alle eingeladenen Vertreter (Physiotherapie vertreten durch AL, Ergotherapeuten durch RO, Psychologen durch MIH, Patienten durch RSG) beteiligten sich aktiv an dem Entwicklungsprozess und waren stimmberechtigt. Nicht stimmberechtigt war VBM als Methodikerin. Die Steuerungsgruppe legte die Methodik und den Ablauf der Entwicklung der Qualitätsstandards in 5 Phasen fest (Tab. 1).

Tab. 1 Phasen der Entwicklung von QS für RA

Die Entwicklung der Qualitätsstandards für RA erfolgte parallel zu der Erstellung der Qualitätsstandards für die axiale Spondyloarthritis [25].

Phase 1 mit Erstellung der systematischen Literaturrecherche.

Beide SLR wurden in PubMed und Cochrane für den Zeitraum 01.05.2005–01.05.2020 durchgeführt (Suchterms s. Online-Zusatzmaterial). Es wurde von der Steuerungsgruppe festgelegt, dass englisch- und deutschsprachige Publikationen als Vollpublikation eingeschlossen werden konnten. Die Suche zu Qualitätsmessinstrumenten für RA fokussierte auf die Identifikation von Methodik und Inhalt. Für die Selektion von Publikationen zu Versorgungslücken wurden folgende Einschlusskriterien festgelegt: Studientyp (kontrollierte Studien/Kohortenstudien/Fall-Kontrollstudien mit einer Fallzahl ≥ 200 Patient*innen) und qualitative Studien (ohne Teilnehmerbegrenzung).

Phase 2: Identifikation der Schlüsselbereiche für die Qualitätsverbesserung.

Schlüsselbereiche sind Bereiche, in denen es Unterschiede in der Versorgung gibt, deren Verbesserung aber realistisch ist und auch quantitativ erfasst werden kann. Auf der Grundlage der SLR erfolgte die Identifikation von Versorgungslücken. Die Schlüsselbereiche sind unter folgenden 5 Aspekten diskutiert worden: (I) Validität („Wie valide ist die wissenschaftliche Evidenz, dass es sich bei dem genannten Schlüsselbereich, um eine im klinischen Alltag relevante Domäne handelt?“), (II) Augenscheinvalidität („Wie wahrscheinlich ist es, dass eine bessere Versorgungsleistung in dem genannten Schlüsselbereich ein qualitativ hochwertigeres Gesundheitssystem widerspiegelt?“), (III) Durchführbarkeit („Wie wahrscheinlich ist es, dass die für den Schlüsselbereich erforderliche Information in Ihrem Gesundheitssystem verfügbar ist?“), (IV) Bedeutung: („Wie wichtig ist es, diesen Schlüsselbereich zu messen?“) und (V) Wahrscheinlichkeit der Verwendung („Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diesen Schlüsselbereich in Ihrer Praxis/Klinik verwenden oder zur Verwendung dieses Indikators ermutigen würden?“). Die AG diskutierte auf einem virtuellen Treffen die Versorgungslücken sehr intensiv und legte eine Liste mit Versorgungslücken an, die quantitativ erfasst werden können.

Phase 3: Priorisierung der Versorgungslücken.

Die identifizierten Schlüsselbereiche wurden im Anschluss an das virtuelle Treffen per Online-Umfrage priorisiert. Ziel der Priorisierung war es, die relevanten Schlüsselbereiche zu identifizieren und die vorläufige Liste auf eine handhabbare finale Liste mit ca. 7 bis 10 Schlüsselbereichen für die Qualitätsverbesserung zu reduzieren. Die Priorisierung wurde erhoben, indem nach der Relevanz („Stimmen Sie zu, dass diese Domäne eine relevante Versorgungslücke in Deutschland darstellt?“) und nach dem Grad der Zustimmung (numerische Rating-Skala 0–10, 10 = höchste Zustimmung) gefragt wurde.

Phase 4: Formulierung der Qualitätsstandards für RA.

Nach Festlegung der 8 Versorgungslücken erfolgte in einem virtuellen Treffen die Ausformulierung der Qualitätsstandards in Bezug auf Struktur und Prozessqualität. Ein Qualitätsstandard besteht aus 2 Bereichen: (I) der Kernaussage mit einer begleitenden Rationale, in der die Evidenz für die Aussage dargelegt wird, und (II) einem Messinstrument, in dem die Angaben zur Berechnung der Struktur- und Prozessqualität angegeben sind. Das Ziel der AG in dem virtuellen Meeting im Dezember 2020 war es, Kernaussagen zu erarbeiten und diese dann jeweils mit einer Rationale und Qualitätsmessinstrumenten zu unterfüttern. Die im Anschluss erfolgte schriftliche Ausformulierung der QS wurde mittels E‑Mail-Schriftverkehr mehrfach überarbeitet.

Phase 5: Konsentierung der Qualitätsstandards.

Nach Ausformulierung der Qualitätsstandards wurden die Teilnehmer der AG gebeten, in einer Online-Umfrage den Grad der Zustimmung (mittels NRS 0–10, 10 stimme voll zu) anzugeben.

Ergebnisse

Erstellung der Qualitätsstandards

Die Analyse der einzelnen Schritte ergab folgende Ergebnisse:

Phase 1 mit Erstellung der systematischen Literaturrecherche

SLR Qualitätsmessinstrumente: Die einzelnen Schritte der SLR hinsichtlich bereits publizierter Qualitätsmessinstrumente listet Abb. 1 auf. Insgesamt wurden 6 Publikationen zu Qualitätsmessinstrumenten der RA identifiziert [26,27,28,29,30,31] Die ersten QS wurden 2005 in England veröffentlicht [30], gefolgt von Publikationen in den USA und Europa [27, 31]. Drei weitere Artikel beziehen sich auf Arthritiden allgemein und stellen somit keine Qualitätsmessinstrumente speziell für RA dar [32,33,34]. Allen Publikationen gemeinsam ist, dass es keine einheitlich verwendeten Qualitätsmessinstrumente gibt und dass die jeweils gewählte Methodik zur Erstellung der Qualitätsmessinstrumente unterschiedlich ist.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der SLR der Phase 1a: Identifikation von etablierten Qualitätsstandards für RA

SLR Versorgungslücken.

In Abb. 2 sind die einzelnen Schritte der SLR bezüglich der Versorgungslücken aufgeführt. Es wurden insgesamt 21 Studien für Versorgungslücken in den folgenden Domänen, identifiziert: Therapie (n = 7), Komorbidität (n = 7), Management (n = 6), Risikogruppe (n = 3), Überweisung (n = 3) und Training (n = 2).

Abb. 2
figure 2

Flussdiagramm der SLR der Phase 1b: Identifikation von relevanten Versorgungslücken

Phase 2: Identifikation der Schlüsselbereiche für die Qualitätsverbesserung

Die AG identifizierte in einem virtuellen Treffen im Oktober 2020 insgesamt 19 Schlüsselbereiche, die quantitativ erfasst werden können (Tab. 2).

Tab. 2 Schlüsselbereiche Domänen QS RA

Bei der Diskussion spielten die Aspekte der Validität inklusive der Augenscheinvalidität, der Durchführbarkeit, der inhaltlichen Bedeutung des Schlüsselbereiches und der Wahrscheinlichkeit der Verwendung eine Rolle.

Phase 3: Priorisierung der Versorgungslücken

Die Priorisierung wurde in einem weiteren virtuellen Treffen im Dezember 2020 vorgestellt und intensiv diskutiert. Die AG entschied sich, insgesamt zu 8 Versorgungslücken korrespondierende QS zu formulieren. Die Entscheidung fußte auf einer balancierten Abwägung zwischen Versorgungslücken, die zu 100 % als relevant bewertet wurden und Versorgungslücken, die einen hohen Grad der Zustimmung erhielten.

Phase 4: Formulierung der Qualitätsstandards für RA

Die Ausformulierung der QS erfolgte im Rahmen eines virtuellen Meetings, an dem 13 Mitglieder der AG teilnahmen. Die finale Version der QS findet sich in den Tab. 3456789 und 10 und die ausführliche Besprechung der inhaltlichen Diskussion weiter unten im Text. An der Abstimmung nahmen am Ende des Treffens alle 11 noch anwesenden Mitglieder der Kommission teil.

Tab. 3 Qualitätsstandard 1: Frühzeitige Diagnose
Tab. 4 Qualitätsstandard 2: Ziel Remission
Tab. 5 Qualitätsstandard 3: Glukokortikoidfreiheit
Tab. 6 Qualitätsstandard 4: Konsequente Therapieanpassung
Tab. 7 Qualitätsstandard 5: Konsequente Therapie der eingeschränkten Funktionsfähigkeit
Tab. 8 Qualitätsstandard 6: Screening psychosozialer Folgeprobleme
Tab. 9 Qualitätsstandard 7: Notfall- und Akutmanagement
Tab. 10 Qualitätsstandard 8: Komorbiditäten – Erfassung/Management

Phase 5: Konsentierung der Qualitätsstandards

An der Abstimmung der QS nahmen insgesamt 13 AG-Mitglieder teil. Der niedrigste Grad der Zustimmung fand sich bei QS 6 (Screening psychosozialer Folgeprobleme) mit 8,7 ± 1,9 und der höchste Grad der Zustimmung bei QS 4 (Konsequente Therapieanpassung) mit 9,9 ± 0,3. Im Durchschnitt lag der Grad der Zustimmung aller QS bei 9,3 ± 0,7. Die Abstimmungsergebnisse der QS sind in Tab. 11 zu finden.

Tab. 11 Grad der Zustimmung zu den einzelnen Qualitätsstandards für Patient*innen mit RA

Qualitätsstandards für die Versorgung von Patient*innen mit rheumatoider Arthritis

QS 1: Frühzeitige Diagnose (Tab. 3)

Bei der Formulierung dieses QS wurde das Hauptaugenmerk auf eine zeitnahe Diagnosestellung gelegt, da sich alle AG-Mitglieder darin einig waren, dass jede Woche zählt, um das Ziel der Remission so früh wie möglich zu erreichen. Grundsätzlich wurde angemerkt, dass es bereits initial zu Verzögerungen kommen kann, da der Beginn von Diagnostik und Therapie vom Zeitpunkt der Erstvorstellung des*r Patient*in bei einem*r Ärzt*in, in der Regel bei einem*r internistisch-rheumatologischen Facharzt*ärztin abhängig ist. Diese Vorstellung hängt unter anderem erheblich vom Leidensdruck des*r Patient*in bzw. seinem*ihrem Interesse ab, die Beschwerden zügig abzuklären. Insofern darf es in den weiteren Schritten (hausärztliche Überweisung, rheumatologische Erstvorstellung) keine weiteren Verzögerungen geben. Die Expertise eines*r internistisch-rheumatologischen Facharzt*ärztin ist sowohl für die Diagnosestellung als auch für die Therapieeinleitung in den meisten Fällen erforderlich, um unnötige und die Patient*innen potenziell schädigende Folgen zu vermeiden. Deshalb werden in den meisten rheumatologischen Einrichtungen Frühsprechstunden angeboten. In manchen Fällen ist auch die Einweisung in ein rheumatologisches Akutkrankenhaus erforderlich.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 2: Ziel Remission (Tab. 4)

Zum einen wurde hier diskutiert und festgestellt, dass eine komplette Remission nicht bei allen RA-Patient*innen zu erreichen ist. Dieser Ansicht waren zwar fast alle AG-Mitglieder, jedoch wurde auch kritisch angemerkt, dass eine Teilremission kein Qualitätsmerkmal darstellen kann. Insofern wurde entschieden, dass zwar das primäre Ziel die komplette Remission ist, jedoch davon auszugehen ist, dass diese Qualität nicht bei allen RA-Patient*innen zu erreichen ist. In der internationalen Literatur wird dieses durchaus bekannte Problem meist so gelöst, dass von einer möglichen Akzeptanz niedriger Krankheitsaktivität gesprochen wird [35, 36].

Zum anderen wurden die zur Verwendung kommenden validierten Scores zur Bestimmung der Krankheitsaktivität diskutiert. Hier wurde kritisch angemerkt, dass der DAS28 durch die darin nicht enthaltene Beurteilung der Vorfüße den Gelenkstatus nur unzureichend abbildet [37]. Zudem wurde kritisch diskutiert, dass das Nichterreichen einer Remission möglicherweise durch eine hohes Patientenglobalurteil verursacht sein könnte, wobei dadurch dann die Selbstbeurteilung im Missverhältnis zur Gelenkuntersuchung steht [38].

Die aktuellen S2e- sowie S3-LL der DGRh [2, 3] empfehlen zur Bestimmung der Krankheitsaktivität den CDAI, SDAI und/oder den DAS28. Basierend auf diesen Empfehlungen wurde entschieden, dass alle 3 Scores zur Bestimmung der Krankheitsaktivität verwendet werden können.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 3: Glukokortikoidfreiheit (Tab. 5)

Generell bestand Einigkeit, dass eine möglichst niedrige Glukokortikoiddosis bei RA-Patient*innen anzustreben ist und dass das Ziel bei Patient*innen in Remission die Glukokortikoidfreiheit ist. Über die Höhe der Glukokortikoiddosis gab es allerdings eine intensive Diskussion zwischen den AG-Mitgliedern, da die nationalen und internationalen Leitlinien Dosierungen zwischen < 5 und < 7,5 mg Prednisolonäquivalent angeben [2, 3, 39]. Die AG-Mitglieder einigten sich auf die Formulierung, einen zeitlich begrenzten Dosisbereich von ≤ 7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag zu akzeptieren, und präzisierten, dass bei Patient*innen, bei denen das vollständige Absetzen der Glukokortikoide nicht erreichbar ist, eine Dosis von maximal 5 mg Prednisolonäquivalent/Tag als oberste akzeptable Grenze definiert wird.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 4: Konsequente Therapieanpassung (Tab. 6)

Das wichtige Therapieziel Remission wird aus verschiedenen Gründen relativ häufig nicht erreicht ([36, 40, 41], s. auch QS 2). Das Hauptaugenmerk in der Diskussion bei diesem QS lag in der möglicherweise fehlenden, aber zum Teil durchaus notwendigen Ursachenforschung für die nicht erreichte Remission durch den*die Rheumatolog*in. Dabei wurde betont, dass das frühzeitige Erkennen von begleitenden schmerzbegünstigenden Erkrankungen wie Arthrose und Fibromyalgie differenzialdiagnostisch von großer Bedeutung ist. Daher wurde in diesem QS nicht nur die konsequente Therapieanpassung bei nicht erreichter Remission, sondern auch „[…] die differenzialdiagnostische Aufarbeitung der Ursache(n) […]“ als klares Ziel für diesen QS formuliert.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 5: Konsequente Therapie der eingeschränkten Funktionsfähigkeit (Tab. 7)

Bei diesem QS wurden verschiedene Aspekte diskutiert. Grundsätzlich bestehen bei Patient*innen mit RA häufig Komorbiditäten, die zu entsprechenden Funktionseinschränkungen führen können. Ein wichtiges Ziel des*r Rheumatolog*in ist daher die Differenzierung solcher Ursachen von Funktionseinschränkungen von der durch die RA bedingten eingeschränkten Funktionsfähigkeit. Hierbei spielt auch die Unterscheidung zwischen einer akut eingeschränkten Funktionsfähigkeit durch aktive Entzündung und die durch einen bereits eingetretenen strukturellen Schaden, wie z. B. durch sekundäre Arthrose, eine Rolle.

Darüber hinaus wurde kritisch angemerkt, dass es keine validierten Scores gibt, die einen Schwellenwert für eingeschränkte Funktionsfähigkeit festlegen. Die nun in dem QS verwendeten Schwellenwerte bezüglich eingeschränkter Funktionsfähigkeit basieren auf Expert*innenmeinung sowie auf Auswertungen der Kerndokumentation [42]. In diesem Zusammenhang wird aber auf die grundsätzliche Limitation solcher Schwellenwerte verwiesen, da diese u. a. nicht das Alter, den BMI, (Fehlen) körperlicher Aktivität und den Lebensstil und den damit einhergehenden Funktionsverlust berücksichtigen [43].

Außerdem gibt es erhebliche individuelle Unterschiede bei Patient*innen mit RA in der Krankheitsverarbeitung, was z. B. das Coping mit der Krankheit mit einschließt und dass zum anderen auch die Umgebungssituation eine nicht geringe Rolle spielen kann – hierbei geht es um Verwandte, Freunde und die möglicherweise nicht behindertengerechte Wohnsituation oder auch die Verhältnisse am Arbeitsplatz.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 6: Screening psychosozialer Folgeprobleme (Tab. 8)

Psychosoziale Folgeprobleme können für Patient*innen und Rheumatolog*innen mit RA in der Kommunikation ein schwierig anzusprechendes Thema sein, daher war den meisten AG-Mitgliedern ein gesonderter QS besonders wichtig. Hierbei stand nicht nur das Erkennen von entsprechenden Problemen (s. auch QS 5) im Vordergrund, sondern auch, ggf. in Kooperation mit anderen Fachabteilungen, das Einleiten von Maßnahmen, um Probleme ggf. zu beheben oder gegebene Einschränkungen zu verbessern. In der Diskussion dieses QS wurde daher ein großes Augenmerk auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Lösung psychosozialer Probleme gelegt. Die psychische Komponente spielt nicht nur in der Lebensqualität der Patient*innen eine Rolle, sondern beeinflusst auch erheblich das Erreichen einer Remission. Verlaufsbeobachtungen zeigen, dass RA-Patient*innen mit depressiven Symptomen im weiteren Verlauf deutlich seltener und langsamer eine Remission erreichen als RA-Patient*innen ohne ein solches Problem [44].

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 7: Notfall- und Akutmanagement (Tab. 9)

Ein strittiges Thema war die Definition eines rheumatologischen „Notfalls“. Hier bestand Einigkeit, dass es eine möglichst klare Differenzierung zwischen einem (objektiven) medizinischen Notfall und einem (subjektiven) individuellen akuten Versorgungsbedarf geben sollte. Da die Abgrenzung im Einzelfall jedoch schwierig sein kann, einigten sich die Mitglieder nach langer Diskussion dann auf diese hier gegebene Formulierung für das „Notfall- und Akutmanagement“. Bei der Umsetzung sind nach Meinung der Kommissionsmitglieder dann v. a. auch Aspekte der Machbarkeit von Bedeutung.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

QS 8: Komorbiditätenerfassung/Management (Tab. 10)

Eine Haupttodesursache von RA-Patient*innen sind nach wie vor kardiovaskuläre Ereignisse [45]. Daher wurde von einigen AG-Mitgliedern befürwortet, dass das Screening auf kardiovaskuläre Risikofaktoren – wie von der EULAR empfohlen [46] – einen eigenen QS darstellen sollte. Dementgegen gaben jedoch andere AG-Mitglieder zu bedenken, dass in der aktuellen Versorgungslandschaft in Deutschland der*die Rheumatolog*in keineswegs allein oder hauptamtlich für das Screening auf Komorbiditäten verantwortlich ist und daher hierfür nicht 2 separate QS gebildet werden müssen. Letztlich wurde sich darauf geeinigt, einen ausführlichen QS zu entwickeln, in dem alle relevanten Komorbiditäten gleichermaßen gewürdigt werden und auf die Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme des*der Hausarzt*ärztin sowie weiterer Fachexpert*innen hingewiesen bzw. diese auch eingefordert wird.

Nach intensiven inhaltlichen Diskussionen stimmten alle 11 anwesenden Mitglieder für diesen QS.

Diskussion

Die hier erstmals veröffentlichten QS der DGRh in Kooperation mit VRA und BDRh stellen für die rheumatologische Versorgung in Deutschland einen Meilenstein dar. Die Expertengruppe hat 8 QS für wichtige Bereiche der Versorgung von RA-Patient*innen definiert. Zum ersten Mal gibt es damit auch eine Grundlage und Vorgaben für Qualitätsmessungen, wobei nicht nur die Struktur- und Prozessqualität, sondern auch die Ergebnisqualität eine Rolle spielen sollte (s. unten).

Die hier vorgestellten QS basieren auf den Vorarbeiten und verschiedenen anderen Initiativen der DGRh [47,48,49,50]. Hinsichtlich der Strukturqualität gibt es für internistisch-rheumatologische Akutkrankenhäuser bereits seit 10 Jahren eine klare Festlegung [24] und seit einigen Jahren auch ein vom AQUA-Institut verliehenes Gütesiegel [51], was unter anderem ein erfolgreiches Benchmarking von mehreren im VRA organisierten Kliniken beinhaltet [52]. Die hiermit verbundenen Projekte OBRA („outcome benchmarking“ in der rheumatologischen Akutversorgung) [23] und KOBRA [22, 51] wurden initial vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert.

In den hier entwickelten QS geht es v. a. um Prozess-, aber auch um Ergebnisqualität. Da stehen die rechtzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung im Fokus, die natürlich auch von vielen externen Faktoren wie einer rechtzeitigen Überweisung abhängen, aber auch von internen Prozess- und Strukturmerkmalen wie einem funktionierenden Angebot an Frühsprechstunden und der Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl an internistischen Rheumatolog*innen [49]. Vor allem bestehen Probleme in Form einer begrenzten Anzahl an Weiterbildungsstellen, der Konzentration auf besonders attraktive Regionen und Ballungsräume wie etwa Berlin, München oder Hamburg und einer bis jetzt fehlenden staatlichen Förderung und Planung von Weiterbildungsstellen. Nichtsdestoweniger geben die vorhandenen internistisch-rheumatologischen Einrichtungen ihr Bestes, um die beträchtliche Zahl von Patient*innen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen adäquat zu versorgen. Als das Fach in der Medizin, in welchem bei den betroffenen Patient*innen so gut wie alle Organsysteme betroffen sein können – bei der RA ist es v. a. die Lunge [45] –, ist die internistische Rheumatologie genuin interdisziplinär aufgestellt [53], was sich entsprechend auch in aktuellen Versorgungsstrukturen wie der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) konzeptionell niederschlägt [54].

Das Therapieziel Remission ist in der internationalen Rheumatologie unstrittig. Im Wesentlichen umfasst es die konsequente regelmäßig überprüfte weitgehende Abwesenheit von Krankheitsaktivität. Die gängigen Definitionen für Remissionen beinhalten nicht die vollständige oder weitestgehende Abwesenheit von Krankheitsaktivität wie die Boolean-Kriterien [55]. Dass der Prozentsatz von RA-Patient*innen, bei denen Remission erreicht werden kann, ein gutes mögliches Kriterium darstellt, zeigt z. B. auch die CAPEA-Studie an, in der 40 % der eingeschlossenen RA-Patient*innen eine Remission erreichten [56]. Durch frühzeitige Diagnose und Therapie und stringente Befolgung des T2T-Prinzips wie im rheinland-pfälzischen Rheumanetzwerk ADAPTHERA [57] lassen sich deutlich höhere Werte erzielen.

Glukokortikoide sind klinisch gut und schnell wirksam, haben in hohen Dosierungen über lange Zeiträume aber gut bekannte Nebenwirkungen wie Osteoporose, Diabetes und Infektionen [39, 58]. Deshalb empfiehlt die EULAR eine wesentliche Reduktion bzw. das Absetzen von Glukokortikoiden innerhalb von 6 Monaten [39]. Dies wird aber bekanntermaßen von vielen Patient*innen nicht erreicht [56]. Auf der anderen Seite sind auch geringe Dosierungen < 5 mg Prednisolonäquivalent/Tag klinisch und sogar hinsichtlich der Röntgenprogression wirksam [59]. Deshalb geht es dabei v. a. um den Versuch der Reduktion bzw. des Absetzens, denn das unterscheidet sich erheblich von der Strategie, initial mit Glukokortikoiden zu beginnen und dann dabei einfach nur pragmatisch zu bleiben.

Die konsequente Therapieanpassung ist eng mit den QS 2 und 3 verbunden, und ein sehr wichtiger Aspekt ist auch dabei das T2T-Prinzip im Sinne der konsequenten Eskalation der Medikation, wenn die Remission noch nicht erreicht ist, aber erreicht werden kann. Dabei geht es allerdings aber nicht nur darum, sondern letztlich um jede Form der Therapieanpassung im Sinne eines personalisierten Managements, was neben differenzialdiagnostischen Einschätzungen und Abgrenzungen auch erforderliche Interventionen bei Funktionseinschränkungen, Komorbiditäten und psychosozialen Problemen umfasst (s. auch QS 5 und 6).

Beim Management von Notfällen geht es zunächst um die Definition – zum einen aus rein medizinischer Sicht und zum anderen aus Patient*innensicht, was sich erheblich unterscheiden kann. Kommt es zu Nervenausfallserscheinungen wegen einer atlantoaxialen Dislokation oder bei neu aufgetretenem Teerstuhl ist die Sache aus ärztlicher Sicht klar, in anderen Fällen hat die erbetene Akutkonsultation aber auch evtl. Zeit bis zur nächsten möglichen Sprechstunde innerhalb eines Werktages, weil der Praxisablauf sonst erschwert werden kann. Weil die akute oder subakute Gesundheitssituation aber am Telefon nicht immer ausreichend eingeschätzt werden kann, ist grundsätzlich eine geregelte Kooperation mit einer akutstationären Einrichtung erforderlich, denn diese hat ja 24 h/Tag „geöffnet“.

Das Management von Komorbidität ist auf der einen Seite Teil der rheumatologischen Versorgung, da die chronische Entzündung und auch die antirheumatische Medikation das Risiko für Komorbiditäten erhöhen können, auf der anderen Seite liegt es aber auch in der Verantwortung des Hausarztes. Zum einen sind die bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen erhöhte Morbidität und Mortalität v. a. auf kardiovaskuläre Ereignisse zurückzuführen [1, 60] und die sowohl durch die Erkrankung als auch durch die Medikation bedingte erhöhte Inzidenz von Osteoporose und dadurch zustande gekommenen Frakturen mit einem erheblichen Leidensdruck der Betroffenen assoziiert [58]. Zum anderen gibt es in Deutschland eine Arbeitsteilung, die eigentlich den Hausärzt*innen die Verantwortung für etablierte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes und Rauchen zuweist. Hier sind gezielte Absprachen und gegenseitige Erinnerungen zielführend. Im Rahmen eines jährlichen Assessments können auch Rheumatolog*innen hier initiativ werden und zur Vorbeugung beitragen. Hinsichtlich der Osteoporoseprophylaxe ist eine frühzeitige Einleitung entsprechender Maßnahmen dagegen v. a. bei dem*r Rheumatolog*in als Verordner*in der Osteoporose-fördernden Medikation (Glukokortikoide) anzusiedeln.

Auch die Verordnung von nichtmedikamentösen Therapien wie regelmäßigem Funktionstraining und physiotherapeutischen Maßnahmen sowie die Motivation hin zu mehr körperlicher Aktivität gehören in diesen großen Bereich prophylaktischer und allgemein unterstützender Gesundheitsmaßnahmen.

Am 18.03.2021 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, ein Disease-Management-Programm (DMP) für die RA in die DMP-Anforderungen-Richtlinien mit aufzunehmen. Dies ist neben der Entwicklung von QS ein guter Schritt in der Verbesserung der Versorgungsqualität der RA-Patient*innen, denn auch hier werden wichtige Schritte der Diagnostik und Therapie in Form von 10 Qualitätszielen definiert, welche sich in großen Teilen mit den hier veröffentlichten QS decken. In Ergänzung zu den hier veröffentlichen QS werden im DMP als Qualitätsziele gesondert nicht rauchende RA-Patient*innen und RA-Patient*innen mit arterieller Hypertonie und einem RR < 140/90 mm Hg aufgelistet [17].

Zusammengefasst handelt es sich bei den ersten 8 QS für rheumatologische Versorgung um einen ersten wichtigen Meilenstein in Richtung einer systematischen kontinuierlichen Verbesserung der Versorgungsqualität für Patient*innen mit RA in Deutschland. Diese QS fordern eine breite systemisch internistische Versorgung der*s Patient*in von Rheumatolog*innen, die der entzündlichen Erkrankung RA mit all ihren Folgen gerecht wird und sich nicht nur auf die Therapie der betroffenen Gelenke fokussiert. In weiteren Schritten wird zu prüfen sein, wie entsprechende Messungen implementiert und letztlich auch finanziert werden können.