Hinweise

  1. 1.

    Leitlinien gelten für Standardsituationen und berücksichtigen die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Durch die Leitlinien soll die Methodenfreiheit des Arztes nicht eingeschränkt werden. Die Leitlinien wurden von den Autoren mit größter Sorgfalt erarbeitet, dennoch kann für die Richtigkeit – insbesondere von Dosierungsangaben – keine Verantwortung übernommen werden.

  2. 2.

    Die vorliegende Leitlinienversion ist die gekürzte Printversion der elektronischen Langversion (eLV). Die eLV sowie der Methodenreport können auf der Homepage der AWMF (http://leitlinien.net/) sowie ggf. auf den Homepages der beteiligten Fachgesellschaften eingesehen werden. Eine Publikation der Printversion in den jeweiligen Journalen der Fachgesellschaften wird begrüßt.

  3. 3.

    Die Printversion enthält sämtliche Leitlinienempfehlungen fortlaufend mit arabischen Ziffern nummeriert; die zugehörige Nummerierung der jeweiligen Leitlinienempfehlung in der elektronischen Langversion findet sich in geschweiften Klammern { } am Ende der Empfehlung.

  4. 4.

    In der vorliegenden Printversion werden nur ausgewählte Publikationen im Literaturverzeichnis geführt und im Text in chronologischer Reihenfolge in eckigen Klammern [] zitiert. Die jeweils zu dieser Publikation zugehörige Nummerierung in der elektronischen Langversion findet sich im Literaturverzeichnis am Ende des jeweiligen Zitats in runden Klammern (eLV x). In der Printversion zitierte und nur im Literaturverzeichnis der elektronischen Langversion aufgeführte Publikationen werden in der Printversion mit der Bezeichnung (eLV x) im Text zitiert.

  5. 5.

    Bei den Leitlinienempfehlungen findet sich der jeweilige Empfehlungsgrad (↑↑, ↑, ↔, ↓, ↓↓, Tab. 1) vor der Empfehlung und der Evidenzgrad, 1++, 1+, 2++, 2+, 3, 4, Tab. 1) am Ende der Empfehlung.

  6. 6.

    Die Empfehlungen sind jeweils kapitelweise in Leitlinientabellen zusammengefasst. Die Tabellen und Abbildungen sind chronologisch mit arabischen Ziffern bezeichnet, die Nummerierung der jeweiligen Tabelle/Abbildung in der elektronischen Langversion ist in runden Klammern () hinzugefügt.

  7. 7.

    Erläuternde und die jeweilige Evidenz stützende Studiendaten sind i. d. R. in Kleindruck wiedergegeben.

Inhaltsverzeichnis

  • 0. Abkürzungsverzeichnis

  • 1. Einführung

  • 2. Methodik

  • 2.1. Zielsetzung

  • 2.2. Definition und Erläuterung des Begriffs „Leitlinie“

  • 2.3. Empfehlungsgrade und Evidenzniveaus

  • 2.4. Methodisches Vorgehen

  • 2.5. Durchführung

  • 2.6. Gültigkeit und Publikation

  • 3. Algorithmensynopsis: Diagnose, Monitoring und Therapie des infarktbedingten kardiogenen Schocks

  • Algorithmus A: Diagnostik I – Kardiogener Schock ja/nein?

  • Algorithmus B: Initiale Stabilisierung vor Herzkatheteruntersuchung

  • Algorithmus C: Revaskularisation

  • Algorithmus D: Diagnostik II – Persistierender Schock nach Revaskularisation?

  • Algorithmus E: Hämodynamische Steuerung der Schocktherapie

  • Algorithmus F: Atemunterstützung und MODS-Therapie

  • Algorithmus G: Weaning, Nachsorge und Rehabilitation

  • 4. Definition, Diagnostik und Monitoring

  • Leitlinienempfehlungen E1–E12

  • 4.1. Definition

  • 4.2. Ätiologie

  • 4.3. Diagnostik und Monitoring

  • 4.4. Prädiktoren des Auftretens eines infarktbedingten kardiogenen Schocks

  • 4.5. Prädiktoren der 30-Tage-Letalität der Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock

  • 5. Frühestmögliche Koronarreperfusion

  • Leitlinienempfehlungen E 13–E 29

  • 5.1. Perkutane Koronarintervention (PCI)

  • 5.2. Systemische Fibrinolyse

  • 5.3. Operative Koronarrevaskualrisation

  • 5.4. Begleittherapie der Revaskularisation mit gerinnungsaktiven Substanzen

  • 6. Herz-Kreislauf-Unterstützung

  • 6.1. Medikamentöse Herz-Kreislauf-Unterstützung

  • Leitlinienempfehlungen E 30–E 43

  • 6.2. Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP)

  • Leitlinienempfehlungen E 44–E 47

  • 6.3. Weitere Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme

  • 7. Behandlung von Komplikationen bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

  • 7.1. Rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung und kardiogener Schock

  • Leitlinienempfehlungen E 48–E 54

  • 7.2. Herzrhythmusstörungen

  • Leitlinienempfehlungen E 55–E 72

  • 7.3. Infarktpatienten mit kardiogenem Schock und Herz-Kreislauf-Stillstand

  • Leitlinienempfehlungen E 73–E 80

  • 7.4. Ventrikelseptumdefekt, Ventrikelruptur und akute Mitralinsuffizienz

  • Leitlinienempfehlungen E 81–E 83

  • 7.5. Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom (MODS), systemisches Inflammations-Reaktions-Syndrom („systemic Inflammatory response syndrome“, SIRS) und Sepsis

  • 8. Supportive Therapie des Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom (MODS)

  • 8.1. Organdysfunktion „Lunge“: Atemunterstützung, Beatmung, Analgosedierung und Weaning

  • Leitlinienempfehlungen E 84–E 95

  • 8.2. Organdysfunktion „Niere“: Nierenersatzverfahren

  • Leitlinienempfehlungen E 96

  • 8.3. Organdysfunktion „Endokrinium“

  • 8.4. Organdysfunktion „Peripheres und autonomes Nervensystem“

  • 8.6. Organdysfunktion „Magen – Darm – Gallenblase – Leber – Pankreas“

  • 9. Ernährung und Insulintherapie, Substitutions- und Prophylaxemaßnahmen, Betrachtungen zur Therapiebegrenzung

  • Leitlinienempfehlungen E 97–E 108

  • 9.1. Ernährung und Insulintherapie

  • 9.2. Substitution mit Erythrozytenkonzentraten

  • 9.3. Prophylaxe der tiefen Beinvenenthrombose

  • 9.4. Stressulkusprophylaxe

  • 9.5. Bikarbonatgabe

  • 9.6. Betrachtungen zur Therapiebegrenzung

  • 10. Nachsorge und Rehabilitation

  • Leitlinienempfehlungen E 109–E 111

  • 10.1. Krankheitsverlauf nach Verlegung von der Intensivstation

  • 10.2. Empfehlungen zur Nachsorge/Rehabilitation

  • Mitglieder der Leitlinienkommission

  • Danksagung

  • Literatur

1. Einführung

Der kardiogene Schock – meist Folge eines linksventrikulären Pumpversagens – ist die häufigste intrahospitale Todesursache bei akutem Herzinfarkt. Einen kardiogenen Schock erleiden 5–10% aller Patienten mit Herzinfarkt, akut oder innerhalb der ersten Tage. Die Sterblichkeit des IkS liegt bei 50–80%, wobei sich aufgrund des häufigeren Einsatzes der frühzeitigen Revaskularisation ein Rückgang der Sterblichkeit abzeichnet [1].

Vier Aspekte erscheinen zur Prognoseverbesserung der Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock von zentraler Bedeutung zu sein:

  • Die Diagnose des IkS muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt – möglichst schon in der Prähospitalphase – gestellt werden, damit der Patient umgehend in ein Herzkatheterlabor mit Erfahrung in Akut-Koronarinterventionen transportiert werden kann! Die Diagnose lässt sich klinisch stellen, eine invasive hämodynamische Diagnostik ist nicht erforderlich!

  • Der notarztbegleitete Transport des Patienten sollte zu demjenigen Herzkatheterlabor erfolgen, welches in kürzester Zeit erreichbar ist und über entsprechende Erfahrung und Logistik zur Betreuung dieser Patienten verfügt!

  • Die frühestmögliche Wiedereröffnung des verschlossenen Infarktgefäßes – i. d. R. mittels PCI – ist die effektivste Maßnahme zur Senkung der hohen Letalität. Wann immer möglich, sollte diese Revaskularisation als Therapie der ersten Wahl angestrebt werden!

  • Der IkS ist nicht nur eine Erkrankung des Herzens! Die Prognose des Patienten wird durch das im Rahmen des Schockgeschehens auftretende MODS determiniert [2]! Demzufolge sind die möglichst rasche Schockbehebung und eine optimale intensivmedizinische Behandlung des auftretenden MODS bei Patienten mit IkS zwingend!

2. Methodik

2.1. Zielsetzung

Allgemeine Empfehlungen zur Behandlung des IkS für alle in der Betreuungskette integrierten Ärzte/Ärztinnen (Hausarzt, Notarzt, Kardiologe und Internist, Intensivmediziner, Herzchirurg, Anästhesist, Rehabilitationsmediziner).

2.2. Definition und Erläuterung des Begriffs „Leitlinie“

Die hier verwandte „Leitliniendefinition“ orientiert sich an der Definition der „Agency for Health Care Policy and Research“ für die „Clinical Practice Guidelines“ der USA. Leitlinien sind systematisch entwickelte Darstellungen und Empfehlungen mit dem Zweck, Ärzte und Patienten bei der Entscheidung über angemessene Maßnahmen der Krankenversorgung (Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge) unter spezifischen medizinischen Umständen zu unterstützen.

Leitinien geben den Stand des Wissens (Ergebnisse von kontrollierten klinischen Studien und Wissen von Experten) über effektive und angemessene Krankenversorgung zum Zeitpunkt der Drucklegung wieder. In Anbetracht der Fortschritte wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Technik müssen periodische Überarbeitungen, Erneuerungen und Korrekturen vorgenommen werden.

Die Empfehlungen der Leitlinien können nicht unter allen Umständen angemessen genutzt werden. Die Entscheidung darüber, ob einer bestimmten Empfehlung gefolgt werden soll, muss vom Arzt unter Berücksichtigung der beim individuellen Patienten vorliegenden Gegebenheiten und der verfügbaren Ressourcen getroffen werden.

2.3. Empfehlungsgrade und Evidenzniveaus

Bei der Erstellung dieser Leitlinie wurden die zugrunde liegenden Studien von dem Expertenkomitee gesichtet und anhand von Evidenzniveaus klassifiziert (Tab. 1).

Tab. 1 (eLV 2.3.A. gekürzt) Empfehlungsgrade und Evidenzniveaus

2.4. Methodisches Vorgehen

Eine methodische Beratung erfolgte durch Frau Prof. Dr. med. Ina Kopp (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften – AWMF). Als Grundlage für diese Leitlinie diente die systematische Literatursuche (s. “Methodenreport“ der eLV). Die Grundlagen des methodischen Vorgehens sind in den Literaturzitaten wiedergegeben (eLV 4–7). Dieses Vorgehen sowie die abschließende Verabschiedung der Leitlinie in einem nominalen Gruppenprozess erlaubte die Erstellung dieser S3-Leitlinie.

2.5. Durchführung

Die Durchführung der Leitlinienerarbeitung erfolgte im Zeitraum 2004–2010 und ist in der eLV sowie im Methodenreport ausführlich beschrieben.

2.6. Gültigkeit und Publikation

Eine Überarbeitung durch die Leitliniengruppe soll spätestens 2013 erfolgen.

Die Publikation dieser Printversion ist in den jeweiligen Journalen der beteiligten Fachgesellschaften vorgesehen.

3. Algorithmensynopsis: Diagnose, Monitoring und Therapie des infarktbedingten kardiogenen Schocks

  • Die Behandlungsziele beim infarktbedingten kardiogenen Schock sind

  1. a)

    die frühestmögliche koronare Reperfusion (Wiedereröffnung des verschlossenen Koronargefäßes),

  2. b)

    die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer adäquaten Perfusion und Oxygenierung der vitalen Organe,

  3. c)

    die Prävention und Begrenzung des Multiorgan-Dysfunktions-Syndroms und Multiorganversagenes sowie die supportive Unterstützung der Organdysfunktionen,

  4. d)

    die frühzeitige Versorgung mechanischer Infarktkomplikationen.

  • Kap. 3 fasst die wesentlichen Aspekte der systematischen Leitlinienempfehlungen der Kap. 4–10 als Algorithmen für den zeitlichen Ablauf der Patientenbetreuung zusammen.

Algorithmus A

Diagnostik I – Kardiogener Schock ja/nein?

  • Die Verdachtsdiagnose „infarktbedingter kardiogener Schock (IkS)“ wird aufgrund des 12-Ableitungs-EKGs („Infarkt: STEMI“) und der klinischer Befunde („kardiogener Schock“) gestellt (Abb. 1). Selbst im Fall eines seltenen IkS infolge eines NSTEMI – im EKG keine ST-Streckenhebungen – kann der Notarzt anhand klinischer Kriterien den IkS im Zusammenhang mit einem akuten Koronarsyndrom diagnostizieren.

  • Wichtigstes Symptom des IkS, jedoch nicht obligat, ist eine Hypotonie mit einem anhaltenden systolischen Blutdruck von <90 mmHg (Kap. 4). Zusätzlich sollte auf klinische Zeichen wie kalte Extremitäten und eine Oligurie geachtet werden. Häufig findet sich bei Patienten im kardiogenen Schock ein relativer Volumenmangel bzw. gelegentlich, insbesondere bei älteren Patienten und in den Sommermonaten, sogar ein absoluter Volumenmangel. Demzufolge steht das zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Zirkulation notwendige Volumen zur Erhöhung der Vorlast nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund ist, außer im akuten Rückwärtsversagen/Lungenödem mit pulmonalen Rasselgeräuschen, eine initiale Volumengabe von 500–1000 ml einer kristalloiden Lösung zu erwägen.

  • Jeder vierte Patient im IkS präsentiert sich ohne initiale Hypotonie; vermutlich wird durch eine periphere Vasokonstriktion ein Blutdruckabfall verhindert, jedoch um den Preis einer Abnahme des Herzzeitvolumens bzw. des Herzindex in Folge der Nachlasterhöhung. Klinisch stehen hier Organminderperfusionen und kalte Extremitäten im Vordergrund. Da eine Oligurie häufig erstes Zeichen dieser Form des kardiogenen Schocks ist, sollte bei jedem Patienten mit akutem Myokardinfarkt die Urinausscheidung von Beginn an bilanziert werden, umso mehr, als es durch die Kontrastmittelexposition der anzustrebenden Herzkatheteruntersuchung zu einer weiteren Beeinträchtigung der Diurese kommen kann. Psychische Alterationen, v. a. eine ungewöhnliche Agitation des Patienten, können bereits erste Zeichen einer schockbedingten Hypoperfusion des ZNS sein.

Abb. 1
figure 1

(eLV Abb. 3a) Algorithmus A. Diagnostik I – Kardiogener Schock ja/nein? Vd. Verdacht

Algorithmus B

Initiale Stabilisierung vor Herzkatheteruntersuchung

  • Die initiale Stabilisierung von Herz-, Kreislauf- und Lungenfunktion des Patienten (Abb. 2) ist zur sicheren und effizienten Durchführung der Koronarintervention notwendig.

  • Neben der Gabe von Katecholaminen besteht die initiale Stabilisierung (Kap. 6.1.1.) v. a. in der Einleitung einer maschinellen Beatmung bei respiratorischer Insuffizienz und – bei nachgewiesener Infarzierung des rechten Ventrikels im Rahmen eines Hinterwandinfarkts – in der ausreichenden Volumengabe.

  • Die Katecholamintherapie sollte vorzugsweise mit Dobutamin (positiv inotrope Wirkung) und Noradrenalin (positiv inotrope und vasopressorische Wirkung) erfolgen. Ist der Patient auf diese Weise nicht ausreichend hämodynamisch stabilisierbar, ist insbesondere bei einem Hinterwandinfarkt an eine rechtskardiale Infarzierung zu denken, welche sich als ST-Streckenhebung in (V3R)/V4R und durch den charakteristischen echokardiographischen Befund zu erkennen gibt. In diesem Fall sollte eine Volumengabe durchgeführt und der Patient bei fortbestehender Instabilität intubiert und schnellstmöglich einer Koronarrevaskularisation zugeführt werden.

  • Der medikamentöse Therapieversuch einer hämodynamischen Stabilisierung darf allerdings die nachfolgende Koronarrevaskularisation nicht unverhältnismäßig lange prolongieren! Insbesondere bei schwieriger medikamentöser Stabilisierung erweist sich die Koronarrevaskularisation als einzige lebensrettende Maßnahme.

  • Wird die Atmung des Patienten aufgrund der Atemfrequenz und der subjektiven Einschätzung der Atemarbeit als für nicht für ausreichend erachtet, sollte die Intubation mit nachfolgender kontrollierter Beatmung durchgeführt werden, wobei auch in der Phase der initialen Stabilisierung eine „lungenschonende Beatmung“ angestrebt werden sollte.

Abb. 2
figure 2

(eLV Abb. 3b) Algorithmus B. Initiale Stabilisierung vor Herzkatheteruntersuchung

Algorithmus C

Revaskularisation

  • Die möglichst rasche Wiedereröffnung des verschlossenen Infarktgefäßes (Abb. 3) erfolgt i. d. R. mittels perkutaner Koronarintervention (PCI).

  • Steht die PCI (Kap. 5.1.) initial nicht zur Verfügung, so sollte im Fall eines STEMI möglichst rasch eine Fibrinolyse initiiert (Kap. 5.2.) und der Patient – IABP-unterstützt (Kap. 6.2.) – in ein Zentrum mit der Möglichkeit zur Akut-PCI transportiert werden. Bei einem NSTEMI kann im Vorfeld der PCI ein GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonist (Kap. 5.4.) gegeben und die IABP implantiert werden.

  • Die PCI der „Infarktarterie“ erfolgt in aller Regel als Stentimplantation unter intensiver Thrombozytenaggregationshemmung. Gelingt keine interventionelle Revaskularisation, sollte schnellstmöglich die operative Versorgung (Kap. 5.3.) durchgeführt werden. Liegen mehrere signifikante Stenosierungen vor, muss im Einzelfall entschieden werden, ob neben der „Infarktarterie“ auch andere Gefäße revaskularisiert werden oder ob dies im Intervall interventionell oder operativ durchgeführt werden kann.

Abb. 3
figure 3

(eLV Abb. 3c) Algorithmus C. Revaskularisation

Algorithmus D

Diagnostik II – Persistierender Schock nach Revaskularisation?

  • Nach Revaskularisation ist die entscheidende Frage, ob die Intervention zu einer raschen Beseitigung des Schocks geführt hat oder nicht (Abb. 4). Hierbei steht zunächst die erneute klinische Einschätzung im Vordergrund. Kann hierbei ein persistierender kardiogener Schock ausgeschlossen werden, ist eine invasive Messung der Hämodynamik nicht obligat. Bei nicht eindeutigen Befunden – v. a. bei normotensiven Blutdruckwerten, aber schlechter Diurese und kühlen Extremitäten – besteht häufig eine Schocksymptomatik mit eingeschränkter Zirkulation, wobei normotensive Blutdruckwerte reflektorisch durch einen relativ erhöhten systemischen Gefäßwiderstand aufrechterhalten werden, allerdings zulasten des Herzindex.

  • In diesen Fällen gibt die Bestimmung der hämodynamischen Parameter – Herzindex, SVR, PAOP, Cardiac Power Output/ Cardiac Power Index (Kap. 4) – Aufschluss über die Persistenz des Schockgeschehens. Eine Nachlastsenkung bei erhöhtem SVR in Kombination mit einer vorsichtigen Volumengabe nach Nachlastsenkung kann die Katecholamindosis reduzieren bzw. in Einzelfällen überflüssig machen.

Abb. 4
figure 4

(eLV Abb. 3d) Algorithmus D. Diagnostik II – Persistierender Schock nach Revaskularisation? opt: PAOP optional: PAOP

Algorithmus E

Hämodynamische Steuerung der Schocktherapie

  • Ziel der hämodynamischen Steuerung bei persistierender Schocksymptomatik (Abb. 5) ist die Blutdruckstabilisierung zur Sicherstellung einer ausreichenden Perfusion der vitalen Organe. Um dieses Ziel bei ausreichender Vorlast und mit möglichst geringem Katecholamineinsatz zu erreichen, ist meist ein engmaschiges invasives hämodynamisches Monitoring notwendig (Kap. 4). Die Empfehlungen und Zielparameter (Abb. 5) beruhen v. a. auf Expertenkonsens und sind nicht oder nur mit geringem Evidenzgrad prognosevalidiert (Kap. 6.1.).

  • Die in Abb. 5 dargelegte Reihenfolge der Hämodynamiksteuerung (MAP, SVR, HI) orientiert sich an der klinischen Praxis, zunächst einen ausreichenden Blutdruck zu gewährleisten bzw. im Fall relativ erhöhter Blutdruckwerte das geschädigte Herz durch Nachlastsenkung zu entlasten. Der Zielkorridor für den arteriellen Mitteldruck wurde zwischen 65 und 75 mmHg gewählt, da in diesem Bereich bei dem Großteil der Patienten ein ausreichender Perfusionsdruck zur Verfügung steht. Mittel der Wahl zur Anhebung des MAP bei Werten unter 65 mmHg ist Noradrenalin .

  • Bei MAP-Werten oberhalb von 75 mmHg ist der erste Schritt die Reduktion der Katecholamine, insbesondere des Noradrenalins; bei weiterhin erhöhten Werten des MAP nach Beendigung der Therapie mit Noradrenalin und (evtl. auch mit Dobutamin) sollte eine Nachlastsenkung durch Nitrate oder Nitroprussidnatrium (NPN) erfolgen. Nach der Justierung des Blutdrucks wird die Nachlast durch Bestimmung des SVR geprüft. Im Fall einer relativ erhöhten Nachlast (SVR>800–1000dyn × s × cm-5) sollte ein vorsichtiger Versuch der Reduktion des Noradrenalins erfolgen bzw. die Nachlast durch NPN gesenkt werden. Bei systemischen Widerständen von <800–1000dyn × s × cm -5 wird die Medikation zunächst belassen. In beiden Fällen wird als weitere Maßnahme der Herzindex evaluiert.

  • Liegt bei einem MAP zwischen 65 und 75 mmHg und einem SVR um 900 dyn × s × cm -5 der Herzindex bei etwa 2,5 l × min -1  × m -2, so ist von einer ausreichenden Inotropie auszugehen. Problematisch ist jedoch die Konstellation, bei der zur Aufrechterhaltung eines MAP von 65 mmHg ein niedriger Herzindex vorliegt und sich somit ein hoher systemischer Widerstand errechnet. In diesem Fall (meist sind hier bereits hohe Noradrenalindosierungen notwendig) ist eine Reduktion der Nordrenalindosis häufig nicht möglich bzw. führt zu einem deutlichen Abfall des MAP. In dieser Konstellation ist die Gabe inotroper Substanzen, wie z. B. Levosimendan oder PDE-Hemmer, zu erwägen. Nach der Etablierung dieses hämodynamischen Zielkorridors ist eine regelmäßige Reevaluation der Hämodynamik notwendig; hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass nach Senkung der Nachlast häufig ein Volumenbedarf besteht, welcher ausgeglichen werden muss. Für das hämodynamische Monitoring herzchirurgischer Patienten wurden kürzlich eine eigene S3-Leitlinie publiziert [13], welche in dieser Leitlinie ausreichende Berücksichtigung findet.

Abb. 5
figure 5

(eLV Abb. 3e) Algorithmus E. Hämodynamische Steuerung der Schocktherapie

Algorithmus F

Atemunterstützung und MODS-Therapie

  • Auch im kardiogenen Schock kann zunächst eine nichtinvasive assistierte Beatmung mit Hilfe einer Maske versucht werden; gelingt hierdurch jedoch keine rasche ventilatorische Stabilisierung, besteht die Indikation zur maschinellen Beatmung (Abb. 6). Soweit die Hämodynamik nicht beeinträchtigt wird, sollte diese von Beginn an entsprechend den Kriterien einer lungenschonenden Beatmung erfolgen (Kap. 8.1.)– d. h. mit einem Atemzugvolumen von maximal 6 ml/kg prädiktivem Körpergewicht und einem Spitzendruck von maximal 30 mbar – wobei eine permissive Hyperkapnie toleriert werden kann. Nach der hämodynamischen Stabilisierung wird die Indikation zur Beatmung erneut evaluiert.

  • Sowohl für den spontan atmenden als auch den beatmeten Patienten im kardiogenen Schock ist die adäquate Therapie einer eventuellen Agitation, von Schmerzen und ggf. einer psychotischen Bewusstseinslage im Rahmen eines hirnorganischen Psychosyndroms notwendig. Hierbei sind eine Schmerzskala, der RASS-Score sowie der CAM-ICU zur Diagnostik wertvolle Instrumente.

  • Im Rahmen des MODS (Kap. 8 und 9) sollte eine Hyperglykämie mit Insulin behandelt werden (Zielwert des Blutzuckers <150mg/dl bzw. <8,3 mmol/l). Bei einem akuten Nierenversagen als Folge des kardiogenen Schocks sollte rechtzeitg ein Nierenersatzverfahren eingesetzt werden (kontinuierliche venovenöse Hämodialyse/Hämofiltration bzw. tägliche Dialyse).

Abb. 6
figure 6

(eLV Abb. 3f) Algorithmus F. Atemunterstützung und MODS-Therapie

Algorithmus G

Weaning

  • Ist eine hämodynamische Stabilität ohne oder zumindest nur mit geringen Katecholamindosen erreicht, kann der Weaningprozess (Kap. 8.1.6.) nach einem standardisierten und etablierten Weaningprotokoll erfolgen (Abb. 7).

  • Eine aktuelle Metaanalyse [293] propagiert die Gabe von Kortikoiden vor Extubation zur Vermeidung von Larynxödemen („numbers needed to treat“ {NNT} =11) und Reintubation {NNT =28}, v. a. bei Risikopatienten. Allerdings ist dafür eine mehrmalige Kortisongabe innerhalb der 12–24 h vor Extubation erforderlich [293]. Bezüglich intubierter IkS-Patienten liegen dazu noch keine Erfahrungen vor.

  • Nach überstandener Akutphase ist der Patient mit IkS im Rahmen der nachfolgenden Nachsorge und Rehabilitation – soweit noch nicht geschehen – einer sorgfältigen kardiovaskulären Risikostratifizierung und Risikofaktorbehandlung zuzuführen, mit Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Präventionsmaßnahmen (Kap. 10). Nicht wenige dieser Patienten profitieren in erheblichem Maß von diesem Gesamtkonzept und zeigen im weiteren Verlauf bei guter Lebensqualität eine nur wenig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion.

Abb. 7
figure 7

(eLV Abb. 3g) Algorithmus G. Weaning. (In Anlehnung an ein generelles Weaningschema nach [240], mod. für Patienten mit IkS)

4. Definition, Diagnostik und Monitoring

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 4. in Tab. 2.

Tab. 2 Leitlinienempfehlungen E 1–E 12: Definition, Diagnostik und Monitoring

4.1. Definition

  • Der kardiogene Schock ist durch eine kritische Verminderung der kardialen Pumpleistung mit konsekutiver Hypoperfusion und inadäquater Sauerstoffversorgung der Organe gekennzeichnet. Die Diagnose wird anhand klinischer und hämodynamischer Kriterien gestellt (E 1) und erfordert den Ausschluss anderer korrigierbarer Faktoren (z. B. Hypovolämie oder arterielle Hypoxie) sowie den gleichzeitigen Nachweis einer kardialen Dysfunktion [3].

  • Als infarktbedingter kardiogener Schock (IkS) wird ein kardiogener Schock bezeichnet, welcher im Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt (akuter ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt, STEMI, oder Non-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt, NSTEMI) auftritt [4, 5], aber auch – entsprechend der aktuellen universellen Definition des Myokardinfarkts [6] – jeder kardiogene Schock myokardischämischer Genese mit Troponinerhöhung.

  • Klinisch finden sich Zeichen der Kreislaufzentralisation [3] und Organdysfunktion wie

    • Agitiertheit,

    • blasse, kühle, schweißige Haut,

    • Zyanose und

    • Oligurie (Urinvolumen <20 ml/h).

  • Hämodynamisch werden – nach Ausschluss einer Hypovolämie – folgende Kriterien zugrunde gelegt [7, 8, 9, 10]:

    • systolischer Blutdruck <90 mmHg für mindestens 30 min

    • oder ein Blutdruckabfall um mindestens 30 mmHg vom Ausgangswert für mindestens 30 min.

    • Bei Patienten mit einem systolischen Blutdruck über 90 mmHg, die zur Stabilisierung des Blutdrucks Katecholamine und/oder eine intraaortale Ballongegenpulsation (IABP) benötigen, liegt bei entsprechenden klinischen Zeichen ebenfalls ein kardiogener Schock vor.

    • Parameter des erweiterten hämodynamischen Monitoring wie HZV/HI und PAOP (Kap. 4.3.4.) sind zur Diagnosestellung des kardiogenen Schocks nicht zwingend erforderlich (E 2).

    • In der SHOCK-Studie [10] wurden als hämodynamische Schockkriterien verwendet: HI <2,2 l × min-1 × m-2 + PAOP >15 mmHg.

4.2. Ätiologie

  • Die Tab. 3 zeigt die unterschiedlichen Schockursachen nach Herzinfarkt.

  • „IkS“ wird im Folgenden für den IkS infolge myokardialen Versagens („Linksherzversagen“ in Tab. 3) verwandt; andere Schockformen – wie z. B. infolge mechanischer Infarktkomplikationen – werden spezifiziert.

Tab. 3 (eLV 4.2.B.) Schockursachen bei 1422 Patienten mit kardiogenem Schock bei/nach Myokardinfarkt

4.3. Diagnostik und Monitoring (E 1–E 12)

  • Rasches Handeln ist notwendig (E 1)! Der IkS hat eine sehr hohe Letalität (≥50%), und jede Verzögerung der Diagnosestellung (Abb. 1, Abb. 4) in der Prähospital- und Hospitalphase erhöht das Risiko des Patienten zu versterben [1, 8]!

4.3.1. Basisdiagnostik

  • Die Diagnose eines IkS ergibt sich aus dem Vorliegen klinischer Zeichen und nichtinvasiver hämodynamischer Befunde eines kardiogenen Schocks in Verbindung mit einem Myokardinfarkt [4, 5].

  • Anamnese und Untersuchungsbefund bei Aufnahme Die genaue Erhebung der Krankenvorgeschichte (Patienten, Angehörige oder mitbehandelnde Ärzte) ist unverzichtbar, ebenso wie die der aktuellen Anamnese, die Eruierung der Medikamenteneinnahme und die körperliche Inspektion und Untersuchung.

  • Hierbei ist auf folgende Punkte besonders zu achten:

    • Vorgeschichte:

      • Kardiale Vorerkrankungen

      • Interventionen (Koronararterien, Karotiden, periphere Gefäße)

      • Kardiochirurgische Eingriffe

    • Aktuelle Medikation

    • Allgemeinzustand, Bewusstsein (Eintrübung, Unruhe)

    • Inspektion:

      • Hautzustand

      • Operationsnarben (Thorakotomie, Venenentnahmen)

    • Klinische Zeichen der Hypoperfusion:

      • Hautperfusion und Hautkolorit (blass, marmoriert)

      • Hauttemperatur (kühl, kalt-schweißig)

    • Pulsqualität und Herzrhythmus:

      • tachykard/bradykard

      • regulär/irregulär

      • peripheres Pulsdefizit

    • Auskultation der Lunge:

      • Lungenödem, Pleuraergüsse

    • Auskultation des Herzens:

      • abgeschwächte Herztöne,

      • 3. Herzton, Galopprhythmus

      • systolische Geräusche (Aortenklappenstenose, Mitralinsuffizienz, Ventrikelseptumdefekt)

      • diastolische Geräusche (Aorteninsuffizienz, Mitralklappenstenose)

    • Zeichen der Linksherzinsuffizienz:

      • Zeichen des Vorwärtsversagens (s. oben)

      • Lungenödem

    • Zeichen der Rechtsherzinsuffzienz:

      • Trias: Hinterwandinfarkt, Hypotension und Bradykardie

      • gestaute Halsvenen (Beobachtung in 15–30° Oberkörperhochlagerung), periphere Ödeme/Anasarka (eher im chronischen Zustand)

      • Hepatomegalie/Aszites (eher im chronischen Zustand)

      • abgeschwächtes Atemgeräusch basal (Pleuraergüsse), in Verbindung mit Linksherzversagen

4.3.2. Indikationen und Kategorien des Monitorings

  • Das Basismonitoring (E 3–E 11) ist für alle Patienten obligat, es schließt die zeitnahe Anwendung eines kardial-bildgebenden, bettseitigen Verfahrens mit ein.

  • Das erweiterte Monitoring (optional) ist denjenigen Patienten vorbehalten, die sich unter der Anwendung des Basismonitorings diagnostisch und therapeutisch nicht ausreichend führen lassen.

  • Die Invasivität der zu wählenden Verfahren muss sorgfältig im Rahmen einer Risiko-Nutzen-Abwägung geprüft und der Zeitabgriff bestimmter Parameter (kontinuierlich oder diskontinuierlich) festgelegt werden. Die Instabilität des Patienten bzw. die Wahrscheinlichkeit, dass ein vital bedrohliches Ereignis eintritt, sind hierbei die bestimmenden Faktoren.

  • Die Anlage eines zentralvenösen Venenkatheters ermöglicht eine sichere Katecholaminzufuhr und erleichtert wiederholte Blutentnahmen; sie sollte allerdings dringliche Therapiemaßnahmen, wie z. B. Reperfusionsmaßnahmen, nicht verzögern. Punktionsbedingte Blutungsrisiken (geplante systemische Fibrinolyse) sind zu beachten.

4.3.3. Basismonitoring (E 3–E 11)

4.3.3.1. Aussagen zu den Empfehlungs- und Evidenzgraden

  • Die Maßnahmen im Bereich des Basismonitoring werden durchweg mit einer hohen Empfehlungsstärke trotz nahezu fehlender Evidenz bewertet:

    • Alle genannten Maßnahmen entsprechen dem akzeptierten Standard im ärztlichen Alltag; es besteht allgemeiner Konsens der Teilnehmer für eine „Soll“-Empfehlung (↑↑) trotz der geringen Evidenz, gerechtfertigt im Sinne der Patientensicherheit.

4.3.3.2. Präklinisches Monitoring

  • Als obligate Bestandteile des präklinischen Monitorings bei IkS gelten:

    • körperliche Untersuchung und Anamneseerhebung

    • kardiovaskuläres Monitoring mit Blutdruck, Herzfrequenz und EKG

    • respiratorisches Monitoring mittels Pulsoxymetrie, Atemfrequenz und Atemmuster

    • 12-Ableitungs-EKG

    • Kapnometrie

    • Blutzucker-Schnelltest

4.3.3.3. Basismonitoring in der Notaufnahme und auf der Intensivstation

  • Das intrahospitale Basismonitoring – kontinuierlich oder verlaufsorientiert/intermittierend – kann als Weiterführung/Vervollständigung eines bereits präklinisch eingeleiteten Monitorings zur lückenlosen Patientenüberwachung betrachtet werden:

    • kardiovaskuläres Monitoring mit invasiver Blutdruckmessung, kontinuierlicher Herzfrequenz- und EKG-Ableitung inkl. 12-Ableitungs-EKG-Registrierungen (E 3–E 4) und Echokardiographie (E 5)

    • respiratorisches Monitoring mittels Pulsoxymetrie, Atemfrequenz, Atemmuster, ggf. Respiratormonitoring

    • Basislaboranalysen (E 8–E 10)

    • Röntgenaufnahme des Thorax (E 6)

    • Körpertemperaturmessung (E 7)

    • Ein- und Ausfuhrbilanzierung (Blasenkatheter)

4.3.3.4. Messung des ZVD

  • Der ZVD [12] korreliert bei schwer kranken Patienten nur unzureichend mit dem rechtsventrikulären enddiastolischen Volumen und ist daher als Vorlastparameter zur Steuerung der Therapie mit Volumen nicht geeignet bzw. soll nur unter Berücksichtigung weiterer klinischer Untersuchungsbefunde und Ergebnisse apparativer Messmethoden verwendet werdenFootnote 1.

  • Kommentar: Aufgrund divergierender Meinungen bzgl. der Wertigkeit des ZVD zur Evaluation der Vorlast wurde einstimmig beschlossen, die Aussage zum ZVD nicht – wie ursprünglich – als Empfehlung zu formulieren, sondern lediglich eine erläuternde Feststelllung abzugeben. Die ÖKG hält eine routinemäßige Messung des ZVD im kardiogenen Schock für nicht notwendig.

4.3.4. Erweitertes hämodynamisches Monitoring

  • Zur Therapiebeurteilung und Verlaufskontrolle des Patienten im kardiogenen Schock ist die Kenntnis des HZV zwingend erforderlich (E 12): Das HZV ist die Regelgröße des Herz-Kreislauf-Systems und wird im Wesentlichen durch Vorlast, Nachlast und Kontraktilität sowie die Herzfrequenz bestimmt. Klassische klinische Zeichen wie Blutdruck, Urinausscheidung, Halsvenenfüllung, Hautperfusion und Hautturgor erlauben keine zuverlässige Einschätzung der Hämodynamik beim schwerkranken Intensivpatienten (eLV 50).

4.3.4.1. Pulmonalarterienkatheter-Monitoring

  • Der PAK ist weiterhin ein Grundpfeiler der erweiterten hämodynamischen Überwachung (eLV 51), nach internationaler Empfehlung [14] zur Steuerung der medikamentösen Therapie und der mechanischen Kreislaufunterstützung indiziert bei:

    • kompliziert verlaufendem Linksherzinfarkt

    • Rechtsherzinfarkt

    • Vorwärtsversagen mit Hypotonie und Oligurie

    • Rückwärtsversagen mit Dyspnoe und Hypoxämie

    • akutem Lungenödem

    • Unterscheidung von kardialem und nichtkardialem Schock

  • Betont werden muss allerdings, dass ein prognostischer Nutzen des PAK-Monitoring bisher nicht gezeigt worden ist, weder bei kardiogenem Schock noch bei akuter Herzinsuffizienz [15] oder anderen Intensivpatienten [16], sieht man von dem Nutzen bei schwer traumatisierten Patienten (eLV 56) einmal ab. Andererseits fand sich aber in mehreren aktuellen kontrollierten Studien auch nicht die propagierte Übersterblichkeit als Folge von Komplikationen des PAK-Monitoring [16].

  • Therapieziele (s. auch Kap. 6.1.2. und Abb. 5) bei der Steuerung der Hämodynamik mit dem PAK sind:

    • HI >2,5 l × min-1 × m-2

    • SVR zwischen 800–1000 dyn × s × cm-5

    • MAP 65–75 mmHg

    • optional: PAOP <18–22 mmHg (unter Berücksichtigung des PEEP)

4.3.4.2. Arterielle Pulskonturanalyse mittels PiCCO-System

  • Das „PiCCO-System“ (eLV 57) ermöglicht neben der HZV-Messung auch die Bestimmung des intrathorakalen Blutvolumens (ITBV) und des globalen enddiastolischen Volumens (GEDV), welche möglicherweise sogar besser die Vorlast des linken Herzens widerspiegeln als der PAOP. Nicht möglich mit diesem System ist die Bestimmung der Drücke im kleinen Kreislauf sowie des pulmonalen Gefäßwiderstands. Die klinische Validierung und Wertigkeit dieses Monitoringverfahrens bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz liegt vor [17], nicht jedoch mit kardiogenem Schock. In der einzigen prospektiven Studie, welche bisher den Nutzen des PiCCO-Monitorings mit dem des PAK-Monitorings bei 331 kritisch kranken Patienten verglichen hatte [18], zeigten sich lediglich eine längere Beatmungsdauer und eine höhere – zu hohe? – Flüssigkeitszufuhr in der PiCCO-Gruppe; Unterschiede in prognostisch relevanten Zielkriterien wie z. B. der Krankenhausletalität fanden sich nicht.

  • Bei Patienten mit IABP wird die Pulskontur durch die diastolische Insufflation gravierend verändert; in dieser Situation ist die HZV-Bestimmung mit Pulskonturanalyse (z. B. mit dem PiCCO-System) nicht zuverlässig und auch nicht validiert.

4.3.4.3. Cardiac Power (Output)/Cardiac Power Index

  • Das Herz ist eine muskuläre mechanische Pumpe, die sowohl Fluss (HZV/HI) als auch Druck (MAP) generieren kann. Diese kombinierte Druck- und Flussarbeit berücksichtigt der „Cardiac Power (Output)/Cardiac Power Index“ [19]:

CP(O) (W) = HZV × MAD × 0,0022

bzw. CPI (W/m 2 ) = HI × MAD × 0,0022

  • Patienten mit kardiogenem Schock besitzen einen CPI von 0,1–0,4 W/m2, wohingegen der Normalbereich bei 0,5–0,7 liegt (s. auch Kap. 6.1. und Abb. 5). Bei 541 Patienten des SHOCK-Trial-Registers [20] war der CP(O) nach Anpassung an Alter und Hypertonie der aussagekräftigste unabhängige hämodynamische Prädiktor der Krankenhaussterblichkeit: je niedriger der CP(O), desto höher die Sterblichkeit [20, 21]. Dies wurde generell bei Patienten mit akuten kardialen Erkrankungen bestätigt [21].

  • Die Berechnung nicht nur des CPI – als Maß der linksventrikulären Herzarbeit – sondern auch des rechtsventrikulären CPI (rvCPI = MPAP × HI × 0,0022) –als Maß der rechtsventrikulären Herzarbeit – erlaubt eine differenziertere Einschätzung sowohl der links- als auch der rechtsventrikulären Funktionseinschränkung im kardiogenen Schock [22]: ein mindestens 30%iger Anstieg des rvCPI innerhalb der ersten 24 h korreliert mit einer höheren Überlebensrate [22].

4.3.4.4. Venöse Oxymetrie

  • Die venöse Oxymetrie mit Messung der gemischtvenösen (SvO2, A. pulmonalis) bzw. zentralvenösen (SzvO2, V. cava sup.) Sauerstoffsättigung ist bei der Therapiesteuerung des septischen Schocks validiert und etabliert [23], weniger jedoch bei der des kardiogenen Schocks. Vorschläge für den Einsatz von SzvO2/SvO2 zur Therapiesteuerung beim Patienten mit IkS finden sich in Kap. 6.1. und Abb. 5.

4.3.4.5. Monitoring der Mikrozirkulation

  • Noch kein Standardverfahren, jedoch erfolgversprechend, ist das Monitoring der Mikrozirkulation der Mundhöhlenschleimhaut [24] von Schockpatienten (s. eLV und eLV 64–74).

4.4. Prädiktoren des Auftretens eines infarktbedingten kardiogenen Schocks

  • Bei ACS-Patienten können klinische Prädiktionsmodelle das Auftreten eines kardiogenen Schocks mit Wahrscheinlichkeit vorhersagen (Tab. 4.4.A./B. in eLV und eLV 75,76), ebenso ein abnormer Nüchternblutzuckerspiegel [25].

4.5. Prädiktoren der 30-Tage-Letalität der Patienten mit infarktbedingtem kardiogem Schock

  • Eine retrospektive Analyse der TRIUMPH-Studie [9] mit 396 Patienten mit IkS und erfolgreicher PCI hat als Prädiktoren der 30-Tage-Letalität (45,5%) den systolischen Blutdruck, die Kreatininclearance und den Vasopressorenbedarf identifiziert [26].

5. Frühestmögliche Koronarreperfusion

  • Die frühestmögliche Koronarreperfusion – i. d. R. mittels PCI – ist die wichtigste, effektivste und prognoseentscheidende Therapiemaßnahme bei IkS!

  • Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen der Kap. 5.1.–5.4. in Tab. 4.

Tab. 4 Leitlinienempfehlungen E 13–E 29: Frühestmögliche Koronarperfusion

5.1. Perkutane Koronarintervention (PCI; E 13–E 20)

  • Die frühestmögliche PCI (Abb. 3) ist bei Patienten mit IkS die wichtigste und prognostisch am besten evidenzabgesicherte (eLV Tab. 5.1.3.) Maßnahme (E 13)!

5.1.1. Angiographische Charakteristika und klinische Korrelationen

  • Die mittlere Zeitdauer bis zum Auftreten eines IkS liegt bei 6,2 h nach Symptomenbeginn und variiert je nach verschlossenem Koronargefäß (eLV Tab. 5.1.1.A.) im Mittel von 1,7 h (LCA-Hauptstamm) bis 10,9 h (venöser Bypass; [28, 29, 30]). Auch Sterblichkeit (35–70%) und Reinfarktrate (19–42%) variieren in Abhängigkeit vom betroffenen Koronargefäß (eLV Tab. 5.1.1.B.)

5.1.2. Ergebnisse der Akut-PCI

  • Die Überlegenheit des Konzepts der frühestmöglichen koronaren Revaskularisation ist spätestens seit dem randomisierten SHOCK-Trial [10, 31] evident. Die frühzeitige Wiederherstellung einer adäquaten koronaren Perfusion ist ein wesentlicher Prädiktor für das nachfolgende Langzeitüberleben [27].

  • Wenn auch der primär angestrebte Endpunkt , die 30-Tage-Gesamtsterblichkeit, lediglich einen Trend zugunsten der frühen Revaskularisation (Überlebende: PCI/ACB: 56,0 vs. 46,7%; p=0,11) aufwies, zeigten der sekundäre Endpunkt „6-Monats-Überleben (PCI/ACB vs. medikamentös-konservatives Prozedere: 63;1 vs. 50,3%, p=0,027; [10]) und auch die Ergebnisse nach 12 Monaten (Abb. 8; 46,7 vs. 33,6%; p<0,03; [31]) sowie nach 6 Jahren (32,8 vs. 19,6%; p=0,03; [27]) die Evidenz für das Konzept der Wiedereröffnung des verschlossenen Koronargefäßes („IRA-Patency“; s. auch Tab. 5.1.2. und 5.1.3. in der eLV). Patienten mit erfolgter Akutrevaskularisation zeigten im SHOCK-Trial eine verbesserte Ein-Jahres-Überlebensrate, wobei pro 1000 behandelter Patienten 132 Leben gerettet werden konnten [31].

  • Prognostische Faktoren für die 30-Tage-Letalität waren in der TRIUMPH-Studie [26] bei univariabler Betrachtung: Lebensalter; Hochdruck, Myokardinfarkt, ACB und Schlaganfall in der Vorgeschichte; initial niedriger Hämoglobinspiegel, niedrige Thrombzytenzahl und reduzierte Kreatininclearance; Zeitintervall von Infarktbeginn bis Wiederherstellung des Flusses in der Infarkt-Koronarie; niedriger RRsyst. unter Vasopressorentherapie; Zahl der Vasopressoren; Noradrenalindosierung und Inotropika-Einsatz. Bei Einbeziehung multivariabler Betrachtungsweisen kristallisieren sich der initiale systolische Blutdruck unter Vasopressorentherapie, die Kreatininclearance-Einschränkung und die Zahl der eingesetzten Vasopressoren als die wesentlichen Letalitätsprädiktoren heraus [26]. Erfahrungsgemäß ist auch eine der Revaskularisation vorausgegangene kardiopulmonale Reanimation mit einem ungünstigen Verlauf assoziiert (s. auch Kap. 7.3.).

  • Ein-Jahres-Überlebende eines IkS haben in der Mehrzahl nur eine leichte bis mäßige Herzinsuffizienz, wobei sich auch hier ein Vorteil für die revaskularisierten Patienten ergibt (s. auch eLV Abb. 5.1.2.2.): 83% der Ein-Jahres-Überlebenden zeigten nur ein leichtes bzw. mäßiges Herzinsuffizienzstadium (NYHA I, II; [31, 32]; s. auch [33, 34, 35]). Im deutschsprachigen Raum ist die Akut-PCI für Schockpatienten in zahlreichen Krankenhäusern verfügbar [36].

Abb. 8
figure 8

(eLV 5.1.2.A.) 12-Monats-Überlebenskurven bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock in Abhängigkeit von der Therapieform. Bei Patienten mit IkS zeigen die Kaplan-Meier-Überlebenskurven nach 12 Monaten ein signifikant (p=0,04) besseres Überleben in der Gruppe der frühen Revaskularisation („early revascularisation“, ERV) im Vergleich zu der initial medikamentös behandelten Patientengruppe („initial medical stabilization“, IMS). (Aus [31])

5.1.3. Einsatz von GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bei der PCI

Siehe Kap. 5.4.1.

5.1.4. Adjunktive PCI nach Lysetherapie

Siehe Kap. 5.2.2.

5.1.5. Intrakoronares Stenting (E 14)

  • Bei Patienten mit STEMI senkt die koronare Stentimplantation im Vergleich zur alleinigen Ballonangioplastie die Häufigkeit nachfolgender Reinterventionen wie PCI oder ACB [37, 38]. Je höher das Letalitätsrisiko, umso wahrscheinlicher profitiert der Patient dann auch von einer Stentimplantation [38].

  • Im GRACE-Register [39] war bei Patienten mit IkS die PCI mittels intrakoronarer Stentimplantation der stärkste unabhängige Prädiktor im Hinblick auf das Überleben bzw. die Senkung der Krankenhaussterblichkeit (OR=3,99, 95%-KI=2,41–6,62).

  • Offensichtlich besonders günstig ist der Einsatz intrakoronarer Stents in Kombination mit dem GPIIb/III-RA Abciximab [40, 41].

  • In aktuellen Vergleichsstudien von DES mit BMS bei Patienten mit akutem Herzinfarkt waren Hochrisikopatienten (mit kardiogenem Schock, mit linkskoronarer Hauptstammstenose und mit schwerer Mehrgefäßerkrankung) weitgehend ausgeschlossen worden, sodass zur Frage des Einsatzes beschichteter Stents bei Patienten mit IkS derzeit noch keine evidenzgesicherte Aussage getroffen werden kann (eLV 95–100).

5.1.6. Revaskularisation bei komplexem Koronarbefund und nicht erfolgreicher PCI

  • Im SHOCK-Trial hatten 20% der IkS-Patienten eine LCA-Hauptstammstenose und 64% eine koronare 3-Gefäß-Erkrankung [10]. Diese Patienten stellen für die Revakularisation eine besondere Herausforderung dar. Die Etablierung regionaler Herzinfarkt-Netzwerke kann gerade bei diesen Risikopatienten durch eine Verkürzung der Symptom-Interventions-Zeit zur raschen und effektiven Revaskularisationsbehandlung beitragen. Im individuellen Fall ist die Wahl des Revaskularisationsvorgehens – PCI oder ACB – im Dialog von Kardiologen und Herzchirurgen zu treffen.

  • Linkskoronare Hauptstammstenose (E 15)

    • Patienten ohne infarktbedingten kardiogenen Schock:

      • Basierend insbesondere auf den Ergebnissen der SYNTAX-Studie [42] empfiehlt die ESC-Myokard-Revaskularisations-Leitlinie [43] bei Patienten mit stabiler KHK im Fall einer LCA-Hauptstammstenose das operative Vorgehen gegenüber der PCI (Empfehlungsgrad I (ACB) vs. IIa, IIb, III (PCI) je nach Konstellation).

      • In einer kleineren PCI-Serie mit intrakoronarer Stentimplantation bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt und linkskoronarer Hauptstammstenose [44] war ein bereits vor der PCI bestehender guter TIMI-Flussgrad (≥2) mit einer günstigen Prognose verbunden.

    • Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock

      • Fallberichte vor [45, 46, 47] berichten über positive Ergebnisse.

  • Mehrgefäß-PCI (E 16)

    • Ob in der Akutphase des kardiogenen Schocks eine Mehrgefäß-PCI im Gegensatz zur Infarktgefäß-Intervention (Eingefäß-PCI) vorteilhaft ist, bleibt unklar. In einer Subgruppenanalyse des SHOCK-Trial ([48], Diskussion in eLV) lag die Ein-Jahres-Überlebensrate nach Eingefäß-PCI günstiger als nach einer Mehrgefäßl-PCI (55 vs. 20%; p=0,048). Die ESC-Revaskularisations-Leitlinie [43] favorisiert beim IkS eine komplette Revaskularisation.

    • Aufgrund einer Subgruppenanalyse der SHOCK-Studie scheint die Mehrgefäß-PCI der operativen Revaskularisation gleichwertig zu sein [49]: die Ein-Jahres-Letalität bei Patienten mit Hauptstammstenose und/oder Mehrgefäßerkrankung war nicht unterschiedlich (PCI, n=81: 48,1%; ACB, n=47: 53,2%; p=0,71).

  • Nicht erfolgreiche PCI (E 17)

    • In diesen Fällen sollte stets die operative Revaskularisation angestrebt werden (s. auch Kap. 5.3.1.).

  • Prävention der distalen Embolisierung bei PCI

    • Die ESC-Myokardrevaskularisations-Leitlinie [43] gibt der Thrombusaspiration bei STEMI [5, 50] eine Klasse IIa/A-Empfehlung. In einer kleinen monozentrischen retrospektiven Analyse ist über günstige Effekte einer Thrombusaspiration bei IkS-Patienten berichtet worden [51].

5.1.7. Prognosefaktoren Diabetes, Alter und Geschlecht

  • Diabetes mellitus (E 18)

Diabetiker mit IkS profitieren risikoadjustiert in gleichem Umfang wie Nichtdiabetiker von einer Akutrevaskularisation [52].

  • Lebensalter (E 19)

    • Im SHOCK-Trial fiel bei den unter 75-jährigen Patienten der Unterschied zugunsten der frühen Revaskularisation signifikant aus (51,6% Überlebende in der Gruppe der Frührevaskularisation vs. 33,3% in der Gruppe der medikamentös-konservativ behandelten Patienten, [31]). Ab einem Alter von 75 Jahren fand sich dann jedoch kein signifikanter Überlebensvorteil bei den Patienten mit früher Revaskularisation (Überlebensrate 20,8% {Revaskularisation} und 24,4% {medikamentös-konservativ}, [31]). Allerdings waren nur 56 (18,5%) der Patienten ≥75 Jahre.

    • Zusätzliche Auswertungen des SHOCK-Trial, des SHOCK-Trial-Registers sowie weiterer Untersuchungen [26, 27, 31, 35, 53, 54, 55] dokumentierten dann aber auch einen Behandlungsvorteil bis zu 6 Jahren nach dem Infarkt für Patienten in höherem Alter, im SHOCK-Trial nicht nur für die PCI, sondern auch für die ACB [49].

  • Geschlecht (E 20) Obwohl bei den Frauen mit IkS im SHOCK-Trial-Register weitaus mehr ungünstige Komorbiditätseffekte vorlagen, profitierten sie in vergleichbarer Weise von einer frühen Revaskularisationstherapie wie Männer [56]. Auch in der TRIUMPH-Studie [26] war die Prognose bei Frauen nicht ungünstiger als bei Männern.

5.2. Systemische Fibrinolyse (E 21, E 22)

  • Mit der systemischen Fibrinolyse (Abb. 3) begann die Ära der erfolgreichen Reperfusionsstrategie bei akutem Myokardinfarkt, welche besonders wirksam beim Einsatz in der Prähospitalphase zu sein scheint [57, 58].

5.2.1. Fibrinolyse zur Schockprophylaxe

  • In den placebokontrollierten randomisierten Studien führt der frühzeitige Einsatz der fibrinolytischen Therapie zu einer signifikanten Verringerung des Auftretens eines kardiogenen Schocks bei Patienten mit ST-Hebungs-Infarkt [59]. In der CAPTIM-Studie haben sich Hinweise für eine Reduzierung der Schockinzidenz bei sehr frühzeitiger prähospitaler Einleitung der Fibrinolyse im Vergleich zur Primär-PCI ergeben [60].

5.2.2. Fibrinolyse bei manifestem Schock

  • Patienten mit Schock in der Initialphase des STEMI

    • Zur fibrinolytischen Therapie bei Patienten mit bereits eingetretenen Schock gibt es nur wenige und widersprüchliche Daten: sowohl nur geringe [61, 62, 63] als auch besonders ausgeprägte [59] therapeutische Effekte sind beschrieben worden.

    • Im SHOCK-Trial war die Gabe eines Fibrinolytikums in der Gruppe der initial konservativ geführten Patienten mit einer signifikanten Senkung der Ein-Jahres-Sterblichkeit verbunden (60 vs. 78%, p=0,01), ohne Zunahme schwerer Blutungskomplikationen [64]. Im größeren SHOCK-Trial-Register lag die Sterblichkeit der lysierten Patienten, welche zusätzlich mit der IABP behandelt worden waren, im Vergleich (eLV Abb. 5.2.2.) am niedrigsten [65]. Eindrucksvoll zeigte sich aber auch in allen diesen Untergruppen die signifikante Überlegenheit der Revaskularisation (PCI/ACB).

    • Nach primärer systemischer Fibrinolyse erscheint eine mechanische Kreislaufunterstützung sowie die frühe invasive Diagnostik und interventionelle Therapie sinnvoll [60, 61]. Wegen der hohen IkS-Sterblichkeit von 70–80% ohne jegliche Reperfusionstherapie sollten die Kontraindikationen für eine systemische Fibrinolysebehandlung sehr eng gefasst werden.

    • Zahlreiche Fibrinolytika (Streptokinase, Gewebe-Plasminogen-Aktivator (t-PA), APSAC, u. a.; [5, 62]) sind bei Patienten mit IkS eingesetzt worden, ohne erkennbare spezifische Unterschiede. Viel entscheidender ist der möglichst rasche Behandlungsbegin schon in der Prähospitalphase [57].

    • Zur Frage einer systemischen Fibrinolysetherapie bei Patienten mit IkS vor einer – zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführenden – geplanten PCI („adjunktive Fibrinolyse-Behandlung“) fanden sich keine validen Studiendaten.

    • Im SHOCK-Trial war der zusätzliche Einsatz der IABP bei einer initialen systemischen Fibrinolysetherapie mit einem besseren Überleben nach 12 Monaten ohne vermehrte Blutungskomplikationen assoziiert [64], weshalb der IABP-Einsatz generell bei systemischer Fibrinolyse empfohlen werden kann (s. Kap. 6.2.).

    • Bei Patienten des „National Registry of Myocardial Infarction“ [66], bei denen eine fibrinolytische Therapie durchgeführt worden war, senkte die IABP die Letalität von 67 auf 49%, nicht jedoch in der Angioplastiegruppe (45 vs. 47%; [66]; s. auch Kap. 6.2.).

5.2.3. Patienten mit protrahiertem Schock nach der Initialpase des STEMI

  • Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt und protrahiertem Schock, mit Schockbeginn mehr als 6 h nach Herzinfarktsymptombeginn, erscheint eine systemische Fibrinolyse wegen der nachlassenden Effektivität mit zunehmender Ischämiedauer [67] nicht mehr empfehlenswert.

5.2.4. Fibrinolyse bei kardiopulmonaler Reanimation im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts

(Siehe auch Kap. 7.3.)

  • Die bisher vorliegenden Daten zur Fibrinolyse nach Reanimation zeigen keine wesentliche Zunahme schwerer Blutungskomplikationen [68].

  • Die TROICA(Thrombolysis in Cardiac Arrest)-Studie [69] hat allerdings gezeigt, dass die Fibrinolyse nach Reanimation – d. h. ohne nachgewiesenen Myokardinfarkt und ohne Lungenembolie – die Letalität nicht senken kann.

5.3. Operative Koronarrevaskularisation (E 23)

  • Die Ergebnisse des SHOCK-Trial und des SHOCK-Trial-Registers haben wichtige Erkenntnisse über den Stellenwert der ACB bei IkS-Patienten erbracht (Abb. 3).

5.3.1. Die Rolle der Notfall-Bypassversorgung (ACB; E 23)

  • Die Notfallrevaskularisierung bei IkS ist i. d. R. die PCI (s. Kap. 5.1.).

  • Die Rolle der chirurgischen Myokardrevaskularisierung im kardiogenen Schock wird immer noch kontrovers diskutiert [70, 71, 72]. Die Letalität der Bypassoperation ist in der Frühphase nach Myokardinfarkt gegenüber einem späteren Zeitpunkt deutlich erhöht. Nach einer ersten Studie aus den 1970er-Jahren [73], in der die postoperative Letalität bis zu 40% betrug, wurde die Empfehlung ausgesprochen, eine 6-wöchige Latenzzeit zwischen Myokardinfarkt und Bypassoperation verstreichen zu lassen. Neuere Operationstechniken deuten eine Verminderung des chirurgischen Risikos an (eLV 137–140). Angesichts der immer noch bestehenden hohen Letalität der akuten chirurgischen Revaskularisierung stellt sich die Frage, ob sich das Letalitätsrisko des Spontanverlaufs durch eine Bypassoperation absenken lässt. Für den Patienten mit IkS ohne frühe Revaskularisierung wird die 6-Monats-Letalität mit 63% angegeben [10].

  • Eine aktuelle risikoadjustierte monozentrische retrospektive Auswertung beschreibt eine geringere Letalität derjenigen IkS-Patienten mit komplexer KHK (3-Gefäß-Krankheit), bei denen nach der initialen PCI noch eine ACB angeschlossen worden war (30-Tage-Letalität 40,9 vs. 20,5%) [74].

  • Aufbauend auf den Daten des SHOCK-Trial [31, 75] sollte der Patient unverzüglich mittels Bypassoperation versorgt werden, wenn relevante revaskularisationspflichtige/-würdige Stenosen in Form einer schweren koronaren 3-Gefäß-Erkrankung oder einer Hauptstammstenose zusätzlich zum IRA-Gefäß vorliegen (E 23). Als günstiges Zeitfenster für die Operation werden ≤8–12 h nach Symptomenbeginn für die Wiederherstellung der Koronardurchblutung angesehen, oder dann wieder ab dem 7. Tag nach Ereignis. Zu diesem Zeitpunkt besteht ein fast wieder normalisiertes Risiko [76, 77].

5.3.2. Prognosefaktoren

Siehe eLV und (eLV 144–146).

5.3.3. Spezifika der ACB-Operation bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock

Siehe eLV und (eLV 140, 147, 148,149).

5.4. Begleittherapie der Revaskularisation mit gerinnungsaktiven Substanzen (E 24–E 29)

5.4.1. Thrombozytenfunktionshemmer

  • Acetylsalicylsäure (ASS; E 24)

    • ASS (Abb. 3) wirkt über die Hemmung der Thromboxansynthese. Mit einer „loading dose“ von 250–500 mg i.v. lässt sich innerhalb von 10 min eine effektive Thrombozytenaggregationshemmung erzielen. In der ISIS-2 [78] und in anderen Studien [79] war ASS additiv zur Fibrinolyse wirksam, ohne dass eine Zunahme schwerer Blutungskomplikationen beobachtet worden war [79]. Auch bei PCI reduziert ASS die Rate ischämischer Komplikationen.

  • Thienopyridine

    • Clopidogrel und Ticlopidin hemmen die ADP-induzierte Thrombozytenaggregation und sind daher synergistisch mit ASS wirksam.

    • Mit einer „loading dose“ von 600 mg p.o . lässt sich innerhalb von 2 h eine effektive Thrombozytenaggregationshemmung erzielen.

    • Die bisherigen Erfahrungen beziehen sich weitestgehend auf den Einsatz vor und nach PCI – insbesondere mit Stentimplantation – und bei Patienten mit akuten koronaren Syndromen [80, 81].

    • Bei STEMI-Infarktpatienten mit ausschließlicher (CLARITY-Studie, [82]) oder überwiegender (COMMIT-Studie, [83]) Fibrinolysetherapie ohne PCI erhöhte die Gabe von Clopidogrel die Offenheitsrate des Infarkt-Koronargefäßes und senkte die Letalität.

    • In der Commit-Studie [83] konnte Clopidogrel das Auftreten eines IkS während der Krankenhausphase nicht signifikant senken (mit Clopidogrel 4,3%; ohne Clopidogrel 4,6%; p=0,15).

    • Clopidogrel, insbesondere eine „loading dose“ von 600 mg nach Entscheidung zur PCI, führt zu einem schnelleren Wirkungseintritt und hat weniger schwere Nebenwirkungen als Ticlopidin [84, 85]. Daher ist diese Substanz zu bevorzugen und bei allen Patienten mit PCI im Schock indiziert (E 25).

    • Studienerfahrungen mit Prasugrel liegen für Patienten mit ACS [86], nicht jedoch für IkS-Patienten vor.

  • Glycoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten (GP IIb/IIIa RA; E 26)

    • Die effektivste und vollständigste Hemmung der Thrombozytenfunktion gelingt mit der i.v.-Gabe von Inhibitoren des Thrombozyten-Glycoprotein-IIb/IIIa-Rezeptors.

    • Die umfangreichsten Erfahrungen bei IkS-Patienten liegen für den monoklonalen Antikörper Abciximab vor [37, 87, 88, 89]; weitere GPIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten: s. eLV (spärliche Datenlage).

      • Bei IkS-Patienten war in nichtrandomisierten Vergleichen sowie in einer Metaanalyse der Einsatz von Abciximab mit einer Senkung der Sterblichkeit verbunden ([40, 41, 90, 91, 92]; eLV Abb. 5.4.1.).

      • Ein wesentlicher Anstieg schwerer Blutungskomplikationen war dabei nicht zu beobachten.

5.4.2. Thrombinhemmer

  • Unfraktioniertes Heparin

    • Der Standard ist nach wie vor unfraktioniertes Heparin (E 27).

      • Bei primärer PCI ist unfraktioniertes Heparin mit einer Ziel-ACT von 250–350 s (in der Regel i.v.-Bolusgabe von 5000–10.000 U, 70–100 IE/kg) i.v. zu verabreichen ([93]; E-28). Die Heparininfusion ist über 24–48 h fortzusetzen.

      • Im Fall einer systemischen Fibrinolyse empfiehlt sich ein Bolus von 60 IE/kg (maximal 4000 IE), gefolgt von einer Infusion von 12 IE/kg/h über 48–96 h, mit einer Ziel-aPTT von 50–70 s [94]. Die aPTT ist nach 3 und 6 h zu kontrollieren und die Heparininfusion dementsprechend anzupassen.

  • Eingeschränkte Heparinresorption nach s.c.-Gabe bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock

    • Die Wirksamkeit der s.c.-Gabe von unfraktioniertem Heparin oder niedermolekularem Heparin kann bei Patienten mit einem niedrigen HZV oder bei Patienten, welche Vasopressoren erhalten, durch eine verminderte Resorption beeinträchtigt sein, wie anhand der erniedrigten Anti-Xa-Spiegel nach s.c.-Gabe von niedermolekularem Heparin gezeigt worden ist [95, 96, 97, 98]. Der klinische Stellenwert dieses Laborbefunds bei Intensivpatienten ist allerdings noch offen [95].

    • In Anbetracht der möglichen Resorptionsprobleme sollte bei Patienten mit IkS auf den Einsatz von s.c. zu applizierendem niedermolekularem Heparin verzichtet werden (E 29). Es muss allerdings auch betont werden, dass die i.v.-Heparingabe zur Thromboseprophylaxe nicht prospektiv validiert ist [99], obwohl die Gabe von intravenösem Heparin mit einem signifikant geringeren Thromboembolierisiko verknüpft ist [99].

6. Herz-Kreislauf-Unterstützung

  • Neben der möglichst raschen Wiedereröffnung des verschlossenen Infarkt-Koronargefäßes (Kap. 5) ist die Aufrechterhaltung einer adäquaten Organperfusion mittels medikamentöser und mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützung (Kap. 6) der zweite wichtige Eckpfeiler der Behandlung des Patienten mit IkS. Gelingt es nicht, eine adäquate Organperfusion zu sichern, so muss mit dem Auftreten eines MODS (Kap. 8) gerechnet werden, welches letztendlich die ungünstige Prognose des Patienten mit IkS bestimmt.

6.1. Medikamentöse Herz-Kreislauf-Unterstützung (E 30–E 43)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 6.1. in Tab. 5.

Tab. 5 Leitlinienempfehlungen E 30–E 43: Medikamentöse Herz-Kreislauf-Unterstützung

Anmerkung

E 39: Die Empfehlung wurde mehrheitlich getragen, mit einer Stimmenthaltung.

E 42: ÖGK und ÖGIAM bevorzugen die Therapie mit Nitroglyzerin gegenüber der Therapie mit Nitroprussidnatrium.

6.1.1. Konzept der medikamentösen Herz-Kreislauf-Unterstützung

  • In der Initialphase des IkS sollen Hämodynamik und Atmung/Beatmung soweit stabilisiert werden (Abb. 2), dass eine Koronarangiographie und ggf. PCI (s. Kap. 5.1.) ohne Zeitverzug möglich ist. Zu diesem Zeitpunkt ist meist noch kein erweitertes hämodynamisches Monitoring vorhanden, sodass die Herz-Kreislauf-Stabilisierung mit einem Inotropikum (Dobutamin) und ggf. mit einem Vasopressor (Noradrenalin) nach klinischen und hämodynamischen Kriterien (MAP, Herzfrequenz) erfolgen muss, sowohl in der Hospital- als auch in der Prähospitalphase (E 30).

  • Therapieziel der medikamentösen Herz-Kreislauf-Unterstützung bei Schockpersistenz nach PCI (E 31) ist die Verbesserung der Perfusion und des O2-Angebots des Herzens und der vitalen Organe, ohne dabei den O2-Verbrauch des Herzens inadäquat zu erhöhen.

6.1.2. Pathophysiologische Überlegungen, Zielkorridore und Therapieoptionen

  • Das „Druck- und Fluss-Konzept“ mit seinen Zielkorridoren (E 32, E 33) möchte nicht nur einen ausreichenden Blutdruck, sondern auch eine ausreichende Perfusion sicherstellen (Abb. 5).

  • Katecholamine sollten nur so lange wie notwendig und nur in der unbedingt erforderlichen Dosierung eingesetzt werden (E 34, E 35, E 39–E 41), da hohe Katecholamindosen bzw. prolongierte Katecholamingaben über einen erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch kardiotoxische Effekte haben, im Herzen proinflammatorisch wirken und schließlich auch über vermehrte Rhythmusstörungen die Letalität bei höhergradiger akuter als auch chronischer Herzinsuffizienz erhöhen können [100, 101].

  • Der Kalziumsensitizer Levosimendan (E 36, E 38) und Phosphodiesterase-III-Hemmer (E 37, E 38) stellen Therapieoptionen bei katecholaminrefraktärer links- und rechtsventrikulärer Pumpfunktionseinschränkung dar.

  • Das Einsatzspektrum der Vasodilatatoren (Nitroglyzerin, Nitroprussidnatrium; E 42) liegt v. a. bei IkS-Patienten mit Rückwärtsversagen, bei denen man meist relativ erhöhte systemische Gefäßwiderstände vorfindet.

  • In den letzen Jahren zeichnet sich bei der Therapie der akuten Herzinsuffizienz, sowohl mit dem Bild des kardiogenen Schocks als auch mit dem des akuten Lungenödems ein Paradigmenwechsel ab: weg von der reinen Stimulation der Ventrikel hin zu deren Entlastung durch Senkung der Nachlast.

6.1.3. Inotrop-vasoaktive Substanzen

6.1.3.1. Dobutamin (E 34, E 40)

  • Dosierung: Therapie mit 2–3 µg × kg-1 × min-1 beginnen, Titration nach Wirkung. Im Bereich von 2,5–10 µg × kg-1 × min-1 besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung; die zusätzliche Wirksteigerung bei Dosierungen >20 µg × kg-1 × min-1 erscheint fraglich. Bei mit β-Blockern behandelter vorbestehender chronischer Herzinsuffizienz sind oft höhere Dosierungen erforderlich [102, 103].

  • Studiendaten: In einer multizentrischen Kohorten-Beobachtungstudie mit 1058 katecholaminbehandelten Schockpatienten hatten die mit Dobutamin bzw. Noradrenalin therapierten Patienten kein erhöhtes Sterberisiko, wohl aber die mit Dopamin bzw. Adrenalin (nur univariat, nicht multivariat) behandelten [104].

6.1.3.2. Noradrenalin (E 35, E 40)

  • Wirkung: starke positiv inotrope und vasopressorische Wirkung.

  • Dosierung: Mit i.v.-Infusionen von 0,1–1 µg × kg-1 × min-1 lässt sich zumeist eine effektive Anhebung des mittleren arteriellen Blutdrucks erzielen (Ausnahme: unkorrigierte Azidose). Eine Dosisobergrenze im kardiogenen Schock wurde bisher nicht definiert.

  • Studiendaten:

    • Keine Übersterblichkeit in einer multizentrischen Kohorten-Beobachtungstudie ([104]; s. 6.1.3.1.)

    • Der Vergleich von Adrenalin mit Noradrenalin in einer prospektiven kontrollierten und randomisierten Studie bei septischem Schock [105] erbrachte keinen Vorteil für Noradrenalin bezüglich der 28-Tage-Letalität (Adrenalin: 40%, Noradrenalin: 34%; RR 0,86; KI 0,65–1,14; p=0,31); die mit Adrenalin behandelten Patienten hatten allerdings an einigen Tagen signifikant häufiger pathologisch niedrige Blut-pH- und pathologisch erhöhte Laktatwerte.

    • In einer prospektiven, randomisierten multizentrischen Studie (SOAP-II, Abb. 9, [106]) zum Vergleich von Noradrenalin und Dopamin bei Patienten mit Schock unterschiedlicher Ätiologie zeigten sich ein Trend zu einer geringeren Sterblichkeit unter Noradrenalin im Vergleich zu Dopamin (Abb. 9 a) sowie signifikant weniger (12,4 vs. 24,1%) Arrhythmien, v. a. Vorhofflimmern. In der prospektiv festgelegten Subgruppe der Patienten mit kardiogenem Schock ergab sich für die Patienten mit Noradrenalin ein signifikant besseres Überleben als für die Patienten mit Dopamin (Abb. 9 b).

6.1.3.3. Levosimendan (E 36, E 38)

  • Wirkungsmechanismus: Steigerung der kardialen Inotropie durch Ca2+-Sensibilisierung und Nachlastsenkung (Abnahme des SVR) infolge einer K+-Kanal-vermittelten Vasodilatation [107].

  • Dosierung:

    • Da die Wirkung von Levosimendan nicht so rasch eintritt wie bei Katecholaminen, kann die Gabe einer initial höheren Dosis („loading dose“ 12–24 µg/kg über 10 min) vor der üblichen 24 h dauernden Infusion (0,05–0,2 µg/kg/min) versucht werden.

    • Der bei einigen Patienten zu beobachtende Druckabfall nach Bolusgabe kann durch Volumengabe und durch Steigerung der Vasopressordosis aufgefangen werden.

    • Von Vorteil dürfte neben der geringeren Arrhythmieneigung im Vergleich zu Katecholaminen [108] die lang anhaltende Wirkung nach einer einmaligen Gabe über 24 h infolge der Entstehung aktiver Metaboliten mit langer Halbwertszeit sein.

Abb. 9
figure 9

Noradrenalin vs. Dopamin bei Schockpatienten im Vergleich – die SOAP-II-Studie. (Nach [106].) a Im Vergleich von Dopamin und Noradrenalin bei Patienten im Schock zeigt sich im Trend ein geringer Überlebensvorteil bei Noradrenalingabe (Intent-to-treat-Gruppe). b In der präspezifizierten Subgruppenanalyse ergibt sich ein Überlebensvorteil unter Therapie mit Noradrenalin bei Patienten im kardiogenen Schock

  • Studiendaten Die größte Studienerfahrung mit dem in Österreich, aber nicht in Deutschland für die akute Herzinsuffizienz zugelassenen Levosimendan liegt für Patienten mit akuter Herzinsuffizienz vor, wohingegen für Patienten mit kardiogenem Schock und speziell für Patienten mit IkS die Datenlage weit dürftiger ist.

    • Studiendaten bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz

      • Die vorhandenen kontrollierten Studien zum Einsatz von Levosimendan bei akuter Herzinsuffizienz [107, 109, 110] erlauben nur begrenzt Rückschlüsse auf Effekte bei Patienten im kardiogenen Schock, da in diesen Studien zumeist Patienten mit einem SBP <85–90 mmHg ausgeschlossen worden waren. Patienten mit Linksherzversagen nach Myokardinfarkt scheinen über einen 6-h-Zeitraum Levosimendan jedoch zumindest gleich gut wie Dobutamin zu vertragen [110].

      • Die größte Levosimendanstudie bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz – die SURVIVE-Studie [109]–mit 1327 Patienten, konnte zwar initial einen stärkeren Abfall des kardialen Schädigungsmarkers BNP durch Levosimendan aufzeigen, nicht jedoch einen Überlebensvorteil.

      • Eine aktuelle Metaanalyse [107] zur Wirksamkeit von Levosimendan bei akuter schwerer Herzinsuffizienz (19 Studien mit 3650 Patienten, Vergleich Levosimendan vs. Dobutamin sowie vs. Placebo) fasst die Daten zusammen: In den 8 Studien mit insgesamt 1979 Patienten des Levosimendan-vs.-Dobutamin-Vergleichs beeinflusste Levosimendan die Hämodynamik signifikant günstiger als Dobutamin: der HI lag um 0,33 l × min-1 × m-2 höher, der PAOP um 2,9 mmHg niedriger, und der BNP-Spiegel konnte um 595 pg × ml-1 stärker gesenkt werden. Im Vergleich zur Dobutamingruppe war die Letalität in der Levosimendangruppe um 25% niedriger (OR 0,75; 95%-KI 0,61–0,92; p=0,005).

    • Studiendaten bei Patienten mit kardiogenem Schock

      • In den bisher vorliegenden nicht-Prognose-ausgerichteten Studien ließen sich bei Patienten mit kardiogenem Schock durch Levosimendan – entweder zusätzlich zur Standardtherapie [110, 111] oder im Vergleich mit Dobutamin – signifikante Verbesserungen des Herzindex – meist ≥30% – [108, 112] – und des Cardiac Power ohne Auftreten schwerwiegender Arrhythmien erzielen; parallel zum Anstieg des HZV bzw. LVSWI kam es zu einer Abnahme des SVR [111, 113, 114]. Bei 25 Patienten mit katecholaminrefraktärem IkS erzielte Levosimendan neben der Besserung der linksventrikulären auch eine Besserung der rechtsventrikulären Funktion (CPI ↑, PVR ↓; [22]). Weiterhin wurden positive Effekte auf diastolische Funktion [115] und – bei Nicht-Schock-Patienten – ACS-Stunning nach PCI [116] beschrieben. In einer kleinen Studie (22 Patienten mit kardiogenem Schock nach primärer PCI) ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Levosimendan und Dobutamin [117]. Bei 28 Patienten mit septischem Schock führte Levosimendan zur Verbesserung des Hämodynamik und der regionalen Durchblutung [118].

      • In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten, monozentrischen Studie [119] waren 32 Patienten mit refraktärem IkS zusätzlich zur Standardtherapie inkl. Inotropika nach erfolgter Revaskularisierung und IABP entweder mit Levosimendan (12 μg × kg-1 über 10 min, dann 0,1 μg × kg-1 × min-1 für 50 min und anschließend 0,2 μg × kg-1 × min-1 für 23 h) oder mit dem Phosphodiesterasehemmer Enoximon (0,5 mg × kg-1 als initiale Dosis, anschließend 2–10 μg × kg-1 × min-1 kontinuierlich) behandelt worden. Die 30-Tage-Überlebensrate war in der Levosimendangruppe mit 69% (11/16) signifikant (p=0,023) höher als in der Enoximongruppe (37%; 6/16). Die invasiven hämodynamischen Parameter innerhalb der ersten 48 h waren in beiden Gruppen vergleichbar. Die Autoren dieser durchaus kontrovers diskutierten, aber auch aufgrund des signifikanten Ergebnisses vorzeitig beendeten Studie (s. Kommentare in [119]) schlussfolgerten, dass bei schwerem und refraktärem IkS Levosimendan zusätzlich zur Standardtherapie die Überlebenschancen im Vergleich zu Enoximon verbessert.

6.1.3.4. Phosphodiesterase(PDE)-III-Inhibitoren (E 37, E 38)

  • Wirkung: Enoximon und Milrinon sind selektive Phosphodiesterase-III-Inhibitoren, welche den Abbau von zyklischem AMP hemmen; die resultierende positiv inotrope (geringer als bei Dobutamin) und die vasodilatierende Wirkung (stärker als bei Dobutamin) bewirken eine Steigerung des HZV. Enoximon oder Milrinon sollten in Kombination mit Dobutamin gegeben werden, da der kombinierte positiv inotrope Effekt grösser ist als jener der Einzelsubstanzen [103, 120].

  • Dosierung: Kontinuierliche Infusion von maximal 48 h in einer Dosierung von 0,375–0,75 µg × kg-1 × min-1 (Milrinon) bzw. 1,25–7,5 µg × kg-1 × min-1 (Enoximon); auf die Bolusgabe sollte wegen der ausgeprägten Hypotoniegefahr verzichtet werden.

  • Studiendaten:

    • Nebenwirkungen: Bei längerfristiger Anwendung ist über eine Zunahme maligner Rhythmusstörungen [121] und intrapulmonaler Shunts [122] berichtet worden, Letzteres resultierte in einer konsekutiven Verschlechterung der Oxygenation und einem vermehrten O2-Bedarf.

    • Randomisiert-kontrollierte Studie: Milrinon konnte bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz in der OPTIME-CHF-Studie mit 951 Patienten keine Senkung der Sterblichkeit erzielen [121]. In einer Post-hoc-Analyse hatten koronarkranke Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz in der Milrinongruppe sogar eine höhere Ereignisrate (Tod + Rehospitalisierung: 42 vs. 36%, p=0,01; [123]).

    • Mit β-Blocker vorbehandelte Patienten: Kardial dekompensierte koronarkranke Patienten unter β-Blocker-Therapie profitieren von einer PDE-III-Hemmer-Gabe mehr als von einer Dobutamintherapie [103].

    • „Bridge to heart transplantation“: In einer prospektiven randomisierten Studie mit 36 terminal herzinsuffizienten Patienten wurden Dobutamin und Milrinon über 50±46 Tage bis zur Herztransplanation, zur Implantation eines Herzunterstützungssystems oder bis zum Tod verfolgt [124]. Es ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich Rechtsherzhämodynamik, Tod, Notwendigkeit zur Vasodilatator-/inotropen Therapie oder der Notwendigkeit für eine mechanische Herzunterstützung vor der Transplantation. Allerdings waren die Gesamtkosten der Patienten in der Milrinongruppe mit 16.270±1334 US-Dollarwesentlich höher als die 380±533 US-Dollar der Dobutamingruppe!

6.1.3.5. Dopamin (E 39, E 40)

  • Die fehlende Nephroprotektion des Dopamins, seine zahlreichen möglichen Nebenwirkungen und das ungünstigere Abschneiden im Vergleich zu Noradrenalin in Studien (s. 6.1.3.2.) begründen die Empfehlungen E 39 und E 40, auf den Einsatz von Dopamin zu verzichten.

6.1.3.6. Adrenalin (E 41)

  • Wirkung und Dosierung:

    • In niedriger Dosierung (0,005–0,02 µg × kg -1  × min -1 ) steigert Adrenalin das HZV (β-mimetische Wirkung).

    • In höheren Dosierungen (0,03–0,15–0,3–0,5 µg × kg -1  × min -1 ) dominieren zunehmend die α-adrenergen vasokonstriktorischen Effekte.

  • Nebenwirkungen

    • Bei primärer Verwendung anstelle von Dobutamin ist eine deutliche Reduktion des HZV möglich, bedingt durch die auch in geringen Dosierungen bereits nachweisbare Erhöhung der Nachlast.

    • Im septischen Schock zeigt Adrenalin eine schlechtere Darmperfusion und einen stärkeren systemischen Laktatanstieg als Noradrenalin/Dobutamin (eLV 218), und experimentell einen stärkeren Laktatanstieg im venösen Splanchnikusblut als unter Noradrenalin (eLV 219).

  • Erhöhte Sterblichkeit in Kohortenstudien

    • Katecholaminpflichtige Patienten nach Myokardinfarkt wiesen eine deutlich schlechtere Prognose auf, wenn sie Adrenalin erhalten hatten [125].

    • In der SOAP-Kohortenstudie (6.1.3.2.) hatten die mit Adrenalin behandelten der insgesamt 1058 Schockpatienten unterschiedlicher Ätiologie in der univariaten, nicht aber in der multivariaten Analyse eine höhere Sterblichkeit [104].

  • Günstige Effekte bei herzchirurgischen Patienten

    • Bei herzchirurgischen Patienten mit „Low-output-Syndrom“ scheint die Gabe von Adrenalin aufgrund seiner vasokonstringierenden und positiv inotropen Wirkung von Vorteil zu sein [126].

  • Non-Inferiorität gegenüber Noradrenalin bei septischem Schock [105]: s. 6.1.3.2.

6.1.3.7. Dopexamin

  • Für die Therapie des IkS spielt Dopexamin [127] keine Rolle.

6.1.3.8. Vasopressin

  • Nach derzeitiger Datenlage gibt es für den Einsatz von Vasopressin bei IkS keine ausreichende Evidenz.

6.1.3.9. Herzglykoside

  • Für Herzglykoside sehen die Experten der vorliegenden Leitlinie aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils und der nur geringen, verzögert einsetzenden inotropen bei Patienten mit IkS und Sinusrhythmus keine Indikation.

6.1.3.10. Vasodilatatoren (E 42)

  • Vasodilatatoren (Nitrate, Nitroprussidnatirum, Nesiritide) werden bei akuter Herzinsuffizienz primär zur Behandlung der Lungenstauung und damit der Dyspnoe eingesetzt. Diese Wirkung erzielen Vasodilatatoren, ohne dabei das Schlagvolumen zu vermindern oder den myokardialen Sauerstoffverbrauch zu steigern, was besonders bei Patienten mit ACS relevant ist. Bei IkS kann durch den Einsatz von Vasodilatatoren die Nachlast sowohl des linken als auch des rechten Ventrikels gesenkt und damit das Herz entlastet werden. Bei den niedrigen Blutdruckwerten im IkS ist dies allerdings nur unter optimalem invasivem hämodynamischem Monitoring unter speziellen Voraussetzungen gerechtfertigt.

  • Nitrate

    • Wirkungen: In niedriger Dosierung überwiegend Venodilatation, in höheren Dosen auch Dilatation der Arterien, mit Wirkungsverlust bei i.v.-Gabe nach 16–24 h infolge Toleranzentwicklung. Die Nachlastsenkung ist geringer als die von Nitroprussidnatrium.

    • i.v.-Dosierung: Glyzeroltrinitrat 20–200 μg/min bzw. 0,3–0,5–4 µg × kg-1 × min-1; Isosorbiddinitrat (ISDN) 1–10 mg × h-1.

    • Indikationen und Studiendaten: Bei Lungenstauung und insbesondere Lungenödem zeigen Nitrate eine gute klinische Wirkung infolge der zur Vorlastsenkung des linken Ventrikels führenden Venodilatation.

  • Nitroprussidnatrium

    • Wirkung: Balancierter Vasodilatator mit Dilatation sowohl der Arterien als auch der Venen, sehr raschem Wirkungseintritt, kurzer Halbwertszeit und ohne Einfluss auf die Myokardkontraktilität. Die im kardiogenen Schock erhöhte Nachlast wird gezielt gesenkt und damit das Herz entlastet.

    • Dosierung: Startdosis 0,1 µg × kg-1 × min-1, Steigerung der Dosis – z. B. alle 2–3–5 min – bis 5(10) µg × kg-1 × min-1 unter Kontrolle von MAP und SVR mittels invasivem hämodynamischem Monitoring! Damit kann die Nachlastsenkung titriert und so über eine Senkung des erhöhten SVR das HZV sukzessiv gesteigert werden; NPN kann mit Inotropika kombiniert werden.

    • Studiendaten:

      • Bei 113 Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz auf der Transplantationswarteliste war bei intermittierender NPN-Infusion der kombinierte Ein-Jahres-Endpunkt „Herztransplantation + Tod“ signifikant seltener als bei intermittierender Dobutamininfusion (51 vs. 84%; [128]).

      • 78 NPN-behandelte Patienten mit akuter Herzinsuffizienz zeigten im Vergleich zu 97 Patienten ohne NPN eine deutlichere Verbesserung der Hämodynamik und eine geringere Sterblichkeit (29 vs. 44%; [129]; eLV Abb. 6.1.3.10.).

    • Nebenwirkungen

      • Gefahr der Zyanidintoxikation infolge toxischer Metabolite bei prolongierter Anwendung; Antagonisierung mit Natriumthiosulfat.

      • Rebound-Phänomene: Behandlung ausschleichen!

      • Klinisch wohl nicht relevante koronare Steal-Phänomene bei ACS möglich [130].

  • Nesiritide

    • Bei Patienten mit IkS liegen bisher keine Erfahrungen mit Nesiritide vor. Die aktuelle ASCEND-HF-Studie konnte bei Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz keinen Nutzen der Nesiritidemedikation objektivieren [131].

6.1.3.11. Neuere Therapieansätze

  • Hydrocortison

    • Ob die Hydrocortisongabe beim IkS einen günstigen Effekt haben könnte, ist derzeit nicht bekannt.

  • Inhibitoren der Stickoxidsynthetasen

    • Rolle der systemischen Inflammation bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

      • Der IkS setzt eine exzessive Inflammationsreaktion in Gang [2, 75, 132, 133, 134], welche wesentlich auf eine überschießende Induktion der induzierbaren Stickoxidsynthetase (iNOS) mit massiver Produktion des vasodilatierenden Stickoxids zurückgeführt wird.

    • Studiendaten

      • In der TRIUMPH-Studie (398 Patienten) konnte der NOS-Inhibitor Tilarginin (NG-Monomethyl-Arginin-Azetat) die 30-Tage-Letalität nicht senken [9].

6.1.4. Diuretika und Hämofiltration

  • Kontrollierte Diuretika-Studien fehlen! Weder bei akuter Herzinsuffizienz noch bei (infarktbedingtem) kardiogenem Schock sind bisher Effizienz und Sicherheit in kontrollierten Studien mit dem Endpunkt Letalitätssenkung in ausreichendem Maß untersucht worden!

  • Diuretika-Wirkungen:

    • Diuretika steigern die Diurese durch verstärkte Wasser- und Ionen- (insbesondere Na+- und Cl-)Exkretion. Über eine Abnahme des Plasma- und des Extrazellulärvolumens sowie des Gesamtkörperwassers und -Na+ kommt es zu einer Reduktion der rechts- und linksventrikuären Füllungsdrücke sowie zu einer Abnahme der Flüssigkeitsretention und des Lungenödems.

    • Die i.v.-Gabe von Schleifendiuretika ruft auch einen vasodilatierenden Effekt hervor, welcher sich rasch (innerhalb von 3–5 min) als Abnahme des rechtsatrialen und pulmonalkapillaren Drucks sowie des pulmonalen Widerstands manifestiert [135]. Bei hohen Furosemid-Bolusgaben (1 mg × kg-1) besteht allerdings das Risiko einer Reflexvasokonstriktion.

    • Bei akuter dekompensierter Herzinsuffizienz bewirken Diuretika eine vorübergehende Abschwächung der überschießenden neurohumoralen Aktivierung [136].

    • Bei Lungenödem – insbesondere im Rahmen eines ACS–zeigt die Hochdosis-Nitrat-Niedrigdosis-Furosemid-Gabe {(3 mg ISDN i.v. alle 3 min, insgesamt 11,4±6,8 mg) plus 40 mg Furosemid i.v., ggf. weitere 40 mg (insgesamt im Mittel 56±28 mg)} günstigere Wirkungen (signifikant geringere Beatmungsrate) als die Hochdosis-Furosemid-Niedrigdosis-Nitrat-Gabe {(je 80 mg i.v. pro 15 min, insgesamt 200±65 mg) plus ISDN 1 mg × h-1 i.v. (insgesamt 1,4±0,6 mg)} [137].

  • Empfehlungen zur Diuretika-Therapie (E 43)

    • In Analogie zu den Empfehlungen bei akuter Herzinsuffizienz [138] sollte im IkS bei ausgeprägter Flüssigkeitsretention Furosemid in einer Bolusapplikation von 40–100 mg gegeben werden. Die Gabe einer initialen Bolusdosis mit nachfolgener Infusionstherapie (5–40 mg/h) scheint der mehrfachen Bolusapplikation überlegen zu sein [138]. Die Titration richtet sich nach dem Ansprechen und dem Rückgang von Symptomen und Befunden der Flüssigkeitsretention.

    • Die Kombination von Diuretika mit Dobutamin und/oder Nitraten ist der Applikation sehr hoher Diuretikadosen vorzuziehen.

    • Über die bei akuter Herzinsuffizienz praktizierte Kombination von Schleifendiuretika mit Thiaziden und Aldosteronantagonisten [138] gibt es beim IkS keine ausreichende Erfahrung.

  • (Intermittierende) Hämofiltration: Die erhoffte symptomatische oder prognostische Besserung des kardiogenen Schocks durch (intermittierende) Hämofiltration ist bisher noch nicht überzeugend gezeigt worden [139].

6.1.5. Medikamentöse Therapie nach Schockrekompensation

Nach Schockrekompensation folgt die weitere medikamentöse Therapie den in nationalen und internationalen Leitlinien aufgeführten Prinzipien [138, 140, 141].

6.1.6. Komplettierende Infarkttherapie

Die in dieser Leitlinie beschriebenen medikamentösen Therapiemaßnahmen fokussieren auf die Schockbehandlung des Infarktpatienten. Die weitere Infarkttherapie folgt den nationalen und internationalen Leitlinien [4, 5, 43, 142, 143, 144].

6.2. Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP; E 44–E 47)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 6.2. in Tab. 6.

Tab. 6 Leitlinienempfehlungen E 44–E 47: Intraaortale Ballongegenpulsation

6.2.1. Intraaortale Ballongegenpulsation bei infarktbedingtem kardiogenem Schock – allgemeine Aspekte, Register, Studien

  • IABP – allgemeine Aspekte

Für den Einsatz der IABP (Abb. 3; [145]) wurde eine Steigerung der diastolischen Perfusion der Koronararterien und gleichzeitig eine Senkung der linksventrikulären Nachlast beschrieben, mit Anstieg des HZV ohne Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs. Dabei ist vorrangig die Volumenverschiebung von ca. 40 ml durch die Inflation des intraaortalen Ballons hämodynamisch wirksam, welche zu einer Steigerung der linksventrikulären Ejektionsfraktion führt, mit konsekutiver Zunahme des HZV. Auch ein verbessertes Remodelling des linken Ventrikels wurde beschrieben.

  • IABP-Register-Daten

    • Ein IABP-Benchmark-Register [146] zeigt Anwendungen, Komplikationen und Ergebnisse bei insgesamt 5495 Patienten mit akutem Myokardinfarkt . In weltweit 250 medizinischen Zentren wurden von Juni 1996 bis August 2001 IABP-Implantationen dokumentiert. Die häufigste Indikation stellte der kardiogene Schock mit 27,3% dar. Die Gesamtsterblichkeit der Patienten mit kardiogenem Schock lag bei 30,7%; schwerwiegende IABP-Komplikationen wurden bei 2,7% dokumentiert, bei einer mittleren Liegezeit der IABP von 3 Tagen. Lediglich 2,1% der IABP-Einsätze mussten vorzeitig beendet werden.

    • Ergebnisse des IABP-Benchmark-Registers im Ländervergleich

      • Die Auswertung des IABP-Benchmark-Registers [147] mit weltweit über 19.636 Patienten hat gezeigt, dass in den USA bereits in früheren Erkrankungsstadien eine Platzierung der IABP erfolgt als in anderen Ländern, insbesondere bei nichtherzchirurgischen Krankheitsbildern. Nicht-US-Patienten zeigen auch nach entsprechender Adjustierung der Risikofaktoren eine höhere Sterblichkeit, insbesondere bei den nichtherzchirurgischen Krankheitsbildern (18 vs. 10,8%; p<0,001). Auch Beobachtungen der GUSTO-1-Studie [148] ergaben für Patienten mit IkS einen Überlebensvorteil bereits innerhalb des ersten Jahres bei frühzeitigem IABP-Einsatz.

    • Ergebnisse des NRMI-2-Registers in Abhängigkeit von der IABP-Insertionsfrequenz

      • Das nationale amerikanische Myokardinfarkt-Register (NMRI-2-Register, [149]) enthält Daten von 12.730 Patienten aus 750 US-amerikanischen Krankenhäusern aus den Jahren 1994 bis 1998. Hierbei waren die Kliniken in 3 Gruppen (Tertile: niedrig-, mittel-, hochvolumige IABP-Zentren) eingeteilt worden, mit im Median 3,4; 12,7 und 37,4 IABP-Implantationen pro Jahr. Die Sterblichkeit infolge eines IkS korrelierte invers mit der Häufigkeit der IABP-Platzierungen (65,4 vs. 54,1 vs. 50,6%; p<0,001; für Kliniken mit hoher IABP-Platzierungsfrequenz multivariat OR=0,71; 95%-KI=0,56–0,90).

  • Randomisierte, kontrollierte IABP-Studien – erhebliche Defizite!

Die Zahl kontrollierter IkS-IABP-Studien mit klinisch relevanten Endpunkten (Letalität) ist sehr limitiert. Die vorliegende Leitlinie unterscheidet sich bezüglich der Empfehlungen zur IABP-Implantation wesentlich von anderen publizierten Leitlinien. Weiterhin sind die Autoren dieser Leitlinie aufgrund der Sichtung der Literatur der Auffassung, dass der Einsatz der IABP bei mit Fibrinolyse bzw. mit PCI behandelten IkS-Patienten getrennt zu betrachten ist.

6.2.2. Der Einsatz der intraaortalen Ballongegenpulsation (IABP) bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock und systemischer Fibrinolysetherapie

  • Studiendaten

    • Die TACTICS-Studie [150] ist die einzige prospektiv-randomisierte Studie zur IABP bei mit primärer systemischer Fibrinolyse behandelten IkS-Patienten (Hypotension und vermuteter kardiogener Schock). Allerdings war diese Studie infolge mangelnder Rekrutierung vorzeitig abgebrochen worden. Nur in der Untergruppe der Patienten mit Killip-Klasse III und IV fand sich ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil (war nicht primärer Endpunkt!) der 18 mit IABP behandelten Patienten (Tab. 7).

Tab. 7 (eLV 6.2.a.) TACTICS-Trial – Vergleich der 30-Tage- und 6-Monats-Letalität der mit systemischer Fibrinolyse mit und ohne zusätzliche IABP behandelten Patienten
  • In der GUSTO-Studie war retrospektiv der Einfluss einer IABP bei IkS-Patienten mit primärer systemischer Fibrinolyse untersucht worden [148]. Von den 315 IkS-Patienten hatten 62 eine IABP erhalten. Auch in dieser Studie ergab sich kein signifikanter Letalitätsunterschied (Tab. 8), lediglich ein Trend zu einer geringeren Sterblichkeit in der Gruppe der Patienten mit IABP-Implantation.

Tab. 8 (eLV 6.2.b.) GUSTO-Trial – Vergleich der Krankenhaus-, 30-Tage- und 12-Monats-Letalität der mit systemischer Fibrinolyse mit und ohne zusätzliche IABP behandelten Patienten
  • Im amerikanischen NRMI-2-Register [66] hatten 24% (n=5640) der 23.180 Patienten eine systemische Fibrinolyse und 12,6% (n=2925) eine PTCA erhalten. In der multivariaten Analyse (Tab. 9) ergab sich für die IABP (n=7268) als Prädiktor der Krankenhaussterblichkeit eine OR von 0,82 (protektiver Effekt von 18%).

Tab. 9 (eLV 6.2.c.) NRMI-Register – Vergleich der Krankenhausüberlebensrate der mit systemischer Fibrinolyse mit und ohne zusätzliche IABP behandelten Patienten
  • Auch im „SHOCK-Trial-Register“ [151] fand sich bei IkS-Patienten mit systemischer Fibrinolysetherapie durch den Einsatz der IABP eine – allerdings nicht signifikante – Letalitätssenkung von 63 auf 47%.

  • In der Studie von Waksman et al. [152] war retrospektiv die Letalität zweier Kollektive mit IkS verglichen worden, welche auf 2 unterschiedlichen Intensivstationen – einmal mit der Möglichkeit zur IABP-Implantation (n=24) und einmal ohne (n=21) – behandelt worden waren. Mehr als 40% der Patienten hatten eine systemische Fibrinolysebehandlung erhalten. Zwar hatten die Patienten der „IABP-Station“ eine deutlich geringere Sterblichkeit, es wurden jedoch auch 66% der Patienten mit IABP revaskularisiert, im Gegensatz zu nur 5% der Patienten ohne IABP. Dieser Einfluss durch den derzeit wichtigsten therapeutischen Ansatz, die Akutrevaskularisation der IRA, schwächt die Aussagekraft ab (s. auch eLV Tab. 6.2.d.).

6.2.3. Der Einsatz der Intraaortalen Ballongegenpulsation (IABP) bei Patienten mit IkS und perkutaner Koronarintervention (PCI)

  • Studiendaten

    • Im kleinen prospektiven, randomisierten „IABP-SHOCK-Trial“ [2] waren 40 Patienten mit IkS eingeschlossen worden; alle Patienten hatten eine PCI erhalten, 19 davon zusätzlich eine IABP-Implantation. Weder im primären Endpunkt (serielles APACHE-II-Scoring während der ersten 4 Tage) noch hinsichtlich der 28-Tage-Letalität (IABP: 36,8% (11/19); keine IABP: 28,6% (6/21)) fanden sich signifikante Unterschiede.

    • Im NRMI-2-Register [66] fand sich eine höhere Sterblichkeit derjenigen IkS-Patienten, denen eine IABP implantiert worden war (OR 1,27; Tab. 10).

Tab. 10 (eVL 6.2.e.) NMRI-Register – Einfluss der intraaortalen Ballonpulsation auf die Letalität bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock und PCI-Behandlung
  • Die Auswertung der monozentrischen AMC-CS-Kohorte [153, 154] mit 292 IkS-Patienten mit primärer PCI (Zeitraum 1997–2005; mittleres Alter 63 Jahre, 67% männlich) ergab eine Sterblichkeit der IABP-behandelten Patienten von 46,7% (93/199) und der ohne IABP-behandelten Patienten von 28,0% (26/93), somit eine um 67% höhere Letalität der mit IABP-behandelten Patienten!

  • Sowohl im SHOCK-Trial [10] als auch im zugehörigen Register [65] war die IABP nicht unabhängig mit dem Überleben korreliert; eine Analyse in Bezug auf Fibrinolyse und PCI ist anhand der publizierten Daten jedoch nicht möglich.

  • Im TRIUMPH-Trial [9, 26] hatten die 398 mit PCI behandelten IkS-Patienten mit oder ohne initiale IABP-Insertion (nicht randomisiert!) vergleichbare 30-Tage-Letalitäten (44,7 vs. 46,2%; p=0,77).

6.2.4. Metaanalyse: IABP-Behandlung von Patienten mit Herzinfarkt und infarktbedingtem kardiogenem Schock in Abhängigkeit von der Art der Reperfusionstherapie

  • Eine aktuelle Analyse [155] fasst die Evidenz für die IABP-Behandlung bei Herzinfarkt ohne („Metaanalyse 1“) und mit („Metaanalyse 2“) kardiogenem Schock zusammen.

  • Die „Metaanalyse 1“ mit 7 randomisierten Studien zum komplexen Herzinfarkt ohne Schock (n=1009 Patienten) [155] zeigt weder ein günstigeres 30-Tage-Überleben noch eine verbesserte linksventrikuläre Auswurffraktion bei Verwendung der IABP, wohl aber mehr Schlaganfälle und Blutungen.

  • Die „Metaanalyse 2“ [155] schloss 9 Kohortenstudien mit Patienten im kardiogenen Schock nach Herzinfarkt ein (n=10.529 Patienten). Diese Analyse zeigte unterschiedliche Ergebnisse, je nach dem gewählten therapeutischen Vorgehen (Abb. 10):

    • Sowohl bei fehlender Reperfusion – nur eine eingeschlossene Studie! – als auch bei systemischer Fibrinolyse führte die IABP-Unterstützung zu einer signifikanten Reduktion der 30-Tage-Letalität (29% bzw. 18%).

    • Dagegen zeigten im Fall einer PCI die mit einer IABP zusätzlich behandelten Schockpatienten eine nichtsignifikante 6%ige Übersterblichkeit!

6.2.5. Wertung der vorliegenden Studiendaten: Wirksamkeit der IABP bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock in Abhängigkeit von der Art der Reperfusionstherapie

  • Die Evidenz beschränkt sich derzeit auf Registerdaten, retrospektive und Subgruppenanalysen, eine kleine prospektive randomisierte Studie (war nicht als Studie mit Überleben als primärem Endpunkt angelegt) sowie eine Metaanalyse. Der Evidenzgrad ist insgesamt als gering einzuschätzen.

  • Die Heterogenität der in der Metaanalyse [154] beschriebenen Daten macht eine getrennte Betrachtung und Empfehlung der IABP je nach Therapieprinzip erforderlich. Insofern können sich die Autoren dieser Leitlinie nicht der generellen Empfehlung der europäischen (ESC; [5]) und amerikanischen Leitlinie (ACC/AHA; [143]) zum IABP-Einsatz bei IkS-Patienten als Klasse-I-Empfehlung anschließen. Sie schlagen vielmehr unterschiedliche Empfehlungen für Fibrinoyse und PCI vor:

    • Für den Einsatz der IABP bei mit systemischer Fibrinolyse behandelten IkS-Patienten ergibt sich eine positive Evidenzlage mit einer 18%igen Letalitätssenkung (Abb. 10), allerdings mit niedrigem Evidenzniveau (s.  44: „sollte“, ↑).

    • Für den Einsatz der IABP bei mit PCI behandelten IkS-Patienten ergibt sich keine positive Evidenzlage, sondern sogar Evidenz für eine geringe Übersterblichkeit (Abb. 10). Sowohl die Repräsentanten der Fachgesellschaften als auch die Mitglieder der Leitlinienkommision erachten die derzeitige Datenlage als zu gering für eine generelle Empfehlung sowohl für als auch wider den IABP-Einsatz (s. E 45: „kann“, ↔). Es ist zu hoffen, dass das bereits angelaufene IABP-SHOCK-II-Trial (Clinical Trials.gov. NCT00491036) mit einer vorgesehenen Rekrutierung von 600 Patienten in deutschen Zentren die Frage der Wirksamkeit der IABP bei IkS beantworten wird.

Abb. 10
figure 10

(eLV 6.2.a.) Metaanalyse: Einfluss der IABP auf die Letalität bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock in Abhängigkeit von der Art der Reperfusionstherapie. (Mod. nach [155])

6.2.6. IABP-Einsatz zum PCI-Transfer mit oder ohne vorherige systemische Fibrinolyse

  • In Krankenhäusern ohne Möglichkeit zur PCI profitieren IkS-Patienten von der IABP für den Transport zur interventionellen oder operativen Revaskularisation mit oder ohne vorherige Fibrinolyse (E 46; [155, 156]).

    • Studiendaten Sowohl für den Transport im kardiogenen Schock zur operativen Revaskularisation [156] als auch nach systemischer Fibrinolyse und bei nachfolgendem Transport profitieren Patienten vom Einsatz der IABP [157]. In letzterer Studie [157] mit 46 Patienten, welche zwischen 1985 und 1995 bei akutem Herzinfarkt mit kardiogenem Schock mit IABP (27 Patienten) bzw. ohne IABP (19 Patienten) behandelt worden waren, betrug die Ein-Jahres-Letalität in der Gruppe ohne IABP 67% und in der Gruppe mit IABP 32% (p=0,019). Auch die Daten des „SHOCK-Trial-Registers“ [151] sprechen für einen günstigen Effekt der IABP-Behandlung bei systemischer Fibrinolysetherapie, mit einer – allerdings nicht signifikanten – Letalitätssenkung von 63 auf 47%; 60% der Gruppe mit Fibrinolyse und IABP und 33% der Gruppe mit Fibrinolyse ohne IABP (p<0,0001) waren in ein Zentrum zur PTCA/ACB verlegt worden.

6.2.7. IABP-Einsatz bei mechanischen Infarktkomplikationen vor Transfer in die Herzchirurgie (E 47)

Siehe Kap. 7.4.

6.2.8. IABP-Einsatz in der Notaufnahme

  • Auch in der Notaufnahme kann die IABP sicher eingebracht und betrieben werden [158].

6.2.9. Grenzen der IABP-Unterstützung bei herzchirurgischen Patienten mit Low-Cardiac-Output-Syndrom

  • Mit einem Score kann festgestellt werden, bei welchen Patienten die IABP nicht ausreichend die Hämodynamik stabilisieren kann (eLV 267) und komplexere Herz- und Kreislauf-Unterstützungssysteme angewendet werden müssen (Kap. 6.3.).

6.3. Weitere Herz- und Kreislauf-Unterstützungssysteme

6.3.1. Rationale: „bridge-to-diagnostics“, „bridge-to-bridge“, „bridge-to-recovery“ und „bridge-to-transplantation“

  • Patienten in kardial lebensbedrohlichen Situationen mit ventrikulären Pumpversagen können durch perkutan femoral implantierbare extra- oder intrakorporale/-kardiale Systeme (Impella®, ECMO, Tandem Heart®, LifeBridge®) rasch stabilisiert werden. Dieser Eingriff ist kosteneffektiv, mit geringer Komplikationsrate zu realisieren, etabliert eine optimale Perfusion des Patienten und erlaubt die Durchführung diagnostischer (Grundleiden, Transplantationsabklärung etc.), aber auch therapeutischer Verfahren (PCI, ggf. ACB; „bridge-to-diagnostics“). Die Verwendung der passageren Systeme ist auf einen Zeitraum von ca. einer Woche limitiert, ansonsten sollte nach sorgfältiger Abwägung der zu erwartenden Lebenserwartung und Lebensqualität eine Erweiterung der Therapie im Sinne der chirurgischen Implantation eines kompletten Kunstherzsystems („bridge-to-bridge“) oder einer notfallmäßigen Transplantation über die Meldung des Patienten als „High-Urgency-Empfänger“ beraten werden. Sollte der Patient im Vorfeld der Implantation des passageren Systems reanimiert worden sein, ist ein Aufwachversuch und eine grob neurologische Abklärung vor der Erweiterung der Therapie unerlässlich. Intra- oder parakorporale Kunstherzen, die zwar in einer aufwendigen Operation implantiert werden müssen, ermöglichen jedoch postoperativ eine lange Verweildauer an der Pumpe und erlauben dem Patienten eine vollständige Mobilisation und Rehabilitation. Kommt es am ventrikulären Unterstützungssystem („ventricular assist device“, VAD, [159]) zur weitestgehenden Erholung des Herzmuskels, ist eine Entwöhnung vom Kunstherz und Explantation möglich („bridge-to-recovery“), ansonsten muss der Patient einer Herztransplantation zugeführt werden („bridge-to-transplantation“).

  • Prognoseprädiktoren für eine mögliche Herzmuskelerholung existieren bis dato nicht. Mit einer Erholung des Herzens und damit der Möglichkeit der Explantation des VAD kann bei akuter Myokarditis und evtl. auch bei IkS (?) gerechnet werden, was für die Wahl des Kanülierungswegs von Relevanz sein kann [160, 161].

6.3.2. Linksventrikuläres oder biventrikuläres Unterstützungssystem?

  • Etwa 20% aller Patienten mit implantierten LVADs versterben im Rechtsherzversagen, welches v. a. in der frühen postoperativen Phase problematisch sein kann. Es ist daher im Fall von Rechtsherzversagen oder schweren Arrhythmien und konsekutiv schlechter Füllung des LVAD eine biventrikuläre Unterstützung indiziert.

  • Natürlich lassen sich viele Patienten sehr gut mit einem isolierten LVAD behandeln, allerdings scheint gerade für die univentrikuläre Unterstützung bei drohender Verschlechterung der Funktion des rechten Herzens oder steigendem Lungengefäßwiderstand der frühe Einsatz wichtig zu sein. Patienten, die ein linksventrikuläres VAD implantiert bekommen, scheinen in einem besseren gesundheitlichen Zustand vor der Operation zu sein als Patienten, welche eine biventrikuläre Implantation erfahren [162].

6.3.3. Wann implantieren?

  • Allgemeine hämodynamische Richtwerte für die Implantation von Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen sind [163]:

    • Linksatrialer Druck über 20 mmHg und entweder

    • Herzindex unter 1,8 l× min-1 × m-2 (in einigen Studien wurden Werte bis 2,2 l × min-1 × m-2 angegeben), oder

    • systolischer arterieller Druck <90 mmHg trotz adäquater konventioneller Therapie, wie Inotropika, Vasodilatatoren und IABP.

  • Jedes Zeichen einer Dysfunktion von Sekundärorganen sollte zur Implantation führen, ebenso eine anscheinend bevorstehende erhebliche Progression der Herzinsuffizienz [163].

6.3.4. Chirurgisch zu implantierende Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme

Diese finden sich in Tab. 11 (s. auch eLV,eLV 273–283).

Tab. 11 (eLV 6.3.a.) Chirurgisch zu implantierende Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme

6.3.5. Perkutan-interventionell zu implantierende Unterstützungssysteme

Diese finden sich in Tab. 12.

  • Für die mechanische Kreislaufunterstützung stehen 3 Pumpprinzipien – IABP, axiale Schraubenpumpen und extrakorporale Zentrifugalpumpen – zur Verfügung:

Tab. 12 (eLV 6.3.a.) In der Kardiologie und Notfallmedizin minimalinvasiv einsetzbare Systeme zur mechanischen Kreislaufunterstützung im kardiogenen Schock

Während die IABP das Herz bei eigener Restfunktion unterstützt, durchaus auch bei schnellen Tachyarrhythmien, können die anderen Systeme temporär eine Augmentation auch bei Stillstand des linken Ventrikels bzw. im Fall des perkutanen kardioulmonalen Unterstützungssystems (CPS, ECMO) oder des portablen Notfallsystems (Lifebridge) eine komplette Übernahme der Herz- und Lungenfunktion gewährleisten. Eine Sonderstellung nimmt das TandemHeart ein, welches mittels transseptaler Punktion implantiert wird und ein reines Linksherzunterstützungssystem darstellt.

  • Zugangswege: Während die axialen Schraubenpumpen unter Durchleuchtungskontrolle in Seldinger-Technik perkutan von der Leistenarterie aus eingebracht werden, können die extrakorporalen Zentrifugalpumpen und Notfallsysteme ohne Unterbrechung mechanischer Reanimationsmaßnahmen über die Leistengefäße mit dem Patientenkreislauf verbunden werden.

6.3.6. Einsatz von Herz- und Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen bei Patienten mit IkS

  • Studiendaten zu Impella vs. IABP [164], ECMO bei refraktärem kardiogenem Schock [165] und TandemHeart (pVAD) bei Patienten mit IkS [166] sind ausführlich in der eLV beschrieben.

  • Metaanalyse: IABP vs. LVAD bei kardiogenem Schock

Eine Metaanalyse [167] hat den LVAD- mit dem IABP-Einsatz im Hinblick auf Hämodynamik und Letalität verglichen (2 Studien: TandemHeart vs. IABP; eine Studie: Impella vs. IABP). Die LVAD-Implantation hat zu einem stärkeren Anstieg des HI (Δ+0,35 l × min-1 × m-2) und des MAP (Δ+12,8 mmHg) sowie zu einem ausgeprägteren Abfall des PAOP (Δ–5,3 mmHg) geführt. Die 30-Tage-Letalität ist in beiden Gruppen vergleichbar gewesen (RR 1,06 (LVAD vs. IABP)). Während die Häufigkeit von Extremitätenischämien nicht signifikant unterschiedlich gewesen ist, hat sich bei den Blutungen ein signifikanter Unterschied ergeben, mit einer 2,35-fach höheren Blutungsrate bei den mit dem TandemHeart behandelten Patienten.

6.3.7. Wertung der vorliegenden Studiendaten: Einfluss von Herz- und Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen bei Patienten mit IkS

  • Die Autoren der vorliegenden Leitlinie zum IkS sehen derzeit – bei Fehlen überzeugender prognostischer Vorteile – keine Evidenz, den Einsatz von LVADs generell für den Patienten mit IkS oder für bestimmte Subgruppen zu empfehlen.

7. Behandlung von Komplikationen bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

7.1. Rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung und kardiogener Schock (E 48–E 54)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 7.1. in Tab. 13.

Tab. 13 Leitlinienempfehlungen E 48–E 54: Komplikationen des infarktbedingten kardiogenen Schocks – rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung (RVI)

7.1.1. Häufigkeit und prognostische Bedeutung einer rechtsventrikulären Infarktbeteiligung (RVI) unter besonderer Berücksichtigung des kardiogenen Schocks

  • Häufigkeit

    • Eine RVI tritt bei 19–51% beim akuten inferoposterioren und bei ca. 10% beim akuten anterioren Myokardinfarkt auf; sie gilt als unabhängiger prognostischer Parameter für Morbidität und Letalität im Hospitalverlauf ([168]; eLV 296–298, 300–303).

    • Häufigkeit einer rechtsventrikulären Infarktbeteiligung mit SchockBei 5% aller IkS-Patienten findet sich eine RVI, in 96% ausgelöst durch einen Verschluss der rechten Koronararterie [168, 169, 170]. In diesem Fall steigt die Krankenhaussterblichkeit auf 53%. Patienten mit im Vordergrund stehendem RVI-Schock sind jünger, haben seltener Vorinfarkte (26 vs. 40%), seltener einen Vorderwandinfarkt (11 vs. 59%) und seltener Mehrgefäßerkrankungen (35 vs. 78%). Der RVI-Schock tritt früher ein als ein LV-IkS. Beim Vorliegen eines LV-IkS kommt einer zusätzlichen rechtsventrikulären Schockkomponente keine unabhängige prognostische Bedeutung zu [168, 171, 172]. Eine RVI wird häufig diagnostisch, prognostisch und therapeutisch vernachlässigt [173].

  • Prognose

    • Eine RVI führt zu einer deutlichen – bis 5-fachen – Letalitätszunahme [174] und zu einem bis zu 2,5-fachen Anstieg der Komplikationen (höhergradige AV-Blockierungen, Kammertachykardien und Kammerflimmern). Mit höherem Lebensalter wird die Prognose der RVI ungünstiger [175].

    • Die Häufigkeit eines kardiogenen Schocks steigt bei einer RVI auf bis zu 25%; frühzeitig einsetzende Reperfusionsstrategien können diesen Anstieg deutlich vermindern [169, 174, 176, 177, 178].

    • Linksventrikulärer Schock vs. Schock mit rechtsventrikulärer Infarktbeteiligung (RVI): Während im SHOCK-Register der primär rechtsventrikuläre Schock keine unterschiedliche Letalität zum kardiogenen Schock infolge eines Linksherzversagens aufwies (53 vs. 61%; [170]), fand eine neuere Studie [179] eine geringere Letalität (23 vs. 50%), möglicherweise infolge einer geringeren linksventrikulären Beteiligung. Bei Patienten mit isoliertem RVI kommt es häufig zu einer raschen Erholung der RV-Funktion, selbst bei Fehlen einer adäquaten Reperfusion [171].

    • Rechtsventrikulärer Cardiac Power Index (rvCPI): s. 4.3.4.3.

7.1.2. Diagnose und Monitoring (E 48, E 49)

  • Die Diagnose einer RVI in der akuten Infarktsituation gelingt rasch und zuverlässig anhand des Oberflächen-EKG (rechtspräkordiale EKG-Ableitungen, Kriterium: V 4r : ST-Hebung ≥0,1 mV; [180]) und/oder der Echokardiographie (Kriterium: vergrößerter rechter Ventrikel, A- und Dyskinesie der Wände, paradoxe Septumbewegung, vergrößerter rechter Vorhof; [171, 181, 182, 183, 184, 185]). Klinisch ist die RVI durch die Trias „Hinterwandinfarkt, Hyptension und Bradykardie“ charakterisiert.

  • Weitere diagnostische Verfahren (z. B. invasive hämodynamische und nuklearmedizinische Untersuchungen) sind angesichts des Aufwands, der Zeitverzögerung und der mangelnden Aussagekraft nicht empfehlenswert.

7.1.3. Behandlung des Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock und rechtsventrikulärer Infarktbeteiligung (RVI; E 50–E 54 )

  • Differenzialtherapie bei primär rechts- vs. linksventrikulärem infarktbedingtem kardiogenem Schock

    • Während beide Schockformen nachhaltig und in gleichem Maß von einer frühzeitigen Revaskularisationstherapie profitieren (E 50; [10, 168, 179, 186]), bestehen v. a. Unterschiede im Volumenmanagement (Restriktion bei Linksherzversagen, Anhebung der RA-Drucks durch Volumengabe bei Rechtsherzversagen; E 51) und in der Gabe von Vasodilatanzien, besonders von Nitraten. Die Nitratgabe kann sinnvoll bei Linksherzversagen sein, aber deletär bei Rechtsherzversagen: Nitratgabe senkt die für das versagende rechte Herz erforderliche Vorlast und damit das rechtsventrikuläre, limitierende HZV [168, 171, 176, 181, 182, 183, 186].

  • Schrittmacherstimulation bei rechtsventrikulärem Infarkt Eine rechtsventrikuläre Schrittmacherstimulation kann bei Rechtsherzinfarkt ineffektiv sein und die Schrittmacherspikes nicht beantwortet werden. Eine rechtsatriale Schrittmacherstimulation kann diese Schwierigkeiten umgehen.

  • Beatmung des Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock und rechtsventrikulärer Infarktbeteiligung (RVI)

    • Auch bei Patienten mit IkS und rechtsventrikulärer Beteiligung ist die Beatmungsindikation (8.1.2.) in Abhängigkeit von der jeweiligen individuellen klinischen und respiratorischen Situation zu stellen.

    • PEEP sollte zurückhaltend angewendet werden, weil die Wechselwirkung von PEEP und Vorlaständerung des rechten Ventrikels nicht vorhersehbar ist. Eine Vorlastreduktion und ein Anstieg des pulmonalarteriellen Widerstands durch den PEEP sind beim rechtsventrikulären Herzinfarkt, besonders im kardiogenen Schock, nachteilig. Die besondere Hämodynamik des Rechtsherzversagens erfordert einerseits ein ausreichendes intravasales Volumen und – nach Expertenkonsens – einen ZVD von mindestens 10 mmHg [187], um die rechtsventrikulären Auswirkungen des PEEP zu minimieren. Falls erforderlich, sollte der PEEP mit dem Ziel der Optimierung der Sauerstoffsättigung ohne Zunahme der Kreislaufdepression titriert, niedrige Tidalvolumina angewendet, aber eine dekompensierte respiratorische Azidose vermieden werden (s. Kap. 8.1.).

    • Insbesondere bei RVI ist darauf zu achten, dass es nicht zu einem Anstieg des pulmonalvaskulären Widerstands (PVR) kommt

      • Einerseits erhöht sich in Abhängigkeit vom mittleren Beatmungsdruck der pulmonalvaskuläre Widerstand.

      • Andererseits ist dieser Beatmungsdruck notwendig, um eine Atelektasenbildung zu verhindern, welche ihrerseits zu einer Erhöhung des pulmonalvaskulären Widerstands führt. Wichtig ist in dieser Situation v. a. eine ausreichende Volumengabe vor Beginn einer Beatmung mit hohen Atemwegsdrucken.

7.2 Herzrhythmusstörungen (E 55–E 72)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 7.2. in Tab. 14.

Tab. 14 Leitlinienempfehlungen E 55–E 72: Herzrhythmusstörungen

7.2.1. Herzrhythmusstörungen bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

  • Trotz hoher Prävalenz [188] liegen zu Häufigkeit und Schweregrad von Herzrhythmusstörungen bei IkS keine verlässlichen, auf der Grundlage großer Studien erhobenen Daten vor. Die gemachten Empfehlungen orientieren sich an den gängigen Leitlinien.

  • Rhythmusstörungen bei IkS: Begleitarrhythmien vs. Arrhythmien mit kausaler Schockverknüpfung Klinisch sind bei IkS 2 unterschiedliche Präsentationsformen von Rhythmusstörungen zu unterscheiden:

    • Bei vielen Patienten mit chronischer KHK und/oder Herzinsuffizienz sind bereits vor einem IkS Rhythmusstörungen, v. a. Vorhofflimmern und/oder nichtanhaltende Kammertachykardien, vorbestehend [188]. Diese Rhythmusstörungen sind dann auch im IkS nachweisbar, aber in aller Regel weder Ursache noch direkte Folge des IkS.

    • Ein kausaler Zusammenhang von Rhythmusstörungen und IkS besteht andererseits immer dann, wenn der Schock als direkte Folge von Rhythmusstörungen oder die Rhythmusstörung als direkte Folge des IkS auftritt (6%–32%; [189]).

7.2.2. Diagnostik von Herzrhythmusstörungen bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

  • Die Diagnose wird in aller Regel mit dem 12-Ableitungs-EKG gestellt, eine invasive elektrophysiologische Untersuchung ist nur äußerst selten notwendig (Kap. 7.2.3.7).

7.2.3. Behandlung von Herzrhythmusstörungen im kardiogenem Schock

7.2.3.1 Besonderheiten der Behandlung von Herzrhythmusstörungen bei infarktbedingtem kardiogenem Schock

  • Die Behandlung von Herzrhythmusstörungen im IkS (Tab. 15.) ist aufgrund der hämodynamisch instabilen Situation oft schwierig sowie risikoreich und erfordert schnelle und gezielte Maßnahmen. Die medikamentös-antiarrhythmische Therapie muss sorgfältig überlegt werden, da prinzipiell alle Antiarrhythmika negativ inotrope Eigenschaften haben und zu einer weiteren Verschlechterung einer per se schon eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion führen können. Dies gilt insbesondere für Antiarrhythmika der Klasse Ic.

Tab. 15 (eLV 7.2.A.) Behandlungsvorschläge für Herzrhythmusstörungen im kardiogenen Schock

7.2.3.2 Behandlung bradykarder Rhythmusstörungen (E 55–E 58)

  • Die häufigste bradykarde Herzrhythmusstörung bei IkS ist der AV-Block (Grad I, II (Typ Wenckebach, Typ Mobitz), III) bei Patienten mit akutem Hinterwandinfarkt [190]. Wesentlich seltener sind therapiepflichtige Sinusbradykardien oder bradykarde Kammerfrequenzen bei Vorhofflimmern.

7.2.3.3 Behandlung supraventrikulärer Tachykardien: Vorhofflimmern ([191]; E 59–E 63)

7.2.3.4. Behandlung supraventrikulärer Tachykardien: Vorhofflattern (E 64, E 65)

7.2.3.5. Weitere supraventrikuläre (AV-Knoten-Reentry-Tachykardie) oder atrioventrikuläre Tachykardien (orthodrome Tachykardie bei akzessorischer Bahn)

Siehe eLV.

7.2.3.6 Ventrikuläre Extrasystolen, Kammertachykardien und Kammerflimmern (E 66–E 72)

7.2.3.7. Invasive Behandlungsstrategien, Katheterablation

Siehe eLV.

7.3. Infarktpatienten mit kardiogenem Schock und Herz-Kreislauf-Stillstand (E 72–E 80)

  • Weit über 30% der im SHOCK-Trial randomisierten Patienten mit IkS waren primär reanimiert worden. Der plötzliche Herztod im Sinne eines „out-of-hospital cardiac arrest“ (OHCA) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den westlichen Industrienationen. Kammerflimmern ist hierbei die häufigste beobachtete Ursache in den frühen Stadien des Herzstillstands und wird oftmals durch eine akute Myokardischämie im Sinne eines ACS provoziert [58, 192, 193].

  • Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 7.3. in Tab. 16.

Tab. 16 Leitlinienempfehlungen E 73–E 80: Infarktpatienten mit kardiogenem Schock und Herz-Kreislauf-Stillstand

7.3.1. Arrhythmiebehandlung (E 73–E 76)

Häufigste Ursache für den Herz-Kreislauf-Stillstand ist das Auftreten schneller polymorpher Kammertachykardien, welche in Kammerflimmern degenerieren. Bei etwa 30–50% der betroffenen Patienten besteht bei Beginn der Reanimation eine Asystolie, mit ungünstigerer Prognose [192].

7.3.2. Fibrinolysetherapie (E 77)

  • Bei 70% der Patienten liegt dem Herzstillstand ein akuter Herzinfarkt oder eine Lungenembolie zugrunde [69]. Die Annahme, ein Fibrinolytikum könnte generell bei reanimierten Patienten ohne ROSC und ohne Nachweis eines STEMI oder einer Lungenembolie von Vorteil sein, wurde durch das negative Ergebnis der TROICA(Thrombolysis in Cardiac Arrest)-Studie [68, 69] widerlegt.

7.3.3. Revaskularisationstherapie (E 78)

  • Bei 80% der ROSC-Patienten findet sich eine KHK, und bei 80% der an einem plötzlichen Herztod Verstorbenen lassen sich bei der Obduktion instabile Plaques mit assoziierten Koronarthrombosen nachweisen.

  • Die Beseitigung der Myokardischämie durch PCI oder Fibrinolyse kann die Rhythmusstörung beseitigen und damit die spontane Zirkulation wiederherstellen.

  • Studiendaten (nur retrospektive Subgruppenanalysen): Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock und überlebtem Herzstillstand

    • 50 konsekutive Patienten [198] mit ROSC nach Herzstillstand infolge Kammerflimmerns – überwiegend als Folge eines Herzinfarkts (80%) – waren mit PCI (drei Viertel aller Patienten) und therapeutischer Hypothermie (alle Patienten) behandelt worden. Hämodynamisch instabile Patienten im kardiogenen Schock (n=23) hatten dabei eine IABP erhalten. Die 6-Monats-Überlebensrate ohne größeres neurologisches Defizit („cerebral performance category“ 1 und 2) betrug in der Non-IABP-Gruppe (Patienten „ohne IkS“) 74% und in der IABP-Gruppe (Patienten „mit IkS“) 61%.

    • Von 186 Herzinfarktpatienten mit ROSC [194] hatten 52% einen IkS erlitten. Bei 87% der Patienten war eine erfolgreiche PCI möglich gewesen. Die 6-Monats-Überlebensrate im Gesamtkollektiv lag bei 54%. Patienten mit IkS hatten ein 12,7-fach höheres Risiko zu versterben als diejenigen Patienten ohne IkS (zum Vergleich: relatives Risiko bei Diabetes 7,3).

  • Die Indikationen zur Notfall-Koronarangiographie und ggf. Notfall-PCI bei Patienten mit STEMI und überlebtem Herzstillstand [194, 195, 196, 197] sind Folgende [58, 192, 193]:

    • Nach ROSC wieder bewusstseinsklare Patienten: Vorgehen in gleicher Weise wie bei Patienten ohne Herzstillstand

    • Bei komatösen Überlebenden eines Herzstillstands, falls ein ACS wahrscheinlich oder gesichert ist und eine realistische Hoffnung für eine neurologische Erholung besteht.

    • Auch bei laufender kardiopulmonaler Reanimation bei ausgewählten Patienten ohne fortgeschrittene Herzerkrankung und ohne signifikante Komorbiditäten.

    • Auch bei Patienten mit IkS und rasch mittels Defibrillation behobenem Herz-Kreislauf-Stillstand ist die Durchführung einer Notfall-PCI zu rechtfertigen und – unter Berücksichtigung der neurologischen Prognose – in Erwägung zu ziehen ([58, 192, 193]; E 78).

7.3.4. Leichte Hypothermie im kardiogenem Schock

  • Die induzierte leichte Hypothermie (Absenkung der Körperkerntemperatur auf 32–34°C für mindestens 12–24 h) ist Standard der ROSC-Therapie [192]. Daten aus der klinischen Praxis [199] scheinen die Ergebnisse der randomisierten Studien zu bestätigen, mit einem neuroprotektiven Effekt (OR 2,5) und einem Überlebensvorteil (OR 2,5).

  • Induzierte leichte Hypothermie bei ROSC-Patienten mit Herzinfarkt und infarktbedingtem kardiogenem Schock

    • Hämodynamisch instabile ROSC-Patienten waren in den beiden Leitlinienempfehlungen zugrunde liegenden Studien ausgeschlossen worden aus Sorge, dass Kreislaufinstabilität, Hypotension und Rhythmusstörungen durch die Hypothermie verschlimmert werden könnten [200]. Möglicherweise lässt sich jedoch mit leichter Hypothermie nicht nur eine Neuroprotektion, sondern auch eine Myokardprotektion erzielen [201]. In einer ersten prospektiven Studie [202] an 15 Patienten im akuten kardiogenen Schock konnte mittels invasiver Kühlung auf 33°C ein positiver Effekt auf hämodynamische Parameter (signifikante Zunahme des Schlagvolumenindex um 29% und des Herzindex um 21%, Abnahme der Herzfrequenz um 19%) nachgewiesen werden. Da es unter leichter Hypothermie zu einer verlangsamten Relaxation kommt, erscheint die Kontrolle von Herzfrequenz und Herzrhythmus wichtig. Relevante kardiale Nebenwirkungen sind – bei Einhaltung der Zieltemperatur – nicht beschrieben worden [198].

    • ROSC-Patienten mit Herzinfarkt: Während das Therapiekonzept „Cooling“ zur Verhinderung von Ischämie-Reperfusionsschäden bei Herzinfarkt ohne Herzstillstand derzeit nicht überzeugt [203], wird dieses Vorgehen bei Herzinfarktpatienten nach Herzstillstand und wiederhergestellter spontaner Zirkulation mittlerweile auf nicht wenigen Intensivstationen praktiziert: Bereits vor Durchführung der PCI initiiert, lässt sich die Zieltemperatur (32–34°C) innerhalb von 4 h erreichen, ohne den zeitlichen Ablauf der PCI zu verzögern; in einer monozentrischen Beobachtungsstudie ([195], n=33) mit historischen Kontrollen kam es zwar tendenziell zu vermehrten Blutungs- und Infektionskomplikationen; die 6-Monats-Letalität (25 vs. 35% (Kontrolle), p=0,71) und der neurologische Status („Cerebral Performance Scale 1+2: 69 vs. 47% (Kontrolle), p=0,30) zeigten dagegen – nichtsignifikant – günstigere Ergebnisse.

    • ROSC-Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock: In einer retrospektiven Auswertung [204] hatten von den 56 konsekutiven Patienten 28 einen kardiogenen Schock (Gruppe A). Die Krankenhaussterblichkeit in der Schockgruppe (Gruppe A) lag bei 57,1% und die der Nicht-Schock-Patienten (Gruppe B) bei 21,4%. Ein günstiges neurologisches Ergebnis fand sich bei 67,9% der Patienten der Gruppe A und bei 82,1% der Gruppe B (p=0,355), bei vergleichbaren Komplikationsraten.

  • Therapieempfehlung für ROSC-Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock (E 79/E 80)

Die bei hämodynamischer Instabilität befürchteten hämodynamischen und rhythmologischen Komplikationen der induzierten leichten Hypothermie scheinen sich bei Patienten mit IkS nicht zu bewahrheiten. Auch bei komatösen ROSC-Patienten mit IkS sollte deshalb die leichte Hypothermie (32–34%) für 12–24 h durchgeführt werden.

7.4. Ventrikelseptumdefekt, Ventrikelruptur und akute Mitralinsuffizienz (E 81–E 83)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 7.4. in Tab. 17.

Tab. 17 Leitlinienempfehlungen E 81–E 83: Ventrikelseptumdefekt, Ventrikelruptur und akute Mitralinsuffizienz

7.4.1. Post-Infarkt-Ventrikelseptumdefekt

  • 0,2% der Infarktpatienten erleiden als Komplikation einen Ventrikelseptumdefekt (VSD), mit den Prädiktoren einer Beteiligung des Ramus interventricularis anterior sowie eines vollständigen Gefäßverschlusses und eines IkS [205].

  • Operationszeitpunkt (E 81): Die Mehrzahl der Patienten mit einem Post-Infarkt-VSD entwickeln innerhalb der ersten Tage nach einer kurzen Periode hämodynamischer Stabilität ein Rechtsherzversagen und einen kardiogenen Schock. Werden diese Patienten akut operiert, liegt die Letalität bei bis zu 75% [205, 206, 207]. Eine häufige Komplikation des zeitnahen chirurgischen VSD-Verschlusses besteht im Ausriss der Patchnähte aufgrund der mechanischen Instabilität der Infarktgrenzzone, da sich noch keine Narbe formiert hat. Daher sollte versucht werden, den Patienten zunächst möglichst mit einem mechanischen Unterstützungssystem (z. B. IABP) hämodynamisch für 2–3 Wochen [214] zu stabilisieren [215], ehe er einer operativen Versorgung zugeführt wird [207].

  • Die operative Versorgung des VSD sollte möglichst eine vollständige Revaskularisation mit einschließen, wodurch die 30-Tage-Letalität signifikant sowie die Langzeitletalität während einer Nachbeobachtung von bis zu 4 Jahren relevant gesenkt wird [208, 209].

  • Die Ergebnisse eines interventionellen VSD-Verschlusses [210, 211, 212, 213] rechtfertigen noch keine Empfehlung (s. auch eLV).

7.4.2. Ventrikelruptur und akute hochgradige Mitralinsuffizienz als Infarktkomplikationen

  • Häufigkeit und Zeitverlauf Die Ventrikelruptur ist eine seltene und meist unmittelbar letale Komplikation des transmuralen Myokardinfarkts, welche bei Patienten mit IkS zusammen mit der akuten Mitralinsuffizienz in 8% die Schockursache darstellt [169, 216]. Die Ventrikelruptur und die akute Mitralinsuffizienz – Letztere meist als Folge einer Papillarmuskelischämie – treten i. d. R. 24 bis 36 h nach dem Infarkt auf und sind mit einer Letalität von über 80% assoziiert. Die Verteilung auf Vorderwand- und Hinterwandinfarkte ist bei der infarktbedingten Ventrikelruptur etwa gleich [169, 217]. Die akute Mitralinsuffizienz tritt dagegen 1,5-mal häufiger bei Hinterwand- als bei Vorderwandinfarkten auf [217]. Eine frühzeitige Revaskularisation soll das Auftreten dieser Infarktkomplikationen reduzieren und so die sonst sehr hohe Letalität senken [218].

  • Ventrikelruptur

    • Akut und subakut: Die Ruptur der freien Wand führt zum Hämoperikard und zur raschen Perikardtamponade. Charakteristisch dafür ist die Trias „akuter, plötzlicher Bewusstseinsverlust, Bradykardie und Hypotonie“. Oft kommt es zu neuerlichen starken Herzschmerzen und ST-Hebungen, mit sofortiger elektromechanischer Entkopplung. Am häufigsten führt der einzeitige Einriss zum Tod (akute Wandruptur); subakute Einrisse können jedoch ebenfalls als akute Tamponade, als großer Perikarderguss oder als chronisches Pseudoaneurysma imponieren und in seltenen Fällen auch ohne Operation überlebt werden [216, 219, 220, 221, 222].

    • Diagnostik: Der akute Schock nach Infarkt mit Hämoperikard und Perikardtamponade muss immer an die Diagnose einer Ventrikelruptur denken lassen [221]. Die alleinige Dokumentation von Perikardflüssigkeit – nach Infarkt häufig – reicht für die Diagnose der Wandruptur allerdings nicht aus, entscheidend ist der Nachweis echodichter Massen im Sinne eines Hämoperikards.

    • Eine sofortige Perikardpunktion kann zur vorübergehenden Stabilisierung führen, bis zur baldigsten Operation in Abhängigkeit vom klinischen Status.

  • Akute Mitralinsuffizienz

    • Ätiologie und Klinik: Die akute Mitralinsuffizienz ist entweder Folge einer kompletten bzw. inkompletten Papillarmuskelruptur – bei kompletter Ruptur versterben die Patienten ohne Operation innerhalb von Stunden – meistens aber einer Papillarmuskeldysfunktion. Sie äußert sich als Lungenödem und/oder kardiogener Schock. Das typische apikale systolische Geräusch kann wegen des abrupt angestiegenen hohen linksatrialen Drucks fehlen, die Lungenstauung im Röntgenbild auch nur unilateral ausgeprägt sein.

    • Diagnostik: Echokardiographisch lässt sich die Diagnose stellen und der Schweregrad der Mitralinsuffizienz festlegen, der linke Vorhof wird dabei üblicherweise allenfalls leicht vergrößert gefunden. Das nicht obligate PAK-Monitoring zeigt hohe v-Wellen in der PAOP-Kurve und kann einen VSD differenzialdiagnostisch ausschließen, die ventrikulären Füllungsdrucke lassen sich zur Therapiesteuerung einsetzen.

    • Therapeutisches Vorgehen: Beim Auftreten einer infarktbedingten akuten Mitralinsuffizienz lässt sich durch den Einsatz der IABP und eine frühzeitige operative Versorgung [223, 224], welche idealerweise rekonstruktiv, häufig jedoch nur mittels Klappenersatz möglich ist, die Krankenhausmortalität von 71 auf 40% reduzieren [217, 225].

7.5. Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom (MODS), systemisches Inflammations-Reaktions-Syndrom („systemic Inflammatory response syndrome“, SIRS) und Sepsis

7.5.1. Multiorgan-Dysfunktions-Syndrom (MODS)

  • Unter MODS werden die komplexen Organfunktionseinschränkungen, -fehlfunktionen und -ausfälle sowie die gestörte Organkommunikation infolge einer autonomen Dysfunktion zusammengefasst, welche infolge eines Schocks, eines SIRS oder einer Sepsis auftreten können [226, 227]. Organbeteiligung, Zahl der betroffenen Organe und Dauer des MODS können erheblich differieren, was letztlich auch beim IkS mit MODS die Prognose bestimmt.

  • Pathophysiologie, Klinik und Behandlung des MODS sind in der Literatur [226, 227] ausführlich beschrieben. Auf spezifische Aspekte einzelner Organdysfunktionen bei IkS wird in Kap. 8 eingegangen.

7.5.2. Systemisches Inflammations-Reaktions-Syndrom (SIRS)

  • Das SIRS ist definiert als eine systemisch-entzündliche Reaktion auf verschiedene schwere klinische Insulte, charakterisiert durch 2 oder mehrere der folgenden Symptome [23, 226, 227]:

    • Fieber (≥38°C) oder Hypothermie (≤36°C), bestätigt durch eine rektale, intranasale oder vesikale Messung

    • Tachykardie: Herzfrequenz ≥90/min

    • Tachypnoe (Frequenz ≥20/min) oder Hyperventilation (PaCO2 ≤4,3 kPa/≤33 mmHg)

    • Leukozytose (≥12.000/mm3) oder Leukopenie (≤4000/mm3) oder ≥10% unreife Neutrophile im Differentialblutbild

  • Die zum Krankheitsbild des SIRS führenden Insulte können nichtinfektiöser („SIRS“) oder infektiöser Genese („Sepsis“; mikrobiologischer Keimnachweis oder klinische Infektionskriterien) sein.

  • SIRS bei infarktbedingtem kardiogenem Schock: Bei etwa 20% [133] der Patienten mit IkS muss mit dem Auftreten eines SIRS [2, 75, 132, 134] gerechnet werden, drei Viertel dieser Patienten zeigen eine positive Blutkultur und damit eine Sepsis; die Sterblichkeit der blutkulturpositiven Patienten liegt mehr als doppelt so hoch wie die der Nicht-SIRS-Schockpatienten [133]. Hämodynamisch fallen diese Patienten durch inadäquat niedrige SVRs auf {1051 (862–1486) vs. 1402 (1088–1807) dyn × s × cm-5} [133].

7.5.3. Sepsis

  • Zumindest bei jedem 6. Patienten mit IkS [133] kommt es während des Krankheitsverlaufs zur Ausbildung einer Sepsis (Sepsis ohne Organversagen), einer schweren Sepsis (Sepsis mit Organversagen) oder eines septischen Schocks (Sepsis mit Schock). Bei diesen Patienten muss mit einer weiteren Verschlechterung der Herzfunktion infolge der Ausbildung einer septischen Kardiomyopathie und eines zunehmenden Kreislaufschocks infolge septischer Vasodilatation („Vasoplegie“) gerechnet werden [228]. Diagnose und Therapie der Sepsis sind in aktuellen Leitlinien niedergelegt [23].

8. Supportive Therapie des Multiorgan-Dysfunktions-Syndroms (MODS)

  • Die Schocksituation des IkS-Patienten führt zu einer drastischen Minderperfusion der Organe, in deren Gefolge es – v. a. bei protrahiertem Schock – zur Ausbildung eines MODS unterschiedlicher Ausprägung kommt.

8.1. Organdysfunktion „Lunge“: Atemunterstützung, Beatmung, Analgosedierung und Weaning (E 83–E 95)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 8.1. in Tab. 18.

Tab. 18 Leitlinienempfehlungen E 84–E 95: Organdysfunktion „Lunge“: Atemunterstützung, Beatmung, Analgosedierung und Weaning

Stellungnahme der Mitglieder der ÖGIAIM und der ÖGK: Der Einsatz von Barbituraten wird abgelehnt; Etomidate sollte wegen der bei septischen und kritisch Kranken gezeigten Gefahr der Nebenniereninsuffizienz [234] nur in Ausnahmesituationen zur Narkoseeinleitung appliziert werden.

8.1.1. Auswirkungen der maschinellen Beatmung bei Patienten im kardiogenen Schock

  • Bei Patienten mit IkS sichert die maschinelle Beatmung (Abb. 6, Abb. 7) nicht nur eine adäquate Oxygenierung, sondern hat zusätzlich folgende vorteilhafte Effekte [187, 229, 230]:

    • Erhöhung des Sauerstoffangebots durch Optimierung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses, Steigerung von Diffusion und Lungencompliance sowie Abnahme des Atemwegswiderstands;

    • Reduktion des Sauerstoffverbrauches durch Reduktion der Atemarbeit.

8.1.2. Indikation zur Beatmung (E 84–E 85)

  • Prädiktoren einer erhöhten Letalität bei beatmeten Patienten mit Herzinfarkt sind die Kombination aus APACHE-II-Score >29, einer progredienten Niereninsuffizienz binnen der ersten 24 h und einer reduzierten linksventrikulären Pumpfunktion (EF <40%; [231]).

8.1.3. Beatmungsform

  • Invasive vs. nichtinvasive Beatmung (E 86) Während bei der schweren Herzinsuffizienz mit Lungenödem die nichtinvasive Ventilation (NIV) klar indiziert ist, ist beim IkS die invasive Beatmung zu bevorzugen: „Bei rasch progredienter hämodynamischer Verschlechterung und rhythmogener Instabilität muss invasiv beatmet werden.“ [232]. Die Gründe dafür sind die konstant stabilen und vorgebbaren respiratorischen Konditionen bei der invasiven Beatmung und die ungünstigen Auswirkungen einer möglichen psychomotorischen Erregung und Erschöpfung des Patienten bei der NIV.

  • Beatmungsoptimierung (E 87) Nach initialer druckkontrollierter Beatmungsform (PCV) sollten bei IkS dann zum frühestmöglichen Zeitpunkt – ähnlich anderen Beatmungsindikationen – die Vorteile einer protektiven Beatmung in Spontanatmungsmodi genutzt werden. Dabei bewirkt eine erhaltene Zwerchfellbeweglichkeit eine Rekrutierung atelektatischer Lungenbezirke und eine Verbesserung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses sowie – durch den periodischen Abfall des ITP – auch einen verbesserten venösen Rückstrom und ein optimiertes HZV. Geeignete Beatmungsmodi sind CPAP/ASB und BIPAP. Weiterführende Empfehlungen sind nicht belegt.

  • Beatmung bei rechtskardialer Infarktbeteiligung: Siehe Kap. 7.1.3.

  • Kardiogenener Schock und „lungenschonende“ Beatmung (E 88)

    • Für septische Patienten mit ARDS wird eine „lungenschonende Beatmung“ („lung protective ventilation“) aufgrund überzeugender Studienergebnisse empfohlen [23]. Für den IkS fehlen vergleichbare prospektive Studien. Retrospektiv konnte jedoch für beatmungspflichtige Patienten aufgrund kardialer und nicht pulmonaler Ursachen (kein ARDS) gezeigt werden, dass sich durch diese lungenschonende Beatmung das Auftreten eines ALI und auch eines ARDS drastisch vermindern lässt [233]. Da alle IkS-Patienten ARDS-gefährdet sind (MODS, Ischämie- Reperfusionsschaden, beatmungs(ventilator)-assoziierte Pneumonie, transfusionsassoziierte Lungenschädigung), sollte eine lungenschonende Beatmung nach hämodynamischer Stabilisierung erwogen werden.

    • Solange noch keine ausgedehnte Schädigung des Lungengewebes im Sinne eines ALI/ARDS vorliegt, können diese Vorgaben meist bei relativ niedrigen mittleren Atemwegssdrucken erreicht werden, mit minimierter Gefahr einer hämodynamischen Beeinträchtigung.

    • Dennoch sollten diese Zielvorgaben nicht dogmatisch am Respirator eingestellt werden (Gefahr der Hyperkapnie mit respiratorischer Azidose und konsekutiver hämodynamischer Katecholamin-Minderreagibilität); stattdessen sollte eine schrittweise Annäherung an das Konzept der lungenschonenden Beatmung erfolgen (E 88).

    • Eine Empfehlung zur Oberkörperhochlagerung (45°) zur Verhinderung einer ventilatorassoziierten Pneumonie (VAP) kann wie für den Sepsispatienten [23] auch für den IkS-Patienten ausgesprochen werden, hämodynamische Toleranz vorausgesetzt.

8.1.4. Monitoring (E 89)

  • Das hämodynamisch-pulmonale Monitoring umfasst neben dem erweiterten hämodnynamischen Monitoring (HZV) auch das Beatmungsmonitoring mit engmaschiger Erfassung von Beatmungsparametern (PIP, PEEP, FiO2, I:E-Ratio, Tidalvolumen, Atemfrequenz) und der Beatmungszielparameter (paO2, paCO2, pH, Serum-/Plasma-Laktat).

8.1.5. Analgosedierung (E 90–E 93)

  • Generelles Ziel der Analgosedierung sollte die für den Patienten optimale Sedierung und adäquate Schmerzbehandlung sein, welche

    • ein individuell optimiertes Beatmungsmuster,

    • ein problemloses Weaning,

    • eine möglichst programmierte Extubation gewährleistet und

    • keine unerwünschten kardiopulmonalen Nebenwirkungen hervorruft.

  • Bei akut kardial beeinträchtigten Patienten mit laufender Gabe von Substanzen mit vasodilatierender und negativ inotroper Wirkung besteht die Hauptgefahr im Rahmen der Einleitung der Analgosedierung v. a. bei vorbestehender Hypovolämie – in einer relevanten Hypotonie-Induktion mit konsekutiv induzierter Reduktion der endogenen Katecholaminspiegel. In dieser Hinsicht zeigte v. a. Etomidat eine relativ neutrale kardiozirkulatorische Wirkung. Aufgrund der durch Etomidat verursachten anhaltenden Nebenniereninsuffizienz bietet sich Ketamin als Alternative an ([235]; E 90).

  • Substanzwahl (E 91–E 92): Im Rahmen der Langzeitanalgosedierung bietet die leitliniengerechte [236] Kombinationstherapie analgetischer und sedierender Substanzen den Vorteil, durch synergistische Effekte individuelle medikamentenspezifische Nebenwirkungen zu minimieren.

    • Das Sufentanil erreicht aufgrund seiner vorteilhaften kontextsensitiven Halbwertszeit und seiner guten kardiovaskulären Stabilität beim IkS in einer Dosierung von maximal 0,7 μg/kgKG/h eine adäquate Analgesie. In Kombination mit Ketamin kann die Opioiddosierung reduziert und eine Toleranzentwicklung gegenüber dem Opioid verzögert werden. Die dafür benötigten Ketamindosierungen (<1 mg/kgKG/h) induzieren keine klinisch relevanten kardiovaskulären Nebenwirkungen.

    • Nicht indiziert ist die adjunktive Therapie mit einem α-2-Adrenozeptor-Agonisten (Clonidin) bei IkS wegen der gegebenen Katecholaminpflichtigkeit; wohl aber kann Clonidin nach vollständiger hämodynamischer Stabilisierung (keine weitere Gabe von Katecholaminen notwendig) – insbesondere im Weaning – eingesetzt werden (opioideinsparender Effekt).

  • Die Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS; Tab. 19; E 93) gilt als valide Skala zur Erfassung des Sedierungsstatus über den Behandlungsverlauf, zumal sie eine signifikante Korrelation mit den applizierten Dosen an Analgetika und Sedativa zeigt [237]. Der RASS ist 3-mal täglich zu erfassen; anzustreben ist ein Zielwert von −2 bis –3. Bei leichter Hypothermie (Kap. 7.3.4.) kann – bei augenscheinlichem Dyskomfort des Patienten – eine tiefere Sedierung notwendig werden.

Tab. 19 (eLV 8.1.5.a.) Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS)

8.1.6. Weaning (E 94–E 95)

  • Für die Steuerung des Weaning-Prozesses bietet sich das in Algorithmus G (Abb. 7) beschriebene Vorgehen an [239, 240].

  • Vor allem beim beatmeten Patienten mit IkS gestaltet sich dieser Entwöhnungsprozess aber oftmals sehr schwierig, da die stufenweise Reduktion des positiven Atemwegsdrucks gleichzeitig auch eine Beeinträchtigung des hämodynamischen Status zur Folge hat [241]. Dies führt zu einer Nachlasterhöhung mit konsekutiver HZV-Abnahme, umso ausgeprägter, je höhergradiger die zugrunde liegende Herzinsuffizienz ist. Ursache ist die durch die graduelle Vorlaststeigerung im Rahmen der Reduktion der Atemwegsdrucke verursachte zunehmende Ventrikelfüllung und die Abnahme des intra-extrathorakalen Druckgradienten (Nachlasterhöhung).

  • Die zunehmende Belastung des linken Ventrikels während des Weanings erfordert ein engmaschiges hämodynamisches Monitoring, um insbesondere den Wiederanstieg der Nachlast rechtzeitig erkennen und vermeiden zu können.

  • Nach Extubation kann eine frühzeitige intermittierende nichtinvasve Beatmung (NIV) die hämodynamische und respiratorische Funktion der Patienten verbessern.

  • Bei prolongiertem Weaning bzw. bei Weaningversagen kann eine Tracheotomie in Erwägung gezogen werden.

8.2. Organdysfunktion „Niere“: Nierenersatzverfahren (E 96)

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 8.2. in Tab. 20.

Tab. 20 Leitlinienempfehlung E 96: Organdysfunktion „Niere“: Nierenersatzverfahren
  • Aktuelle Aspekte der Prophylaxe und Therapie des akuten Nierenversagens

    • Weder Prophylaxemaßnahmen – z. B. frühzeitige Nierenersatztherapie – noch die Verwendung sehr hoher Filtrat- oder Dialysatmengen kann das Auftreten des akuten Nierenversagens verhindern bzw. dessen Prognose verbessern (Abb. 6; [242]).

    • Die Antikoagulation mit Zitrat anstelle des Heparins bei blutungsgefährdeten Patienten bzw. mit Argotraban bei HIT-II kann im Einzelfall von Nutzen sein [242].

    • Der Stellenwert neuer Hybridverfahren wie des SLEDD („sustained low-efficieny daily dialysis“) kann für die intensivmedizinische Praxis noch nicht abschließend bewertet werden [242].

8.3. Organdysfunktion „Endokrinium“

  • Beim kritisch Kranken kommt es zu endokrinen Störungen wie Stresshormonaktivierung und „Non-Thyroidal-Illness-Syndrome“ [243].

  • Es liegen jedoch keine ausreichenden Studiendaten vor, welche eine therapeutische Intervention hormoneller Veränderungen bei Schwerkranken inkl. des Patienten mit IkS rechtfertigen [243]. Eine Ausnahme könnte allenfalls die Hydrocortisonsubstitution bei herzchirurgischen Patienten mit schwerem SIRS [244] und bei Patienten mit therapierefraktärem septischem Schock darstellen, wobei letztere Indikation von der aktualisierten deutschen Sepsis-Leitlinie [23] nicht mehr generell empfohlen wird.

8.4. Organdysfunktion „Peripheres und autonomes Nervensystem“

  • Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP) und -Myopathie (CIM)

    • CIP und CIM scheinen bei mehr als 50% aller Patienten mit protrahiertem MODS aufzutreten [227] und können Weaning sowie Rekonvaleszenz des Patienten ungünstig beeinflussen.

    • Die Therapie der manifesten CIP und CIM beschränkt sich derzeit auf die bestmögliche Behandlung des MODS. Zwei adjunktive Ansätze werden verfolgt:

      • Eine insulingesteuerte Blutzuckerkontrolle (<110 mg/dl/6,1 mmol/l) scheint das Auftreten der CIP deutlich zu reduzieren ([245]; s. aber 9.1.2.).

      • In einer retrospektiven Analyse wurde bei Patienten mit gramnegativer Sepsis und MODS eine deutlich niedrigere CIP-Inzidenz bei frühzeitiger Gabe eines Immunglobulin-M-angereicherten Immunoglobulinpräparats gesehen [246].

  • Autonome Dysfunktion

    • Die mittels eines Langzeit-EKG objektivierbare hochgradige Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) als Ausdruck einer autonomen Dysfunktion zeigt bei Patienten mit kardiogenem MODS eine ungünstige Prognose an [247].

    • Retrospektive Fall-Kontroll-Studien weisen auf eine geringere Letalität der jeweils mit Statinen, β-Blockern oder ACE-Hemmern behandelten kardialen MODS-Patienten hin, wobei diese Patienten auch eine weniger stark eingeschränkte autonome Funktion mit höheren Vagusaktivitäten haben [248].

8.6. Organdysfunktionen „Magen – Darm – Gallenblase – Leber – Pankreas“

  • Die jeweiligen Ausprägungen der Dysfunktion abdomineller Organe – Magen-Darm-Ischämie mit okklusiver und nichtokklusiver Form, Schockleber, Cholestase und akalkulöser Cholezystitis, Ileus und Ogylvi-Syndrom (Pseudoobstruktion des Kolons), Schockpankreas, Gastroparese und Stressulkusblutung (s. Kap. 9.4.) – können den Krankheitsverlauf des IkS ungünstig beeinflussen [249]. Neben der kausalen Behandlung – möglichst rasche Behebung der Schocksituation – orientiert sich die weitere Therapie an der jeweiligen Ausprägung der Organdysfunktion.

  • Selektive Darmdekontamination (SDD)/selektive orale Dekontamination (SOD) SDD und SOD sind Infektionsprophylaxemaßnahmen bei Intensivpatienten mit voraussichtlich längerer (>48 h) Beatmungsdauer mit Senkung von Pneumonien und Bakteriämien und damit der Letalität ([250]). Die aktualisierte deutsche Sepsis-Leitlinie [23] empfiehlt mit höchstem Empfehlungsgrad (A) entweder SDD oder SOD für Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock. Daten speziell zum IkS liegen nicht vor.

    • SDD-/SOD-Durchführung [23]:

      • Oral (SDD und SOD) Alle 6 h bis zur Entlassung 2%ige Paste mit Polymyxin E, Tobramycin und Amphotericin B, im Mund verteilt

      • + Gastral (SDD) 10 ml Suspension mit 100 mg Polymyxin E, 80 mgTobramycin und 500 mg Amphotericin B

      • + Intravenös (SDD) In den ersten 4 Tagen: 4-mal 1 g Cefotaxim oder bei Allergie 2-mal 400 mg Ciprofloxacin

      • In modifizierter Form kann SDD oder SOD nach der Mundpflege und nach oralem Absaugen auch mit einer Spritze als orale Suspension gegeben werden: 4-mal täglich 10 ml nach folgender Rezeptur: 1,0 g Polymyxin E = Colistin (oder alternativ 0,5 g Polymyxin B), 800 mg Tobramycin, 2,5 g Amphotericin B ad 100 ml Aqua dest.

9. Ernährung und Insulintherapie, Substitutions- und Prophylaxemaßnahmen, Betrachtungen zur Therapiebegrenzung

  • Diese allgemeinen intensivmedizinischen Maßnahmen sind auch für IkS-Patienten von großer prognostischer Relevanz, sie werden allerdings in ihrer Bedeutung häufig unterschätzt und nicht ausreichend umgesetzt.

  • Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 9. in Tab. 21.

Tab. 21 Leitlinienempfehlungen E 97–E 108: Ernährung und Insulintherapie, Substitutions- und Prophylaxemaßnahmen, Betrachtungen zur Therapiebegrenzung

9.1. Ernährung und Glukosekontrolle

9.1.1. Enterale vs. parenterale Ernährung (E 97–E 98)

  • Bei kritisch Kranken (Ernährungs-Leitlinien: [251, 252]) führt eine enterale Ernährung zu einer Verringerung der Komplikationsrate [253, 254]; für IkS-Patienten fehlen spezifische Daten.

  • Die erforderliche Energiezufuhr kritisch Kranker [251, 252] liegt im Akutstadium („katabole Ebb-Phase“) im Bereich des aktuellen Gesamtenergieumsatzes (20–30 Jahre/30–70 Jahre/>70 Jahre: 25/22,5/20 kcal × kg-1KG × Tag-1) oder sogar leicht darunter. Die Ausbildung eines Schocks geht mit einer relativen Abnahme des Energieumsatzes einher. Eine Hyperalimentation (>25–30 kcal × kg-1KG × Tag-1) ist im Akutstadium eher schädlich. Nach Überwindung der Akutphase („anabole Flowphase“) ist die aktuelle Energiezufuhr schrittweise auf 25–30 kcal × kg-1KG × Tag-1 bzw. auf das 1,2-Fache (bei Mangelernährung bis auf das 1,5-Fache) des aktuellen Energieumsatzes zu steigern.

  • Die Leitlinienempfehlung [251] für die Substratzusammensetzung der parenteralen Ernährung kritisch Kranker beinhaltet Aminosäuren (0,8–1,5 g × kg-1KG × Tag-1), Kohlenhydrate (Glukose; ca. 60% der Nicht-Protein-Energie) und Fett (ca. 40% der Nicht-Protein-Energie; bevorzugter Einsatz von Emulsionen mit reduziertem Gehalt an vielfach ungesättigten n-6-Fettsäuren im Vergleich zu reinen Sojaölemulsionen) sowie Elektrolyte und Mikronährstoffe, wobei eine Hyperglykämie auf jeden Fall zu vermeiden ist. Bei parenteraler Ernährung voraussichtlich länger als 5 Tage sollten Glutamindipeptide in einer Dosis von 0,3–0,4 g × kg-1KG × Tag-1 (entsprechend 0,2–0,26 g Glutamin × kg-1KG × Tag-1) zugesetzt werden.

  • Mit der enteralen Ernährung [252] ist bei denjenigen Intensivpatienten zu beginnen – bei hämodynamischer Stabilität innerhalb von 24 h –, welche nicht voraussichtlich innerhalb von 3 Tagen komplett oral ernährt werden können. Bei nur inkomplett möglicher enteraler Ernährung ist das Defizit zusätzlich parenteral auszugleichen. Die enterale Ernährung kann äquieffektiv mit Magensonde oder mit jejunaler Sonde durchgeführt werden, ein erheblicher Sondenreflux lässt sich mit einer i.v.-Gabe von Metoclopramid bzw. Erythromycin behandeln. Peptidbasierte Lösungen haben gegenüber proteinbasierten Lösungen keinen Vorteil gezeigt. Für den Einsatz immunmodulierender Lösungen bei Patienten mit IkS gibt es bei ARDS eine Indikation für eine Immunnutrition mit mehrfach ungesättigten ω-3-Fettsäuren und Antoxidanzien, da generell bei ARDS-Patienten diese Form der Immunnutrition der enteralen Standardnahrung hinsichtlich Beatmungstagen, Dauer des ITS-Aufenthalts und Inzidenz der Entwicklung von Organversagen überlegen war [255].

9.1.2. Insulintherapie zur metabolischen Kontrolle

  • Intensivpatienten Die zunächst beschriebenen günstigen Ergebnisse der kontinuierlichen intravenösen Insulintherapie zur Erzielung einer Normoglykämie (80–110 mg × dl-1/4,4–6,1 mmol × l-1) bei Intensivpatienten konnten in Nachfolgestudien wie der NICE-SUGAR-Studie [256] nicht bestätigt werden. Demzufolge hat die deutsche Sepsis-Leitlinie [23] keine Empfehlung zur Senkung erhöhter Glukosespiegel (Schwellenwert von >110 mg × dl-1 />6,1 mmol × l-1), sondern nur konstatiert, dass die Senkung eines Glukosespiegels >150 mg × dl-1/6,1 mmol × l-1 erwogen werden kann.

  • Herzinfarktpatienten

    • In der CREATE-ECLA-Studie [257] mit Gabe einer Glukose-Insulin-Kalium-Gabe bei 20.201 Patienten mit STEMI (17% Diabetes mellitus Typ 2; nur wenige Patienten mit kardiogenem Schock: Killip-Klasse 4: 1,6%) lag die 30-Tage-Letalität – unabhängig von der Glukose-Insulin-Kalium-Gabe – bei den Patienten in der höchsten Blutzuckertertile (>8 mmol × l-1) mit 14,0% mehr als doppelt wie von 6,6% in der niedrigsten (<7 mmol × l-1), mit 8,5% in der mittleren (7–8 mmol × l-1).

    • Auch in der DIGAMI-2-Studie [258] mit 1253 Diabetikern und vermutetem STEMI <12 h war der Blutzucker ein starker, unabhängiger Prädiktor der Langzeitletalität: pro 3 mmol × l-1 Blutzucker- oder 2% HbAIc-Anstieg lag die Letalität um jeweils 20-Relativprozent höher.

    • In einem Regressionsmodell weisen herzchirurgische Patienten ab einem Blutzuckerwert von ≥145 mg × dl-1/8,0 mmol × l-1 eine höhere Letalität auf [259].

  • Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock (E 99)

    • Studiendaten für den IkS fehlen!

    • Die Experten der vorliegenden Leitlinie haben sich einstimmig für die Empfehlung ausgesprochen, den Blutzucker bei IkS-Patienten auf <150 mg × dl-1/8,3 mmol × l-1 mittels Insulingaben einzustellen (Abb. 6), entsprechend der aktuellen Empfehlung für Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock [23].

9.1.3. Glukose-Insulin-Kalium(GIK)-Infusion (E 100)

  • Experimentelle Befunde sprechen dafür, dass GIK-Infusionen bei Herzinfarktpatienten günstige Effekte haben könnten, u. a. eine positiv inotrope Wirkung mit Verbesserung der linksventrikulären Pumpfunktion. Klinische Studien haben jedoch keinerlei positiven Effekt dieses Konzepts zeigen können [257, 260, 261]. Demzufolge kann die GIK-Infusion bei IkS-Patienten nicht empfohlen werden.

9.2. Substitution mit Erythrozytenkonzentraten (E 101,E 102)

  • Bei kritisch kranken Intensivpatienten generell [262] und insbesondere bei denen mit schwerer Sepsis und septischem Schock [23] ist die Gabe von Erythrozytenkonzentraten nur dann indiziert, wenn der Hb-Wert unter 7,0 g × dl-1/ 4,3 mmol × l-1 abgefallen ist; dabei ist dann der Hb-Spiegel auf 7,0–9,0 g × dl-1/ 4,4–5,6 mmol × l-1 anzuheben. Bei Sepsispatienten mit Myokardischämie oder klinisch relevanter koronarer Herzkrankheit, zyanotischen Vitien, schwerer Hypoxämie, eingeschränkter Gewebeperfusion, Laktatazidose und akuter Blutung können höhere Hb-Spiegel notwendig sein. Bei Patienten mit akuter massiver Blutung (z. B. gastrointestinale Blutung) werden generell in der Akutphase höhere Hb-Werte angestrebt (Hb-Wert 10,0 g × dl-1/6,2 mmol × l-1, Hämatokrit 30%; [262]).

  • Erythropoietin kann bei Intensivpatienten den Bedarf an Erythrozytenkonzentraten vermindern; die Prognose wird damit aber nicht beeinflusst [263, 264].

  • Hinsichtlich kardiovaskulärer Patienten und insbesondere derer mit infarktbedingtem kardiogenem Schock ist die Datenlage uneinheitlich:

    • Patienten mit aortokoronarer Bypassoperation:

      • Die Gabe von Erythrozytentransfusionen korreliert mit einer 1,55-fach erhöhten Rate an kardialen Komplikationen inkl. der Entwicklung eines kardiogenen Schocks [265, 266, 267].

      • Retrospektive Analyse eines herzchirurgischen Patientenkollektiv mit 8516 Patienten, davon 4909 transfundiert [270]:

      • signifikant höhere Letalität (nach Risikoadjustierung) in der Transfusionsgruppe: RR 6,69, 2,59 und 1,32 für die 30-Tage-, Ein-Jahres- und >Ein-Jahres-Letalität,

      • signifikant höhere Ereignisraten in der Transfusionsgruppe für „Infektion“, „ischämisches Ereignis“(!), „Länge des Krankenhausaufenthalts“ und „Kosten“,

      • für alle Endpunkte: ausgeprägte Korrelation mit Anzahl der transfundierten Erythrozytenkonzentrate.

    • Intensivpatienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und einem Hb-Spiegel <90 g × l -1 [268]

      • Transfusionskonzept innerhalb der ersten 72 h restriktiv (Transfusion erst ab ≤70 g × l-1; Zielkorridor 70–90 g × l-1; Hb-Spiegel 85±6,2 g × l-1; Anzahl transfundierter Erythrozytenkonzentrate 2,4±4,1 Einheiten) vs. liberal (≤100 g × l-1; 100–120 g × l-1; 103±6,7 g × l-1; 5,2±5,0).

      • Gesamte Studienpopulation (357 Patienten):

      • Nicht unterschiedlich: 30-Tage Letalität (23%), Schockentwicklung.

      • Ausgeprägter in liberaler Behandlungsgruppe: MODS-Entwicklung.

      • Untergruppe der 257 Patienten mit ischämischer Herzerkrankung, etwa ein Viertel mit kardiogenem Schock:

      • Kein signifikanter Unterschied: Letalität, MODS-Entwicklung

      • Nichtsignifikant (p= 0,27–0,78) um 2,1–6,3% höhere Raten in restriktiver Behandlungsgruppe: 30-Tage-, 60-Tage, ITS- und Krankenhausletalitätsraten

    • Patienten mit akutem Koronarsyndrom

      • 24.112 Patienten [269] dreier Studien

      • 10% der Patienten: ≥1 Erythrozytenkonzentrat (im Mittel 3,6; 2,0–6,0).

      • Signifikant höher in Transfusionsgruppe: 30-Tage-Letalität (8,00 vs. 3,08%; p<0,001) und Herzinfarktinzidenz 25,16 vs. 8,16%; p<0,001), nach Risikoadjustierung allerdings nur noch im Trend.

      • ACS-Patienten tolerieren Hämatokritwert bis 25% ohne Substitution; keine Aussage zu IkS-Patienten [269].

    • Ältere Patienten (≥65 Jahre) mit akutem Herzinfarkt

      • 78.974 Patienten, retrospektive Krankenaktenauswertung [271]: 43,4% der Patienten hatten bei Aufnahme einen Hämatokrit ≤39% und 4,2% einen Hämatokrit ≤30%;

      • 4,7% der Patienten erhielten Erythrozytentransfusionen;

      • Patienten mit niedrigem Hämatokrit waren häufiger im Schock und entwickelten auch im Krankenhaus häufiger einen Schock.

      • Transfusionsgruppe mit initialem Hämatokrit >33%: höhere Sterblichkeit (bei einem Hämatokrit von 33,1–36,0% um 13%);

      • Transfusionsgruppe mit initialem Hämatokrit 30%–33%: um 31% niedrigere Letalität;

      • Transfusionsgruppe mit initialem Hämatokrit <30%: um ≥40% niedrigere Letalität;

      • der Nutzen der Erythrozytentransfusion war bei Nicht-Schock- und Schockpatienten (Entwicklung während des Krankenhausaufenthalts) vergleichbar.

  • Wertung der Studiendaten und Formulierung der Empfehlungen (E 101, E 102) Die Studiendaten für kardiovaskuläre Patienten stammen überwiegend aus nichtrandomisierten Studien mit retrospektiven Analysen und dementsprechendem Bias, was durch Risikostratifizierung nur teilweise kompensiert werden kann. RCT-Daten zur Erythrozyten-Substitutionspflichtigkeit fehlen völlig. Ein Nutzen der Erythrozytentransfusion ist nur bei relativ niedrigen Hb- und Hämatokritwerten ersichtlich, ältere Patienten mit akutem Herzinfarkt ausgenommen.

9.3. Prophylaxe der tiefen Beinvenenthrombose (E 103–E 106)

  • Der Patient mit IkS erhält bereits initial eine therapeutische Dosierung i.v. applizierten unfraktionierten Heparins (s. Abschnitt 5.2.2.4.), an die sich dann die Thromboembolieprophylaxe – zumindest in der akuten Schockphase mit i.v. appliziertem unfraktioniertem Heparin – im weiteren Verlauf anschließt [272, 273].

9.4. Stressulkusprophylaxe (E 107)

  • IkS-Patienten weisen häufig die für eine Stressulkusblutung wesentlichen Risikofaktoren auf, wie „respiratorische Insuffizienz“ (maschinelle Beatmung für mehr als 48 h; RR 15,6; p<0,001), „Koagulopathie“ (<50.000 Thrombozyten/μl oder INR >1,5 oder PTT >2 × Normalbereich; RR 4,3; p<0,001) und „Hypotension“ (systolischer Blutdruck <80 mmHg für mindestens 2 h oder systolischer Blutdruckabfall ≥30 mmHg; RR 3,7; p=0,08; [273]).

  • Bei Vorliegen mindestens eines Risikofaktors ist das Risiko einer klinisch relevanten Magenblutung 4% [273], es kann durch eine medikamentöse Stressulkusprophylaxe – am besten validiert sind H 2 -Rezeptorblocker [275] – um mindestens 50% gesenkt werden [273]. Protonenpumpenhemmer –Omeprazol 1–2 × 40 mg p.o. täglich oder via Magensonde – sind nicht weniger wirksam, aber praktikabler [276]. Insgesamt sind alle diese Studiendaten allerdings nur mit Vorbehalt auf IkS-Patienten übertragbar, da der Anteil an Schockpatienten nur bei 10–20% lag.

9.5. Bikarbonatgabe (E 108)

  • Für den gesamten pH-Bereich ließ sich bisher durch den Einsatz von Bikarbonat bei schwerer Azidose weder eine hämodynamische noch eine Prognoseverbesserung aufzeigen, auch nicht in 2 Studien [277, 278] zur Therapie der Laktatazidose (Patienten überwiegend mit einem Blut-pH ≥7,15). Die Gabe von Bikarbonat kann aber zur Na+- und Flüssigkeitsretention führen, ebenso zu einem Anstieg von Laktat und pCO2 und zu einem Abfall des ionisierten Serum-Ca++.

9.6. Betrachtungen zur Therapiebegrenzung

Siehe eLV.

  • Der Patient mit infarktbedingtem kardiogenem Schock hat ein hohes Sterberisiko, v. a. bei Auftreten eines progredienten MODS. In diesem Stadium sollte – soweit möglich – dem Patienten sowie den Angehörigen bzw. dem Betreuer eine realistische Einschätzung von Prognose und erreichbaren Therapiezielen gegeben und das daraus resultierende weitere Vorgehen abgestimmt werden [140]. Eine Entscheidung zu einer weniger intensiven und weniger eingreifenden Therapie, zur Palliativmedizin [279] oder zur Begrenzung auf definierte Behandlungsmaßnahmen kann im Einzelfall im Interesse des Patienten sein. Vorliegende, glaubhafte und bestätigte Patientenverfügungen sind – unter Beachtung der jeweiligen nationalen Gesetzgebung – bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen.

10. Nachsorge und Rehabilitation

50% aller IkS-Patienten versterben während des Krankenhausaufenthalts, davon etwa die Hälfte während der ersten 48 h [75]. Informationsbedarf besteht v. a. für die Postintensivphase hinsichtlich Prognose und Lebensqualität [8].

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen des Kap. 10. in Tab. 22.

Tab. 22 Leitlinienempfehlungen E 109–E 111: Nachsorge und Rehabilitation

10.1. Krankheitsverlauf nach Verlegung von der Intensivstation

  • Die zuverlässigsten Daten hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs von Patienten mit IkS gehen auf Analysen des SHOCK-Trial bzw. SHOCK-Trial-Registers [27, 31, 32, 280] sowie weitere Studien [281, 282, 283] zurück. Im SHOCK-Trial (n=302) wurde ein Ein-Jahres-Überleben von 46,7% in der Früh-Revaskularisationsgruppe vs. 33,6% in der Patientengruppe mit initial konservativem Stabilisierungsversuch beobachtet; die 3- und 6-Jahres-Überlebensraten der Revaskularisationsgruppe lagen bei 41,4 und 32,8% [27]. In Übereinstimmung damit finden sich in der GUSTO-I-Studie [283] 11-Jahres-Überlebensraten von 55% derjenigen IkS-Patienten, welche 30 Tage überlebt haben.

  • Von allen Ein-Jahres-Überlebenden (n=90) des SHOCK-Trial waren 83% in den Funktionsklassen NYHA I oder NYHA II [31, 32]. Die Rehospitalisierungsrate betrug knapp 20%, mit Herzinsuffizienz und Angina pectoris als häufigsten Aufnahmediagnosen [31]; linksventrikuläre Pumpfunktion und angiographische Zielläsion waren unabhängige Prädiktoren für das Überleben bzw. Versterben der Patienten ein Jahr nach kardiogenem Schock [280]. In einer Studie [281] waren 80% der 35 Patienten 18 Monate nach kardiogenem Schock komplett asymptomatisch, ein Patient klagte über Angina pectoris CCS II und 5 Patienten über Dyspnoe NYHA II; die Ergometrie zeigte bei 24 Patienten eine alters- und geschlechtsbezogene mediane Belastungsfähigkeit von 100% (55–113%); mit einem Herzunterstützungssystem behandelte ältere IkS-Patienten konnten ein Jahr danach nahezu alle wieder ihren Alltagsaktivitäten nachgehen und einige sogar wieder ihren Beruf ausüben.

10.2. Empfehlungen zur Nachsorge/Rehabilitation

  • Die aktuellen deutschen Leitlinien zur Rehabilitation von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen [284] beinhalten als Indikation das „akute Koronarsyndrom“ und die „dekompensierte Herzinsuffienz“; spezifische Empfehlungen für Patienten mit IkS enthält diese Leitlinie nicht.

10.2.1. Stationäre Weiterbehandlung (einschließlich der Phase I der Rehabilitation mit der Frühmobilisation im Akutkrankenhaus)

  • Die Ziele der stationären Weiterbehandlung im Anschluss an die intensivmedizinische Betreuung sind:

    • Ziel 1: Evaluation und Risikostratifizierung hinsichtlich der Grund- und Begleiterkrankung des Patienten (E 109)

    • Ziel 2: Die Vermeidung eines Dekompensationsrezidivs mit neuerlicher Intensivpflichtigkeit (E 110, E 111)

      • Für den Patienten nach IkS besteht ein erhebliches Risiko, aufgrund einer neuerlichen kardialen Dekompensation erneut auf die Intensivstation verlegt werden zu müssen. Somit kommt dem klinischen Monitoring der Patienten auf der Normalstation eine wesentliche Bedeutung zu. Befunde wie erweiterte Halsvenen oder das Autreten eines 3. Herztons besitzen hierbei eine hohe diagnostische Relevanz [285].

      • Die Serum-/Plasmaspiegel-Messungen von BNP/NT-proBNP bei Dyspnoe zur Differenzialdiagnose (Herzinsuffizienz „unwahrscheinlich“ bzw. „wahrscheinlich“: BNP/NT-proBNP <100/<400 pg/ml bzw. >400/>2000 pg/ml [216] und zur Abschätzung einer Beschwerdeprogredienz unter Belastung sind bereits evaluiert, ebenso als frühe Marker einer kardialen Dekompensation, und sie können auch zur Prognoseabschätzung bei Krankenhausentlassung zum Therapiemonitoring hilfreich sein. Bei kardiogenem Schock ist der Stellenwert dieser Biomarker jedoch noch unklar.

    • Ziel 3: Zielgerichtete Therapieoptimierung

      • Die patientenadaptierte medikamentöse, interventionelle und supportive Therapie sowohl der Grund- als auch der Begleiterkrankungen erfolgt leitliniengerecht entsprechend den Leitlinien zur Therapie des Patienten mit akutem Koronarsyndrom mit oder ohne STEMI, mit stabiler koronarer Herzkrankheit, mit Herzinsuffizienz und während der Rehabilitationsphase. Spezifische Studiendaten für den IkS-Patienten fehlen allerdings.

  • Unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen sollte die folgende Medikation für jeden IkS-Patienten evaluiert werden:

    • Bei allen IkS-Patienten:

      • ASS (75–100 mg p.o./Tag)

      • Clopidogrel (75 mg p.o./Tag) für 12 Monate, unabhängig davon, ob ein Stent implantiert worden ist oder nicht.

      • β-Blocker ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität

      • ACE-Hemmer (AT-1-Antagonist bei ACE-Unverträglichkeit)

      • Statin: Beginn der Statinbehandlung baldmöglichst, unabhängig vom LDL-Cholesterinwert. Zielwerte:

      • primär: LDL Cholesterin <100 mg × dl-1/2,5 mmol × l-1,

      • sekundär: HDL-Cholesterin für Männer >35 mg × dl-1/>0,9 mmol × l-1 bzw. für Frauen >45 mg × dl-1/>1,2 mmol × l-1 und Triglyzeride <150 mg × dl-1/1,7 mmol × l-1.

      • Jährliche Grippeschutzimpfung.

Eine Anpassung der Therapieziele bei Hochrisikopatienten, wie z. B. Diabetikern ist erforderlich.

  • Bei ausgewählten IkS-Patienten:

    • Aldosteronantagonist bei linksventrikulärer EF ≤40% in Verbindung mit Zeichen der Herzinsuffizienz oder Diabetes, falls Serumkreatinin <2,5 mg × dl-1/221 μmol × l-1 (Männer) bzw. <2,0 mg × dl-1/177 μmol × l-1 (Frauen) und Serum-K+ <5,0 mmol × l-1.

    • Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) bei denjenigen Patienten mit linksventrikulärer EF ≤35% und QRS-Dauer ≥120 ms, die trotz optimaler medikamentöser und Revaskularisationstherapie in den NYHA-Klassen II–IV verbleiben.

    • ICD-Implantation: nach [5] mit einem Empfehlungs-/Evidenzgrad I/A bzw. IIa/B generell bei denjenigen STEMI-Patienten, bei denen 40 Tage nach dem STEMI die linksventrikuläre EF ≤30–40% und der NYHA-Schweregrad ≥II oder III beträgt bzw. EF ≤30–35% und NYHA I ab 6 Wochen nach dem akuten Myokardinfarkt [286, 287].

    • Diuretika bei Fortbestehen einer Herzinsuffizienz mit pulmonalen und systemischen venösen Stauungszeichen [216].

    • Digitalis kann bei IkS-Patienten in der Postintensivphase wie bei Herzinsuffizienzpatienten eingesetzt werden [216]. Zu erwähnen ist eine retrospektive Studie [288] an 455 Herztransplantationskandidaten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz mit einer doppelt so hohen Sterblichkeit der mit Digoxin behandelten Patienten, wobei die Letalität der Patienten im Sinusrhythmus noch höher war als die der Patienten mit Vorhofflimmern.

    • Antikoagulation: Die Indikation richtet sich IkS-unabhängig nach den üblichen Leitlinienkriterien [5, 138].

  • Medikamentenwahl, Therapiedauer und Dosierungen sollten entsprechend den aktuellen Leitlinienempfehlungen gewählt werden Im Einzelfall kann darüber hinaus noch während des stationären Aufenthalts die Versorgung des Patienten mit einer koronaren Bypassoperation, einer Herzklappenoperation oder auch die Vorbereitung und Listung zur Herztransplantation indiziert sein.

10.2.2. Phase II der Rehabilitation: Anschlussheilbehandlung (AHB)/Anschlussrehabilitation (AR)

Siehe eLV (456).

  • Als Phase II der Rehabilitation (stationär, ambulant) wird die Anschlussheilbehandlung (AHB) bzw. Anschlussrehabilitation (AR) unmittelbar nach Abschluss der stationären Akutbehandlung bezeichnet [284]. Sowohl ein akuter STEMI/NSTEMI nach der Akutphase als auch eine dekompensierte Herzinsuffizienz nach Rekompensation sind Klasse-I/A-Indikationen für eine kardiologische Rehabilitationsmaßnahme [284]; nach dekompensierter Herzinsuffizienz empfehlen diese Leitlinien eine multidisziplinäre Rehabilitation in einer hierfür spezialisierten Einrichtung zur Schulung im Umgang mit der Erkrankung, zur Einleitung eines individuell angepassten körperlichen Trainings und zur stufenweise Anpassung der medikamentösen Therapie.

  • Eine stationäre/ambulante Rehabilitation kann bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt mit Herzinsuffizienz durch eine Reduktion der Risikofaktoren und eine Verstärkung der protektiven Faktoren die Letalität und kardiale Morbidität verringern, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität verbessern sowie die Teilhabe am Sozial- und Erwerbsleben ermöglichen.

  • Diese Rehabilitationsmaßnahme erscheint bei IkS-Patienten besonders dann hilfreich, wenn

    • die Optimierung der Herzinsuffizienzmedikation häufiger Kontrollen bedarf;

    • die körperliche Trainingstherapie noch initiiert und anfänglich überwacht werden muss;

    • ein besonderer Schulungsbedarf (z. B. INR-Management, Therapieadhärenz, Gewichtskontrolle, etc.) vorliegt;

    • Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und/oder bei der psychischen Stabilisierung notwendig ist;

    • die Aussicht auf Stabilisierung bzw. Verbesserung der sozialen und/oder insbesondere der beruflichen Teilhabe besteht.

  • Bei Patienten mit IkS ist aufgrund der Schwere des stattgehabten Infarktgeschehens möglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme – üblicherweise 3–4 Wochen – anzustreben.

10.2.3. Phase III: Langzeitbehandlung (inkl. der Phase III der Rehabilitation)

  • Das Ziel der anschließenden ambulanten Weiterbetreuung inkl. der Phase III der Rehabilitation [284] liegt in der Optimierung der Sekundärprophylaxe und damit der Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren sowie der ggf. neuerlich erforderlichen Intervention. Generell bedeutet dies für alle Infarktpatienten – unabhängig von der medikamentösen Therapie – v. a. die Veränderung der Lebensgewohnheiten und ein gesteigertes körperliches Aktivitätsniveau (Sport; [289, 290]). Darüber hinaus kann gerade bei Patienten mit Herzinsuffizienz neben der gezielten körperlichen Bewegung die Anbindung an eine Herzinsuffizienzambulanz/-telemetrie zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands beitragen [138, 140, 291, 292].

  • Bei Patienten nach einem IkS ist die Mitbetreuung in einer mit diesen Patienten erfahrenen Herzinsuffizienz- oder Postintensivambulanz empfehlenswert. In Zusammenarbeit mit den weiter betreuenden Kardiologen, Internisten und Hausärzten ist ein- bis zweimal jährlich eine eingehende Untersuchung der IkS-Patienten anzuraten (körperliche Untersuchung, Labor, EKG, Holter-EKG, Ergometrie, Echokardiographie, ggf. Spiroergometrie). Die Optimierung der medikamentösen Therapie, aber auch die Indikationsstellung für weiterführende Maßnahmen, wie z. B. für einen ICD, biventrikulären Herzschrittmacher, oder eine Listung zur Herztransplantation, kann dann entsprechend reevaluiert werden. Bei Verschlechterung des Gesundheitszustands ist eine umgehende Vorstellung in dieser Ambulanz ratsam.

Für eine Auswahl an Leitlinienempfehlungen s. Tab. 23.

Tab. 23 Leitlinienempfehlungen (Auswahl)