Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(21): 1146
DOI: 10.1055/s-2008-1077231
Korrespondenz | Correspondence
Frage aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Isolierte Ferritinerhöhung

K. Spiekermann
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Publication Date:
14 May 2008 (online)

Frage: Bei einer 75-jährigen Patientin besteht seit etwa 3 Jahren eine zunehmende, isolierte Ferritinerhöhung (zuletzt 830 µg/l). Serumeisen, Transferrrin, Transferrinsättigung und Eisenbindungskapazität sind normal. Die γGT liegt bei 85 U/l. An Vorerkrankungen sind eine arterielle Hypertonie, ventrikuläre Extrasystolen, intermittierendes Vorhofflimmern sowie eine diastoloische Dysfunktion bekannt. Molekulargenetisch bestehen keine Mutationen im HFE-Gen. - Hat die Ferritinerhöhung eine klinische Bedeutung im Sinne einer Eisenüberladung?

Antwort: Ferritin ist ein ubiquitäres eisenbindendes Protein. Die Konzentration des Ferritins im Serum spiegelt im wesentlichen die Eisenspeicher des retikuloendothelialen Systems (RES) wider. Während ein erniedrigter Ferritinspiegel bei Erwachsenen ein vermindertes Funktions/Speichereisen anzeigt, sind die Ursachen einer erhöhten Ferritinkonzentration vielschichtig. Aufgrund diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Konsequenzen müssen Ferritinerhöhungen mit und ohne Eisenüberladung unterschieden werden (Tab. [1]). Der wichtigste laborchemische Parameter für diese Unterscheidung stellt die Transferrinsättigung dar. Eine erhöhte Transferrinsättigung weist auf eine Eisenüberladung hin, die zum Beispiel durch eine hereditäre Hämochromatose (HH) oder sekundäre Ursachen (Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten) bedingt sein kann.

Tab. 1 Ursachen einer Ferritinerhöhung (Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit). A. Typischerweise mit Eisenüberladung Hereditäre Hämochromatose (HH) HFE, non-HFE Sekundäre Hämochromatose Transfusionsbedingte Eisenüberladung B. Eisenüberladung möglich Chronische Lebererkrankungen Alkoholtoxische Hepatitis/Leberzirrhose Hepatitis B/C, Porphyria cutanea tarda Ineffektive Erythropoese Thalassämien, MDS, chronische hämolytische Anämien C. Typischerweise ohne Eisenüberladung Inflammation Akute/chronische Entzündungen Autoimmunerkrankungen, Kollagenosen, Rheumatische Erkrankungen Hämato-/Onkologische Systemerkrankungen* Leukämien, MPS Solide Tumoren Lebererkrankungen Nichtalkoholische Steatosis hepatis Akute Leberschädigung Monogenetische Erkrankungen Hereditäres Hyperferritinämie-Katarakt Syndrom (HCCS) MPS = myeloproliferatives Syndrom; MDS = myelodysplastisches Syndrom;*bei Diagnosestellung

Eine normale Transferrinsättigung spricht gegen eine Eisenüberladung. Sehr seltene Ausnahmen sind eine hereditäre Hämochromatose Typ 4 und die Acoeroplasminämie. Kann auch nach weitergehender laborchemischer Diagnostik eine Eisenüberladung nicht sicher ausgeschlossen werden ist in Einzelfällen eine Bestimmung des Gewebeeisens, entweder nichtinvasiv im CT/MRT oder mittels Bestimmung der Lebereisenkonzentration nach Leberbiopsie notwendig.

In dem vorliegenden Fall ist die Transferrinsättigung im Normbereich, so dass differenzialdiagnostisch primär eine Ferritinerhöhung ohne Eisenüberladung in Frage kommt. Ferritin ist ein Akut-Phase Protein, das im Rahmen von akuten und chronischen Entzündungsreaktionen erhöht sein kann. Neben klinischen Befunden können laborchemische Parameter wie das CRP diagnostisch hilfreich sein. Weiterhin findet sich eine Ferritinerhöhung bei Lebererkrankungen, und hämatologisch-onkologischen Systemerkrankungen (auf die zum Teil komplexen Mechanismen kann hier nicht näher eingegangen werden). Seltene Ursache einer Ferritinerhöhung ohne Eisenüberladung kann das Hereditäre Hyperferritinämie-Katarakt Syndrom (HHCS) sein, das molekulargenetisch diagnostiziert werden kann.

Bei der beschriebenen Patientin ist eine Abklärung der aufgeführten Ursachen notwendig. Akute und chronische Infektionen sowie hämatologisch/onkologische Systemerkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Weitere häufige Ursachen einer Hyperferritinämie stellen Lebererkrankungen, wie zum Beispiel die nicht-alkoholische Steatosis hepatis, akute und chronische Hepatitiden sowie die alkohol-toxische Hepatitis und Zirrhose dar. Letztere können allerdings auch mit einer Eisenüberladung einhergehen. Interessanterweise gibt es aus epidemiologischen Studien Assoziationen zwischen hohen Ferritin-Serumkonzentrationen und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Glukoseintoleranz und Insulinresistenz bei gesunden Personen. Dies weist darauf hin, dass hohe Ferritinkonzentrationen (im Sinne eines erhöhten Körpereisens) entweder kausal oder als Zeichen einer metabolischen Dysregulation eine der multifaktoriellen Ursachen des Diabetes Mellitus sein könnten.

Diese Darstellung zeigt die umfangreichen differentialdiagnostischen Überlegungen und diagnostischen Maßnahmen, die zur Abklärung einer „isolierten” Ferritinerhöhung notwendig sein können. Wegweisend bei der weiteren Abklärung ist daher die Frage, ob laborchemische oder klinische Zeichen der Eisenüberladung bestehen. Aufgrund der vielfältigen Beeinflussung des Ferritinwertes durch den Eisenstoffwechsel, metabolische, neoplastische und akut/chronisch entzündliche Prozesse sowie einer Vielzahl von Lebererkrankungen bleibt die Beurteilung eines erhöhten Ferritinwertes in vielen Fällen schwierig. Die Indikation zur Bestimmung des Serum-Ferritinwertes (Anämieabklärung, Eisenmangel sowie Diagnostik und Verlaufsbeurteilung der Eisenüberladung) sollte aus diesem Grund streng gestellt werden.

Literatur

  • 1 Wick M. Eisenstoffwechsel und Störungen.  In: Thomas L Labor und Diagnose. 6. Auflage 2005
  • 2 Torti F M, Torti S V. Regulation of Ferritin Genes and Protein.  Blood. 2002;  99 3505-3516
  • 3 Camaschella C. Understanding iron homeostasis through genetic analysis of hemochromatosis and related disorders.  Blood. 2005;  106 3710-3717
  • 4 Schrier, SL, Bacon B R. Iron overload syndromes other than hereditary hemochromatosis; Pathophysiology and diagnosis of iron overload syndromes. UpToDate (accessed online April 2008)

PD Dr. K. Spiekermann

Medizinische Klinik und Poliklinik III - Klinikum der Universität München - Großhadern

Marchioninistraße 15

81377 München

Email: karsten.spiekermann@med.uni-muenchen.de

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