Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58(9/10): 403-404
DOI: 10.1055/s-2008-1067434
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein (fiktives) Interview mit Lester Luborsky

A (Fictional) Interview with Lester LuborskyHorst Kächele in einem fiktiven Gespräch mit Lester Luborsky
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Publication Date:
17 September 2008 (online)

Zu den akademischen Lehrern, deren Arbeit die Ulmer Forschung seit vielen Jahren angeregt hat, gehört Lester Luborsky. Seit meinem ersten Brief an ihn, als Frischling in der Therapieforscherszene vom Oktober 1971, den er postwendend beantwortet hat, sind wir in ständigem Kontakt geblieben. Er war mehrere Male in Ulm; ich habe ihn und seine Frau Ruth viele Male auf den Tagungen der Society for Psychotherapy Research getroffen, und viele gemeinsame Aktivitäten haben uns verbunden.

Die Implementierung der von ihm entwickelten ZBKT-Methode in Ulm und später dann in Leipzig, führte zu dem Aufbau eines Arbeitskreises, der in der BRD viele Mitarbeitende gefunden hat.

Nun können wir eine Zusammenfassung dieser Forschungsrichtung in einem Buch geben, die mit einem Dank an LL eröffnet werden wird[1]. Er selbst hat seine Homepage geschlossen und hat sich zurückgezogen. Doch finde ich es angemessen, seine reichhaltigen Beträge zur psychodynamischen Therapieforschung nochmals ins rechte Licht zu setzen. Mit der Form eines fiktiven Interviews habe ich dies versucht. Sein Sohn Peter hat ihm dieses sinngemäß vorgetragen und LL hat es nickend bestätigt.

LL: Prof. Dr. Lester Luborsky (Penn Medical School, Philadelphia)

HK: Prof. Dr. Horst Kächele (Ulm University)

HK: Lieber Lester Luborsky, ich weiß von Ihrem Sohn Peter, der für uns schon viele Übersetzungen gemacht hat, Sie sind auf dem Rückzug aus dem so reichen Leben als Therapieforscher. Trotzdem möchte ich mir erlauben, Ihnen in diesem fiktiven Interview ein paar Fragen zu stellen.

LL: That would be fine.

HK: Wir kennen uns seit vielen Jahren; genau genommen seitdem ich Ihnen im Oktober 1971 meinen ersten Brief schrieb; damals ging es um die eher technische Frage, welche Veränderungsmuster durch die P-Faktoren-Analyse-Technik erfasst werden können.

LL: That is correct; I remember that your questions were to the point.

HK: 1976 besuchten H. J. Grünzig und ich Sie in Philadelphia und stolperten in ein Treffen Ihrer lokalen Forschergruppe.

LL: Yes, we were then still a small local group, but it was a beginning.

HK: 1982 waren Sie das erste Mal in Ulm?

LL: Oh yes, it was a wonderful meeting of minds, give my greetings to Dr. Helmut Thomä.

HK: Und seitdem haben wir uns viele Male brieflich und mündlich bei den Jahrestreffen der Society for Psychotherapy Research ausgetauscht. Sie schauen nun auf ein langes Forscherleben zurück; seit Mitte der 40er-Jahre, wo ich gerade geboren wurde, haben Sie die psychodynamische Therapieforschung um vielfältige methodische Entwicklungen bereichert.

LL: That is true!

HK: Ich darf die Methode der intraindividuellen Messwiederholung anführen, die Sie mit Raymond Cattell entwickelt haben [1] [2], die der bis dahin verschmähten Einzelfallforschung zu einer ersten Blüte verhalf.

LL: I began to mull over ideas leading to the symptom-context methods already in 1946 with the study of the context for an ulcer patient's recurrent stomach pains. I was lucky to have Raymond Cattell to work with. The topic remained with me until finishing my monograph summarizing all the studies on that topic in 1996 [3] .

HK: Dann Ihre Studie mit Robert Holt an der Menninger Klinik zu den Persönlichkeitsmerkmalen der Psychiater [4]; ebenfalls dort entwickelten Sie die Vorform der Global Assessment Scale [5], die dann Robert Spitzer für das DSM-III übernahm.

LL: Spitzer could have given some credit to me.

HK: Nach dem Wechsel an die Penn Medical School in Philadelphia führten Sie Ihre Studien zur Symptom-Kontext-Methode fort, die Sie am scheinbar trivialen Beispiel des momentanen Vergessens so wunderbar exemplifiziert haben [6].

LL: Wasn't this a wonderful example of finding a suitable object to research?

HK: Gewiss, aber dann rückte damals immer stärker eine kritische evaluative Perspektive zur Wirksamkeit von Psychotherapie ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Sie veröffentlichten eine der ersten Metaanalysen des Faches und konnten aufzeigen, wie wenig der Ausgang von Psychotherapie von vor der Behandlung identifizierbaren Faktoren bestimmt werden konnte [7].

LL: This was a fruitful enterprise for opening a door on process features.

HK: Damals erschien auch eine erste Übersichtsarbeit zur Lage der sogenannten quantitativen Forschung zur psychoanalytischen Therapie [8], mit der für die Ulmer Entwicklung bedeutsamen Forderung nach primary data.

LL: You people in Ulm took this very seriously; the Ulm Textbank became the pace setting example of establishing a true data bank in psychotherapy!

HK: Nun, Sie haben ebenfalls intensiv mit tonbandaufgezeichneten Behandlungen gearbeitet. Ich habe bewundert, wie Sie im Kontext intensiver klinischer Supervisionen von jungen Psychiatern dann die Methode zur Codierung der hilfreichen Allianz entwickelt haben [9]. Zuvor haben Sie mit ihrer Forschergruppe erste tastende Versuche gemacht, auch das Übertragungsthema empirisch in den Griff zu bekommen [10].

LL: It was clear that the two pillars of psychoanalytic therapy – working alliance and transference – had to be scrutinized.

HK: Wenige Jahre später erschien dann das erste Manual der psychodynamischen Therapie [11], dessen deutsche Übersetzung natürlich in Ulm entstehen musste [12]. Im Jahr darauf konnten wir in Ulm die erste internationale Konferenz zur Psychoanalytischen Prozessforschung begehen, wo sich alles, was Rang und Namen in der psychoanalytischen Therapieforschung hatte, versammelte. Im Rahmen dieser Konferenz wurde vergleichend gearbeitet und diskutiert. Gill, Dahl und Luborsky hatten den gleichen Text analysiert, die fünfte Sitzung der Patientin Mrs. C., und demonstrierten die Leistungsfähigkeit ihrer jeweiligen Methode. Ihre Methode, die CCRT-Methode, kam bei Ihrer Zusammenfassung am besten weg.

LL: I am not surprised. I wrote: „All three measures tend to attend to relationship episodes. The CCRT does this more explicitly than the others.” ([13], S. 114).

HK: Wenn Sie sich entscheiden müssten, welche Ihrer vielen Entdeckungen und methodischen Innovationen halten Sie für die wichtigste?

LL: The CCRT, without doubt, as it stands in the very center of Freud's work. Having achieved a verification of Freud's grandest clinical hypothesis is a great satisfaction for me.

HK: So ist es kein Wunder, dass Sie mit Paul Crits-Christoph die letzten 15 Jahre Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit sich voll und ganz diesem Thema gewidmet haben, und dies in vielfältigen Arbeiten, die wir hier gar nicht alle nennen können [14]?

LL: That is correct. Just have a look in our joint report on the worldwide distribution of work with the CCRT-method [15] – How can one wish for more?

HK: Many thanks, Lester, for this interview.

Literatur

  • 1 Cattell R B, Luborsky L. P-technique demonstrated as a new clinical method for determining personality structure.  The Journal of General Psychology. 1950;  42 3-24
  • 2 Luborsky L. Intraindividual repetitive measurements (P-technique) in understanding psychotherapeutic change. In: Mowrer OH (ed) Psychotherapy – Theory and Research. New York; Ronald Press 1953: 389-413
  • 3 Luborsky L. The Symptom-Context Method. Washington DC; APA 1996
  • 4 Holt R R, Luborsky L. Personality patterns of psychiatrists. New York; Basic Books 1958
  • 5 Luborsky L. Clinicians' judgments of mental health: A proposed scale.  Archives of General Psychiatry. 1962;  7 407-417
  • 6 Luborsky L. Momentary forgetting during psychotherapy and psychoanalysis: a theory and research method. In: Holt RR (ed) Motives and thought: psychoanalytic essays in honor of David Rapaport. New York; Int Univ Press 1967: 177-217
  • 7 Luborsky L, Chandler M. et al . Factors influencing the outcome of psychotherapy; a review of qualitative research.  Psychological Bulletin. 1971;  75 145-185
  • 8 Luborsky L, Spence D P. Quantitative research on psychoanalytic therapy. In: Bergin AE, Garfield SL (eds) Handbook of psychotherapy and behaviour change. New York; Wiley 1971: 408-438
  • 9 Luborsky L. Helping alliance in psychotherapy: the groundwork for a study of their relationship to its outcome. In: Claghorn JL (ed) Successful psychotherapy. New York; Brunner, Mazel 1976: 92-116
  • 10 Luborsky L, Graff H. et al . A clinical-quantitative examination of consensus on the concept of transference.  Archives of General Psychiatry. 1973;  29 69-75
  • 11 Luborsky L. Principles of psychoanalytic psychotherapy. A manual for supportive-expressive treatment. New York; Basic Books 1984
  • 12 Luborsky L. Einführung in die analytische Psychotherapie. Berlin; Springer 1988
  • 13 Luborsky L. A comparison of three transference related measures. In: Dahl H, Kächele H, Thomä H (eds) Psychoanalytic Process Research Strategies. Berlin; Springer 1988: 109-116
  • 14 Luborsky L, Crits-Christoph P. Understanding transference. New York; Basic Books 1998
  • 15 Luborsky L, Diguer L. et al .A Guide to the CCRT's Methods, Discoveries and Future. Ulm Textbank http:// http://sip.medizin.uni-ulm.de 1999

1 Albani C, Pokorny D, Blaser G, Kächele H. Beziehungsmuster und Beziehungskonflikte. Theorie, Klinik und Forschung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen; 2008.

Prof. Dr. med. Horst Kächele

Klinikum der Universität Ulm, Abt. für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Am Hochsträß 8

89081 Ulm

Email: horst.kaechele@uni-ulm.de

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