Psychiatr Prax 2007; 34(1): 49
DOI: 10.1055/s-2006-959066
Serie · Szene · Media Screen
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Süße des Lebens

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Publication Date:
31 January 2007 (online)

 

Wer Ärzte auch für besonders begabte Schriftsteller hält, weiß immerhin Marcel Reich-Ranicki auf seiner Seite. Und vermutlich würde der Großkritiker darin den Psychiatern eine durchaus solide Rolle zusprechen. In dieser Reihe ist auch der praktizierende Wiener Kinderpsychiater und -psychoanalytiker Paulus Hochgatterer zu nennen, der im Alter von 45 Jahren bereits auf ein respektables Ouevre als Romancier blicken kann. In seinem neu erschienenen Buch "Die Süße des Lebens" bedient er sich des Genres des Kriminalromans, um eine ruhige, klare Geschichte aus der verschneiten österreichischen Provinz zu erzählen, die es aber in sich hat. Ein alter Mann wird ermordet, der ein unauffälliges Leben geführt und eben noch mit der Enkelin Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt hat. Aus den wechselnden Perspektiven rund einer Handvoll Personen wird Zug um Zug das Bild von den Abgründen des Lebens in jener Kleinstadt gezeichnet. Im Zentrum steht der Psychiater Rafael Horn, zuständig für die seelischen Nöte ihrer Einwohner aller Altersstufen. Und hier zeigt Hochgatterer, wie literarisch eine Kindertherapiestunde oder eine Stationsvisite sein kann. Wer mit den Besonderheiten der österreichischen Diktion noch nicht vertraut war, wird spätestens in diesem Roman seine Sympathie für jenen Sprachduktus entdecken. Und natürlich gibt es eine überraschende Auflösung des Whodunnit zum Ende, die nicht nur literarisch präzise durchkomponiert ist, sondern auch das tiefe, psychodynamisch geschulte Verständnis des Autors vom Fortwirken des Vergangenen in der Gegenwart bezeugt.

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