psychoneuro 2004; 30(5): 250
DOI: 10.1055/s-2004-828641
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Verordnung von Antidementiva aus gesundheitsökonomischer Sicht

Claudia Kramer1
  • 1Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Neurologen, Bielefeld, niedergelassene Ärztin für Neurologie und Psychiatrie
Further Information

Publication History

Publication Date:
09 June 2004 (online)

Kurzzeitige Einsparungen im Bereich der Arzneimittelverordnungen führen nicht immer zum gewünschten Endergebnis. So können bei Patienten mit Alzheimer-Demenz durch eine frühzeitige medikamentöse Therapie langfristig gesehen erhebliche Kosten vermieden werden, da der Pflegeaufwand verringert wird und Heimeinweisungen verzögert werden. Bewährt hat sich der NMDA-Antagonist Memantine: Die Alltagskompetenz der Betroffenen verbessert sich bzw. eine weitere Verschlechterung wird zeitlich hinausgezögert.

Frau Dr. Kramer, es ist Ihnen gelungen durchzusetzen, dass die medikamentöse Therapie mit Antidementiva im Gebiet Westfalen-Lippe nicht mehr zu Budgetproblemen führt, diese Verordnung kann außerhalb der Richtgrößen erfolgen. Warum haben Sie sich so vehement für dieses Ziel eingesetzt?

Das Durchschnittsalter in Deutschland liegt weltweit an 4. Stelle. Es gibt immer mehr alte Menschen und bekanntlich nimmt die Inzidenz der Demenz mit zunehmendem Alter gesetzmäßig zu. Natürlich kann man an die Bevölkerung appellieren, die Risikofaktoren so gut wie möglich zu vermeiden. Tatsache ist aber, dass wir bereits zahlreiche Demenzkranke haben und wenn man einerseits die Lebensqualität dieser Patienten möglichst lange erhalten will und andererseits die Kosten, die mit dem Fortschreiten der Erkankung immer mehr zunehmen, irgendwie in den Griff bekommen will, so gibt es nur eine einzige Antwort darauf: Die möglichst frühzeitige Behandlung, in deren Mittelpunkt eine zielgerichtete medikamentöse Therapie steht.

In unserem Gesundheitssystem ist Sparen angesagt. Können wir uns eine frühzeitige Therapie der Alzheimer-Demenz überhaupt leisten?

Diese Frage beantwortet eine einfache Rechnung: Das Geld, was wir heute investieren, sparen wir am Ende des Lebens des betreffenden Patienten ein. Man kann bei den meisten Antidementiva heute davon ausgehen, dass es zu einer Verlangsamung der Krankheitsprogression kommt, was sowohl für die Patienten als auch für die Angehörigen ein Gewinn an Lebensqualität bedeutet. Im schweren Stadium der Erkrankung entstehen die höchsten Kosten. Sobald einem diese Logik deutlich wird, gibt es nur eine Konsequenz: Heute investieren, um später möglicherweise ein Mehrfaches zu sparen.

Was muss man zum Wirkstoff Memantine wissen?

Memantine gehört zu den NMDA-Rezeptorantagonisten und zeichnet sich in der täglichen Praxis durch eine gute Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit aus.

Bei welchen Indikationen kann Memantine eingesetzt werden?

Memantine (Axura®) ist der einzige Wirkstoff, der die europäische Zulassung für die Therapie von mittleren und schweren Formen der Alzheimer-Demenz hat. Kürzlich hat Memantine für diese Indikation sogar in den USA die Zulassung erhalten. Damit hebt sich Memantine von den anderen zur Verfügung stehenden Antidementiva ab.

Was können sich der Patient bzw. die Angehörigen konkret von einer Therapie mit Memantine versprechen?

Der Patient erlebt seine Demenz in erster Linie als eine Abnahme seiner Lebensqualität, die ihm insbesondere in den Frühstadien schmerzhaft bewusst wird. Im weiteren Verlauf sind es vor allem die Angehörigen, die die Verschlechterung bemerken. Es geht dabei ganz zentral um alltägliche Fragen, die man insgesamt unter dem Begriff Alltagskompetenz zusammenfassen kann. Das beginnt bei der Nahrungsaufnahme, geht über die Körperpflege und die Körperhygiene bis hin zum Schlaf und die Kommunikation mit anderen Menschen. Man darf von einer Behandlung mit Memantine eine Verbesserung all dieser Funktionen erwarten, wobei man allgemein in der Demenz-Therapie keine unrealistischen Erwartungen haben sollte. In der Regel kommt es innerhalb von etwa drei Monaten zu einer Verbesserung der Befindlichkeit des Patienten. Aber selbst wenn diese Verbesserungen nicht so stark ausgeprägt sind, wie es sich die Betroffenen erhoffen, sollte man bedenken, dass eine Stabilisierung der bestehenden Situation bereits ein großer Erfolg ist. Insgesamt - das zeigen die bisherigen klinischen Studien - kann die antidementive Therapie die Krankheitsprogression um mindestens ein Jahr verzögern.

Bei dieser Therapie älterer, oft multimorbider Patienten spielt die Verträglichkeit der Substanz eine erhebliche Rolle. Wie sieht die Situation bei Memantine aus?

Memantine hat ein sehr gutes Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil. Das Antidementivum ist gut verträglich. Auch eine evtl. bestehende Begleittherapie bietet in aller Regel keine Probleme hinsichtlich Wechselwirkungen.

Vielen Dank für das Gespräch!

    >