Psychiatr Prax 2003; 30: 57-63
DOI: 10.1055/s-2003-39736
Geschichte der Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

A. Döblin: Biografie zwischen Regensburg und Emmendingen

A. Döblin: Biography between Regensburg and EmmendingenGabriel  Richter1
  • 1Zentrum für Psychiatrie Emmendingen
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Publication Date:
04 June 2003 (online)

Das Kürzel „A. Döblin” im Titel meines Vortrages steht für Dr. med. Alfred Döblin, Arzt und Schriftsteller, kurz für „Döblin-Berlin-Alexanderplatz”. Damit wäre für alle Leser die wesentliche Zuordnung erfolgt, die allerdings Alfred Döblin beleidigt hätte. Döblin wollte Zeit seines späteren Lebens in Bezug auf sein literarisches Werk nie auf seinen weltberühmten Roman reduziert werden, und verstand sich im Übrigen zunächst immer als Arzt. „Ich versichere: ich werde, wenn die Umstände mich drängen, lieber und von Herzen die Schriftstellerei aufgeben als den” man höre und staune „inhaltsvollen, anständigen, wenn auch sehr ärmlichen Beruf eines Arztes.” Von jenem ärztlich-psychiatrischen Aspekt, den Döblin selbst eigentlich nie kritisch hinterfragte, soll im Folgenden vor dem Hintergrund der Anstaltspsychiatrie die Rede sein.

Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 als Kind jüdischer Eltern in Stettin geboren. Mit zehn Jahren, im sog. „Dreikaiserjahr”, siedelte seine Mutter mit ihm und seinen vier Geschwistern nach Berlin um, nachdem sie ihr Ehemann verlassen hatte. Bereits als Kind sei Döblin „schwächlich” gewesen. Infolge einer Rachitis hätte er ein dadurch verkrümmtes „O-Bein” gehabt. Er sei auch nicht größer als 1,60 m gewesen. Wegen einer ausgeprägten Kurzsichtigkeit habe er schon als Kind eine Brille tragen müssen. Daher die treffende Beschreibung von Döblin als „kleinwüchsiger Sprachriese mit diesem seit 1929 weltberühmten Brilleneulengesicht”.

Nach dem Abitur 1900 studierte er Medizin und Philosophie. Zu seiner Fächerkombination führte er aus: „Warum hatte ich denn begonnen, Medizin zu studieren? Weil ich Wahrheit wollte, die aber nicht durch Begriffe gelaufen und hierbei verdünnt und zerfasert war. Ich wollte keine bloße Philosophie und noch weniger den lieben Augenschein der Kunst.” Einschränkend fügte er jedoch später hinzu: Die Medizin erscheine ihm „klar und hell, aber nicht tief genug”.

Döblin studierte zunächst bis 1904 in Berlin und von 1904 - 1905 für ein Winter- und Sommersemester in Freiburg. Er wurde dort sowohl approbiert, als auch bei Professor Alfred Hoche, Direktor der damaligen Universitäts-Irrenklinik, in Freiburg mit der Dissertation (Abb. [1]): „Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose” mit einem „cum laude” zum Doktor der Medizin promoviert. Hoche sollte später, ab 1920, durch die Veröffentlichung der Schrift: „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens” zweifelhaften Ruhm erwerben.

Abb. 1 Döblins Dissertation.

Das Thema der Dissertation ist, bei näherer Betrachtung, nicht willkürlich gewählt. Das Korsakow-Syndrom stelle nämlich, nach Ansicht Döblins, eine Verbindung zwischen Schriftstellerei und Psychiatrie her. Sowohl das Dichten des Schriftstellers, als auch die Konfabulationen des Korsakow-Patienten seien „Verbindungsstörungen”. „Das wirklich Erlebte wird dislociert; Erträumtes, Erlesenes, Gedachtes, Halluciniertes wird vermengt, commutiert.”

Döblin glaubte jedoch zugleich, die Unterschiede zwischen pathologischem und literarischem Fabulieren durch weitere Befunde trennen zu können: während der Dichter angeblich „mit Erregungssymptomen, schwachem, contrahiertem Puls, bleicher Haut, glühendem Kopfe, glänzenden Augen” über längere Zeit hinweg dichte, lege der Korsakow-Patient nur für kurze Augenblicke „mit nüchterner Stimme seine Fabulationen hin”.

Auch die Ziele seien unterschiedlich, wenn man bei einem Korsakow-Erkrankten überhaupt von einem zielgerichteten Verhalten sprechen könne: „bei der poetischen Fabulation, der poetischen Dislokation und Confussion (Commutation) von Erlebten, Erlesenen, Geträumten, associiert eine Vorstellung, die man auch Zielvorstellung nennen kann, rapide einzelnes von ihr Dislociertes und Konfundiertes; bei der Psychose wird nicht erst von einer gleichsam aktiven Vorstellung aus, durch das Vorherrschen einer Vorstellung, dislociert und konfundiert; die Dissociation ist bei der Psychose primär vorhanden.”

Die Syndromenlehre seines Freiburger psychiatrischen Lehrers Hoche stand im Gegensatz zu der sich seinerzeit allmählich durchsetzenden Lehrmeinung der Zweiteilung in exogene und endogene Psychosen, das Reduzieren des Paranoiabegriffes auf eine engere Bedeutungsebene, die Benennung und Systematisierung der Dementia praecox und der Trennung der endogenen Psychosen in Schizophrenie und manisch-depressives Irresein durch Kraepelin, Bleuler und andere. Dieser syndromale Ansatz Hoches wurde von Döblin in einigen Arbeiten weiterverfolgt. Döblin integrierte dabei allerdings, anders als sein Lehrer Hoche, die Ansätze der zwei Antipoden der modernen Psychiatrie und Psychotherapie, Kraepelin und Freud, zumindest in sein literarisches Werk.

Döblin glaubte, dass sich aus der Schriftstellerei eine Brücke zur Analyse Freuds schlagen lasse, denn, so Döblin, „die meisten Seelendeutungen sind nichts als Romandichtungen”. Allerdings ist dieses Statement unterschiedlich interpretierbar. Für seine spätere praktische, ärztlich psychiatrische Tätigkeit schienen ihm die Ideen Freuds wenig hilfreich gewesen zu sein: „Mir persönlich hat Freud nichts Wunderbares gebracht.” Dieser Standpunkt lasse sich jedoch nicht verallgemeinern. So schrieb Döblin zum Thema: „Soll man die Psychoanalyse verbieten”: „Für eine Anzahl Kranke ist die Analyse die Methode der Wahl. [...] Wenn einer sichtbar durch sexuelle Erlebnisse erkrankt und das Aufdecken des Vorfalls hilft, so soll man aufdecken. Einen Kranken behandeln ist nie eine unsittliche Handlung, die hilfreiche Methode nie weder schlecht noch unsittlich.”

Döblin hielt sogar zum 70. Geburtstag Freuds den Festvortrag vor der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, in dem er resümierte: „In zweifacher Hinsicht lobe ich Freud - und ein Stück ist da so gut wie das andere. Als einen Wohltäter der Menschheit, der breit die Türe zu dem Krankheitsherd vieler Leiden geöffnet hat. Und dann als Geistesführer, als einen, der in Europa am frühesten wieder in der Wissenschaft das Königsgebiet der Seele betrat.”

Döblin lernte die „Anstaltspsychiatrie” erstmalig in der Heil- und Pflegeanstalt bzw. Kreisirrenanstalt Karthaus-Prüll bei Regensburg kennen, in der er von 1905 - 1906 arbeitete (Abb. [2]). Man kann aus Döblins Erzählung von 1914 „Das Leben in einer Irrenanstalt” eine Darstellung der Entstehungsbedingungen und des Geistes, der in solchen Großkrankenhäusern in der Vorkriegszeit herrschte, entleihen. Der dort beschriebene idealisierende und idyllisierende Standpunkt nährte sich unter anderem aus eben jener Tätigkeit in Prüll und lässt sich auch auf die „Heil- und Pflegeanstalt” Emmendingen eingeschränkt übertragen - bevor sich die Zustände durch das erste große Hungersterben am Ende des Ersten Weltkrieges, die Greuel im „Dritten Reich” und die erneute Not in der unmittelbaren Nachkriegszeit änderten: „Wir finden die Gebäudekomplexe meist in die Vororte der Großstädte oder ganz aufs Land geschoben, um die Nachbarschaft nicht zu stören, die Vorzüge des ländlichen Aufenthaltes zu genießen, last not least, oft unheilvolle Besuche Angehöriger und Bekannter zu erschweren. Die Komplexe sind in der Regel ausgestattet mit weiten Gartenanlagen, die die Pfleglinge unter Aufsicht behüten, mit Gemüsefeldern, welche die Pfleglinge in Kolonnen bebauen. Inmitten der Baulichkeiten dehnen sich Werkstättenhäuser aus, Tischlereien, Drechslereien, Nähstuben, Schneiderstuben, alle angefüllt mit tätigen, genesenden oder schwachen Patienten, die, geleitet von den Fachmännern, wieder einer normalen Tätigkeit zugeführt werden. (…) Ein vielfach schönes geselliges Leben und Treiben ist auf diesen Häusern; man musiziert, tanzt, liest; es finden Gesangsstunden statt, kleine Aufführungen werden geprobt. Kaum sichtbar geht durch diese Häuser die Beobachtung der Ärzte, die minutiöse Aufmerksamkeit des Wartepersonals. Die geübten Pfleger und Pflegerinnen, die zum Teil jahrzehntelang im Dienste stehen, kennen jeden ihrer Leute und seine Eigentümlichkeiten bis ins Detail: sie haben eine Menschenkenntnis und Routine im Urteil, um die sie ein Psychologe vom Fach beneiden könnte.”

Abb. 2 Döblin als Assistenzarzt (ca. 1910).

Am Beispiel Prüll hatte er auch seine Überlegungen zum „Heilfaktor Anstaltspsychiatrie” angestellt, die für den heutigen Betrachter ausgesprochen harmonisierend erscheinen (Abb. [3]): „Es ist ein so grundsätzlicher Unterschied zwischen den Leuten, die wir da beherbergen müssen, dass es überhaupt mit einem einzigen Leisten gar nicht geht. Das Gemeinsame ist, dass sie sozial unbrauchbar, zum Teil sozial schädlich sind; aber selbst das stimmt nicht völlig; einige, nicht wenige, sind unter gewissen Bedingungen leidlich gesellschaftsfähig, einige völlig, und so müssen wir beim Bau eines Hauses für so verschiedene Köpfe auf all diese Differenzen und fließenden Übergänge Rücksicht nehmen. (…) So wird aus der Irrenanstalt ein vielgestaltiger Organismus; sie hat offene Häuser und geschlossene Häuser, ja ebenso wie sie für die geisteskranken Verbrecher Gebäude errichtet, die dem sichersten Zuchthaus an Festigkeit nichts nachgeben, mit meterhohen Mauern, so baut sie freie Villen, schickt ihre Pfleglinge in die Umgegend, gibt sie in Familienpflege. Mit höchster Sorgfalt hat sie über ihre Bewohner zu wachen; es gibt ein hin und her, ein Wandern von Haus zu Haus. Denn die Irrenanstalt ist bereits an sich ein Heilfaktor.”

Abb. 3 Die Heil- und Pflegeanstalt Prüll.

Döblins idealtypische Darlegungen stimmen mit seinen ersten Eindrücken von der realen Arbeitssituation in Prüll überein, wo er sich gut aufgehoben fand, stehen allerdings im Widerspruch zu seiner dortigen beruflichen Entwicklung, die schließlich in einer Beleidigungsklage gegen seinen Oberarzt gipfelte: „Ich geh von hier (…), weil die Herren, die selbst nichts gelernt haben, mir keine wissenschaftliche Förderung natürlich zukommenlassen lassen, besonders weil ich mit allen überworfen bin. (…) Die Situation hab ich nur aus Trotz noch ein bissel ertragen, schließlich langweilts einen ja; man fühlt sich auch zu gut für solche Kleinstädtereien.”

Nach Prüll war Döblin in der Städtischen Irrenanstalt Buch (bei Berlin) von 1906 - 1908 und am Städtischen Krankenhaus Am Urban in Berlin von 1908 - 1911 tätig. Ab 1911 betrieb er in Berlin eine kassenärztliche Praxis, erst als praktischer Arzt und Geburtshelfer, dann als Internist, Neurologe und Psychiater. Diese Kassenarztpraxis bestand, unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, bis 1931. Von 1931 - 1933 arbeitete er als Privatarzt in Berlin, nachdem er durch die Notverordnungen seine kassenärztliche Zulassung verlor und nicht mehr wiedererlangte. Seine Praxen lagen im Milieu der einfachen Leute Berlins, nach Heinrich Mann in „einer Zentrale der Existenzsorgen, da war er der Doktor, zu dem sie kamen, Arbeiter, Arbeitslose, Weiber mit ihrer Brut”. Döblin schrieb: „Die ,Gebildeten‘ und Bessersituierten habe ich vor dem Kriege einige Zeit als Arzt genossen; ich habe sie mit Vergnügen verlassen, als ich sah, was vielen, den meisten unter ihnen der Arzt war: einer, den man für seine Leistung bezahlt (oft auch nicht bezahlt).” 1919 trat er in die USPD ein, von 1921 - 1930 war er SPD-Mitglied. 1929 veröffentlichte er den Roman: „Berlin Alexanderplatz”.

Ende Februar 1933 wurde Döblin als Jude in die Emigration gezwungen. Zur gleichen Zeit wurden seine Schriften auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Die Scheiterhaufen im ganzen Reich brannten. Döblin schrieb dazu: „Ein Jude meines Namens war auch dabei. [...] So ehrt man mich.”

Döblin ging zunächst über Kreuzlingen - Döblin kannte dort die psychiatrische Einrichtung Bellevue und war seit 1931/1932 mit Ludwig Binswanger freundschaftlich verbunden - und Zürich im September 1933 nach Paris, wo er lange Zeit erhebliche Not litt. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm aberkannt. Fortan war er, der sich eher als Arzt, denn als Schriftsteller fühlte, auf seine Schriftstücke und Veröffentlichungen und die Absatzmöglichkeiten seiner Bücher im deutschsprachigen Ausland zum Broterwerb angewiesen. Resigniert schrieb er: „Arzt kann ich nicht mehr sein im Ausland, und schreiben wofür, für wen?” Er hat nie mehr praktiziert, sondern wurde zunehmend selbst zum Patienten, beeinträchtigt insbesondere durch Nervenschmerzen und ein Augenleiden. Erst 1939, nach über fünf Jahren in Frankreich, wurde er im französischen Informationszentrum angestellt, wo er Pamphlete für die Propaganda gegen Nazideutschland verfasste.

Von Frankreich emigrierte Döblin im Sommer 1940 über Spanien und Portugal in die USA, wo er als Drehbuchautor für die Metro-Goldwyn-Mayer in Hollywood sein Dasein fristete. Denn auch in der Emigration in den USA litten die Eheleute Döblin, anders als der Dichterfürst Thomas Mann, erneut existenzielle Not. Sie mussten zeitweilig von der Arbeitslosenunterstützung und, nach Einstellung dieser Zahlungen, vom sog. „writers fund” leben, der bedürftigen Schriftstellern in der USA gewährt wurde.

Am 9.11.1945 kehrte Döblin als Kulturoffizier der französischen Besatzungsmacht, bald 70-jährig, nach Deutschland zurück. „Und als ich wiederkam, da kam ich nicht wieder” schrieb er 1946 in der Badischen Zeitung. Er arbeitete im Dienste der „Direction de l'Éducation Publique” als Zensor, um vor allem das literarische Schrifttum auf seine politische Unbedenklichkeit hin zu überprüfen. Döblin hätte in seiner Funktion „unnachsichtig” das Weiter- und Wiederaufleben faschistischer Tendenzen verfolgt und sich den Veröffentlichungen von Autoren widersetzt, die, wenn auch nur zeitweilig, mit den Nationalsozialisten paktiert hätten, so z. B. Gottfried Benn, wie er ein „Schriftstellerarzt”. Diese französische Behörde wurde 1951 aufgelöst.

In eindrucksvoller Weise fasste Döblin die „Euthanasie” am Beispiel der Berliner Anstalt Buch in einem Artikel aus dem Jahr 1946 mit dem Titel: „Die Fahrt ins Blaue” in literarische Form. Döblin hatte im Schwarzwald einen ehemaligen Kollegen getroffen, den er von seiner gemeinsamen Tätigkeit in Berlin-Buch her kannte und der sich das Erlebte von der Seele reden wollte. Diese erste literarische Veröffentlichung zum Thema „Euthanasie” im Nachkriegsdeutschland verdient, besonders hervorgehoben zu werden, zeigte sich doch seinerzeit, dass das Bewusstsein, mitschuldig an diesen Verbrechen geworden zu sein, bei vielen Ärzten noch nicht sonderlich ausgeprägt war und erst durch die jeweiligen Besatzungsmächte angestoßen werden musste.

Seine Ehefrau kaufte schließlich 1951 von der Abfindungssumme, die Döblin für seine Tätigkeit bei der französischen Militärregierung erhielt, eine Wohnung in Paris. Als Dichter in Deutschland verdrängt, vergessen und isoliert, zog er sich Ende April 1953, verbittert über die restaurativen Tendenzen in Deutschland, nach Paris zurück. „Ich bin in diesem Lande, in dem ich und meine Eltern geboren sind, überflüssig, und stelle fest, mit jeder erdenklichen Sicherheit: ,Der Geist, der mir im Busen wohnt, er kann nach außen nichts bewegen‘”, schrieb er in einem offenen Brief an den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der ihn zuvor noch im Krankenhaus besucht hatte. Man hatte ihm diesen Rückzug in Deutschland empört als „,vaterlandslose‘ Schwäche” ausgelegt.

Döblins Resignation drückt sich geradezu bildhaft in der Verfassung aus, in der er am 29. April 1953 das Exil antrat. Sie wurde von einem Beobachter folgendermaßen geschildert:

„Auf einer Bahre brachten ihn zwei blaubeschürzte Bedienstete des Zentralhotels auf den Bahnsteig. Dort saß er (…) zusammengekauert, eine Decke auf die Beine gebreitet, auf einem wackeligen Stuhl - nahe der Geleise - im nur gespenstig erhellten Bahnhofsdunkel und in kalter rauchiger Zugluft, ein Großer der deutschen Literatur (sofern man noch von einer solchen reden kann), verraten und verkauft, jedenfalls vereinsamt und verbittert, krank und müde, wenngleich sehr wachen Geistes. Mein Ohr zu seinem Mund geneigt (der alte Mann war erkältet, heiser und hustete) hörte ich ihn sagen: „Das ist der Abschied”.

Anfang 1954 war Döblin jedoch schon wieder in Deutschland. Er wurde von nun an etliche Male wegen seiner zunehmenden körperlichen Leiden und der damit verbundenen Pflegebedürftigkeit über Monate, jeweilig zunächst nach einer stationären Behandlung in der Universitätsklinik Freiburg, in Südbaden weiterbehandelt und betreut (Abb. [4]). Obgleich Döblin meinte, sein Aufenthalt in Deutschland sei keine Rückkehr, sondern ein „etwas verlängerter Besuch” gewesen, kommt man für die Zeit, die er während seines zweiten Exils in Frankreich zwischen 29. April 1953 und seinem Tode im Juni 1957 bereits wieder in Deutschland verbrachte, auf die erstaunliche Zeit von mehr als zwei Jahren, d. h. Döblin lebte in dieser Zeit länger in Deutschland, als in Frankreich. War er nicht gleichermaßen nur ein Besucher in Frankreich muss man sich fragen?

Abb. 4 Krankenhaus- und Kuraufenthalte Döblins in Deutschland während seines Exils vom 29.4.1953 - 26.6.1957.

Döblins Gesundheitszustand verschlechterte sich Anfang 1956 erneut, nachdem er schon, wie oben angedeutet, wegen verschiedener Leiden, wie z. B. einem Herzinfarkt, Sehstörungen, Nervenschmerzen, Harnverhalt, einer Blasenentzündung, einem Hörsturz, seiner Parkinson-Erkrankung usw. immer wieder stationär in Deutschland behandelt worden war. Warum Frau Döblin ihren Mann seinerzeit, als französischen Staatsbürger - übrigens eine besondere und einem Deutschen nur selten zugestandene Auszeichnung -, nicht in Frankreich behandeln ließ, kann man sich einerseits damit erklären, dass Döblin trotz seiner seit 1936 gewährten französischen Staatsbürgerschaft nur über unzureichende Französischkenntnisse verfügte - Döblin sah sich „auf der Flucht vor der mich quälenden Fremdsprache”, andererseits damit, dass Frau Döblin in Paris kein Heim hätte finden können, das zur Aufnahme ihres Mannes bereit gewesen sei. Denn schon in Paris sei Döblin gegenüber einer Pflegerin wahnhaft und misstrauisch eingestellt gewesen und hätte sie als „Mörderin” bezeichnet. Die Anknüpfungspunkte zur südwestdeutschen Region, in der er sich fortan aufhielt, bestanden ja bereits schon einerseits durch seine Studien- und Militärzeit, andererseits durch seine Tätigkeit bei der französischen Besatzungsmacht und die krankheitsbedingten Aufenthalte in der Nachkriegszeit seit 1947.

So wurde Döblin wegen seines rapiden Kräfteverfalles am 14.2.1956 mit dem Nachtschnellzug erst nach Basel, von dort nach Freiburg transportiert und zunächst erneut in der Medizinischen Klinik behandelt (Abb. [5]). Es war bettlägerig, zeigte einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand, litt an Blasenentleerungsstörungen und einer quälenden Verstopfung. Im Rahmen eines Harnverhaltes musste ein Dauerkatheter gelegt werden. Es ließen sich bei ihm, wie in der Krankengeschichte beschrieben, wiederkehrende Verwirrtheitszustände und Neugedächtnisstörungen beobachten, ferner wechselnde Bewusstseinstrübungen, Personenverkennungen, Trugerinnerungen und nicht zuletzt auch ängstliche und erregte Verstimmungszustände.

Abb. 5 Döblin als Patient mit seiner Ehefrau Erna.

Am 17.3.1956 wurde Döblin in das Sanatorium nach Buchenbach bei Freiburg verlegt. Er hätte sich bei der Aufnahme in einem desolaten und lebensbedrohlichen Zustand befunden.

Zum dortigen Behandlungserfolg berichtete die Ehefrau: „Es geschah ein Wunder! Er wachte wieder auf, aß, nahm zu, wurde treulich von Ärzten und Pflegepersonal umsorgt.” Döblin schrieb bzw. diktierte am 19. Februar 1957, trotz der guten Behandlung und Pflege, resigniert: „Mein ganzes Schreiberleben gehört der Vergangenheit an, mit Recht und mit Grund bin ich physisch gelähmt, dass ich keinen Strich mehr ziehen kann.”

Döblin selbst drängte wohl nach seiner Betreuung in Buchenbach auf eine Entlassung nach Paris. Die mangelnde Bettenkapazitäten in Wiesneck hätte eine Verlegung erforderlich gemacht. Er wurde allerdings, auf Wunsch der Ehefrau, am 1.6.1957, nach dortiger 14-monatiger intensiver Pflege und Aktivierung, in das Psychiatrische Landeskrankenhaus Emmendingen verlegt.

Ärztlicher Direktor in Emmendingen zurzeit der Aufnahme von Alfred Döblin war Dr. Gregor Overhamm. Noch in diesem Jahr 1957 musste dieser feststellen, dass sein Haus „in der südbadischen Bevölkerung nichts weniger, als das, was man einen ,guten Ruf‘ nennt”, genießen müsse, was sicherlich kein singuläres Problem von Emmendingen darstellte (Abb. [6]).

Abb. 6 Überfüllter „Wachsaal” im PLK Emmendingen 1957.

In der Heil- und Pflegeanstalt wurden 1957 über das Jahr gesehen durchschnittlich 1327 Patienten behandelt. Insgesamt wurden 1309 Patienten in diesem Jahr aufgenommen. Der Gesamtpersonalstand im Hause betrug 390 „Köpfe”. Für die Behandlung der Patienten standen 15 Ärzte zur Verfügung, für die Pflege waren 237 Pflegepersonen vorhanden. Die durchschnittliche Verweildauer betrug bei Männern 175 Tage, bei Frauen 198 Tage. Der damalige Ärztliche Direktor versuchte, diese auch seinerzeit wohl relativ langen bzw. gegenüber dem Vorjahr nicht abgesunkenen Aufenthaltsdauern der vermehrten Aufnahme von Alterspatienten anzulasten: „Man möge nicht glauben, die Verweildauer sei deshalb im Berichtsjahr nicht abgesunken, sondern gleich geblieben, weil unsere therapeutische Aktivität das Bärenlager der Selbstgenügsamkeit aufgesucht habe. Vielmehr erscheint eben diese Aktivität aus gänzlich anderen Ursachen nicht auf der Bühne der Zahlen. Der Ansturm der ,Alterspsychosen‘, also vornehmlich der senil-arteriosklerotischen Hirnverschleiss-Krankheiten ist nämlich im Berichtsjahr weiterhin gewachsen und hat unsere bei den eigentlichen Gemüts- und Geisteskrankheiten erzielten therapeutischen Erfolge nach außen hin vollkommen weggewischt.”

Döblin selbst hatte in seinem literarischen Werk diese alterserkrankten, verwirrten Patienten, die Overhamm im Blick hatte, wie selbstverständlich mit aus heutiger Sicht abschätzigen Ausdrücken belegt. So bezeichnet James Mackenzie bei der Beschreibung des alten König Lear in Döblins letztem Werk „Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende” von 1956 diesen als im höheren Alter „verblödet”, als an „Altersschwachsinn”, an einer „senilen Verblödung” leidend.

Es passt zum Erkrankungsbild von, nicht aber zum Umgang mit Döblin, was Overhamm zur damaligen Ansicht gegenüber psychiatrischen Alterserkrankungen anmerkte. Er betrachtete die unzureichenden Versorgungsstrukturen für Demenzerkrankte im Lande Baden-Württemberg im Allgemeinen und in Emmendingen im Besonderen dabei als Politikum: „Unsere eigenen Aufnahmezahlen des Jahres 1957 schließen rund 20 % Alterspsychosen ein. Die alten, hirnorganisch abgebauten, verwirrten und unsauberen Menschen, die uns im Berichtsjahr zugeführt wurden (weil kein allgemeines Krankenhaus, kein caritatives Heim, keine kommunale Pflegeeinrichtung mit ihnen fertig wurde) bedeuten natürlich auch für uns keine aussichtsreichen ,Behandlungsfälle‘. Sie verstopfen unsere Abteilungen, überfordern durch das Unmaß pflegerischer Mühe, das sie erfordern, die Dienstfreudigkeit unseres Pflegepersonals und verschlechtern durch ihr unabwendbares Sterben unsere Statistik. Weit unerfreulicher aber noch: von den Angehörigen dieser Gruppe von Patienten ernten wir so gut wie nie eine Dankesbezeugung, sondern allermeist Vorwürfe und Anklagen. Höchst selten wird die zivile ,unsichtbare Flagge‘, die über unseren ,geriatrischen‘ Abteilungen flattert, gebührend salutiert.”

Auch Döblin hatte den Dienst in einer solchen „Siechenabteilung” mit Blick auf Prüll beschrieben, allerdings fast 50 Jahre früher und aus einer ganz anderen Perspektive: „Hier herrscht das eigentliche Krankenhaussystem. Bett neben Bett in vielen Sälen, Pfleger und Pflegerinnen gehen auf und ab; es ist ein strenger, schwerer Dienst.”

Für Döblin selbst schloss sich mit der Aufnahme im PLK Emmendingen ein Kreis. Er diktierte noch in Buchenbach eine Woche vor seiner Verlegung nach Emmendingen einen Brief mit folgendem Inhalt: „Als Anstaltsarzt habe ich meine Laufbahn begonnen”, damit meint er erneut Prüll, „so kann ich sie auch abschließen. Ich wähle Emmendingen”.

Für das PLK Emmendingen allerdings sei er ein „reiner Pflegefall”, zudem multimorbide. Dies wird ausdrücklich so im Krankenblatt vermerkt - also gerade das, was man im PLK nicht haben wollte. Als Aufnahmediagnose wird angegeben, dass er an einem „Parkinsonismus”, an „Arteriosklerose”, an einer „Prostatahypertrophie” und an einem „Blasendivertikel” leide. Neumann, ein dortiger Arzt und zugleich Biograf Döblins aus Emmendingen, erklärt, warum Döblin nach der Behandlung in Wiesneck nicht andernorts untergebracht worden sei. Demnach hätte Frau Döblin zunächst alternative Unterbringungsmöglichkeiten abgelehnt, da sie hoffte, er könne weiter in Wiesneck verbleiben. Später hätte sie angesichts des hohen Pflegeaufwandes lediglich die Wahl gehabt, ihn zu einem auch damals unerschwinglichen Preis von 2500,- DM im Bellevue in Kreuzlingen unterzubringen, wobei das Ehepaar Döblin diese Stadt und Einrichtung schon von ihrer Flucht aus Deutschland her kannten, oder ihn eben in Emmendingen zu günstigeren Konditionen behandeln zu lassen. Die hier entstandenen Kosten beliefen sich schließlich für seinen 3,5-wöchigen Aufenthalt auf 525,- DM.

Döblin wurde also am 1.6.1957 im PLK Emmendingen auf Station MH2 aufgenommen. Sie war 1957 ein Aufnahme-Haus für ruhige Männer. Dort dürfte die Situation im Vergleich zu den Zuständen auf anderen, sog. „unruhigen” Stationen des Hauses, relativ gesehen, besser gewesen sein. Direktor Overhamm bezeichnete die Station Döblins, MH2, dennoch unumwunden als „vollgestopft”. Als normale Belegung waren eigentlich 50 Betten ausgewiesen, womit man eine Überbelegung von 12 Betten konstatierte. 20 % der Patienten waren bettlägerig. Zum aktuellen Zustand der Station 1957 wird genauer ausgeführt: „Das Zentralheizungssystem ist völlig veraltet, unwirtschaftlich und untauglich. Die Installationen und sanitären Einrichtungen müssen erneuert werden, ebenso die gesamten Innen- und Aussenanstriche. Die letzte Herstellung erfolgte vor dem Krieg. Das Gebäude ist verwohnt. Arzt und Personalzimmer haben keinen Wasseranschluss.”

Döblins letzte Lebenswochen aus ärztlicher Sicht schildert der o. g. Arzt Neumann in seinem Buch über das Leben, Wirken und Sterben Alfred Döblins aus dem Jahre 1982: „Mit Kissen unterstützt saß Döblin im Sessel und begrüßte Dr. Janssen freundlich, reichte ihm die Hand und wies als erfahrener Nervenarzt auf die Überstreckbarkeit der Finger an beiden Händen hin, die aber in Ruhestellung wie Fallhände nach Paresen der peripheren Nerven aussahen. (…) Bei bestimmten Bewegungen lokalisierte Döblin Schmerzen auf der linken Seite, die jedoch nicht eindeutig auszumachen waren. Trotz schwerer räumlicher Beengung infolge chronischer Überbelegung wurde im PLK Emmendingen für Döblin ein Zimmer ausgeräumt, ein Nachtstuhl für ihn, ein Sessel für seine Frau und Stühle für die Besucher herbeigeschafft. Karl Alber, sein damaliger Verleger in Freiburg, übersandte uns noch einige Bilder, die man aufhängte. Für eine Pflegerin war ebenfalls eine Unterkunft zu beschaffen. Als diese am 12.6. gekündigt hatte - die Anforderungen des Patienten Döblin waren kaum zu erfüllen und sein Betragen auf Dauer nicht zu ertragen - musste für einen Pfleger ebenfalls eine Unterkunft besorgt werden. (…) Döblin war weitgehend zeitlich und örtlich orientiert, wusste auch durchaus um seine Aufnahme ins Landeskrankenhaus und erzählte auch ab und zu, wenn auch mit schwacher Stimme, dass er selbst etwa ein Jahr in der Heil- und Pflegeanstalt Regensburg gearbeitet habe. Daten und Namen konnte er nur schlecht angeben oder sich merken, hingegen wusste er erstaunlich gut über seine Erkrankungen zu berichten, wenn auch manche Einzelheiten ihm entfielen. Aber auch hier blieb er sich gleich: Sein scharfer Geist blitzte ab und zu auf und ließ an Personen und Dingen oft nur das Negative aufleuchten. Daneben war er dann tagelang oft humorvoll und heiter, es musste ihm allerdings gut gehen. (…)”

Ein damaliger Pfleger im Wachsaal, der auch einmal wöchentlich 24-Stunden-Dienst bei Döblin leistete, berichtete sinngemäß Folgendes über seinen Patienten: Herr Dr. Döblin war im ersten Obergeschoss in MH2 untergebracht. Bevor er zur Aufnahme kam, wurden zwei Zimmer für ihn geräumt und völlig renoviert. Dies stellte einen „sensationellen” Vorgang dar. So waren auch extra neue Vorhänge und Bilder aufgehängt worden. Er als Pfleger sei über diese übertriebene Vorgehensweise sehr verwundert gewesen, wo es doch den anderen Patienten ganz anders erging.

Herr Döblin sei sehr pflegeintensiv und ausgezehrt gewesen. Er hätte keine 50 kg mehr gewogen. - Döblin hatte einmal seine Mutter als „Gerippe mit starren Gliedern” beschrieben, was jetzt auf ihn zutraf. - Jeder Pfleger, der ihn 24 Stunden betreute, hätte freies Essen und 5,- DM erhalten - eine willkommene Aufbesserung des kargen Salärs. Wenn Herr Döblin allein gewesen sei, hätte er sich recht elitär gegeben und verlangt, dass man nur Englisch mit ihm spreche - was er übrigens nicht sonderlich gut beherrschte. Döblin reklamierte für sich eine „Fremdsprachenblindheit”. - Er hätte auch über ein Repertoire von Schimpfwörtern verfügt. Diese Belegung mit Verbalinjurien machte auch vor Ärzten keinen Halt, wie in der Krankengeschichte dokumentiert: Herr Döblin „erging sich in wüste und geradezu unanständige Schimpferei gegen den diensttuenden Arzt”. - Wegen seiner traumatischen Erfahrungen mit den Nationalsozialisten hätte man für dieses Verhalten zumindest im Ansatz Verständnis gehabt.

Aus der bisherigen Darstellung könnte der Eindruck entstehen, Döblin hätte an einer ausgeprägten Demenz gelitten. Sie haben jedoch sicherlich für sich schon selbst diagnostiziert, dass er wohl nur an einer leichtgradigen Demenz erkrankt war. Im Vordergrund standen rezidivierende akute Verwirrtheitszustände, möglicherweise auf dem Boden einer vaskulären, d. h. gefäßbedingten Enzephalopathie. Nach der neuesten Klassifikation diagnostiziert man diese Verwirrtheitszustände als rezidivierendes „delirantes Syndrom”, das auf dem Boden seiner Multimorbidität und den daraus resultierenden Komplikationen entstanden ist - ICD-10: F05.1. Im Intervall scheint Döblin orientiert gewesen zu sein und auch nur geringe Gedächtnisstörungen gezeigt zu haben.

Die weitere Behandlung Döblins warf sicherlich einige Konflikte auf. Er war, trotz aller Verdrängungsversuche, eine bekannte Persönlichkeit, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog, auch auf die Einrichtung an sich und deren dokumentiert und angemahnt schlechten Versorgungsbedingungen. Für Döblin selbst wurden dabei allerdings gänzlich andere Lebens- und Versorgungsbedingungen geschaffen. Als Schriftsteller hatte er den moralischen Zeigefinger gegen Deutschland erhoben und immer wieder an die nationalsozialistische Vergangenheit gemahnt, die man im Nachkriegsdeutschland rasch vergessen wollte. Als Patient litt er an einer Erkrankung, die man in zunehmenden Maße aus der Psychiatrie verbannt wissen wollte, er war pflegeintensiv, ließ nicht gerne an sich heran, sondern beschimpfte vielmehr mitunter, wenn er verwirrter war, die ihn Pflegenden oder behandelte sie herablassend. Seine Behandlung versprach keine tief greifende Verbesserung seines Zustandsbildes, was man gerne in der damaligen Psychiatrie gesehen hätte, sondern vielmehr Siechtum und Tod, was man aus der Psychiatrie verbannen und an Heime weiterleiten wollte. Da er Besuch von Kapazitäten des eigenen Hauses und auch von auswärts erhielt, musste man zusätzlich mit einer besonderen Überwachung rechnen. Seine Pflege blockierte Raumkapazitäten auf einer ohnehin überfüllten Station.

Döblin starb schließlich 78-jährig nach etwas über drei Wochen Behandlung im PLK Emmendingen. Er starb, trotz Antibiotikagabe, am 26.6.1957 um 12.00 Uhr mittags im Beisein seiner Ehefrau er an einer Urosepsis. Nach seinem Tode sandte Erna Döblin ein Telegramm an die Söhne: „Papa heute sanft eingeschlafen. Beerdigung Housseras. Denkt an ihn. Mutter”. Döblin wurde am 28.6.1957 nach Frankreich überführt. Nach seinem Tod hielt das PLK den Bestattungsort zunächst auf Wunsch der Angehörigen geheim. Es entsprach dem Wunsch von Frau Döblin, ihn „ohne Anteilnahme der Öffentlichkeit nur im engsten Familienkreise” zu beerdigen. Er fand in Housseras in den Ost-Vogesen (zwischen St. Dié und Rambersvillers), wo sein Sohn Wolfgang auf Seiten der Franzosen gefallen und beerdigt worden war, seine letzte Ruhestätte. Drei Monate später, nach ihrem Freitod am 15.9.1957 in Paris, wurde auch seine Ehefrau Erna dort beerdigt. Die Grabinschrift Döblins lautet: „Alfred Doblin, Né le 10. Aout 1879, Mort le 26. Juin 1957”. Darüber steht schlicht: „fiat voluntas tua”.

Döblin hatte sich schon mehrfach Gedanken zum Tod, auch zu seinem eigenen, gemacht. „Ich halte den Tod, wenn er nicht zu früh kommt, für ein sehr natürliches, uns angepasstes Ereignis. Im Laufe einiger Jahrzehnte haben wir reiflich Zeit, uns mit den Mängeln und Ecken unserer Persönlichkeit zu befassen. Man kennt sich allmählich gründlich und möchte umziehen.”

Literatur

  • 1 Richter G. Dr. med. Alfred Döblin, Arzt, Schriftsteller, Patient, und das Psychiatrische Landeskrankenhaus Emmendingen 1957. Watzka V (Hrsg) In: „s Eige zeige”. Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte. 15/2001. Emmendingen; 2000: 39-86

Dr. Gabriel Richter

Zentrum für Psychiatrie Emmendingen

Neubronnstraße 25

79312 Emmendingen

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